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E R S A N: Das Gebet seiner Väter
E R S A N: Das Gebet seiner Väter
E R S A N: Das Gebet seiner Väter
eBook267 Seiten3 Stunden

E R S A N: Das Gebet seiner Väter

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Über dieses E-Book

An alle türkischen Mitbürger und E-Book Leser!
Ein türkischer Junge, in der Türkei, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, hat den inneren Drang, zu Lernen und zu Lernen, alles was ihm Wichtig erscheint. Die Schule, in Eski-Datca, muss er vorzeitig verlassen. Sein Lehrer kann ihm leider nichts mehr beibringen und seinen Eltern geht es genau so Da entscheidet der Vater: "Ersan geh raus, raus in die Welt, lerne alles was du für wichtig verspürst. Ziehe nach Norden, mein Sohn, da liegt deine Zukunft!!!"
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum5. Feb. 2018
ISBN9783742751911
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    Buchvorschau

    E R S A N - Dieter Gronau /// AMEISE

    Überschrift 1

    Dank, hab Dank!" Betete Emine, auf den Knien stehend, ihren Sohn in die Höhe hebend neben der noch immer knienden und unentwegt betenden alten Frau, der Hebamme.

    Am Himmel zogen jetzt zwei Falken mit ihrem unverkennbaren Krächzen ihre steten Kreise am Himmel. Hatte das etwas zu bedeuten? Zwei Falken? Vorher war es nur einer, der etwas aufgeschreckt dort oben am Himmel seine Kreise zog. Woher kam so plötzlich der zweite Falke? War es ein Omen? Ein gutes oder ein schlechtes Omen? Wer wagt es schon, heute so viel zu wissen und eine Deutung zu wagen! Der Mensch macht es sich doch alles viel einfacher und nennt es einfach das Schicksal.!

    Als Jusuf, von der Ziegenweide nach Hause zurückkehrte, begann er zu taumeln. Seine beiden Knie schienen zu versagen. Er sank auf der Stelle nieder, als er das Geschrei eines Kindes hörte. Vielleicht ahnte er es auch, das es ein Sohn sein würde, den Wunsch hatte ihm Allah endlich erfüllt.

    „Oh Allah, du Allmächtiger, du Gnädiger hast mein Flehen erhört! Ein Sohn! Ersan, du Göttlicher, bist endlich da! Oh Allah, hab tausend Dank!" Nahm seinen Sohn, hob ihn in beiden Händen haltend hoch, preisend und verneigend in alle vier Himmelsrichtungen

    Danach gab Jusuf seinen Sohn der Mutter wieder, küsste und umarmte beide liebevoll, tat das gleiche  mit der alten Frau, der Hebamme, rannte in den Hühnerstall, ergriff seinen stolzen Hahn, der wild vor Angst schrie und mit den Beinen und Flügel wild um sich schlug, schlug ihm mit einer Axt auf einem Holzklotz den Kopf ab, ließ das warme Blut in seinen offenen Mund tropfen und reichte schließlich den noch immer zappelnden Hahn der alten Frau als Dank und höchste Anerkennung.

    „Hab Dank, gute Frau, du hast geholfen meinen Herzenswunsch zu erfüllen, einen Sohn, ein Ersan, mein und unser Ersan! Nimm das als Dank und kleine Anerkennung! Allah möge immer an deiner Seite stehen! Hab Dank! Hab Dank!"

    „Ach Jusuf, du hast ein zu gutes Herz, deshalb hast du es nie zu Reichtum und Ehre gebracht. Aber dein Sohn, Ersan, soll es besser machen. Du verschenkst deinen besten Hahn an mich? Ich fühle mich sehr geehrte!"

