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Ich habe dich im Auge
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eBook307 Seiten4 Stunden

Ich habe dich im Auge

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Über dieses E-Book

Ein Blick, der sich förmlich in den Körper drängt, sodass wir ihn spüren können, ohne ihn zu sehen. Allein dieses Kribbeln lässt uns instinktiv wissen, dass wir in diesem Moment beobachtet werden.
Alessa Ahrens ist eine attraktive junge Frau, die ein Vorzeigeleben führt. Dieses wird eines Tages auf den Kopf gestellt. Denn Nachstellung plagt von nun an ihren Alltag. Gleichzeitig erfrischt eine angehende Romanze ihr Leben und lässt sie sicher fühlen. Doch Alessa wird nicht die einzige Zielscheibe des Stalkers bleiben. Wem kann man noch vertrauen, wenn man nicht einmal sich selbst trauen kann? Dinge kommen ans Licht, die tiefe Abgründe aufreißen.
Der Feind ist manchmal näher, als man denkt.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum15. Aug. 2021
ISBN9783754152584
Ich habe dich im Auge
Autor

Ramona Paul

Ramona Paul wurde im Jahr 1995 im schönen Bayern geboren. Sie ist gelernte Einzelhandelskauffrau und Modedesignerin, doch nichts davon hat ihr die Erfüllung geboten, die sie sich gewünscht hat. Im Jahr 2021 hat sie ihren ersten Roman beendet und veröffentlicht. Seitdem ist sie Autorin und hat darin ihre Leidenschaft gefunden.

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    Buchvorschau

    Ich habe dich im Auge - Ramona Paul

    Ramona Paul

    Ich habe dich im Auge

    Ramona Paul wurde im Jahr 1995 im schönen Bayern geboren. Sie ist gelernte Einzelhandelskauffrau und Modedesignerin, doch nichts davon hat ihr die Erfüllung geboten, die sie sich gewünscht hat. Im Jahr 2021 hat sie ihren ersten Roman beendet und veröffentlicht. Seitdem ist sie Autorin und hat darin ihre Leidenschaft gefunden.

    Webseite: www.ramona-paul.de

    Ramona Paul

    Ich habe dich im Auge

    Thriller

    Impressum

    Copyright © 2021 by Ramona Paul

    Lektorat und Korrektorat Jonas Westhoff

    Covergestaltung Copyright © 2021 by Premiumsolns von der Plattform fiverr

    Verantwortlich

    für den Inhalt: Ramona Paul

    c/o Block Services

    Stuttgarter Str. 106

    70736 Fellbach

    www.ramona-paul.de

    ramonapaul.autorin@gmx.de

    Vertrieb: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin, www.epubli.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    1

    Ein Blick, der sich förmlich in den Körper drängt, sodass wir ihn spüren können, ohne ihn zu sehen. Allein dieses Kribbeln lässt uns instinktiv wissen, dass wir in diesem Moment beobachtet werden.

    Während meine Beine sich der erhöhten Geschwindigkeit des Laufbandes anpassten, spürte ich, dass jemandes Augen auf mir haften blieben. Ich drehte den Kopf etwas nach links. Ein paar Geräte weiter saß ein Mann strampelnd auf dem Fahrrad, während mich seine Augen fixierten.

    Sein Drei-Tage-Bart spiegelte die dunkle Farbe seiner Haare. Die Augenbrauen waren etwas zusammengezogen und leicht angehoben, sodass sich ein paar Falten auf seiner Stirn bildeten. Er hätte ein attraktives Gesicht, wenn er nicht so finster dreinblicken würde.

    Ich hatte ihn hier schon öfters gesehen; allerdings nie mit einer freundlichen Miene. Vor sechs Monaten hatte er mich einmal angesprochen, doch viel mehr als eine flüchtige Begrüßung war das eigentlich nicht gewesen, da uns damals ein Trainer unterbrach. Auch da war nicht allzu viel Sympathie in seinem Gesicht zu sehen gewesen. Er teilte mir mit wie er hieß, doch ich konnte mich nicht mehr daran erinnern. Es war ein kürzerer Name und ich glaubte, er begann mit einem F. Felix? Fabian? Finn? Flo?

