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Kolustros Traum
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eBook112 Seiten1 Stunde

Kolustros Traum

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Über dieses E-Book

Peter Kolustro liebt den Genuss - und er schläft für sein Leben gern. Drei Dinge reißen ihn aus diesem exklusiven Dasein: Ein seltsamer Traum, in dem ein Engel ihm eine äußerst unerfreuliche Ankündigung macht; eine Feuersbrunst in der Galerie seines Vater, welche das kostbare Gesamtwerk einer aufstrebenden jungen Künstlerin mit sehr speziellen Freunden vernichtet und der Besuch einer privaten Weinauktion. Letzterer lässt ihn die Bekanntschaft zweier höchst eigentümlicher Herren machen: dem Mathematiker Carsten Brenner und dem Schriftsteller Marcel Vandernier. Die beiden Herren konfrontieren Peter Kolustro mit einem Schriftstück, welches dessen gesamtes bisheriges Leben als Farce erscheinen lässt.
SpracheDeutsch
Herausgeberacabus Verlag
Erscheinungsdatum17. Sept. 2009
ISBN9783941404878
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    Buchvorschau

    Kolustros Traum - Olaf Reins

    1

    Sie beugte sich über den schlafenden Mann. 

    „Herr Kolustro, hören Sie mich?" 

    Sein fleischiger aufgedunsener Kopf lag, ihr sein grobporiges, von Nachtschweiß glänzendes Profil weisend, halb versunken in zwei Dutzend kleiner, rüschenbesetzter Daunenkissen. Tiefrot wie eine seltsame, abstoßende Blüte leuchtete er dort im Dämmerlicht des Schlafzimmers. 

    Pernilla Jörgensen betrachtete für einen geistesabwesenden Moment dieses phänomenale Profil, während in ihren Gesichtszügen Abscheu und schmerzliches Bedauern miteinander rangen. Noch immer, trotz all der vergangenen Jahre, trotz all der Veränderungen, denen Peter Kolustros Körper in jener Zeit unterworfen gewesen war, trotz alldem haftete seinem Gesicht - zumindest im Zustand des Schlafes - eine Erinnerung jenes unbekümmerten Charmes an, welcher ihr seinerzeit, als sie sich für die Stelle als Wirtschafterin bewarb, Hoffnungen machte, deren überspannte Kühnheit ihr schon bald klar werden sollte. Sie hätte gehen können ohne sich eine Blöße zu geben, denn sie war klug genug gewesen, ihre Gefühle nicht voreilig zu offenbaren. Aber sie war geblieben. 

    „Herr Kolustro?, wiederholte sie lauter. „Hören Sie mich? 

    Keine Reaktion. 

    Pernilla Jörgensen richtete sich auf und stemmte entschlossen die Hände in die Hüften. „Herr Kolustro!, rief sie energisch. „Sie müssen jetzt aufstehen! 

    In den Federbettgletscher geriet unwillige Bewegung, gleichzeitig ertönten schweres Prusten und tiefes Schnaufen.

    „Was ist denn los, Penny?, röchelte Peter Kolustro schließlich. „Warum wecken Sie mich? 

    „Ihr Vater ist soeben gekommen und wünscht Sie zu sprechen." 

    Peter Kolustro wälzte sich mühsam unter Grunzen und Pfeifen gegen den Widerstand der unzähligen Kissen, mit denen seine riesige Bettstatt wie mit Blütenblättern bestreut war, auf den Rücken. Er war sichtlich amüsiert. 

    „Sieh da, sieh da, der Herr Papa!, grinste er. Um im nächsten Augenblick hinzuzusetzen: „Mein verehrter Herr Vater ist ein Arschloch! 

    Peter Kolustro gähnte und streckte sich, knurrte und rieb sich die verquollenen Augen. 

    Er blinzelte. „Penny? Sind Sie noch da?" 

    Außer der gewaltigen Erhebung seines Bauches, über die hinweg er gerade eben noch zum geschnitzten Giebel seines Kleiderschranks hinüberpeilen konnte, vermochte er nichts zu sehen. „Penny, verdammt noch mal, wo stecken Sie denn schon wieder?" 

    Begleitet vom scharfen Geräusch entschlossen zurückgezogener Vorhänge loderte grelles Tageslicht ins Schlafzimmer.

    „Penny! Peter Kolustro stöhnte. „Wollen Sie mich umbringen? Er kniff die Augen zu und tastete nach einem Kissen, das er sich mit beiden Händen aufs Gesicht drückte. „Können Sie mich nicht auf liebenswürdigere Weise daran erinnern, dass der Mensch dem Fluch unterliegt, die Gefilde des Schlafes verlassen zu müssen, nur um sich von der Welt im Allgemeinen und Eltern, Verwandten und so genannten Freunden im Besonderen so lange langweilen zu lassen, bis der Schlaf ihm erneut ein befristetes Asyl gewährt?"

    „Sie wissen, dass ich es nicht mag, wenn Sie so abfällig über Ihren Vater sprechen, entgegnete Pernilla. „Er ist ein sehr eleganter und kluger Mann ... 

    „Man beachte die Reihenfolge, grunzte Peter Kolustro durch das Kissen. „Wie spät ist es? 

    „Gleich dreizehn Uhr." 

    „Essen schon fertig?" 

    „Ach! Selbst Flüche können also ihre guten Seiten haben? - Sie sollten jetzt wirklich hinuntergehen. Ihr Herr Vater hat einen sehr aufgebrachten Eindruck gemacht." 

