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Herzschlag des Bösen 2: Thriller
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eBook363 Seiten4 Stunden

Herzschlag des Bösen 2: Thriller

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Über dieses E-Book

Abschlussband des Thriller-Zweiteilers "Herzschlag des Bösen":

Hanna ahnt nicht, dass sie Opfer eines grausamen Plans ist.
Sie ahnt nicht, dass der hochintelligente Psychopath Igor Poljakow grenzenlosen Hass auf sie hat.
Sie ahnt ebenso wenig, dass er Jagd auf sie macht und die dunkle Seele seines Wahnsinns nach ihr greift.

Der Pilot Jens Bachmann, den die Journalistin Hanna Engels liebt, ist wegen mehrfachen bestialischen Mordes verhaftet worden. Für sie scheint keine Gefahr mehr zu bestehen.
Doch im zweiten und abschließenden Band des Zweiteilers "Herzschlag des Bösen" von Matthias Soeder kommt es zur ultimativen Begegnung zwischen Igor und Hanna – fesselnd und atemberaubend steuert die Geschichte auf einen spektakulären Showdown zu. Ein Thriller für Fans echter und harter Gänsehautspannung.
SpracheDeutsch
Herausgebermainbook Verlag
Erscheinungsdatum7. Feb. 2022
ISBN9783948987329
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    Buchvorschau

    Herzschlag des Bösen 2 - Matthias Soeder

    1

    Frankfurt, 27. Juni 2014.

    Hanna drehte den Kopf zur Seite und schaute auf den Leuchtwecker: 02:46 Uhr. Sie war todmüde, doch der Gedankenterror hielt sie vom Schlaf ab. Obwohl die kühle Nachtluft durch das gekippte Fenster wehte und das dünne Bettlaken nicht einmal bis zur Hüfte hochgezogen war, schwitzte sie. Ihr Kopfkissen war inzwischen durchnässt von den Tränen. Alles fühlte sich feucht, heiß und klamm an.

    Wie schnell sich doch Glück in Leid verwandeln konnte. Noch gestern Mittag hatte Hanna sehnsüchtig auf Jens gewartet, wollte zwei wunderbare Wochen mit ihm verbringen. Die Zweifel, die vor wenigen Tagen durch das Gespräch mit Kriminalhauptkommissar Schulz erwacht waren, hatte Hanna erfolgreich in Schach gehalten. Sie war sich sicher gewesen, dass sich alles klären würde.

    Doch als Jens nach seinem Flug nicht zu ihr gekommen war, meldeten sich die Zweifel zurück. Dann kam die Angst, dann kam das schlimme Telefonat mit dem Flugbetriebsleiter. „Tut mir leid, Frau Engels, hatte er mit emotionsloser Stimme gesagt. „Das SEK hat Kapitän Bachmann sofort nach der Landung verhaftet.

    Mit der Erkenntnis war der Schock gekommen.

    Ich habe einen Frauenmörder geliebt. Wie konnte ich mich nur so blenden lassen?

    Seufzend drehte Hanna sich auf die Seite und versuchte, endlich einzuschlafen. Doch je stärker sie sich bemühte, die schlimmen Ereignisse der letzten Tage zu ignorieren, umso mehr dachte sie daran. Es war so, als gerate ihr Verstand außer Kontrolle.

    Oh Gott, bitte lass das alles nicht wahr sein.

    Auch als sie in Nigeria eine Gefangene der Terroristen war, hatte sie Gott angefleht. Dabei glaubte sie nicht mal an ihn. Doch damals hatte es geholfen.

    Plötzlich erwachte das beklemmende Gefühl einer Bedrohung, so wie damals unter dem Schutz der Soldaten in Nigeria kurz vor dem Überfall. Damals hatte das Gefühl sie nicht getäuscht.

    Einbrecher? Hannas Sinne waren sofort geschärft.