    „Gute Frau, reichst du eine Hand, so erhältst du tausende zurück! Ich bin damit bisher immer gut gefahren. Was bedeutet mir schon Reichtum? Ich habe meine Familie, stets ausreichend und gut zu essen und reichlich zu trinken, gegeben, das ist doch das höchste Gut auf Erden! Alle meine Töchter, meine Frau und ich und jetzt auch Ersan, wir alle sind gesund. Das ist mehr als alles Geld auf dieser Welt!" Er kniete mit der alten Frau nieder und murmelte sein Dankesgebet. Ein Text, den nur er kannte und keiner mithören durfte und sollte, deshalb vernahm man immer nur ein Gemurmel und konnte kein einziges Wort, wie bei anderen Gebeten, verstehen. Diesen Gebetstext hatte Jusuf, kurz bevor sein Vater verstarb, von ihm übernommen. Das war in der Familie schon seit Jahrhunderten so Sitte. Dieses Dankesgebet, den Text, durfte nur der erstgeborene Sohn, erfahren und benutzen. Dieser Gebetstext soll magische Kräfte ansprechen und Fluch und Unglück von der Familie fernhalten. Jusuf wird auch, wenn die Zeit für einen Abschied kommt, den Text an Ersan weitergeben. Der Text stammt von Allah, so glaubte Jusuf und seine Familie. Und nur von ihm jeweils für den erst geboren Sohn bestimmt. Wenn dagegen verstoßen werde, soll Fluch und Krankheit über die gesamte Familie kommen und alle vernichten! nachdem Emine sich von den Strapazen der

    Geburt erholt hatte, bereitete Jusuf ein großes Fest vor. Es sollte, wie es so üblich war, die ganze Familie an dem Glück von Jusuf teilhaben. Die Familie bestand inzwischen von über 200 Menschen. Das war der halbe Ort Eski-Datca und sollte in der ersten Woche nach der Geburt geschehen. Jusuf war voll damit beschäftigt, alle zu verständigen und alles zu organisieren. In der Region Datca, war es üblich, bei so einem Ereignis, so eine große Feier, beteiligten sich alle weiblichen Familienmitglieder bei der Zubereitung der Speisen und Getränke. Somit könnten an so einem Fest noch wesentlich mehr Gäste teilnehmen. Es war eben eine Feier der Familie und alle halfen mit und trugen zum Gelingen bei. Eine schöne Sitte. In Deutschland wäre so etwas unmöglich oder würde ein kleines Vermögen kosten.

    Nach dieser Feier verging ein Jahr nach dem anderen. Ersan wuchs heran, kam in die Schule und wurde schnell zu einem der besten Schüler in seinem Alter. Er begriff alles sehr schnell und wusste manchmal schon die richtige Antwort bevor der Lehrer eine Frage ausgesprochen hatte. Ersan übersprang zwei Schulklassen und war nach kurzer Zeit wieder Klassenbester. Der Schuldirektor stand vor einem Rätsel. So einen Schüler hatte er in seinem ganzen Leben noch nie unterrichtet. Mit 12 Jahren wusste Ersan, wo es die besten Futterplätze für die Ziegen seines Vaters gab, wo es zu der betreffenden Jahreszeit, auch bei extremer Dürre, noch immer genug für die Ziegen seiner Familie zu fressen gab und immer noch ausreichend Wasser für die inzwischen große Ziegenherde gab. Einige Bauern befragten Ersan und holten sich Rat bei ihm. Ersan erhielt dann als Lohn frischen Ziegenkäse, einen Beutel Mandeln oder Obst aus dem Garten. Ersan war der Meinung, er brauchte nie lange nachzudenken, stellte man ihm eine Frage oder bat um Rat. Er verblüffte alle Bewohner von Eski-Datca und Umgebung. Eines Tages setzte sich Jusuf neben seinen Sohn und sprach: Ersan, mein Sohn! Eski-Datca ist bald kein Ort mehr für dich mein Sohn. Du bist zu Größerem geboren! Dir gehört die Welt! Das wirst du schaffen, was ich nie erreicht habe! Zieh in die Welt hinaus! Auf eine höhere Schule kann ich dich leider nicht schicken, selbst wenn die ganze Familie mithilft. Du hast dein Ziel und wirst es irgendwann erreichen. Du bist jetzt 13 Jahre und schon so klug, wie ich mit 30. Morgen Nacht, wenn es schön kühl ist, sollst du fortgehen, mein geliebter Sohn! Ich werde dann als dein Vater für dich hinscheiden, du erhältst das Familiengebet deiner Väter als kleinen Schatz und Schutz, behüte es gut und nutze es, genau wie ich es immer getan habe und alle meine Väter vor mir! Ich übergebe dich damit einem anderen Vater, nämlich Allah! Ab morgen hast du nur ihn als deinen Vater. Höre seine Worte und befolge seine Ratschläge! Unterwies Jusuf mit Tränen in den Augen seinen geliebten Sohn, Ersan.