    „Den macht er doch immer. Sagen Sie ihm, ich käme gleich. Und, rief er ihr nach, „bringen Sie mir bitte einen Sherry herauf! 

    Er blieb noch ein wenig so liegen, das Kissen auf sein Gesicht gedrückt. Dann warf er es mit einer resignierten, kraftlosen Bewegung beiseite und wartete mit geschlossenen Augen darauf, dass er die nötige Kraft zum Aufstehen fand. 

    Schließlich raffte er sich im Gedanken an das Mittagessen auf, schlug das schwere Federbett beiseite, stemmte sich unter einigem Ächzen und Keuchen hoch und setzte sich zunächst auf die Bettkante, um dem Kreislauf Gelegenheit zu bieten, sich mit den dramatisch veränderten Blutdruckverhältnissen zu arrangieren. Es rauschte mächtig in seinen Ohren und sirrte und pfiff und pulste in Hals und Schläfen. Zudem war sein rechtes Knie, wie er mit einiger Verärgerung nach dem Abklingen der gewohnten allmorgendlichen Beschwernisse feststellen musste, und welches er mittels einer ebenso aufwendigen wie mühsamen Verrenkung rechts an seinem von dem apricotfarbenen Nachthemd verhüllten Bauch vorbei sehen konnte, rot geschwollen und heiß. Ein feines spitzes Stechen und Brennen in seinerlinken Großzehe kündigte bereits den ersten Gichtanfall des Tages an. Dessen ungeachtet schlüpfte er mit dem festen Vorsatz, die wenig Gutes verheißenden Ankündigungen seines Körpers so weit wie möglich zu ignorieren, in die Pantoffeln und stand auf. Ein Experiment, das ihm erst nach dem dritten Versuch gelang. Er keuchte und schwitzte und in seinen Sprunggelenken und Knien knarrte und quietschte es vernehmlich, während er, sich schrappend Bauch und Gesäß kratzend, zu dem Stuhl hinüberging, über dessen Lehne sein Morgenmantel hing. 

    Er hatte ihn gerade angezogen, als Pernilla Jörgensen mit dem Morgensherry zurückkam. Peter Kolustro war diesbezüglich kein Purist und so war es für ihn durchaus in Ordnung, dass sie den Sherry in einem großen Cognacschwenker servierte.

    „Sie sollten jetzt wirklich endlich hinuntergehen!, drängte sie. „Ihr Herr Vater ist außer sich! 

    „Er ist so dürr, dass mir das wenig verwunderlich erscheint. Er nahm das Glas vom Tablett und nippte am Sherry. „Was will er überhaupt? 

    „Das hat er nicht gesagt." 

    „Na, seufzte Peter Kolustro und lächelte den Sherry an wie das Foto einer verflossenen Geliebten, „es wird sich wohl wieder einmal um die verdammte Galerie handeln. Er leerte das Glas. „Was hat sich mein teurer Alfons denn heute Feines zum Diner einfallen lassen?" 

    „Das werden Sie sehen, wenn Sie unten sind." 

    „Sie sind grausam, Penny!" 

    „Also bitte, Herr Kolustro!" 

    „Ja, ja, schon gut, ich komme ja schon, knurrte er und folgte ihr hinaus auf den mit nachtblauem Satin ausgeschlagenen Flur zur „Eigernordwand, wie er die ins Entree hinunterführendeTreppe nannte. Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen und wischte sich mit einem schwarzen Seidentuch den Schweiß von der Stirn. Er hob den Kopf. 

    „Hmm! Das duftet ja ganz süperb! Er witterte mit hektischen Kaninchennüstern. Dann verzog er das Gesicht. „Aber ... Brot?! Pernilla drehte sich um und spitzte den Mund: „Boeuf en Crôute!" 

    „Aahhh! Meinen zarten Füßchen wachsen Flügel!" 

    „Dann ist es wohl besser, wenn Sie vorgehen." 

    Peter Kolustro überhörte diese ungehörige Bemerkung und setzte das halsbrecherische Abenteuer des Treppenabstiegs fort.

    In der großzügigen, holzgetäfelten Halle angekommen, wollte er sich gerade auf die beschwerliche Expedition ins Speisezimmer begeben, als sein Vater aus einer Nische trat. Herrmann Kolustro war auffallend schlank und knochig, dabei an die einsneunzig groß und für seine zweiundsiebzig Jahre noch von erstaunlicher Beweglichkeit. Er trug einen dunkelbraun gemusterten, dreiteiligen Anzug und nahtverstärkte braune Schuhe. 

    „Da bist du ja endlich!", rief er in einer Mischung aus Zorn und Verstörung. Sein für gewöhnlich wie der helle Sandstein gotischer Dome in der Mittagssonne leuchtendes Gesicht war grau geworden. Seine Pupillen schwammen wie Ölflecke auf den Glaskörpern. 

    „Es ist eine Schande, wie du wieder aussiehst!, raunzte er seinen Sohn an. „Schlafen bis in die Puppen und nichts anderes im Kopf als Fressen und Saufen! 

    „Das Essen ist einer der vier Zwecke des Daseins", begrüßte Peter seinen Vater. „Welches die drei anderen sind, darauf bin ich noch nicht gekommen."

    Herrmann starrte ihn entgeistert an. „Was ist denn das schon wieder für eine ..." 

    „Soll Montesquieu gesagt haben. Mir persönlich scheint übrigens der zweite Zweck des Daseins das Schlafen zu sein." Damit schlurfte Peter weiter über die gebohnerten Fliesen Richtung Speisezimmer. 

    „Das ist

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