Amazing Grace: Das wundersame Leben eines Verlegers
Von Klaus Gerth
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Buchvorschau
Amazing Grace - Klaus Gerth
Klaus Gerth
Amazing Grace
www.fontis-verlag.com
Klaus Gerth
Amazing Grace
Das wundersame Leben eines Verlegers
Logo_fontisBibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Die Bibelstellen wurden folgenden Übersetzungen entnommen:
Hoffnung für alle © 1983, 1996, 2002, 2015 Biblica Inc.®,
herausgegeben von Fontis – Brunnen Basel;
sowie Lutherbibel 1912, gemeinfrei
© 2017 by Fontis – Brunnen Basel
Umschlag: André Bégert & David Grau, Fontis – Brunnen Basel
Fotos Umschlag: Cathryn Farnsworth Photography
Fotos Innenteil: © by Klaus & Gaby Gerth
Fotos Los Angeles: Cathryn Farnsworth Photography
E-Book-Vorstufe: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel
E-Book-Herstellung: Textwerkstatt Jäger, Marburg
ISBN (EPUB) 978-3-03848-466-0
ISBN (MOBI) 978-3-03848-467-7
www.fontis-verlag.com
Inhalt
ERSTER TEIL · AMAZING
Methernitha
Die Rückfahrt
Der Anruf
Gaby
Klaus
Daimler-Benz
Eckerle
Auf dem Schleudersitz
Das grüne Gärtel
Juvena
Die unschuldige zertretene Blume
Wiedergeburt
Nitchevo – innere und äußere Schönheit
Sind wir die letzten Christen?
Das Gespräch beim Pfarrer
Die drei Kreuze
Besuch in Essen
Die Hochzeit
Eine wundersame Begegnung
Ein wichtiger Brief
Das Treffen und das Angebot
Estée Lauder oder HSW
ZWEITER TEIL · GRACE
Ein ganz schwerer Anfang
Schulstraße 31
Bankgeschäfte
Ein finanzielles Wunder
Alleine stark
Auf dem Boden in Chicago
Der Kauf
Im Heiligen Land auf biblischen Wegen
Jubiläum aus persönlicher Sicht
Mein Buch «Der Antichrist kommt»
Der Nachrichtendienst «Topic»
IVCG
Die Verheißung
Angekommen
Der Hausbau
«Herold Seines Kommens»
Einen Verlagsneubau wagen?
Jonis Verheißung
Aßlarer Wunden
Siegfried Fietz
Friedrich Hänssler
Verlagsgeschichten
Dr. Dr. Gilbert
Der Umzug
Ein zweifelnder Angestellter
«Lydia»
Wehen des Geistes
Bücher und Musik zum Leben
Der Mauerfall
Die Krise
Zehn Punkte in Afrika
Sarah
Zwanzig Jahre nicht am Steuer
Geistesgaben
Reinhard Bonnke – Eckstein oder Stein des Anstoßes
Projektion J
Christoph, Sarah oder Ralf
Peter Olson
Schätze im Himmel
Sei dankbar!
München
DRITTER TEIL · HOW SWEET THE SOUND
Los Angeles
Erste Liebe
Auf der Suche nach der Farm
Die Taufe
San Diego: Keanus Geschichte
Jockos Tod und die dramatischen Folgen
Persönliche Erweckung
Die weltweite Erweckung
Gut und Böse
Evan Roberts und das Welsh Revival
Seine Gnade hat kein Ende
Weltweiter Aufbruch
Dein Glaube wird dich gesund machen
Emmaus
Die Hazienda
Das Beste kommt noch
Die Becker-Faust
Epilog
APPENDIX
Einladung zum Glauben
Danksagung
Chronologie
BILDTEIL
ERSTER TEIL
AMAZING
Methernitha
Wie wird sie aussehen? Sie sagten: «Sie sieht aus wie ein Engel und spricht seit Wochen kein einziges Wort mehr.»
Was war geschehen? Gaby und ich hatten uns zum letzten Mal vor einem Monat gesehen, bei der religiösen Gemeinschaft «Methernitha», in einem kleinen Dorf namens Linden in der Schweiz, wo sie seit einiger Zeit lebte. Damals, vor vier Wochen, brachte man uns beide in zwei einsame Waldhütten, wo wir getrennt voneinander drei Tage verbringen sollten, ohne Essen und alleine in der Natur.