    Innerhalb des letzten Jahres erwischte ich ihn immer wieder, wie er mich beobachtete. Mir war nicht klar, warum. Ich bekam ständig Komplimente wegen meines Aussehens, doch die Blicke der anderen Männer glichen seinem in nichts. War er schüchtern? Zu schüchtern, um zu lächeln?

    Höchstens zwei Sekunden nachdem sich unsere Augen trafen, wandte er sich ab und konzentrierte sich darauf, schneller in die Pedale zu treten.

    Ich erinnerte mich, dass vor wenigen Wochen mein Handy aufgeleuchtet war, weil ich eine Benachrichtigung erhalten hatte. Auf einer Social-Media-Plattform hatte jemand ein vier Jahre altes Selfie von mir mit „Gefällt mir" markiert. Bei näherem Betrachten erkannte ich auf den Profilbildern das Gesicht des Mannes, der mich gerade gemustert hatte.

    Hatte er gezielt nach mir gesucht? Oder war er zufällig über mein Profil gestolpert und hat es dann durchforstet?

    Durch dieses Ereignis schien er mir noch unheimlicher als ohnehin schon. Wobei ich mir selbst an die Nase fassen musste und zugab, dass auch ich bereits öfters in den sozialen Medien nach jemandem gesucht hatte, den ich interessant fand. Also sollte ich wohl nicht zu skeptisch sein. In der jetzigen Zeit war das vermutlich normal.

    Ein paar der Fotos hatten ihn mit einem breiten Lächeln gezeigt, das zugleich seine Augen warm und herzlich aussehen ließ. Dieser Ausdruck weckte sogar ein wenig Interesse in mir. Auf zwei weiteren Bildern war er gemeinsam mit einem Mann abgebildet, der schulterlange dunkelblonde Haare hatte und ein größeres Tattoo auf seinem Unterarm trug.

    Sein Profilname bestand aus wahllos zusammenhängenden Buchstaben und Zahlen, die keinen Hinweis auf seinen richtigen Namen zuließen.

    Meinen Blick richtete ich wieder geradeaus. Die Wand vor den Geräten war mit einem riesigen Spiegel versehen. Ich beobachtete mich darin. Meine langen blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Der Zopf schwang von der einen Seite zur anderen, mit einer Schnelligkeit als würde ich gleich abheben.

    Ich versuchte nicht weiter an den Mann zu denken. Stattdessen lenkte ich mich mit anderweitigen Gedanken ab.

    Da fiel mir wieder ein, wie ich vor knapp einer Stunde am Marienplatz, im Zentrum Münchens, auf meine Freundin gewartet hatte. Wir hatten uns dort um achtzehn Uhr verabredet, mit etwa zehn Minuten Verspätung war ich am Treffpunkt angekommen, doch von Fio war nichts zu sehen gewesen. Was unüblich war, denn für gewöhnlich war ich die Unpünktliche von uns beiden.

    Fünf Minuten später war sie noch immer nicht da. Auch eine Nachricht hatte sie nicht gesendet. Also rief ich sie an.

    „Fio, wo bist du denn?", hatte ich sie gefragt, als sie nach dem dritten Klingeln den Anruf entgegennahm.

    „Alessa? Sie klang verwirrt. „Wir hatten es doch auf morgen verschoben!

    „Was? Wann?"

    „Als ich am Dienstag bei dir war. Weißt du das nicht mehr? Ich hab dir geholfen den Kuchen für deine Arbeit zu backen. Hatte dir gesagt, dass mir Freitag etwas dazwischengekommen ist und ob wir die Verabredung auf Samstag verschieben können. Du meintest: Ja klar!"

    Jetzt war ich verwirrt.