    „Vater ist das wirklich dein freier Wille, oder hat man dich dazu gezwungen?" Sinnierte Ersan halblaut vor sich hin.

    „Nein mein Sohn, es ist mein Wunsch und Allahs Wille. Es ist das Beste für dich! Zieh immer nach Norden, denn dort leben viele schlechte aber auch gute Menschen. Du bist klug genug und wirst sie schnell richtig unterscheiden können und deinen vorgezeigten Weg gehen! Denke an und nutze stets unser Gebet, denn so kannst du auch aus der Ferne unsere und deine Familie schützen."

    „Vater, ich bekomme Herzschmerz und Kopfweh. Was erwartest du von mir alles? Ich bin doch noch ein kleiner Junge, erst 13 Jahre alt!" Stammelte Ersan etwas verzweifelt, blickte seinem Vater in die Augen und begann ebenfalls laut zu weinen.

    „Sei still sonst hört uns noch deine Mutter und deine Schwestern!"

    „Weiß Mutter von dem, was du mit mir vorhast, von deinem Entschluss?"

    „Ja, sie weiß es und findet es richtig. Für Menschen, wie dich, ist hier kein Platz. Du würdest wie in einem Käfig hier leben und elendig verkümmern."

    Überschrift 2

    „Also, mein geliebter Sohn, jetzt ist es mir leichter ums Herz. Ich fühle mich von einer großen Last befreit und bin glücklich, es dir endlich gesagt zu haben. Ich habe Tage und Nächte mit mir selber gerungen, mir bei Emine, deiner Mutter, Rat und Trost geholt, Allah angefleht um Unterstützung, aber keine Antwort erhalten, nur das gute Gefühl in meinem Herzen, es so richtig zu machen. Nun ist alles gesagt! Komm, lass dich noch einmal drücken, mein großer Sohn, Ersan!"

    Arm in Arm gingen Vater und Sohn hinter das uralte aus Lehmziegeln gebaute Haus. Unter vier Olivenbäumen war eine Plane gespannt, der Erdboden war mit alten Teppichen bedeckt. An einer Seite stand ein gemauerter offener Backofen, der einen herrlichen Duft von gebackenem Brot verbreitete. Im Sommer, den vielen heißen Tagen und Nächten schlief die ganze Familie Jusuf und Emine hier draußen im Garten. Im Haus konnte man sich nicht lange aufhalten, denn dort herrschten mittags Temperaturen von 60 Grad und mehr. Nachts war es im Haus auch immer noch zu heiß um zu schlafen.

    So lebte im Sommer fast der ganze Ort Eski-Datca ausschließlich Tag und Nacht im Freien. Kein Haus befand sich im kühlenden Schatten eines Baumes. Das hatte im Winter wieder den Vorteil, die Sonne konnte die Lehmziegelwände vorzüglich aufheizen und es war ständig wohlig warm und trocken.

    Diese Nacht konnte Ersan kaum schlafen. Zu viele Gedanken schossen ihm durch den jungen Kopf. Aber dennoch glückte es, ein paar Stunden erholsamen Tiefschlaf zu ergattern. Die Sonne meldete sich am Horizont im Osten. Ersan erledigte, wie gewohnt, gleich nach seinem Vater, die Morgentoilette am Brunnen im Garten hinter dem Haus. Ersan ging nach seinem Frühstück, einige Schluck frische Ziegenmilch, einem Stück Brot mit selbstgemachter Aprikosenkonfitüre, wie an jedem Morgen, in die Schule. Es sollte das letzte Mal sein, das ihn seine Kameraden noch einmal sehen sollten. Heute wurde in zwei Schulstunden über Astrologie gesprochen, die Sternbilder und wie man sich nach den Sternen orientieren konnte. Das passte sehr gut zu Ersan seinem Vorhaben.