«Ihr müsst euch voll auf Gott konzentrieren», trichterten sie uns ein. «Sprecht Gebete zu den Bäumen und taucht völlig ein in die Natur.»
Diese Aufgabe wiederholten wir wieder und wieder, bis unsere innere Stimme immer lauter zu uns zu sprechen anfing und unser Herz pochte. Dann, am zweiten Tag, brach ein heftiges Gewitter über uns herein. Blitze zuckten nieder. Donner ließ die Bergwelt um uns herum erzittern.
Ich fürchtete mich zu Tode, und während draußen das Unwetter tobte, zog vor meinem inneren Auge mein ganzes Leben an mir vorbei. Bilder aus meiner Kindheit tauchten auf, die schon längst vergessen schienen. Ich fühlte mich schuldig. Der starke Regen schien die Gegenwart wegzuspülen, und schlimme Erinnerungen aus meiner Vergangenheit tauchten auf, die mir Angst einjagten. Ich fühlte mich elend und stand mit meinem schlechten Gewissen vor dem ewigen Gott.
Dann, nach drei Tagen, haben sie mich abgeholt.
Gaby haben sie vergessen, ganze sieben Tage und Nächte lang. In dieser Zeit in der Einsamkeit horchte auch sie auf ihre innere Stimme, welche allmählich begann, die kommenden sechs Wochen ihres Lebens zu bestimmen. Gaby sprach kein Wort mehr. Sie hörte nur noch auf die Stimme, die ihr sagte, was sie tun sollte, wann es Zeit war aufzustehen oder sich die Zähne zu putzen.
Als man sie endlich zurückholte in die Gemeinschaft, schien sie wie erleuchtet. Sie wurde in die innere Schar der Sekte aufgenommen, die von Paul Baumann geleitet wurde.
«Vatti», wie er liebevoll von seinen Anhängern genannt wurde, wuchs auf als Sohn einer Schneiderfamilie. Zuhause waren sie arm. Er wurde als Kind herumgeschoben und zur Arbeit bei fremden Leuten gezwungen. Er war ein schlechter Schüler, hatte aber ein angeborenes technisches Talent und konnte Uhren und Geräte aller Art reparieren.
Aufgrund einer mysteriösen Begegnung mit einem Unbekannten, welcher göttliche Visionen in «Vattis» Leben pflanzte, gründete er in den 60er Jahren die Bewegung «Methernitha». Er überzeugte seine Anhänger, indem er sich als Sprachrohr Gottes ausgab.
Für seine Anhänger galten strenge Vorschriften. Sie verpflichteten sich, sexuell enthaltsam zu leben, verzichteten auf Tabak und Alkohol und unterwarfen sich einer strengen Kleiderordnung.
Ich fuhr nach meinem erschütternden Erlebnis in der einsamen Hütte zurück nach Baden-Baden und wartete auf ein Zeichen von Gaby. Doch ich hörte nichts. Was war mit ihr geschehen? Warum schwieg sie? Ging es ihr gut, und hatte sie die unheimlichen Tage und Nächte auf der Hütte unversehrt überstanden?
Ich hielt es nicht mehr aus, herumzusitzen und zu warten, darum fuhr ich mit meinem Wagen zurück ins Emmental, die Serpentinen hinauf nach Linden. Bei meiner Ankunft erzählten mir einige Mitglieder der Gemeinschaft, Gaby sei völlig verändert. Ich wartete draußen auf sie.
Als sie mir durch eine Holzpforte entgegenkam, fing das Tor an zu klingeln. Mysteriös! Hatte sie übernatürliche Kräfte? Sie sah ganz heilig aus, engelsgleich, wie von dieser Welt entrückt. Sie schaute stumm vor sich hin, und auf meine drängenden Fragen gab sie keine Antwort. Hatte ich sie für immer verloren? Es sah ganz danach aus.