    Fio hatte mir am Dienstag geholfen, einen Marmorkuchen für das Büro zu backen. Meine Chefin, Frau Dollmann, hatte am Mittwoch Geburtstag und dieses Jahr war ich an der Reihe gewesen, einen Kuchen mitzubringen. Doch ich erinnerte mich nicht an die Worte von meiner Freundin. Wobei ich zugeben musste, dass ich bei unserem Treffen teils in Gedanken vertieft war. Ich hatte es wohl überhört und die Information nicht abgespeichert.

    Was war aktuell nur los mit mir? In letzter Zeit war ich öfters durcheinander.

    Ich schob es auf den Stress, den es in der vergangenen Zeit auf der Arbeit gab.

    „Oh, das habe ich ja ganz vergessen. Tut mir leid, sagte ich. „Dann sehen wir uns morgen.

    „Bis dann." Dann hatte sie aufgelegt.

    Kopfschüttelnd versuchte ich mich an das Gespräch zu erinnern. Vergeblich.

    „Ich verliere noch meinen Verstand", flüsterte ich zu mir selbst und spazierte zur U-Bahn-Station. Ich beschloss nach Hause zu fahren und gleich weiter ins Fitnessstudio - den Kopf ein wenig frei bekommen.

    Nach einer halben Stunde stellte ich die Schnelligkeit von dem Laufband herunter, um langsam zum Ende zu gelangen.

    Als ich mich im Spiegel betrachtete, bemerkte ich, dass mein Gesicht eine etwas rötliche Farbe angenommen hatte. Der Atem ging schneller und mein Puls wurde durch die Anstrengung nach oben getrieben. Bei niedrigerer Geschwindigkeit versuchte ich ihn wieder nach unten zu bekommen.

    Da registrierte ich im Spiegel, wie der Mann von vorhin Richtung Ausgang schlenderte. Wie es aussah, war er fertig mit seinem Training für heute. Ich dachte, aus dem Augenwinkel gesehen zu haben, dass er sich nochmals umdrehte und zu mir spähte, bevor er aus dem Raum huschte. Doch ich war mir nicht sicher, ob er das wirklich tat.

    Bei nur fünf Kilometer die Stunde lief ich auf dem Band, bis auch ich kurze Zeit später die Halle verließ und zu meinem Spind marschierte. Als ich meine Sachen holte, begab ich mich auf den Heimweg. Von dem Fitnessstudio bis zu meiner Wohnung waren es nur zehn Minuten zu Fuß. Meistens duschte ich erst zu Hause, da die Duschen im Studio oft unhygienisch waren.

    Als ich die Straße entlang spazierte, überkam mich das unwohle Gefühl verfolgt zu werden. Ich spürte Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten und ein großes Unbehagen in mir auslösten. Ich drehte mich um. Eine alte Frau - konzentriert darauf ihren Rollator vor sich herzuschieben. Eine Mutter mit ihrem Kind, die gemeinsam über einen Zebrastreifen schlenderten. Die schienen mir wenig verdächtig. Doch ich sah noch jemanden und bekam schlagartig ein mulmiges Gefühl in der Bauchregion. Jemand lief circa zehn Meter hinter mir. Der Kopf unter der Kapuze war gesenkt, wodurch ich das Gesicht nicht erkennen konnte. Die schwarzen Sportshorts gaben kräftige Waden zu erkennen, die eindeutig zu der Statur eines Mannes gehörten. Darüber trug er eine schwarze Kapuzenjacke.

    Wurde ich verfolgt?

    Ich werde schon paranoid.

    Es war vermutlich nur jemand, der in dieselbe Richtung lief.

    Ich bog in die nächste Querstraße ein und genoss die letzten Sonnenstrahlen, die auf meiner Haut prickelten wie Brausestäbchen auf der Zunge, bevor die Sonne am Horizont verschwand.