    Ihre Augen waren geöffnet, doch es war kaum was zu sehen in der Dunkelheit. Sie lag reglos da, bemühte sich leise zu atmen, spürte ihr stärker pumpendes Herz in der Brust. Ängstlich lauschte sie in die Nacht. Doch auch nach mehreren Minuten blieb alles ruhig, nur der schwache Wind und die üblichen Geräusche der Stadt waren zu hören. Hanna ließ das beklemmende Gefühl auf sich wirken und versuchte die Gefahr zu ergründen.

    Nein, es war nicht so wie in Nigeria. Damals spürte sie eine unmittelbare Gefahr. Doch nun war es so, als ob irgendjemand an sie dachte und ihr Böses antun wollte. Kam die Bedrohung von Jens? Blödsinn. Er war ja eingesperrt.

    Es musste Einbildung sein. Ihre Psyche spielte ihr bestimmt einen Streich, was ja nach all den schlimmen Erlebnissen nicht verwunderlich war. Zudem war sie schrecklich übermüdet und kaum noch zu klarem Denken fähig.

    Nach kurzer Zeit ebbte das Bedrohungsgefühl ab.

    Schlafen, ich will endlich schlafen. Nicht denken, nicht erinnern, einfach nur schlafen.

    Hanna drehte sich auf den Rücken, schloss die Augen und wie bei einer Meditation legte sie die Arme neben sich.

    Um die zerstörerischen Gedanken zu vermeiden, konzentrierte sie sich auf ihren Herzschlag. Bumbum, bumbum, bumbum.

    Es wirkte. Hannas Körper und Geist entspannten sich. Erinnerungen an Jens erwachten. Doch diesmal waren sie positiv und beruhigend.

    Sein freundliches Gesicht erschien vor ihrem geistigen Auge. Sein verschmitztes und charmantes Lächeln. Ihre Intuition, auf die sie sich bisher immer verlassen konnte, sagte ihr, dass Jens kein Mörder war.

    Hanna hatte sich täuschen lassen von der Verhaftung und den absurden Anschuldigungen. Von eindeutigen Indizien hatte die Kripo gesprochen. Doch im Mittelalter war es auch eindeutig, dass die Erde eine flache Scheibe war. Wer das infrage stellte, wurde der Ketzerei bezichtigt und hingerichtet. Es gab unzählige Beispiele von eindeutigen Indizien, die sich später als falsch herausstellten.

    Verzeih mir, mein Liebling. Verzeih meine Zweifel.

    Hatte sie die letzten Worte gesprochen? Hanna wusste es nicht, sie war zu müde zum Denken.

    Vielleicht ist das alles ja nur ein schlimmer Albtraum.

    Hannas Geist schwebte in den Schlaf.

    Plötzlich lag Jens neben ihr. Sie spürte seine Wärme, roch seine Haut und hörte sogar seinen leisen Atem. Es war also doch alles nur ein Albtraum. Hanna war glücklich.

    Schlaftrunken tasteten ihre Finger über das Bett neben sich. Sie wollte sich so gerne an ihren Liebsten kuscheln.

    Doch das Bett war leer. Hanna erkannte die Täuschung. Der starke Wunsch nach seiner Nähe hatte ihr einen Streich gespielt. Sein leiser Atem war der säuselnde Wind vor dem offenen Fenster, seine Wärme war ihr eigener erhitzter Körper, sein Geruch war nur Einbildung.

    Tränen sammelten sich wieder in ihren Augenwinkeln, kullerten zu beiden Seiten übers Gesicht auf das Kopfkissen.

    Sie war wieder hellwach und registrierte verzweifelt die schreckliche Realität. Jens saß im Untersuchungsgefängnis und war angeklagt, ein bestialischer Mörder zu sein. Doch zumindest wusste Hanna nun, dass er unschuldig war.

    Verzweiflung machte durstig. Ächzend stand Hanna auf. Ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Verzweiflung machte auch schwach.

