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Hydorgol - Erwachen: Teil 3 der Hünenwelt Trilogie
Hydorgol - Erwachen: Teil 3 der Hünenwelt Trilogie
Hydorgol - Erwachen: Teil 3 der Hünenwelt Trilogie
eBook366 Seiten4 Stunden

Hydorgol - Erwachen: Teil 3 der Hünenwelt Trilogie

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Über dieses E-Book

Die Welt der Hünen ist nicht für Menschen gemacht.

Alofan Haragieris Bemühungen bei den Hünen haben einen hohen Preis gefordert. Die aus der Welt der Menschen zurückkehrende Gemeinschaft aus Hünen und Menschen ist dem Rattenfänger des Großen, dem Heiler, erlegen. Das Kloster der Kontinuität und der Übergang zur Menschenwelt wurde von dem Ungeheuer aus der Tiefe der Hünenwelt zerstört.

Es sieht nicht gut aus. Zwar ist es dem Inquisitor Fraan-Linia gelungen ins Konglomerat der Menschen zu entkommen, aber die Begeisterung über den Eindringling aus der Außenwelt hält sich dort in Grenzen. Veränderungen stehen an.

Der Gastgeber des Konglomerates wird vom Hünen Fraan aus seinem Dämmerschlaf geweckt, während in der Tiefe noch größere Gefahren erwachen. Nicht jedes Artefakt aus der Schlacht von Epsilon Eridani ist in den Tiefen vergangen ...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum2. März 2022
ISBN9783755775904
Hydorgol - Erwachen: Teil 3 der Hünenwelt Trilogie
Autor

Markus Gersting

Markus Gersting geboren 1973 in Rheda-Wiedenbrück. Nach bewegter Schullaufbahn, Ausbildung zum Industriemechaniker, Fachabitur und anschließendem erfolgreich abgeschlossenem Maschinenbaustudium in der Rechnerecke hängen geblieben. Schon früh führten das Interesse an Technik und Naturwissenschaften, gepaart mit einer regen Phantasie, zur Science-Fiction. Zur Bekämpfung der eigenen Rechtschreibung-Schwäche im zarten Jugendalter mit einer Schreibmaschine ausgestattet, wurde das Abtippen anderer Leute Texte dann noch irgendwann langweilig. Und nachdem dann auch noch die SF-Abteilungen der heimischen Bibliotheken ausgelesen waren, wurden erste eigene Werke, auf dem mittlerweile erstanden Heimcomputer, verfasst. Nach einer längeren Pause durch Studium und berufsbedingt wurde er dann schlussendlich doch noch von der Muse wachgeküsst und neuen Monate später erblickte die Rohfassung von "Hydorgol, der Alpha Centauri Aufstand" das Licht der Welt. Die intensive Beschäftigung mit dem "und was passiert jetzt mit dem Werk?" führte dann zu intensiveren Ausflügen in die virtuellen und sozialen Netze, dass mit dem Blog www.hydorgol.de dann auch nicht ohne Folgen blieb. Bisher sind noch weitere, im Hydorgol-Universum angesiedelte Bücher veröffentlicht. Wie "Hydorgol - Inquisition" und die Hünenwelt-Trilogie.

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    Buchvorschau

    Hydorgol - Erwachen - Markus Gersting

    1. Erwachen

    Kalte Luft umströmte ihn und vertrieb den Gestank, den er selbst absonderte. Er hatte geschlafen, lange geschlafen, womöglich viel zu lange geschlafen. Seine Schlafsenke musste kollabiert sein und er trieb nun ungeschützt im Freien. Reflexartig versuchte er, eine neue Senke zu errichten, nur um dann festzustellen, dass er immer noch in seiner Senke weilte.

    Eines hatte sich aber geändert, er war nicht mehr allein! Dann fiel ihm ein, dass er nie allein in dieser Senke gewesen war, die Senke musste vor Leben wimmeln. Kleinem Leben. Der andere aber war groß. Ausgezehrt, aber groß.

    „Hast du meine Kleinen gefressen, Fremder? Dann wird es dir ans Sein gehen."

    „Ruhig. Es wimmelt hier von Kleinem. Weißt du, wer du bist?"

    „Ich bin ich. Aber wer bist du? Was machst du in meiner Domäne? Wer hat dich eingelassen?"

    „Der Instinktnavigator."

    „Tama?"