    Ein paar Meter weiter warf ich automatisch einen Blick nach hinten, um mich zu vergewissern, dass ich nicht verfolgt wurde. Aber der Mann bog ebenfalls ab. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Was, wenn er sich doch an mich drangehängt hatte?

    Jedes Mal, wenn ich über die Schulter blickte, hatte ich das Gefühl, dass der Abstand zwischen uns kleiner wurde. Noch immer mit gesenktem Kopf schlenderte er hinter mir her. Sein durchbohrender Blick saß mir tief in den Knochen. Aber das Gesicht war zu sehr im Schatten der Kapuze verborgen, um etwas zu erkennen.

    Ich versuchte mich zu beruhigen. Die Panik zu ersticken. Was sollte er mir schon tun? Was für einen Grund sollte er haben? Es war gerade mal Viertel vor acht und etliche Menschen waren auf den Straßen Münchens unterwegs.

    Sicherlich steigerte ich mich da in etwas hinein. Aus Angst davor, dass mir so etwas erneut widerfahren würde. Denn vor zwei Jahren war ich schon einmal verfolgt und bedroht worden.

    In der Hoffnung, ihn nicht mehr im Rücken haben zu müssen, wechselte ich die Straßenseite. Doch als ich den gegenüberliegenden Gehweg erreichte, begab auch er sich auf dieselbe Seite. Ich beschleunigte meine Schritte. Anschließend tat auch er es.

    Nur noch eine Minute, dann bin ich zu Hause.

    Als der Mann mich so weit eingeholt hatte, dass er nur noch ein paar Schritte hinter mir war, blieb er auf einmal ruckartig stehen. Durch den Schatten über seinem Gesicht spürte ich das kribblige Gefühl seines Blickes auf mir. Ein kalter Schauer jagte mir über den Rücken.

    Da entdeckte ich meine Straße und bog ein. Endlich! Auf den letzten Metern wurde mein schneller Gang zu einem leichten Joggen. Als ich vor der Haustür ankam, wagte ich einen Blick zurück. Er war nicht zu sehen.

    2

    Ich flitzte die Treppen hoch in den zweiten Stock, in dem sich meine Wohnung befand. Darin angekommen, schlug ich die Tür, etwas fester als nötig, zu und sperrte sie doppelt ab.

    Bevor ich unter die Dusche sprang, spähte ich hastig durch das Badezimmerfenster auf die Straße hinunter. Niemand zu sehen.

    Beim Duschen prasselte das Wasser auf mich nieder. Noch immer leicht zitternd, versuchte ich die Panik den Abfluss hinunterzuspülen. Im Hintergrund hatte ich Musik angemacht, um mich zu beruhigen. Gerade so laut, dass ich sie unter dem Plätschern des Wassers hören konnte.

    Ein schrilles Geräusch ließ mich zusammenzucken. Die Klingel für die Wohnung. Erstarrt und mit pochendem Herzen stand ich da, während sich das warme Wasser um meinen Körper schlängelte. Ich erwartete keinen Besuch. Wer war das also? Der Mann, der mir offensichtlich gefolgt war?

    Schnell drehte ich das Wasser ab, blieb aber wie angewurzelt in der Dusche stehen. Zitternd und mit Schaum in den Haaren lauschte ich auf ein weiteres Klingeln.

    Als es einige Sekunden später ruhig blieb, atmete ich mehrmals tief durch. Die Anspannung löste sich langsam. Ich drehte das Wasser wieder auf und spülte mir den restlichen Schaum aus den Haaren.

    Wenige Minuten später stieg ich aus der Dusche, trocknete mich ab und schlüpfte in meinen flauschigen hellrosa Bademantel. Die nassen Haare klebten mir im Nacken.

    Das Fenster öffnete ich, um dem Dampf, der sich durch das warme Wasser im Bad angesammelt hatte, die Freiheit zu gewähren. Ich lehnte mich etwas hinaus und frische Luft durchflutete meine Nase. Ich kuschelte mich noch mehr in den Bademantel ein.