    Mit vorsichtigen Schritten schlich sie langsam in die Küche. Das Licht schaltete sie nicht an, es wäre zu grell gewesen. Durch das Fenster zur Straße hin drang der Schein der Straßenlaterne und erhellte die Küche.

    Mit zittrigen Händen schenkte Hanna sich ein Glas Wasser ein und trank einen Schluck. Ein Teil des Wassers schwappte über und tropfte auf den Boden. Als Hanna mit dem Glas zum Fenster ging, das zum Garten zeigte, spürte sie die Nässe unter ihren Fußsohlen. Für einen schrecklichen Moment hatte sie den Eindruck, über Blut zu laufen.

    Am Fenster angekommen, erkannte sie in der Dunkelheit die sanft tanzenden Büsche im stärker werdenden Wind. Zweige kratzten manchmal am Fenster. Schon seit längerem hatte Hanna den verrückten Eindruck, dass die Büsche lebendig waren und sie immer dann, wenn es ihr schlecht ging, beobachteten. Am deutlichsten spürte sie die Bedrohung von dem Busch direkt vor ihrem Küchenfenster. Wenn sie ganz genau hinschaute, konnte sie ein übergroßes Gesicht erkennen. Eine Monsterfratze, die hässliche Grimassen schnitt und nun im Schattenspiel der schwach leuchtenden Straßenlaterne besonders bedrohlich wirkte.

    Der Wind frischte auf, der Tanz der Büsche wurde lebhafter und die Fratze lachte Hanna hämisch aus. Auch das Geräusch des Windes änderte sich, wurde zu einer flüsternden und schadenfrohen Stimme.

    Du hast einen Mörder geliebt. Du hast einen Mörder geliebt.

    „Hab ich nicht!", schrie Hanna entsetzt auf. Das Wasserglas fiel auf die Bodenfliesen und zerschepperte.

    „Hab ich nicht!", schrie sie nochmal zur Bekräftigung durch das Fenster. Sie sank auf die Knie, hockte auf den Fersen, verbarg ihr Gesicht in den Händen und heulte.

    Als sie aufblickte, bekämpfte die Morgendämmerung bereits mit ersten Erfolgen die Nacht.

    Hanna schniefte, wischte den Rotz von der Nase und stand auf. Ächzend und langsam, die Beine schmerzten. Erst jetzt erkannte sie, dass ihre Knie blutig waren. Sie wischte die kleinen Splitter vom zerbrochenen Wasserglas aus der Haut, lief zurück ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett. Noch immer blies der frische Wind.

    Hanna kauerte sich eng zusammen, schloss die Augen.

    Jens ist kein Frauenmörder. Niemals würde er einem anderen Menschen Leid zufügen. Ich weiß es. Verdammt noch mal, ich weiß es!

    Je überzeugter sie von seiner Unschuld war, desto deutlicher spürte sie, wie die Kraft trotz der Müdigkeit wieder zurück in ihren Geist strömte und die hilflose Schwäche vertrieb. Es war ein gutes Gefühl, wieder klar denken zu können. Mit Sicherheit gab es eine logische Erklärung für die Anschuldigung. Wahrscheinlich würde die Kripo bald anrufen und sagen, dass alles ein Irrtum war. Erkennungsdienstliche Fehler, Verwechslung, Doppelgänger …

    Oder wollte irgendjemand Jens reinlegen? Ihm den Mord in die Schuhe schieben? Hanna würde das verhindern.

    Aus ihrer frisch gewonnen Stärke wurde Entschlossenheit. Noch wusste sie nicht, was zu tun war. Doch sie wusste, dass sie etwas tun würde.

    Mit diesen Gedanken schlief sie ein.

    2

    Frankfurt, 27. Juni 2014

    Entnervt öffnete Marius das Word-Dokument. Er hasste es, Berichte zu schreiben und nun waren sogar zwei davon nötig. Um den wichtigen Bericht über die Verhaftung des Kapitäns wollte er sich nachher kümmern. Zuerst kam - als Aufwärmung - der Bericht über die Vernehmung des Copiloten.