    „Tama Sündström."

    „Warum?"

    Der Andere ließ sich viel Zeit, seine Frage zu beantworten.

    „Instinkt, denke ich. Warum wir hier sind, hat aber andere, entscheidendere Gründe. Kannst du dich an den Anfang erinnern? Den Anfang dieser Senke?"

    „Der Anfang? Das ist lange her. Äonen. Drei, vier, nein fünf Zeitenwenden. Es gab einen Moment, den Moment. Die Große Chance, die Prüfung. Ja, die Prüfung. Dort hat es angefangen."

    „Erinnerst du dich? Was ist geschehen?"

    Der Gefragte schwieg, ging in sich. Erlebte die Anfänge noch einmal vor seinem inneren Auge neu. Still und für sich. Es waren seine Erinnerungen, sein größter Moment, sein Triumph. Es war der Moment, der den Rest seines Lebens geprägt hatte. Dann ging ihm auf, dass er wohl noch nicht am Ende seines Lebens angekommen war. Er hatte womöglich noch einige Äonen vor sich, in dieser neuen frisch riechenden Welt. Und dieser Andere, das war nicht Tama. Tama kannte er.

    „Du bist kein kleines Leben. Tama mag dich eingelassen haben, aber du selbst bist nicht Tama. Wer bist du nun und warum bist du in meiner Domäne, Fremder?"

    „Fragen. Ich habe Fragen. Meinen Namen gebe ich dir, wenn du mir deinen gibst. Ist das ein Angebot?"

    „Ich könnte dich Frage nennen, dann bräuchte ich dir meinen Namen nicht zu nennen."

    „Seinen Namen zu nennen wäre höflich. Mein Name ist zum Beispiel Fraan. Meines Zeichens Füllvater, Anführer der Horde der Erneuerung, Mitglied der Delegation der Kläger, Angeklagter, Verurteilter, Gesühnter und dann später selbst Inquisitor und nun nicht mehr Anführer der Horde der Erneuerung. Wie ist dein Name?"

    Der letzte Satz war mit mehr Schärfe gesprochen und verlangte nach einer Antwort.

    „Hydor der Zweite, Gastgeber. Gefangener. Fänger."

    „Gut, Hydor der Zweite. Die Prüfung. Was ist dort geschehen?"

    Hydor spürte keinen Zwang mehr, redete aber weiter. Das Schweigen war gebrochen und er hatte sehr lange nicht mit einem seiner eigenen Art kommuniziert.

    „Es war der Augenblick der großen Chance. Alles, was vorher schwierig aussieht, schwierig ist, rückt in Griffweite, drängt sich förmlich auf. Die Gilde der Golembeschwörer vollführt jedes Große Jahr ihr sinnlos erscheinendes Ritual. Sinnlos, seitdem Hydor der Erste den einen Augenblick für immer gefangen hat. Kessel werden angeheizt. Bereitgelegte Zutaten aus seit Äonen zerfallenen Rezepten in die Kessel geworfen und die Narren, die meinen, mit ihnen würde das Zeitalter der Golembeschwörer wiederauferstehen, stehen an den Kesseln. Seit einem Gros von Gros Großer Jahre wird die Asche dieser fernen Zeit bewahrt. Auch ich war einer dieser Narren. Gebannt schaue ich in das brodelnde Treiben meines Kessels und lasse Sternenstaub und Zeitenglitzer hineinrieseln. Es formen sich Muster und fast kann man sie greifen. Einen Geist aus einer anderen Welt in Ton bannen und aus dem Kessel ziehen. Fast, wie seit jenem Großen Jahr.

    Dann ändert sich etwas. Nicht auf unserer Welt, in einer anderen Welt. Ein kleiner Funken wird geschlagen. Mit solcher Wucht und Geschwindigkeit, dass er nicht verlöscht, sondern weiterfliegt. Er durchquert den Raum, er durchquert die Zeit, er durchquert Welten. Er schlägt viele Funken, er entfacht Feuer. Feuer brennt, Feuer, das das Fast verbrennt. Es brennt Wege zwischen den Welten."

    „Der Weltenbrand?"