    Mittlerweile war es dunkel geworden. Vereinzelt waren Sterne am Himmel zu erkennen.

    Ein dumpfer Knall ließ mich hinunter auf die Straße blicken. Das Geräusch kam von der zufallenden Haustür unseres Gebäudes. Da registrierte ich einen Mann mit dunklen Haaren, der genau in dem Moment seinen Kopf wegdrehte, als ich ihn bemerkte. Adrenalin schoss erneut durch meinen Körper. Ich hatte den Drang, von dem Fenster wegzugehen und mich zu verstecken. Doch ich war wie versteinert. Stattdessen starrte ich weiterhin auf ihn hinab. War das derselbe Mann? Hatte er meine Wohnung beobachtet? War er es, der geklingelt hatte?

    Dieser Mann kam mir aus der Entfernung nicht bekannt vor. Wobei ich sein Gesicht in dem Bruchteil der Sekunde, als er nach oben gesehen hatte, nicht deutlich erkennen konnte.

    Er stand unmittelbar vor der Haustür und lief anschließend hastig die Straße hinunter.

    Während ich ihm nachsah, bis er in der Dunkelheit verschwunden war, knabberte ich an meinen Fingernägeln. Eine Angewohnheit, die ich seit meiner Kindheit nicht losgeworden war. Mit ein paar tiefen Atemzügen versuchte ich die Angespanntheit loszuwerden.

    Das war sicherlich alles nur ein Zufall. Dich hat niemand verfolgt. Sei nicht so paranoid!, dachte ich mir.

    Der Dampf im Bad war mittlerweile verzogen. Nachdem ich meine Haare durchgebürstet hatte, schlenderte ich in die Küche. Dort schlug ich zwei Eier in die Pfanne und belegte eine Scheibe Brot mit Avocado. Die Ablenkung entspannte mich ein wenig.

    Nach dem Essen ließ ich mich auf das Sofa sinken.

    Die letzten Tage erwiesen sich als die stressigsten meiner bisherigen beruflichen Laufbahn. Die Werbeagentur hatte eine Anfrage für einen Auftrag von einem angesehenen Autohersteller bekommen. Wir sollten uns um die Werbemaßnahmen des neuesten Modells kümmern. Falls wir den Kunden mit unserem Konzept zufriedenstellten, würden wir damit den größten Auftraggeber an Land ziehen, den die Agentur je gehabt hatte. Und er würde auch bei zukünftigen Projekten mit uns zusammenarbeiten wollen.

    Meine Chefin hatte darauf bestanden, dass ich für dieses Projekt zuständig war. Ob wir den Auftrag und den Kunden für unsere Agentur gewinnen konnten oder ihn verlieren würden, hing nun an der Präsentation, die ich nächsten Montag halten würde.

    Wegen des Auftrags war ich die letzten Tage kaum zur Ruhe gekommen und hatte fast nur gearbeitet. Deshalb freute ich mich auf dieses Wochenende.

    Während ich Filme und Serien durchsah, kam mir das schrille Geräusch der Klingel in Erinnerung und ließ mich erneut zusammenzucken. Ob es tatsächlich dieser Mann gewesen war?

    Nicht wieder paranoid werden!

    Vielleicht war es nur eine Freundin. Fio, die doch Zeit gefunden hatte und vorbeischauen wollte. Oder Noemi, die nicht nur eine Arbeitskollegin war. Sie kam öfters spontan vorbei, nachdem sie sich mit einer Nachricht ankündigte.

    Ich blickte auf mein Handy.

    Keine Nachricht.

    Nach fünf Minuten, noch immer unschlüssig, was ich mir ansehen wollte, ließ mich der Gedanke, wer geklingelt hatte, nicht los.