    Dieser Dirk Schilling hatte nichts mit der Sache zu tun, da war Marius sich sicher. Als er von Beihilfe zum Mord gesprochen hatte, war der Copilot sogar in Tränen ausgebrochen.

    Marius fing an zu schreiben. Doch schon nach wenigen Zeilen kam er ins Stocken, die richtigen Formulierungen wollten ihm einfach nicht einfallen, seine Gedanken waren ganz woanders.

    So ein verdammter Scheiß! Wäre alles nach Plan gelaufen, wäre ich seit letzter Woche Unternehmer und müsste mich nicht mit dieser Sklavenarbeit beschäftigen.

    Marius packte seinen privaten Laptop aus der Tasche, stellte ihn neben den Dienstcomputer und öffnete die Datingsite für reiche Senioren. Neue Frauen wurden ihm keine angezeigt, da sein teures Abo ruhte. Schließlich hatte er ja Charlotte gehabt. Doch er konnte durch die alten Texte stöbern, die er mit ihr zu Beginn der Beziehung vor über einem Jahr ausgetauscht hatte. Die naive Kuh hatte ihm alles geglaubt, ihm schon nach wenigen Monaten den geilen Porsche und die teure Penthousewohnung geschenkt. Sie wollte ihm eine ihrer millionenschweren Firmen überschreiben. Marius sah sich am Ziel seiner Träume. Es wäre ein rasanter Aufstieg gewesen, die Krönung seines Lebens. Keine unwürdigen Arbeiten mehr, keine erniedrigende Bevormundung, keine Geldsorgen. Doch das Miststück hatte ihn verarscht, ihm im letzten Augenblick den Laufpass gegeben und den Notartermin für die Firmenumschreibung abgesagt. Die ganze Mühe und Zeit, die er in die Beziehung mit der alten Kuh gesteckt hatte … alles umsonst.

    Es war zumindest ein kleiner Trost, dass es bei der Kripo nun überraschend gut lief.

    Das Leben erschien Marius zurzeit wie eine Achterbahnfahrt. Zuerst ging es mit der Aussicht auf eine millionenschwere und arbeitsfreie Zukunft steil bergauf, dann kam mit dem Rückzug von Charlotte der Sturz in bedeutungslose Tiefe. Doch nun ging es wieder - gemächlich zwar, aber immerhin - in die richtige Richtung.

    Klaus’ Herzinfarkt war zur rechten Zeit gekommen, wie eine glückliche Fügung. Ein neuer Leiter für K11 musste ernannt werden und keiner war besser geeignet als Marius. Das musste auch dem Kriminalrat bewusst sein. Zudem war Marius sowieso schon seit Längerem offizieller Stellvertreter gewesen und nun auch kommissarisch der Chef.

    Als Beamter im gehobenen Dienst wollte Marius natürlich nicht versauern. An seinem Ziel, sich eine reiche Millionärswitwe zu angeln und daraus Profit zu schlagen, hatte sich nichts geändert.

    Zu gegebener Zeit würde er sein Profil auf der Datingsite erneut aktivieren und die Jagd wieder aufnehmen.

    Doch nun bot es sich an, die Beförderung noch mitzunehmen. Zudem würde er mit dem Status als offizieller Leiter der Mordkommission bessere Chancen bei den reichen Damen haben.

    Mehr Geld gab es mit der Beförderung natürlich auch. Besoldungsgruppe A12 und Zulagen, doch das waren nur lächerliche Peanuts im Vergleich zu den finanziellen Möglichkeiten einer reichen Witwe.