    „Nein. Nicht in dem Moment der Möglichkeit, nicht bei uns. Das Feuer kommt von der anderen Seite. Es macht Dinge sichtbar. Fremde Dinge. Schöne Dinge. Dinge, die funkeln. Glänzen. Warmes und kaltes Glitzern. Aber all dies verblasst gegen den einen springenden Kristall. Ich kann andere Hünen spüren. Hünen der Kontinuität. Wächtermönche, die an diesem Glitzern beteiligt sind. Mönche, deren Geist und Körper in anderen Welten weilen. Mönche, die zusammen mit Wesen anderer Art gegen Wesen der gleichen anderen Art kämpfen. Dann hat der Funke die Tiefe der anderen Welt erreicht. Mit einem Feuerstieben brennt diese Tiefe wie eine ganze Ebene voller lichten trockenen Grases in einer gewaltigen Flamme auf. Dieses Feuer bahnt sich seinen Weg über die Verbindung zwischen der anderen Welt und unserer. Etwas verschiebt sich, der Tunnel, der Durchbruch flackert. Die Wächter des Tunnels versuchen, den Weg in die andere Welt offenzuhalten. Risse bilden sich und neue Wege entstehen. Möglichkeiten, die es lange nicht mehr gegeben hat. Das Unmögliche wird wahr. Ehe ich begreife, was ich tue, halte ich das wunderschöne Glitzern, den springenden Kristall in meinen Händen. Ich habe ihn gefangen. Banne ich das Ding in Ton, dann habe ich meinen Golem. Aber das Ding ist zu schön, um es in einem Klumpen Matsch zu verbergen. Es ist meins. Ich nehme es in meine Senke, als ich sehe, wie gierige Blicke von anderen Kesseln mich treffen.

    ‚Fangt eure eigenen Schätze‘, rufe ich ihnen zu.

    Und das tun sie dann. Vieles verbrennt, aber einiges wird aus den Kesseln gezogen. Dann schwindet der Augenblick und das Feuer verlischt. Überall. Bis auf den einen fernen Punkt auf jenen Hügeln, von denen wir wissen, dass dort das gewaltige Kloster der Kontinuität alles überwuchert hat. Dort brennt ein Feuerstrahl in unsere Welt. Die Hitze ist gewaltig, ich kann sie selbst in meiner Senke spüren. Ich sehe, wie die Narren Feuer fangen und ihnen ihre Schätze entgleiten. Ich versuche zu retten, was zu retten ist. Viel wird beschädigt und noch mehr ist endgültig verloren. Dann reißt der Feuersturm mich mit sich. Mit meinen Schätzen versenke ich mich so tief, wie ich kann, bis nur noch ferne Hitze mich berührt. In der Abgeschlossenheit meiner Zuflucht wende ich mich den Wundern der anderen Welt zu. Es ist nicht ein Geist. Es sind viele. Klein, aber stark.

    Schwer zu bändigen. Freiheit ist ihr stärkster Drang. Ich zeige ihnen, was sie außerhalb meines Schutzes erwartet. Das Feuer bändigt ihren Drang nach Freiheit. Sie sind mein. Meine kleinen Wunder.

    Meine, nicht deine."

    „Was ist, wenn sie nur sich selbst gehören und nicht dir?"

    „Dann wären sie nicht mehr mein und ich bräuchte sie nicht mehr zu behüten."

    „Selbst, wenn sie dann vergehen würden?"

    „Wenn sie mich nicht mehr wollen? Was würdest du tun?"

    „Reden wir darüber, was du tun solltest."

    2. Bei Fremden

    Sie hatte schon schlechter gewohnt. Der Raum war geschmackvoll eingerichtet. Gemütliche Ledersofas, ein niedriger Beistelltisch aus wertvollem Tropenholz, eine große Vitrine voller alt und mitgenommen aussehender Whiskyflaschen. Weiter im Raum ein gewaltiger Schreibtisch, der nicht nur nach dem Zentrum der Macht aussah, sondern es auch war. Eine Tür, die in eine kleine Suite führte. Ein gewaltiges Panoramafenster mit Blick auf den großen Fischtank, der mal das Schiffsobservatorium gewesen war. Auf dem Boden ein flauschiger Teppich, an den Wänden und der Decke Holz und Seidentapeten.

    Es war ein Palast, einer Kaiserin von Lotus angemessen. Linia von Querlitzenfall musste schmunzelten. Es war ihr Schiff. Die Dragon Kerr war von Miles Ibrahim von Querlitzenfall für sie in Auftrag gegeben worden, als Geschenk für die Machtübergabe vom Vater auf die Tochter. Leider hatte es das Schiff als Jungfernfahrt in die Schlacht von Epsilon Eridani verschlagen. Linia hatte das Schiff nur als Holomodell zu sehen bekommen.