Auch während meiner Besuche in den folgenden Wochen änderte sich ihr Zustand nicht. Ich fuhr jeden Freitag von Baden-Baden hinauf ins Berner Mittelland und verbrachte meistens das ganze Wochenende im Zentrum Moosbühl, dem Ort des «Sich-Findens».
Die Landschaft war paradiesisch. Überall blühten prachtvolle Blumen, und das «Moos» war eingerahmt von einer majestätischen Berglandschaft. Ich fühlte mich beschützt und geborgen. Abends zog ich mich in mein Zimmer zurück. Ich musste den Kopf einziehen, um durch die kleine Tür in meine Zelle zu gelangen. Es war ein spartanisch eingerichteter Raum, ausgestattet mit einem Stuhl und einer Pritsche. An der Wand hing das Bild vom «breiten und vom schmalen Weg», dem gleichnamigen Motto der Gemeinschaft.
Im Raum gab es auch ein kleines schwarzes Kästchen, eine Art Radioempfänger. Man nannte es das «Apparätli». Abends wurden darüber spirituelle Geschichten ausgestrahlt. Bei besonderen Anlässen drang zuerst eine kurze Melodie wie ein Glockenspiel aus dem Lautsprecher. Dann war die Stimme von «Vatti» zu hören. Er zog die Menschen in seinen Bann, und sie pilgerten mittlerweile von überallher nach Linden, um seine Lehre zu hören, die er durch den Kontakt mit Geistwesen erhielt.
Ich fragte mich: «Ist es Gott, ist es Jesus, der dort in den Schweizer Bergen zu uns spricht, oder sind es okkulte Machenschaften?» Damals wusste ich es nicht. Aber meine Suche nach Gott stand im Mittelpunkt.
Die Rückfahrt
Die vergangene Zeit hatte mir zugesetzt. Die drei Tage in der Hütte, das schreckliche Gewitter, die Einsamkeit und der Zustand von Gaby hatten das Fundament meines Lebens erschüttert. Zwar hatte ich Einsichten in geistliche Geheimnisse gewonnen, aber ich konnte die Geister, die ich rief, nicht beherrschen, sie beherrschten mich. Ich spürte, wie sich eine Last auf meine Schultern legte und wie Schuldgefühle von mir Besitz ergriffen.
Für die Außenwelt war ich der junge, erfolgreiche Manager, der es sich zum Ziel gemacht hatte, seine Karriere so lange zu verfolgen, bis er ganz oben angekommen war. Früher war die Frage «Was ist nach dem Tod?» vielleicht ein-, zweimal pro Jahr aufgetaucht. Nun verfolgte sie mich auf Schritt und Tritt. Sollte ein erfolgreicher junger Mann (wie hochnäsig ich damals war!) einfach irgendwann sterben, und das war es dann? Warum dann die ganze Mühe und das Streben nach Erfolg?
Auf einer Rückfahrt von der Methernitha nach Baden-Baden dachte ich an Gaby und die Ereignisse in der einsamen Hütte, welche mich so aufgewühlt hatten. Ich war unterwegs, als ich plötzlich meinen Wagen auf dem Seitenstreifen anhalten musste. Tränen liefen mir übers Gesicht, und ich erlebte einen inneren Zusammenbruch. Ich betete das Vaterunser: «Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit!»
Ich habe am ganzen Leib gezittert, ich heulte und wusste nicht mehr, was mit mir los war. Die ganze Schuld, all die großen Fragen des Lebens standen unbeantwortet vor mir. Wer bin ich, wohin gehe ich, warum tue ich, was ich tue? Ich betete nochmals: «Denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit!»
Wirklich? Galt dieser Zuspruch auch für mich? Die Herrlichkeit in Ewigkeit? Ein herrliches und ewig andauerndes Leben? War dies die Antwort auf all meine quälenden Fragen? Galt dieses Versprechen auch mir? Herrlichkeit in Ewigkeit? Ich war überwältigt und fragte mich: «Wie kann ich dieses Glück gewinnen?»
Der Anruf
Dann kam ein Anruf aus der Schweiz. Sechs Wochen waren vergangen, ohne dass Gaby ein einziges Wort sprach. Nun war sie am anderen Ende der Leitung und sagte ganz ruhig:
«Hol mich bitte sofort ab, sie suchen mich.»