    „Bing", ertönte es aus dem Dienstcomputer. Eine neue E-Mail. Neugierig öffnete Marius ein Rundschreiben von der Kriminaldirektion. Das Schreiben war knapp gehalten:

    KHK Klaus Schulz ist außer Lebensgefahr und erholt sich überraschend schnell. Die Ärzte sind zuversichtlich, dass die Reha ihm wieder auf die Beine hilft.

    KR Hoffmann

    Verdammter Mist. Der Herzinfarkt hatte schlechte Arbeit geleistet. Ging es mit der Achterbahn schon wieder nach unten? So wie Marius den fetten Klaus einschätzte, würde er bestimmt nach der Reha den Job als Chef von K11 weitermachen wollen. Doch auf keinen Fall wollte Marius sich weiterhin als Stellvertreter knechten lassen. Klaus durfte nicht zurückkommen. Gerade jetzt, wo es so gut lief, musste das irgendwie verhindert werden. Aber wie?

    Marius lehnte sich im Bürostuhl zurück, legte die Füße auf den Schreibtisch, faltete die Hände hinter dem Kopf zusammen und schloss die Augen. Nach wenigen Minuten kam ihm die Lösung.

    Logisch, die Antwort lag auf der Hand. Der Kriminalrat würde das genauso sehen. Allen war damit geholfen.

    Marius lächelte. Die kurze Wut war verraucht. Nein, es ging nicht wieder nach unten in der Achterbahn. Sie hatte nur Schwung geholt, um weiter nach oben zu fahren.

    Das Diensttelefon klingelte. KR Hoffmann, stand auf dem Display. Wie passend. Als ob der Kriminalrat seine Gedanken gelesen hätte. Marius würde die Gelegenheit nutzen, Hoffmann seine Idee zu präsentieren. Zuversichtlich hob Marius ab.

    „Wann ist der Bericht zur Verhaftung fertig? Hoffmanns Stimme klang fordernd und gereizt. „Ich brauche ihn für eine Presseerklärung, die ich abgeben muss.

    „So gut wie erledigt, sagte Marius. „Ich warte nur noch auf einige Informationen von den Kollegen. Zum Glück war ihm geistesgegenwärtig die Notlüge eingefallen. „Ich habe übrigens eine geniale Idee zu Klaus Schu …"

    „Ich habe dafür jetzt keine Zeit, unterbrach ihn der Kriminalrat. „Bringen Sie mir den Bericht bis spätestens 15 Uhr. Hoffmann legte auf.

    Marius schnaufte verärgert durch. Noch viel mehr als Berichte zu schreiben, hasste er es, so abgefertigt zu werden.

    Er atmete frustriert aus. Bis 15 Uhr, das war in weniger als zwei Stunden. Eigentlich gut zu schaffen. Doch wenn man eine Tätigkeit hasste, dann waren selbst zwei Stunden ein Problem.

    Aber wer sagte denn, dass Marius die langweiligen Berichte selbst schreiben musste? Schließlich saß er ja nun im Chefsessel.

    Marius griff wieder zum Telefon, bestellte Peter zu sich und packte seinen privaten Laptop weg.

    Wenige Minuten später klopfte es und Peter kam herein.

    „Setz dich." Marius zeigte auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.

    „Um was geht’s?"

    „Du musst den Bericht über die Verhaftung Bachmanns und den Bericht über die Vernehmung des Copiloten schreiben. Ich brauche sie bis 14:30 Uhr.

    „Wieso ich?"

    „Weil ich es dir sage und weil du bei der Verhaftung und bei der Vernehmung dabei warst."

    „Klaus schreibt die Berichte immer selbst. Zudem habe ich verdammt viel zu …"

    „Stopp! Ich will keine Ausreden hören. Ich brauche die Berichte, und zwar schnell. Do you understand?"

    „Das ist keine Ausrede. Ich muss …"

    „Du nervst. Verschone mich mit Kleinigkeiten. Du hast gehört, was ich von dir brauche. Der Kriminalrat wartet darauf."