    Der fette Polanz war nicht begeistert gewesen, als sie ihm die Schiffsplakette hinter einem Wandpanel gezeigt hatte. Womöglich hatte es auch etwas damit zu tun gehabt, dass sie ihren Raum wieder für sich selbst beansprucht hatte und der Organisator nun in dem eigentlich für sie zugedachten Gästequartier schlafen musste. Ohne seinen Whisky und seine Aussicht auf das Aquarium.

    Nicht, dass das Gästequartier schlecht gewesen wäre. Kein überbordender Luxus, aber für eine Schiffskabine geräumig und zudem gemütlich und geschmackvoll eingerichtet.

    Die Autorität der Inquisition hatte sie nicht verlassen, als es zu diesem kleinen Machtkampf gekommen war. Der schlanke Polanz aus dem Inneren hatte dem Treiben zugesehen und sein Amüsement nur mühsam verbergen können und seiner anderen Instanz sein eigenes Quartier angeboten.

    Linia bediente sich aus den Schätzen des Organisators und setzte sich, wieder im Bademantel, in den Sessel mit der besten Aussicht im Observatorium. Der kleine Machtkampf war nicht die einzige Schlacht gewesen, die sie seit ihrer heutigen Ankunft im Konglomerat hatte ausfechten müssen.

    Sie war wieder die Neue, die Außenseiterin. Die, die sich durchsetzt, ob verdient oder nicht. Die mit der Macht im Rücken.

    „War ich zu hart?", richtete Linia an das Wort an Ida, die mit einem Glas Wasser in der Hand vor der Glasscheibe stand.

    „Polanz kann einem auf die Nerven gehen. Du hast dich verändert und doch bist du dir auf gute Weise treu geblieben. Lieber ein direktes Wort als viele sanfte Umwege."

    „Dafür hab ich dich, oder hatte ich dich. Wir waren immer ein gutes Team. Obwohl das lange her ist und ich dich drei Amtszeiten schmerzlich vermisst habe."

    „Anscheinend bist du gut alleine zurechtgekommen."

    „Scheint so, es gab viel zu tun und wenig Zeit, um Trübsal zu blasen. Und du?"

    „Der Aufbau des Konglomerates. Die Inneren Lande. Die Pflegefraktion. Alofan."

    „Alofan?" Linia verschluckte sich und prustete den teuren, unersetzlichen Fusel in ihrem Glas auf den Teppich.

    „Was ist mit Alofan?"

    „Vier Große Jahre sind lang. Was, glaubst du, ist passiert? Was ist bei dir passiert?"

    „Ich bin ab und zu mal ausgebüxt. Inkognito."

    „Ohne mich? Wer hat auf dich aufgepasst?" Idas Geschichtsausdruck schwankte zwischen Humor, echter Sorge und verletztem Stolz. Linia beschloss, ehrlich zu antworten.

    „Erst der Professor, später hatte ich meine Mädels für den Job. Was ist mit Olywn von Querlitzenfall?"

    „Vier große Hünenjahre sind eine lange Zeit und Langeweile bekommen weder mir noch ihm gut. Er leidet. Stürzt sich in Projekte, die ihm weder Frieden noch Befriedigung geben."

    „Alofan?"

    „Ist auf der Jagd. Spielt um den höchsten Einsatz. Ich glaube, er hat seinen Spaß."

    „Warum ist er dann nicht hier und holt seinen Gewinn ab? Bin ich in den Jahren so fett geworden? Ich war regelmäßig im Nano-Assembler!"

    Linia breitete demonstrativ die Arme weit aus, Ida lachte auf und wurde dann wieder ernst.

    „Vielleicht hat er ein schlechtes Gewissen? Oder er ist noch nicht am Ziel seiner Jagd angekommen. Frag ihn."

    „Sehr witzig. Wenn er denn hier wäre. Seine Instanz, Linia zögerte bei dem Wort, „ist tot?

    „Herr Imbrifer? Ja, wahrscheinlich. Er wurde vom Hünen verschlungen, der sich jetzt der Heiler nennt. Du bist ihm schon begegnet."

