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Mohrenkopf. Kriminalroman im Bremer Kunstmilieu
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eBook148 Seiten1 Stunde

Mohrenkopf. Kriminalroman im Bremer Kunstmilieu

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Über dieses E-Book

Eine Bremer Galerie ersteigert bei Christie´s in London einen Trinkpokal der Berner "Zunft zum Mohren" in Form einer silbernen Mohrenfigur. Doch beim Kunden angekommen, fehlt plötzlich der Kopf dieser Figur. Oberkommissar Bratke aus Bremen übernimmt den Fall. Er vertieft sich in die Geschichte der Schweizer Zunft. Bei seinen Recherchen stößt er auf ein seltsames Phänomen: In früheren Zeiten war es Mode, sich des Kopfes einer berühmten Persönlichkeit zu bemächtigen. Die Geschichten verlorener, verschwundener und gestohlener Köpfe von Petrarca über Schiller bis zum Haupt eines Apachen laufen Bratke bei diesen Ermittlungen über den Weg. Ein Krimi ohne Mord und Totschlag, dessen Idee eine Anzeige der Polizei im Bremer Weser-Kurier über den dubiosen Diebstahl des Kopfes eines Schweizer Zunftpokals gab. Auf Kommissar Bratkes Spuren erlebt der Leser die "kopflose" Jagd durch das Bremer Kunstmilieu.
SpracheDeutsch
Herausgeberacabus Verlag
Erscheinungsdatum26. Juli 2010
ISBN9783941404250
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    Buchvorschau

    Mohrenkopf. Kriminalroman im Bremer Kunstmilieu - Bärbel Rädisch

    1

    Wer bringt den Kopf eines Silberpokals an sich und warum stiehlt ein Dieb nicht das ganze Kunstwerk? Dieser Gedanke beschäftigte Oberkommissar Bratke vom 23. Kommissariat in Bremen auf dem Weg in sein Büro an diesem Morgen Ende März.

    Wie jeden Tag war er eine halbe Stunde vor den Kollegen da, hängte seine Lederjacke sorgfältig auf einen Bügel, warf einen prüfenden Blick in den Spiegel und fuhr sich kurz mit dem Kamm durchs Haar, das an den Schläfen eine Spur von Grau zeigte. Anfangs war Bratke über die ersten grauen Haare entsetzt gewesen. Inzwischen kokettierte er ein bisschen damit und hoffte, dadurch womöglich interessanter zu wirken. Eitelkeit würde er aber weit von sich weisen. Er war doch nicht eitel, ein Mann mit fast fünfzig!

    Er öffnete einen Fensterflügel, der wie immer klemmte, wippte ein wenig auf den Zehenspitzen, verschränkte die Arme im Nacken, atmete ein paar Mal tief ein und aus und starrte nach draußen. Mit einem Schulterzucken setzte er sich an seinen Schreibtisch, als sei er enttäuscht, dass die Aussicht auf die Betonfronten gegenüber nicht besser geworden war als am Vortag.

    Vor gut drei Jahren hatte der Senat beschlossen, die Behörde vom alten Polizeihaus in der Innenstadt in eine leere Kaserne in der Vahr umzusiedeln. Ein Stadtteil mit Hochhäusern und Reihen endloser Blocks, die nach dem Krieg, als die Wohnungsnot am größten war, aus dem Boden gestampft worden waren. Sie ähnelten den Plattenbauten ostzonaler Baukombinate. Selbst die damals gepflanzten Bäumchen schienen keine rechte Lust zu haben, in dieser Umgebung zu wachsen.

    Auch der Himmel tat inzwischen sein Bestes, mit dunklem Grau die Wettervorhersage zu untermauern, die hier jeder als norddeutsches ‚Schmuddelwetter‘ bezeichnete. Das nannte sich nun Frühling! Bratkes Stimmung sank rapide. Erst als sein Zeigefinger nach kurzem Nachdenken über die Rücken der Ordner neben seinem Schreibtisch glitt, hellte sich seine Miene auf. Viele trugen merkwürdigerweise bunte Aufkleber. Er griff einen heraus, den eine Mohrenstatue zierte, blätterte und schlug den Text auf, den er zur Veröffentlichung an die Presse geben wollte.

    ‚Die Bremer Polizei sucht einen wertvollen Mohrenkopf. Er gehört zu einer barocken Silberplastik in Form eines stehenden Mohren, die schätzungsweise 800.000 Mark wert ist.‘

    „Ja", Bratke nickte zustimmend. Bei diesem Einstieg könnte er es vorerst belassen, dann noch nähere Einzelheiten erläutern und die Höhe der Belohnung einfügen, die für die Wiederbeschaffung von der Versicherung ausgesetzt war. Die Preise in der Kunstszene explodierten, die Belohnung musste auch in Hehlerkreisen entsprechend hoch sein, um einen Anreiz zu bieten. Für ein Ei und ein Butterbrot plauderte niemand etwas aus. Was für ein kurioser, dafür aber umso interessanterer Fall, dachte Bratke.

    Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, bis die Kollegen eintrudelten, dauerte es wohl noch eine Weile.

    Er nahm ein Buch aus seiner abgewetzten Aktentasche. Anscheinend hatte ein Dinosaurier für diese Tasche sein Leben gelassen. Eine Ehefrau hätte ihn nie und nimmer damit auf die Menschheit losgelassen. Nur, es gab keine Ehefrau.

    Zuerst hatte seine Mutter zwischen jede Beziehung gefunkt, die er anknüpfte. Nicht eine Frau war ihr recht gewesen. Zuletzt hatte er keine mehr mit nach Hause gebracht, in die Wohnung, in der er seit seiner Kindheit mit der Mutter gelebt hatte. Nach ihrem Tod scheute er sich, Damenbesuch, wie er es altmodisch nannte, in die Räume einzuladen, die den Stempel seiner Mutter trugen. Schweren Herzens trennte er sich eines Tages von dem blank gesessenen Sofa im Wohnzimmer, auf dem selbst er niemandem mehr einen Platz anbieten mochte, und legte sich eine neue Couch zu. Die Gelegenheit, auszugehen, Kontakte zu knüpfen und gegebenenfalls eine Frau kennen zu lernen, ergriff er aber erst einmal nicht. Beruflich wollte er weiterkommen, nicht ewig Kommissar bleiben. Aus diesem Grund belegte er unzählige Lehrgänge. Da blieb keine Zeit, auf Brautschau zu gehen. Wenn er ehrlich war, gab er sich aber auch keine große Mühe, die Frau fürs Leben zu finden. Mancher Topf kommt auch ohne Deckel aus, sagte er sich, und als er sah, welchen Stress einige Kollegen hatten, weil Wechseldienst und unregelmäßiger Feierabend die Beziehung belasteten, war er doch ganz zufrieden, dass er kommen und gehen konnte, wie es ihm passte.

    Er schlug das Buch auf, das er gestern auf dem Nachhauseweg vom Dienst in einem Antiquariat entdeckt hatte. Um silberne Pokale oder Köpfe von Kunstwerken ging es darin nicht, aber im Zuge seiner Recherchen war er auf ein Phänomen gestoßen: Im Verlauf der Geschichte hatte es immer wieder Zeiten gegeben, in denen Menschen Köpfe anderer Menschen wie Kunstobjekte ausgestellt hatten oder sie einfach besitzen wollten. In höheren Kreisen hatte es als schick gegolten, den Schädel eines bedeutenden Toten sein Eigen zu nennen. Bei der Beschaffung war nicht lange gefackelt worden. Leise vor sich hin murmelnd, begann Bratke zu lesen.

    ‚Eine nebelverhangene Herbstnacht, Mond und Sterne unsichtbar. Zuckende Irrlichter zwischen Grabmalen. Gestalten in dunklen Umhängen, geduckt mit Hacken, Schaufeln und allerlei Werkzeug. Eine Turmuhr schlägt in der Ferne dreimal. Ein halbes Dutzend Männer lauschen, spähen in die Dunkelheit. Aus allen Richtungen lauert Gefahr, von unliebsamen Beobachtern überrascht zu werden, die dem Treiben auf dem kleinen Friedhof in Arquà nahe Padua Einhalt gebieten könnten. Im Schein von Stalllaternen hastig geflüsterte Befehle an der Gruft des großen Dichters. Es interessiert die Männer nicht, wessen Grabruhe sie stören, als sie den Sarkophag mit Gewalt öffnen. Sie haben es eilig - keine Zeit für sorgfältiges Vorgehen. Der Auftraggeber will den Kopf des Toten. Nicht mehr und nicht weniger. Er will sich damit brüsten, auch einen berühmten Schädel zu besitzen, wie es in den Kreisen begüterter Familien üblich ist. Er zahlt reichlich dafür, wenn der Auftrag erledigt wird ohne Aufsehen zu erregen.

    Hinter vorgehaltener Hand wird bei gesellschaftlichen Zusammenkünften getuschelt: ‚Und wessen Haupt ist in Ihrem Besitz? Ach, keines? Da könnte ich vermitteln, was allerdings einiges kosten wird. Ganz ungefährlich ist die Sache zudem nicht. Behördenspitzel lauern überall. Schmiergelder sind zu zahlen, Totengräber zu bestechen. Haben Sie Interesse an einem Gelehrten oder soll es ein Philosoph sein?‘

    Seit Bratke auf diese Kopfdiebstähle gestoßen war, fiel ihm fast täglich ein Hinweis aus der Geschichte in die Hände, fand er einen Zeitungsbericht, oder eine Fernsehmeldung ließ ihn aufhorchen.