    Peter starrte ihn mit abweisendem Blick an. Schüttelte er den Kopf? Marius schnaufte tief durch. Er konnte das Großmaul nicht ausstehen. Er machte sich bestimmt Hoffnung auf den Stellvertreterposten, sobald Marius Chef war. Doch das konnte Peter vergessen. Dafür war er viel zu aufmüpfig.

    Das ganze Team schien sich gegen Marius gestellt zu haben. Es war ein Sauhaufen, der dringend aufgeräumt werden musste. Und Marius war der richtige Mann dafür.

    Um sich den nötigen Respekt zu verschaffen, musste das Team von seinen Fähigkeiten überzeugt werden. Marius erkannte die Gelegenheit. Mit Peter, dem größten Störenfried, würde er nun anfangen.

    „Ich hab von Anfang an gewusst, dass wir es bei Bachmann mit einem Serienkiller zu tun haben. I knew it", sagte Marius.

    Peter zuckte mit den Schultern. Der Langweiler war wohl sprachlos. Hatte keine Spürnase, wie ein guter Kriminalbeamter sie haben sollte. Marius sprach weiter. „Der Mord in Singapur und die beiden Morde in Campinas hätten vermieden werden können, wenn ich den Fall von Anfang an geleitet hätte."

    Peter zuckte schon wieder mit den Schultern. „Wer weiß."

    „Wer weiß, wer weiß, äffte Marius seinen Kollegen nach. „Mehr hast du nicht zu dem Fall zu sagen?

    „Was willst du denn hören? Der Mörder ist gefasst, die Mordserie hat damit zum Glück ein Ende."

    „Zum Glück? Drei Morde gehen auf das Konto von Klaus. Three fucking killings. Die junge Mutter mit ihrem süßen Mädchen und die Nutte in Singapur wären noch am Leben, wenn Klaus mich nicht ausgebremst hätte. Von Glück kann man da wohl kaum sprechen. No way."

    „Klaus ist genauso vorgegangen, wie es von den US-Behörden in dem Rechtshilfeersuchen und vom Staatsanwalt gefordert wurde."

    „Bullshit. Er hätte es wissen müssen. Zudem hatte ich ihn noch gewarnt. I warned him."

    „Das ändert nichts an der Tatsache, dass es zunächst nur um Befragung und DNA-Proben ging. Wir können doch nicht jeden gleich verhaf …"

    „Stop it! Klaus hat versagt. Sein Verhalten ist durch nichts zu entschuldigen. Er hat zwar den Herzinfarkt überlebt, doch seine Zeit in K11 ist vorbei. Er wird nie mehr Schaden anrichten, no way. Dafür sorge ich. Und ihr solltet das möglichst schnell kapieren."

    „Ich denke, du liegst komplett fal…"

    „Es interessiert mich nicht, was du denkst. Ich bin die Zukunft, arrangiere dich mit mir."

    „Das lass mal meine Sorge sein", sagte Peter trotzig.

    „Du kannst jetzt gehen. Beeile dich mit den Berichten."

    Peter drehte sich abrupt um und schlug die Tür hinter sich zu.

    Marius atmete tief durch. Eine große Aufgabe lag vor ihm.

    Klaus hatte jeden in K11 um den Finger gewickelt. Fast schon vergötterten sie den alten Sack. Warum nur kam er so gut an bei den Mitarbeitern? Wie hatte er es geschafft, dass sie ihn alle so sehr mochten?

    Marius schenkte sich Kaffee ein, trank nachdenklich einen Schluck.

    Na klar, es war die lasche Führung von Klaus. Bei ihm konnten sie alle machen, was sie wollten. Kein Wunder also.

    Zuckerbrot und Peitsche würde Marius einsetzten. Doch das Zuckerbrot mussten sie sich noch verdienen.