    „Ja, das war wirklich gruselig. Erst das gewaltige Loch, wo vor kurzem noch das neue Kloster der Kontinuität gestanden hatte. Der Übergang nach Lotus ist ein tröpfelnder Wasserfall. Und dann dieser Rattenfänger, der einfach alles und jeden einsammelt und unter seinen Geist zwingt."

    „Du bist ihm entkommen." Idas Aussage stand wie ein Vorwurf im Raum.

    „Aus dem Netz geschlüpft. Auf dem Weg getrödelt und zurückgelassen worden. Vergessen. Das trifft es wohl." Linia fröstelte es, als sie an das Gefühl des Verlorenseins dachte, das sie bei ihrer schleichenden Flucht von Heiler befallen hatte. Dann raffte sie sich auf und schlug einen geschäftsmäßigeren Ton an.

    „Und ihr habt wirklich in dieser Blase gelebt, bevor es das Projekt Fisch gab? Keine Kontakte nach draußen? Keine Versuche, herauszufinden, was dort ist?"

    „Verhörst du mich nochmal? Ich dachte, die Befragungen wären für heute beendet, Cousine." Ida klang enttäuscht.

    „Nimm dir auch was von dem Zeugs, das ist gut." Linia deutete auf Polanz‘ Spirituosensammlung.

    „Oder hast du Angst, er lässt seinen Unmut an dir aus? Oder du redest Unsinn? Entspann dich. Ich denke nur laut nach."

    Ida kippte ihr Wasser herunter und goss sich demonstrativ viel von der teuren bernsteinfarbenen Flüssigkeit ins Glas und nahm dann einen großen Schluck. Verschluckte sich und musste husten.

    „Verdammt, das ist ja Fassstärke. Das wird jetzt wohl ein langer und lustiger Abend."

    „Es gibt Schlimmeres, oder? Du wirkst so, als ob du Entspannung gebrauchen könntest. Viel Arbeit?"

    „Ich bin jetzt Teil der Orga. Regelmäßige Gesundheitschecks, Schichtdienst am Projekt Fisch. Wenig Freunde und viel Schlaf."

    „Klingt langweilig und deprimierend."

    „Erwachsen. Das ist das Konglomerat, nicht Nova Dehli. Reales Leben in den äußeren Landen. Ich vermisse Alofan, Rena und manchmal sogar den Zwerg."

    „Die, die Fisch gefressen hat?"

    „Wir sind alle im Projekt Fisch aufgegangen."

    „Aber manche sind zurückgekehrt, andere nicht. Warum?"

    „Fisch hat uns wieder abgestoßen, alle bis auf Alofan. Hamji und ich arbeiten wieder für das Projekt. Rena ist in den inneren Landen geblieben und Alofan ..., Ida machte eine Pause und rang sichtlich nach Worten, „ist im Fisch geblieben. Ich glaube nicht, dass er wirklich tot ist. Das passt nicht zum ihm. Ich glaube, er ist, auf irgendeine Weise, noch da draußen und spielt sein Spiel weiter.

    3. Draußen

    Stimmen. Viele Stimmen. Unsagbar viele Stimmen. Imbrifers Geist drohte zu zerbrechen. Was hatte er getan?

    Warum hatte er sich von seinem Stolz dazu treiben lassen von einer einzeln, absolut unwichtigen Stimme zu einer Stimme zu werden, die Gewicht hatte? Er hatte damit nichts gewonnen außer Gewicht und sehr viel mehr verloren. Die Stadthorde, die Stadt, das Kloster, den Weg nach Hause, Linia. Alles gefressen oder in der Horde des Heilers aufgegangen.

    Imbrifer musste, dass er auf dem richtigen Weg war. Er war mit seiner Umwelt verschmolzen. Er hatte bewiesen, dass er dazugehörte, ein Teil der Gemeinschaft war, nützlich war. Nicht wegzudenken, aber auch nicht zu auffällig. Dennoch war der Preis hoch gewesen, vielleicht zu hoch.

    Es war Imbrifers Wissen gewesen, das den Heiler vor Inquisitor Fraan-Linia und Pleumons Horde zur Klosterstadt geführt hatte. Der Heiler hatte sich nicht mit einer Belagerung aufgehalten. Aus der Tiefe war der Große selbst aufgetaucht.