    „Der Polarstern steht immer im Norden, dann ist immer da Süden, Osten und Westen, stimmt?"

    „Jawohl, Hellseher, genauso ist es! bestätigte der alte Schuldirektor „Willst du heute eine Wanderung unternehmen? Fragte der Schuldirektor weiter Ersan

    „Wenn der wüsste! Wer war hier jetzt der Hellseher? Der Direktor, oder Ersan?" Murmelte er halblaut vor sich hin und verfolgte aufmerksam, wie immer, den weiteren Unterricht

    „Wenn der Alte da vorne wüsste, das ich inzwischen viel mehr von der Sternenwelt am Himmel verstand, als er, der sich jeden Tag zuvor auf seine Unterrichtstunden am nächsten Tag vorbereiten musste. Nach so vielen Jahren Schulunterricht, muss er doch schon alles auswendig kennen," murmelte Ersan und dachte an den Polarstern, den hellsten, der immer genau im Norden stand. Er sollte sein Zielstern auf seinem Weg in den Norden, in eine interessantere Welt, sein. Das hatte er sich fest vorgenommen. Es stand fest, immer nach Norden, ganz egal wie, das sollte seine Zielrichtung für die kommenden Monate und Jahre sein.

    Zwei Stunden vor Mitternacht schnürte Ersan sein kleines Bündel, ein kleiner, alter Rucksack, der gut zu seiner noch jungenhaften Statur passte. Etwas Käse, Brot, zwei Flaschen Wasser aus dem heimischen Brunnen und ein Schulbuch über Astrologie verschwanden rasch im Rucksack. Er griff noch rasch nach einem Stück selbstgemachter Seife von seiner Mutter und warf den Rucksack über die rechte Schulter. Der Vollmond ließ den Garten in einem magischen Licht erscheinen.

    „He Vater, du bist auch schon das!"

    „Ja, mein Sohn, ich warte schon eine Weile auf dich. Lass uns ein Stück durch unseren Garten gemeinsam gehen!"

    „Du Vater, ich habe mich gar nicht von Mutter und meinen Schwestern verabschiedet?"

    „Ist alles schon in Ordnung! Geh nur ruhig! Sie wissen Bescheid und finden deine Entscheidung richtig. Sie wünschen dir viel Glück!"

    „Autsch, verdammt, dieser verflixte Stein, er bringt mich immer zum Stolpern. Wie oft wollte ich ihn schon ins Gemüsebeet werfen!" Voller Schmerz humpelte der Vater neben Ersan weiter.

    „Zu ärgerlich! Ich glaube, ich kehre lieber um. Komm Ersan, mein geliebter Sohn, laß dich ein vorerst letztes Mal fest an mich drücken und umarmen. Machs gut, mein geliebter Ersan, mach es besser als ich. Du erreichst dein Ziel, das weiß ich. Mir war es leider nicht vergönnt und möglich.!" Nach diesen Worten befreite sich der Vater aus der Umklammerung mit seinem Sohn und schob ihn sachte etwas von sich fort.

    „Ersan, lass dich noch einmal fest anschauen! Ich blicke in das vom Mondschein erhellte knabenhafte Gesicht eines jungen Mannes, der genau weiß, was er will, der ein festes Ziel vor sich hat! Alles Gute, mein Junge!" Ersan blickte in das von Tränen durchnässte Gesicht von seinem Vater und drückte nacheinander beide Wangen zum Abschied an die seines Vaters.

    Komisch, Ersan spürte dabei nicht die Tränennässe auf dem Gesicht seines Vaters. Der drehte sich abrupt um, ging mit hochangezogenen Schultern, leicht humpelnd und im Nachtwind leicht wehendem Gewand auf einen alten Olivenbaum zu, unter dem Ersan vor 13 Jahren das Licht der Welt erblickt hatte und verschwand hinter dem fast einen Meter dicken Baumstamm.