    Das Team würde sich schnell an Marius und seinen Führungsstil gewöhnen. Sobald er offiziell als neuer Chef bestätigt war, würde er aufräumen. Nach der Eingewöhnung würden sie ihn genauso lieben wie den fetten Klaus. Aber vielleicht hatte Marius bis dahin ja wieder eine reiche Witwe am Hacken und dann würde er ganz schnell der Kripo den Rücken kehren.

    Gut gelaunt schrieb Marius eine E-Mail an den Kriminalrat, bestätigte, dass er rechtzeitig die beiden Berichte vorlegen würde. Doch der eigentliche Grund der Mail war ein anderer.

    Hoffentlich erholt KHK Schulz sich rasch, schrieb Marius. Ich mache mir ernsthaft Sorgen und habe einen Vorschlag, der für alle Beteiligen eine gute Lösung wäre.

    Da es nun nicht um einen langweiligen Bericht ging, sondern um eine geniale Idee, hatte Marius keine Schwierigkeiten mit der Formulierung. Mit diplomatischen Worten erklärte er, dass Schulz schon länger gesundheitlich angeschlagen war, was sich leider auch dienstlich auswirkte. Er erwähnte, dass drei Menschen noch leben würden, wenn Schulz nicht so stark abgebaut hätte.

    Nur gut, dass die Presse nichts davon mitbekommen hatte, schrieb Marius. Ob der verehrte Kriminalrat es wohl in Erwägung ziehen könne, KHK Schulz, der sowieso bald im Pensionsalter war, schon etwas früher in die wohlverdiente Pension zu entlassen. Für diesen Fall empfahl sich Marius als neuer Leiter von K11. Voller Zuversicht schickte er die E-Mail ab.

    Fischler hat Potenzial, werden sie bestimmt in der Kriminaldirektion sagen. Es wird Zeit, ihn zum Dienststellenleiter von K11 zu befördern.

    Zufrieden schenkte Marius sich Kaffee nach und öffnete die elektronische Akte zum Fall ‚Bachmann‘. Er lächelte, als er ein Foto des Kapitäns sah. Endlich bekam dieses arrogante Arschloch seine gerechte Strafe.

    Es war ein wunderbares Gefühl der Genugtuung gewesen, als der Idiot bei der Verhaftung mit Handschellen vor Marius stand und blöd geglotzt hatte.

    Marius stöberte weiter durch die Akte. Die Auslieferungsanträge von Kalifornien und Singapur würden wegen der zu erwartenden Todesstrafe abgelehnt werden, schrieb der Staatsanwalt. Doch bestimmt stellten auch die Brasilianer einen Auslieferungsantrag. Dort gab es keine Todesstrafe.

    Das Leben als Krimineller im Hochsicherheitstrakt in Brasilien würde kein Zuckerschlecken für das Bachmännchen sein. Dort herrschten chaotische Zustände, Gewalt unter den Gefangenen war an der Tagesordnung. Es gab genug Fälle von Gefangenenrevolten und Geiselnahmen als Protest gegen die Haftbedingungen. Wie wohl Ausländer behandelt wurden, die nicht die Landessprache beherrschten? Ob sie dem Bachmann jeden Tag in den Arsch ficken würden? Der Kapitän würde kein Jahr dort überleben. Doch schließlich war er selbst schuld. Man ermordet eben keine Frauen. Aber vor allem legt man sich nicht mit einem Marius Fischler an.

    Er klickte sich weiter durch die Akte zur Zeugenbefragung Hanna Engels.

    Marius kannte den Bericht von Klaus und war beeindruckt gewesen. Der Alte hatte mit geschickter Fragestellung interessante Antworten zur Wahrheitsfindung aus der Journalistin herausgeholt. Ihre Angaben bestätigten, was Marius längst wusste. Bachmann war der Mörder und die Engels hatte nicht kapiert, dass sie ihren Freund mit ihren Antworten ans Messer lieferte.

    Marius googelte den Namen Hanna Engels, betrachtete Fotos von ihr. Dürr und groß war sie. Es musste geil sein, mit ihr in die Kiste zu steigen.