    Mein Bauchgefühl ließ mich aufstehen und zur Wohnungstür laufen. Ich spähte mit steigendem Puls durch den Türspion. Dunkelheit. Dort wo eigentlich der kleine Flur und wenige Meter gegenüber die Tür meines Nachbarn sein sollte, war nur Finsternis zu sehen. Auch wenn es zwischenzeitlich dunkel geworden war, sollte vom Treppenhaus noch etwas erkennbar sein. Denn vor dem kleinen Fenster im Flur stand eine Laterne, die immer für einen dezenten Lichtschimmer sorgte.

    Erstarrt blieb ich stehen. Stand jemand unmittelbar davor oder hielt sogar von außen den Türspion zu? Sekunden oder Minuten verstrichen, in denen meine Gedanken sich nicht zuordnen ließen. Zugleich überkam mich Panik - was meine Handflächen feucht werden ließ.

    Auf Zehenspitzen drehte ich mich um und schlich zur Küche auf der linken Seite. Ich griff mir eines der Messer aus dem Block. So leise es mir möglich war, begab ich mich zurück zur Wohnungstür.

    Mach dich doch nicht lächerlich! Die Laterne ist vermutlich einfach nur ausgegangen.

    In einem Ruck drehte ich den Schlüssel im Schloss. Unbewusst hielt ich den Atem an. Mit dem Messer in der rechten Hand drückte ich die Türklinke nach unten und zog sie auf.

    Schwer ausatmend erkannte ich den Flur im leichten Lichtschimmer der Laterne. Aber niemanden, der vor meiner Tür stand.

    Ich schaute auf den Boden. Dort lag nur meine olivfarbene Fußmatte mit der Aufschrift Willkommen.

    Mit schnellem Atem blickte ich die Tür hinauf, um herauszufinden, warum ich nur Dunkelheit gesehen hatte. Ich bemerkte, dass etwas an der Wohnungstür klebte. Ein Briefumschlag, auf dem mit Computer geschrieben mein Name stand. Über dem Türspion war er mit einem durchsichtigen Tesastreifen befestigt.

    Ich nahm den Umschlag, riss ihn von der Tür und schlich in den Flur hinaus. Auch auf den Treppen war niemand zu sehen.

    Als ich vorhin nach Hause kam, klebte der Brief noch nicht dort. Hatte derjenige, der kürzlich geklingelt hatte, mir auf diesem Weg eine Nachricht hinterlassen?

    Voller Ungeduld, Neugier und etwas Unbehagen öffnete ich den Briefumschlag. Währenddessen lief ich in meine Wohnung zurück und schloss hinter mir ab.

    Ein Blatt, DIN-A4-Größe, befand sich in dem Umschlag. Mit Computer geschrieben waren nur ein paar Wörter mittig darauf zu finden:

    Das nächste Mal lasse ich dich nicht entkommen!

    Mir lief es kalt den Rücken hinunter und meine Hände wurden schwitzig.

    Sicher wusste ich jetzt, dass diese Nachricht von dem Mann kam, der mich vorhin verfolgt hatte. Was konnte dieser Kerl von mir wollen? Wer war das?

    Ein Déjà-vu überkam mich.

    Durch die hervorkommenden Erinnerungen schoss mir ein Name in den Kopf. Chris. Christian Lange. Mein Ex-Freund.

    Vor zwei Jahren hatte ich die Beziehung mit Chris beendet. Damals war er neunundzwanzig gewesen. Wir waren fast vier Jahre ein Paar. Die ersten drei Jahre waren wundervoll. Er war charmant, attraktiv und ein toller Mensch. Wir hatten sogar schon übers Heiraten gesprochen. Ich konnte mir keinen anderen Mann an meiner Seite vorstellen und wollte die Zukunft mit ihm verbringen. Doch als er seinen Job verlor, fing er an, sich zu verändern. Er wurde immer eifersüchtiger. Zuerst fand ich es süß, aber mit der Zeit wurde es schlimmer. Irgendwann wollte er nicht einmal mehr, dass ich mich außerhalb mit Freunden traf.