Ich wusste nicht, was dies zu bedeuten hatte. Ich ließ alles stehen und liegen und fuhr sofort los in die Schweiz.
Gaby gehörte inzwischen zum inneren Zirkel der Gemeinschaft Methernitha. Sie hatte Einsicht in Dinge erhalten, die den anderen Mitgliedern verschlossen blieben.
Paul Baumann, der Leiter der Vereinigung, war ein hagerer kleiner Mann mit langen Haaren und stechendem Blick. Er herrschte wie ein Despot. Er glaubte fest daran, dass Gaby sich nach ihrer Rückkehr aus der Hütte in einen Engel verwandelt hatte. Darum hatte sie sein Vertrauen gewonnen und durfte sich nun auch an Orte begeben, welche für die anderen Mitglieder nicht zugänglich waren.
Es dauerte nicht lange, und Gaby fand heraus, dass «Vatti» zwar Askese und sexuelle Enthaltsamkeit predigte, er gleichzeitig aber minderjährige Mädchen belästigte und seine Jünger in vielen Dingen schamlos betrog. Er führte die Mädchen in ein Waldhäuschen, zog Frauenkleider an und verging sich an ihnen.
Gaby sah und hörte, was sich da im Verborgenen abspielte, und sie wollte die Gemeinschaft darüber informieren. Ihre innere Stimme, die ihr sechs Wochen lang geboten hatte zu schweigen, drängte sie nun dazu zu reden. Die Wahrheit über Paul Baumann musste ans Licht kommen. So fing sie an, einigen Mitgliedern von den Übergriffen zu erzählen, und es dauerte nicht lange, bis «Vatti» mit den Anschuldigungen konfrontiert wurde.
Dem Sektenführer und seinen engen Vertrauten wurde klar, dass nichts von all dem jemals nach außen dringen durfte, und man versuchte mit allen Mitteln, die Angelegenheit zu vertuschen. Beweise gab es keine, was die Sache für Gaby zusätzlich erschwerte. Die Situation spitzte sich zu, und auf einmal wurde Gaby bewusst, dass sie sich in einer gefährlichen Lage befand. Sie war sich ihres Lebens nicht mehr sicher, darum rief sie mich an und sagte am Telefon: «Die verfolgen mich! Ich bin in Gefahr, hol mich bitte sofort ab.» Sie flüchtete zu Fuß den Berg hinunter.
Als ich nach Stunden endlich im Emmental ankam, kam sie mir bereits mitten in einer Wegkurve entgegen. Sie stieg in mein Auto, und schon wenige Stunden später passierten wir die Schweizer Grenze. Wir waren wieder zurück in Deutschland.
Dies alles geschah 1972/1973, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und auch unbemerkt von den meisten Mitgliedern der Methernitha. Paul Baumann verbarg seine dunkle Seite geschickt. Es wurde zwar gemunkelt, dass es da seltsame Praktiken gebe, aber Tatbeweise gab es nie.
Erst 1976 geriet Paul Baumann alias «Vatti» in die Schlagzeilen. Zwei ehemalige Angehörige und Opfer brachen ihr Schweigen und gingen gegen den Sektenführer vor Gericht. «Vatti» wurde wegen sexuellem Missbrauch von Minderjährigen zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt.
Gaby
Gaby war zur Sekte «Methernitha» gekommen, um inneren Frieden zu finden. Sie erhielt den Hinweis von Ursula von Mangoldt, einer bekannten Autorin, promovierten Theologin und Verlegerin, die verschiedene Bücher herausgab zu spirituellen und esoterischen Themen. Hinter vorgehaltener Hand gab sie Gaby den Hinweis, da gäbe es diese geheimnisvolle Gruppe in der Schweiz, wo Wunder passierten und wo Gott übernatürliche Dinge vollbringe. Einen Ort der geistlichen Revolution.
Gaby suchte Frieden für ihre Seele, denn sie konnte die schlimmen Geschehnisse in ihrem jungen Leben einfach nicht vergessen.