    Gewaltig war nicht das richtige Wort für den Großen. Er hatte mit weit geöffnetem Maul ein Loch in die Welt gestanzt. Vorher war da noch der Berg gewesen, an dessen Fuß sich Klosterstadt mit seinen unzähligen Feuern und der Stadtbarriere auftürmte. Auf seiner Spitze thronte, weit ins Land sichtbar, das neue Kloster der Kontinuität und leuchtete im Zwielicht. Plötzlich durchbrachen Fleisch und Zähne den Boden und eine gewaltige Mauer aus Hünenhaut türmte sich bis in den Himmel. Die Aufwärtsbewegung verlangsamte sich. Für einen Moment stand dieses bizarre Bild einer gewaltigen Mauer aus Fleisch in der Landschaft. Hoch, gewaltig, massiv. Immer schon dagewesen. Wie hatte Imbrifer vermuten können, dass kurz vorher noch an dieser Stelle der Klosterberg mit Kloster und Klosterstadt gestanden hatte?

    Imbrifers Geist hatte sich immer noch geweigert, dieses Bild als real anzusehen - trotz des Jubelchors des Stimmenkollektivs mit dem Namen Heiler. Schließlich, wie im Zeitraffer war es, als ob die Zeit selbst an dem monströsen, die Natur und ihre Gesetze verhöhnenden Bauwerk nagte. Ganz langsam, erst unmerklich, dann immer schneller bewegte sich die Mauer wieder in den Boden. Das Bauwerk verjüngte sich immer mehr und bald tat sich eine Lücke zwischen Boden und Turm auf. Der Graben wurde breiter, fraß sich mit schneller werdender Geschwindigkeit auf den Turm zu, der dann so plötzlich verschwunden war, wie die Mauer aufgetaucht war. Zurück blieb nur eines: ein großes Loch in der Landschaft. Ein Loch, in dem man in den freien Himmel unter dem Land schauen konnte und Staunen, Ehrfurcht, Verehrung vor dem Großen selbst empfand.

    Imbrifer hatte das Wunder eines großen Hünen aus der Tiefe geschaut. Ein Hüne, der so alt und schwer geworden war, dass er sich nicht mehr in den Höhen halten konnte. Imbrifer kam der Gott Kaanmu aus Pleumons Geschichte in den Sinn. So unwirklich das Bild war, jetzt ergab es einem Sinn. Imbrifer glaubte nun.

    Das warme Gefühl breitete sich aus. Imbrifer wurde wahrhaft Teil der Gemeinschaft. Wissen floss aus ihm und Wissen und Zustimmung floss zurück. Imbrifer war Teil des Kollektivbewusstseins.

    Niemand aber bemerkte den hellgrauen Schatten in seinem Geist. Hier lag, abgekapselt, der Keim des Widerstands. Er würde in den Momenten der Einsamkeit keimen, aufblühen und so schnell wieder verwelken, wie er gekommen war. Schnell, unauffällig und giftig wie der Secundus-Al-Cartaz-Nebelenzian. Eine schöne Blüte. Imbrifer ließ das Bild schnell im allgemeinen Wohlgefühl verblassen. Schwelgen in einem schönen Bild musste erlaubt sein. Imbrifer lauschte. Ja, es war gestattet. Bilder von schöner Sturmweltflora und Fauna kamen aus dem Stimmenäther zurück.

    Alles war schön und in Ordnung. Die Dinge konnten ihren Lauf nehmen. Dann, nicht zu aufdringlich, ließ Imbrifer in sich das Gefühl der Neugierde aufsteigen. Neugierde auf den Gott, den er gesehen hatte. Neugierde auf die Tiefe. Das Gefühl versickerte, wie Wasser im feuchten Boden. Schnell und ohne groß aufzufallen.

    Die Saat war gesät und bewässert. Regelmäßig feucht gehalten, würde sie irgendwann aufgehen.

    Imbrifer der Regenmacher folgte seiner Natur, wem würde es auffallen oder ihm gar einen Vorwurf daraus machen wollen? Die Saat würde aufgehen.