    „Das geht dir genauso, wenn du eine bestimmte Automarke fährst. Du siehst plötzlich nur noch Audis oder Smarts", hatte ein Kollege versucht, ihm diese Sensibilisierung zu erklären.

    „Ich habe zum Beispiel auch nie so viele schwangere Frauen gesehen wie zu der Zeit, als wir unser erstes Kind erwarteten."

    „Na, wie finde ich denn das? Bücher lesen während der Dienstzeit. Aber, aber, Herr Kollege."

    Jola Rust, seit einem halben Jahr frisch von der Polizeischule dem Kommissariat Diebstahl zugeteilt, wirbelte den Drehstuhl Bratkes so heftig herum, dass er mit dem Rücken zum Schreibtisch zum Stehen kam. Das Buch fiel zu Boden. Wöchentliches Karate- und Krafttraining bescherte Jola eine kräftige Armmuskulatur, die sich in der Vergangenheit bei Festnahmen keinesfalls als nachteilig erwiesen hatte. Sie war nicht besonders groß, eher zierlich und der Überraschungsmoment umso effektiver, wenn sie zupackte.

    Die ersten Silben ihrer beiden Vornamen, Johanna und Lara, hatte sie eines Tages einfach zusammengezogen. Sie fand, Jola höre sich interessanter an.

    Die Tür ließ sie wie immer sperrangelweit offen stehen.

    Mit Schwung riss sie sich ihre Mütze vom Kopf und knallte die giftgrüne Tasche von Dolce & Gabbana auf den Schreibtisch, die sie auch noch in korallenrot besaß. Das teure Stück hätte eine bessere Behandlung verdient. Erwartungsvoll sah sie Bratke an und fragte:

    „Liest du einen Krimi oder was Schweinisches?"

    Mit spitzen Fingern hob sie das Buch vom Boden auf, als sei sie in Sorge, sich mit Blut oder etwas Ekligem zu besudeln. „Aha. Berühmte Köpfe. Ist das ein Anleitungsbuch zum Selbstversuch?"

    Sie lachte ihr kehliges Lachen, für das sie im ganzen Haus bekannt war – die Kollegen nannten es dreckig – und schob sich mit beiden Händen ihre lockige mahagonifarbene Mähne hinter die Ohren. Im Lauf der letzten Monate hatte die Farbe immer mal wieder gewechselt. Bratke und Lowinski hatten sie blond kennen gelernt, engelsgleich, wie sie glaubten, aber schnell gemerkt, dass dieser Vergleich gewaltig hinkte.

    „Mach die Tür zu, knurrte Bratke „Es zieht. Mensch, bist du wieder gut drauf, und das am frühen Morgen.

    „Mahlzeit, riefen beide plötzlich im Chor, als ihr Chef, wie immer als letzter, hereinkam. „Ach sei, gewähr uns die Bitte, in unserem Bunde der dritte.

    Hauptkommissar Lowinski grinste. „Ihr könntet euch eigentlich mal einen neuen Gag ausdenken." Mit der Hacke schob er die Tür zu, warf einen Stapel grüner Schnellhefter auf seinen Schreibtisch und drückte dann den Schalter der Kaffeemaschine, die auf der Fensterbank neben einem einsamen Kaktus stand, der aussah, als müsse er unbedingt einmal abgestaubt werden.

    „Eigentlich bin ich ja hier der Boss und für die niederen Arbeiten nicht zuständig, zumal weibliches Bodenpersonal vorhanden ist, aber der Kaffee ist natürlich wieder nicht fertig."

    Jola stemmte die Fäuste in die Seiten.

    „Die Zeiten der Sklavenhaltung sind Gott sei Dank vorbei."

    Beinahe hätte sie noch „eigentlich" angehängt, das absolute Lieblingswort ihres Chefs. Alle nannten ihn ‚Eigentlich‘ und gebrauchten diesen Spitznamen, wenn sie von Lowinski sprachen.

    „Wie weit ist ‚Eigentlich‘ in der Einbruchsache Duckwitzstraße oder „wenn einer in dem Fall was im Verhör erreichen kann, dann ist es ‚Eigentlich‘, hieß es. Sie hatte aber keine Ahnung, ob er wusste, dass er so genannt wurde und sich einen Spaß daraus machte, alle im Unklaren zu lassen und das Wort ‚eigentlich‘ öfter zu gebrauchen als nötig.

    „Von wegen Frauen und Bodenpersonal."

    Jola hatte inzwischen blitzschnell ein paar Seiten in Bratkes Buch überflogen. Sie holte tief Luft und begann lauthals zu deklamieren, als stünde sie auf einer Bühne.

    „Im Zuge der umfangreichen Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zum 700. Geburtstag des italienischen Schriftstellers Francesco Petrarca, 1304 - 1374, wie man natürlich weiß",

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