Sie wurde geboren in Insterburg in Ostpreußen im Jahr 1944, als gerade die Russen das Gebiet eingenommen hatten. Ihre ersten Lebensjahre war sie mit ihrer Mutter und mit ihren beiden älteren Geschwistern auf der Flucht. Der Vater, ein Generalmusikdirektor aus Insterburg, war noch im Krieg an der Front. Jahrelang musste Gaby hungern und schrie täglich nach Brot. Sie wurde Zeugin von Vergewaltigungen. Auch ihre zehn Jahre ältere Schwester wurde Opfer von Übergriffen. Die letzten Kriegsjahre und die Besatzungszeiten waren schrecklich.
Nach dem Krieg erlebte sie weitere Schicksalsschläge. Gaby fand heraus, dass der Generalmusikdirektor nicht ihr wirklicher Vater war. In Wahrheit stammte sie aus einer Liebesbeziehung ihrer Mutter mit einem Steuerberater.
Nach der Zeit auf der Flucht, als Gaby und ihre Familie endlich in Lübeck sesshaft geworden waren, besuchte sie von Zeit zu Zeit ihren leiblichen Vater, der seine eigene Steuerkanzlei in Hamburg betrieb. Er war ein glühender Nazi, der den verlorenen Krieg nicht verarbeiten konnte. Er erhängte sich in seiner Wohnung. Ein weiterer Umstand, den Gaby schwer verkraften konnte.
Sie besuchte hin und wieder ihre Mutter, die in einer kleinen Etagenwohnung lebte und von morgens bis abends mit dem Bus unterwegs war, um ihre Klavierschüler zu unterrichten und Einkäufe im Reformhaus zu tätigen.
Am Wochenende war sie stets als Organistin der heimischen evangelischen Kirche im Einsatz. Die schwierigen Familienumstände hatten zu einer etwas lädierten Beziehung zu «Muttchen» geführt, so nannte Gaby ihre Mutter. Später, als diese Oma wurde, lehnte sie partout ab, weiterhin so genannt zu werden, und hieß fortan nur noch «Oma Mutti».
Wann immer Gaby ihre Mutter auf ihren wahren Vater ansprach, markierte diese einen Schwächeanfall und lehnte es komplett ab, dieses heikle Thema auch nur in den Mund zu nehmen.
Dann, mit zwanzig Jahren, hat Gaby den berühmten Schauspieler Hanns Lothar geheiratet. Hannsi war ein notorischer Trinker, der schon morgens gerne zur Flasche griff. Er wohnte in Hamburg und hatte sich unsterblich in sie verliebt. Obwohl er diverse Filmauszeichnungen gewonnen hatte und von seinen Anhängern angebetet wurde (seine Starrolle in «Buddenbrooks» hatte ihn unsterblich gemacht), war er unglücklich. Nun hatte er eine wunderschöne junge Frau geheiratet, aber dennoch beherrschte ihn seine Trunksucht.
Gaby wollte eines Tages dieser Situation entfliehen und fuhr für einige Tage zu ihrer Mutter nach Lübeck, um etwas Abstand zu gewinnen. Nach zwei Tagen, am 11. März 1967, erreichte sie die Nachricht aus Hamburg. Hannsi Lothar war an einem Nierenversagen gestorben. Bei seiner Beerdigung lagen sich die Menschen in den Armen und weinten. Und noch lange nach seinem Tod pilgerten seine Verehrer zu seinem Grab und trauerten.
Aber Gaby konnte mit dem ganzen Trubel nichts anfangen. Dies war lediglich eine weitere Tragödie in ihrem noch so jungen Leben. Die schwierige Kindheit und die vielen Schicksalsschläge führten dazu, dass Gaby das Geschehene zu verarbeiten versuchte. Der Durst nach Gerechtigkeit und die Suche nach dem Sinn des Lebens rückten immer mehr ins Zentrum. Sie spürte innerlich eine totale Leere. Keiner war da, der ihr geholfen hat. Eine große Einsamkeit umgab sie, es tat so weh. Sie fühlte sich schuldig und verantwortlich für alles, was in ihrer Vergangenheit geschehen war.
Klaus
Mein Vater Egon diente im Zweiten Weltkrieg als Feldwebel im Russlandfeldzug. Ich war ein Einzelkind und habe ihn nie kennen gelernt.