    4. Keim

    Imbrifer nahm die Welt, außerhalb des Heilers, nur aus zweiter Hand wahr. Hatte Nunu ihm die Welt der Hünen als für einen Menschen verständliches Bild begreifbar gemacht, so wurde Imbrifer die Welt der Hünen mit dem Schwinden des Nunukonstruktes in seinem Geist fremd. Hünen trugen keine Kleidung, sie benötigten sie nicht. Hünen nutzten keine Werkzeuge, sie benötigten sie nicht. Gedanken formten die Dinge, die sie benötigten. Der Boden war kein Boden, sondern die Grenzschicht zwischen zwei Gasschichten. Berge und Täler folgten der Strömung der Wirbel, die Hoch und Tiefdruckgebiete erzeugten. Nebel und Wolken aus gelösten Ammoniak, Schwefelwasserstoff und sogar Wasser bildeten Barrieren. Gasplankton war ihm als Gras erschienen. Lange Kelpfäden bildeten undurchdringliche Wälder. Das Getier, das in dieser Gaswelt trieb, hatte er in ähnlicher Form in einem Tropfen Wasser unter einem Mikroskop gesehen. Amöben, Wasserflöhe, Pantoffeltierchen. Aber auch Quallen und kleine Korallenlarven.

    Strudel bildeten Riffe und auf diesen Riffen tummelte sich das Leben. Imbrifer verstand nun, dass die Hünen nur das Larvenstadium der Hünen waren, der Große hatte gezeigt, wie ein erwachsenes Exemplar wirklich aussah.

    So schnell, wie Imbrifers Idee in der Tiefe aufgekeimt war, so schnell verdorrte diese Idee wieder. In den Höhen waren sie sicher, in der Tiefe waren sie nur eine unbedeutende Zwischenmahlzeit. Was trieb nun den Großen dazu, den Heiler auszusenden und eine große Schar von anderen, kleineren Hünen um sich zu scharen?

    Imbrifer verstand nun die Gedanken, die rieten, in der Höhe zu bleiben. Aber der Wunsch nach Tiefe hatte schon vor Imbrifers unbedachtem Impuls bestanden.

    So schnell, wie diese Sicht auf die Welt gekommen war, so schnell verschwand sie auch wieder. Imbrifer begriff, dass diese Welle von Gedanken aus der Tiefe gekommen war. Der Große hatte dem Heiler neue Anweisungen gegeben, oder besser gesagt, alte erneuert: Vermehre deine Horde. Heile Zwietracht. Heile Konflikt. Bewegt euch wie ein Schwarm. Wachst.

    Imbrifer kam das nicht ganz geheuer vor, aber der Befehl des Großen sickerte aus dem Heiler in die Umgebung und beraubte die Hünen in der näheren und weiteren Umgebung ihres klaren Verstandes.

    Am hellgrauen Schatten aber glitt er ab, ohne Spuren zu hinterlassen. Imbrifer war noch Herr seiner Gedanken. Der Heiler hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. Mit einiger Verzögerung drangen Gesprächsfetzen zu ihm durch. Linia, der Heiler redete mit Linia! Die Macht des Großen verschluckte auch ihren freien Willen und den aller anderen. Selbst der Guardian hatte dem Sturm nicht viel entgegenzusetzen. Imbrifers Schatten spürte aber kleine Keime des Widerstandes, ganz ähnlich dem seinen. Der Guardian würde warten und auf eine günstige Gelegenheit hoffen. Damit war er ein wertvoller Verbündeter. Bei Linia glomm noch etwas von ihrem Feuer, das sie so attraktiv machte und gleichzeitig offenen Widerstand ohne echte Chance bedeutete. Geduld war nicht Linias größte Stärke. Imbrifer sandte sein helles Grau zu Linia. Ihr Widerstand gegen den Heiler schwächte sich ab. Die gewaltsame Konfrontation blieb aus. Linia folgte der Herde. Erst schwamm sie mit, dann wurde sie langsamer. Das helle Grau und ihr inneres Feuer schwächten den Einfluss des Großen. Mit jedem Meter Distanz zum Heiler gewann Linia mehr von ihrem eigenen Willen zurück. Bald war Linia aus dem Sichtfeld des Heilers verschwunden. Imbrifer hütete sich, nachzufassen, er wollte keine unnötige Aufmerksamkeit auf Linia und ihren Gastgeber Fraan lenken.

    Fraan-Linia war entkommen. Imbrifers erster Sieg über den Heiler und den Großen. Weitere würden folgen.