    Ersan drehte sich noch einmal vollends um und blickte Abschied nehmend zu seinem Elternhaus. Um diese frühe Morgenstunde war schon jemand im Haus. Um diese Zeit schliefen doch noch alle im Garten, in der morgendlichen Kühle unter den vier Olivenbäumen. Ein Zimmer wurde von dem Schein einer Öllampe erhellt. Auf dem Fenstertuch konnte Ersan ganz deutlich den Schatten einer Frau erkennen.

    „Bist du es, Mutter?" Der Schatten richtete sich auf und hob eine Hand wie zu einem Gruß.

    „He, was ist das? Da stand Vater im Mondlicht direkt neben dem Brunnen und blickte starr in seine Richtung.

    „Das gibt’s doch gar nicht! Vater war doch eben direkt neben mir. Mit seinem verstauchten Fuß konnte er doch unmöglich schon den weiten Weg bis zum Brunnen gegangen sein.

    „Warst du Vater eben bei mir? Warst du es wirklich?"

    Ein Schwall aus Tränen ergoss sich über Ersans Gesicht. Er konnte vor Abschiedsschmerz nicht mehr gerade weitergehen. Er heulte lautlos vor sich hin.

    „Gut mein Junge, Ersan! Nun bin ich dein Begleiter für dein weiteres Leben. Ich habe dich in die Welt gesetzt und dich geschult in Eski-Datca, so gut es eben an diesem Ort ging. Jetzt wirst du die Schule der Welt, unter meiner Anleitung, erfahren. Du wirst gute und viele schlechte Menschen kennenlernen. Aber sei getrost, ich bin immer bei dir, als dein Vater, der mehr ist als dein leiblicher Vater! Nun gut, das soll erst einmal reichen. Ersan, geh noch eine Weile durch die Felder, bis du an einen kleinen Tümpel kommst, der von einem Quellwasserbach gespeist wird. Dort ruhe dich noch ein paar Stunden aus. Wenn dich die Sonne wieder weckt, gehst du weiter, bis du an eine Verkehrsstraße kommst. Versuche mit einem LKW mitzufahren, so kommst ein gutes Stück weiter in Richtung Norden. Halte niemals ein Auto bei Nacht an, um mitzufahren. Bei Tage kannst du das Gesicht des Fahrers sehen. Das ist ganz wichtig!" So tönte es mit tiefer, wohltuend klingender Stimme zu Ersan.

    „Wer bist du? Wo bist du? Zeige dich, ich fürchte mich nicht!"

    „Nein, du musst mich nicht sehen! Es reicht, wenn ich zu dir spreche!"

    Eine dunkle Wolke schob sich vor den Vollmond und verdunkelte die Umgebung um Ersan herum. Er blickte neugierig zum Himmel hinauf und suchte den Polarstern. Da zuckten zwei Sternschnuppen in langgestrecktem Bogen in Richtung Erde und erloschen nach ein paar Sekunden wieder.

    „Zwei Sternschnuppen nebeneinander, wie ungewöhnlich. Ich habe noch nicht mal eine Sternschnuppe in meinem bisherigen Leben gesehen und jetzt, gleich zwei! Wie wunderbar ist dies alles heute Nacht! Jetzt werde ich den weisen Rat befolgen und den besagten Tümpel suchen!" Sprach Ersan laut vor sich hin, um seine innere Angst zu zerreden. Unheimlich erschien ihm inzwischen schon alles. Da spielten höhere Mächte mit, davon war Ersan inzwischen überzeugt und glaubte fest daran. Ersan stolperte mehr, als das er ging, über den kleinen Acker in Richtung Norden.  Nach einer Weile des Schweigens, glitzerte etwas vor ihm im Mondlicht. Es war ein schmaler Bach, der munter in eine Richtung plätscherte.