    In eine Bar mit Freundinnen? Willst du jemanden aufreißen? Einen tiefen Ausschnitt tragen? Wem willst du dich denn so präsentieren?

    Wir waren nur noch am Streiten gewesen. Selbst nachdem er wieder einen Job gefunden hatte, änderte es nichts an unserer Situation. Als ich mich immer weiter von ihm distanzierte, wurde sein Verhalten nur noch extremer. Dadurch wurde der Sex weniger, was ihm umso mehr Grund zur Annahme gab, dass ich ihn betrügen könnte. Er fing an, mich zu kontrollieren, durchsuchte mein Handy vergeblich nach Nachrichten von anderen Männern. Das Vertrauen war verloren. Er nahm mir die Luft zum Atmen. Von dem Mann, in den ich mich verliebt hatte, war kaum noch etwas übrig. Trotz allem hoffte ich vergeblich, dass ich den Chris von damals irgendwann wieder zurückbekommen würde. Ich war immer treu gewesen und hatte ihm keinen Grund für sein Benehmen gegeben.

    Letztlich musste ich den Schlussstrich ziehen, als ich begann, mich vor ihm zu fürchten. Er war nie gewalttätig, weder mir noch sonst jemandem gegenüber, doch plötzlich gehörte Aggressivität zu seiner neuen Persönlichkeit. So hatte eine Beziehung keinen Sinn mehr. Jedenfalls für mich nicht. Ich war niemand, der sich so behandeln ließ. Das hatte ich lang genug mit mir machen lassen. Doch er wollte es nicht akzeptieren.

    Ständig anonyme Anrufe und Nachrichten, von denen ich wusste, dass er es war. Ich werde dich niemals aufgeben!, war der Inhalt sämtlicher Mitteilungen. Auch Drohungen waren dabei: Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich keiner haben. Du wirst schon sehen, was du davon hast. Er verfolgte mich auch hin und wieder. Einmal, auf dem Heimweg von der Arbeit, erkannte ich ihn deutlich.

    Die Polizei konnte mir dennoch nicht helfen. Chris hatte alles abgestritten und sogar falsche Alibis von Freunden. Ich sollte mir alles notieren. Wann ich Anrufe und Nachrichten erhielt, den Inhalt der Mitteilungen, die ich bekam und wann ich meinte, verfolgt worden zu sein.

    Ich hatte Angst vor ihm. Angst davor, was er noch vorhatte. Ob er mir noch etwas antun würde. Zu was war dieser Mann in der Lage, den ich einst für so harmlos gehalten hatte?

    Nach unendlich langen zwei Wochen und vier Tagen hörte es auf. Chris entschuldigte sich in einem handgeschriebenen Brief. Als er seine Arbeit verlor, hätte er Angst gehabt, auch mich zu verlieren. Das nagte an seiner Männlichkeit und er hatte keine Kontrolle darüber. Ihm sei nun klar geworden, dass sein Verhalten nicht in Ordnung war und er kündigte an in Therapie zu gehen.

    Ich wusste nicht, ob ich ihm glauben konnte. Doch ich hatte seitdem nie wieder etwas von ihm gehört. Keine Anrufe, keine Nachrichten und niemanden, der mich verfolgte. Zwei Jahre war es ruhig gewesen.

    Bis jetzt.

    Irgendjemand wollte dasselbe Spiel mit mir spielen. So sehr ich mich anstrengte, fiel mir niemand ein, der einen Grund dafür haben könnte. Weder wissentliche Feinde noch abgeblitzte Verehrer, denen ich so etwas zutrauen würde.

    Erneut betrachtete ich den Brief in meinen zittrigen Händen. Was würde denn passieren, wenn ich das nächste Mal nicht entkommen sollte?

    Als ich mich wieder auf das Sofa sinken ließ, überlegte ich, ob ich diesen Zwischenfall bei der Polizei melden sollte. Doch was würde das bringen? Sie würden ohnehin nichts unternehmen können. Nicht einmal einen Verdächtigen könnte ich

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