    5. Katzenjammer

    Ein nervender Summton riss Linia aus ihrem Schlaf. Dröhnend laut wie Hammerschläge malträtierte das Geräusch ihren Kopf, während ihre Gedanken in Nebel und Watte getaucht um die Frage kreisten, wo sie sich gerade aufhielt. Eine andere Stimme kam ihr bei der Beantwortung ihrer Frage zuvor.

    „Verdammt, Linia, haben wir Polanz‘ Whisky ausgesoffen?"

    „Ida? Bist du es wirklich? Wo bin ich?"

    „In Polanz‘ Reich. Auf seiner Kommandobrücke. An Bord der Dragon Kerr."

    „Dragon Kerr? Das ist verdammt nochmal mein Schiff! Das habe ich von Papa geschenkt bekommen. Mir ist nicht gut."

    Linia rappelte sich auf. Sie hatten es wohl nicht von der Sitzgruppe heruntergeschafft. Linia beschloss langsam und vorsichtig, den Weg ins Badezimmer anzutreten. Schwankend und unsicher ging es immerhin auf zwei Beinen vorwärts.

    „Soll ich dir helfen?"

    „Nee, lass mal, geht schon. Erkundige du dich, was das Geräusch bedeutet. Bin kurz indisponiert."

    Ida klang nicht sonderlich begeistert.

    „Verdammt, Linia, kaum bist du wieder hier, da kommandierst du mich auch schon herum. Das ist dein Schiff, kläre das selbst, sobald du wieder nüchtern bist. Und wenn du eine Sauerei im Bad machst, wischst du das selbst wieder auf, mir ist auch nicht gut!"

    Den letzten Satz bekam Linia nur halb mit. Die Tür des Badezimmers hatte sich hinter ihr geschlossen. Der Spiegel über dem Waschbecken zeigte kein schmeichelhaftes Bild. Ein weiblicher Zombie mit rot unterlaufenen Augen blickte Linia von der anderen Seite des Spiegels an. Eine Katzenwäsche ließe das Bild etwas gnädiger werden. Große Schlucke Wasser aus dem Hahn später fühlte sich Linia dann etwas besser. Solange, bis die Blase sich in Erinnerung rief. Den Ort, den sogar eine Kaiserin zu Fuß betrat, aufsuchend, musste Linia lachen.

    Kaiserin, das war zwei Große Chancen her. Mit dem Mist musste sich jetzt Jolan herumplagen. Der Fall vom Thron war tief gewesen. Angeklagt der willentlichen Vernichtung einer ganzen Welt und dem Großteil aller ihrer Bewohner, hatte sie die Flucht nach vorne angetreten und abgedankt. Ein ganzes Großes Jahr hatte Linia im gelben Büßergewand verbringen müssen. Alles, was sie an Kleidung angezogen hatte, war schlagartig gelb geworden und auch geblieben. Linia-Gelb hatte sich sogar eine Zeitlang einiger Beliebtheit erfreut. Umgefärbte Kleidungsstücke hatten für einigen Reichtum gesorgt. Nicht dass sie das Geld gebraucht hätte, Jolan hatte ihr eine großzügige Apanage samt Gefolge und kostenlosen Transport gewährt. Aber die Wohltaten der gelben Frau hatten ihr Ansehen als aufopfernde Mutter von Lotus weiterhin hochgehalten. Ein oder zwei Viktors des Professors hatten dann unauffällig dafür gesorgt, dass nicht wohlgesonnene Zeitgenossen ihr von der Wäsche blieben. Nach Ablauf ihres großen Bußjahres hatte Linia sich dann den Wächtern angeschlossen und war schließlich zusammen mit Fraan zum Inquisitor bestimmt worden. Und nun saß sie auf ihrem lange verschollenen Porzellanthron.

    Nur das Regieren würde von hier aus schwerfallen.

    Eine Dusche später und in einen frischen Schiffsoverall gekleidet, war Linia dann bereit, sich dem Konglomerat zustellen.

    Zurück im Empfangszimmer ihrer Suite erwartete Linia die geballte Prominenz der Schiffsführung. Der dicke Polanz erdolchte sie mit Blicken, während er auf die leer getrunkenen Flaschen auf dem Tisch starrte.

    Die anderen Gesichter sahen bis auf den grinsenden Tama eher betreten bis fragend aus. Ida fühlte sich erkennbar unwohl, trug ihren angeschlagenen Zustand aber mit Fassung.

    Linia beschloss, ein Zeichen zu setzen, und trat die Flucht

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