    Ich muss die Engels kennenlernen. Am besten bei einer weiteren Zeugenbefragung bei ihr zu Hause. Schließlich bin ich ein gewissenhafter Kriminalbeamter.

    Grinsend wählte Marius die Nummer.

    „Engels", meldete sich die Frau.

    3

    Frankfurt, 30. Juli 2014

    Das Hochsicherheitsgefängnis Frankfurt 1 war die Heimat für Mörder, Terroristen, Totschläger … Kurz: für den Abschaum der Menschheit. Und Haus B, Zelle 328, war das neue Heim von Jens Bachmann.

    Elf Quadratmeter. Weniger als drei Meter breit, keine vier Meter lang. Ein Bett, ein Stuhl, eine Tischplatte, ein Wasserkocher und ein kleiner Kühlschrank zählten zur Ausstattung. In der Zelle gab es auch noch eine Toilette und ein Waschbecken, sonst nichts.

    Die schwere Eisentür wurde aufgeschlossen.

    „Hey Pilot, ich hab was für dich."

    Der Wärter schmiss einen Umschlag aufs Bett.

    Alle Briefe wurden aus Gründen der Sicherheit und Ordnung geöffnet und gelesen, hatten sie Jens bei der Einlieferung mitgeteilt. Doch der Umschlag auf seinem Bett war noch verschlossen. Jens schaute auf den Absender und verstand. Für diesen Brief galten andere Regeln.

    Als der Wärter weg war, wollte Jens den Umschlag aufreißen. Doch lautes Geschrei lenkte ihn ab. Jens lief zum geöffneten Fenster und schaute durch die Gitterstäbe auf den Innenhof. Es war ein trostloser Anblick. Die hohen Mauern waren grau und grün angestrichen, Stacheldraht thronte wie eine Krone obendrauf. Alle Fenster, und es waren viele, waren vergittert. Um einen Fluchtversuch mit Helikopter zu verhindern, war ein Stahlnetz über den gesamten Innenhof gespannt. Einzig das Basketballfeld in der Mitte erschien als etwas Normales. Und von da kamen die Schreie.

    Zwei Gefangene prügelten aufeinander ein. Pfeifen trillerten, mehrere Wärter gingen mit Schlagstöcken und Reizgas dazwischen, trennten die Streitenden und hielten die anderen auf Distanz.

    Obwohl Jens hier mitten in Frankfurt war, fühlte es sich für ihn so an, als wäre er in einem anderen Universum. Es war aber nicht nur das befremdliche Umfeld, das so verstörend wirkte. Es waren vor allem die Freiheit, die Selbstbestimmung und die Würde, die ihm hier genommen wurden.

    Gefügig sein und Klappe halten, hatte Jens bei der Begrüßung vor fünf Tagen herausgehört.

    384 Überwachungskameras und 300 Mitarbeiter hielten die 600 Gefangenen in Schach. Ein Angriff auf einen Wärter wurde hart bestraft. Es wäre aber sowieso sinnlos, man käme ja nicht weit, behaupteten sie. Jeder einzelne Wärter hatte ein Notrufgerät bei sich und innerhalb weniger Sekunden würde bei einem Alarmsignal Verstärkung bereitstehen.

    JVA Frankfurt 1 zählte zu einem der sichersten Gefängnisse der Welt. Noch nie hatte es bisher ein Gefangener geschafft, von hier abzuhauen.

    Am Tag seiner Verhaftung war Jens dem Haftrichter vorgeführt worden. Der Typ faselte etwas von dringendem Tatverdacht, von der Schwere der Tat und von Fluchtgefahr. Anschließend steckten sie ihn in diese Zelle. Kein Kontakt zu den Mitgefangenen. Keine Genehmigung zum Arbeitsdienst, kein Hofgang mit den anderen Gefangenen, keine gemeinsamen Veranstaltungen, kein Besuch im Fitnessraum …

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