    „Da bist du ja, mein angekündigter Wegweiser der Nacht! Nun zeige mir mal den Tümpel, wo ich den Rest der Nacht verbringen kann und soll!" Ersan folgte dem Bachlauf. Nach einer Weile, etwa einer halben Stunde, schimmerte etwas Großflächiges im Mondlicht vor ihm.

    „Na siehste! Ich bin am Ziel für heute. Irgendwie sind meine beiden Beine jetzt auch sehr schwer. Wieso eigentlich, nach einem so kleinen Fußmarsch. Ich bin doch gewohnt stundenlang zu laufen und zu marschieren"

    Er suchte sich am Tümpelrand einen geeigneten Platz für sein Nachtlager. Verrichtete sein Nachtgebet. Das erste Mal ohne die Nähe seiner Eltern und Schwestern. Er sprach den von seinem Vater überlieferten Gebetstext halblaut vor sich hin, nahm noch ein paar Schluck Wasser, legte sich der Länge nach auf den Rücken auf den weichen Grasboden, bettete seinen Kopf auf seinen kleinen Rucksack und blickte hinauf zum Himmel mit den unendlich vielen Sternen. Beim Betrachten der Sterne, schlief Ersan auch kurz darauf ein. Heute Nacht hatte er keinen Traum. Er war zu erschöpft von den vielen Eindrücken und Erlebnissen der vergangenen Stunden.

    Ein warmer Sonnenstrahl, der direkt in sein Gesicht viel, weckte Ersan etliche Stunden später wieder auf. Er setzte sich erschrocken auf und betrachtete seine Umgebung

    „Wo bin ich hier? Wieso bin ich nicht zu Hause bei Mutter und Vater? Was war mit ihm geschehen?"

    Langsam dämmerte es Ersan und er konnte sich die vergangenen Stunden zusammenreimen und erklären.

    „Was man mal anfängt, soll man auch zu Ende bringen! Also los!"

    Ersan schnürte seinen Rucksack auf, brach sich ein Stück Brot, Brot, gebacken von seiner Mutter, ab, biss zwei-, dreimal in den köstlichen frischen Ziegenkäse, nahm zwei Schluck Wasser, wusch sich im Tümpel das Gesicht, die welligen pechschwarzen Haare, benetzte mit dem kühlen Nass aus dem Tümpel Arme und Beine und machte sich auf den Weg in Richtung Norden. Natürlich nicht, ohne vorher in einigen besinnlichen Minuten sein Morgen Gebet gen Osten zu verrichten. Einen kleinen Gebetsteppich, wie es bei den Männern so üblich war, hatte Ersan noch nicht. So reich war seine Familie nun doch nicht. So musste ein verwaschenes rotes Thieshirt den gleichen Dienst verrichten.

    Von einer Anhöhe sah er vor sich im Tal eine Verkehrsstraße. Hin und wieder fuhr dort e

    Überschrift 3

    Lastwagen, Bus oder Pkw entlang. Mit schnellen langgestreckten Beinen, war Ersan am Straßenrand

    „Welche Fahrtrichtung? Wo stand die Sonne? Das ist Westen, dann ist da Norden und Izmir und noch weiter Istanbul." Erklärte er sich selber halblaut. Nachdem sich Ersan für die richtige Reiserichtung entschieden hatte, versuchte er durch winken am Straßenrand ein Fahrzeug anzuhalten. Es dauerte eine ganze Weile. Keiner wollte den einsamen Jungen mit dem kleinen Rucksack mitnehmen.

    Doch endlich, ein riesiger Lastkraftwagen mit einem Anhänger voller Tomatenkisten hielt mit quietschenden und laut jaulenden Bremsen etwa 50 Meter weiter neben ihm an. Ersan lief schnell den Rest der Strecke bis zum endlich stehenden Lastkraftwagen. Die Beifahrertür des Fahrerhauses wurde mit Schwung aufgestoßen und wippte im Wind leicht hin und her. Ein kugelrundes Gesicht von einem ebenso kugelrunden Mann blickte lachend zu Ersan herab.

    „Na junger Mann,

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