Berlin erlesen!: Eine literarische Schatzsuche
Von Bernhard Hampp
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Buchvorschau
Berlin erlesen! - Bernhard Hampp
Bernhard Hampp
Berlin erlesen!
Eine literarische Schatzsuche
Impressum
Sofern im Folgenden nicht aufgeführt, stammen alle Fotos vom Autor:
Heiner Harke 14; Bernhard Hampp mit Genehmigung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz 36; Steffi Schulz 56; Georg Held 62; Bezirksamt Berlin-Reinickendorf 114; Potsdam, Park Sanssouci, Neues Palais, Friedrichswohnung, Bibliothek Friedrichs des Großen, R. 208 / SPSG / Roland Handrick 136; Potsdam, Schloss Sanssouci, Bibliothek, R. 6. / SPSG / Leo Seidel 138; Hans Bach, Potsdam, mit freundlicher Genehmigung des Einstein Forums Potsdam, www.einsteinforum.de 142; Peter-Huchel-Gedenkstätte e.V. 146; Horst Drewing 168; Kleist-Museum 170
Alle Seitenangaben in diesem Buch beziehen sich auf die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.
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Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2021
Lektorat / Bildredaktion: Anja Kästle
Satz / Bildbearbeitung / Umschlaggestaltung: Susanne Lutz
unter Verwendung eines Fotos von: Agota Kadar - stock.adobe.com
Kartendesign: Susanne Lutz; © Maps4News.com / © HERE
E-Book: Mirjam Hecht
ISBN 978-3-8392-6864-3
Inhalt
Impressum
Östliches Zentrum
Humboldt-Universität
1 Geteilte Lesefreude
Staatsbibliothek zu Berlin
2 Schnäppchenjagd am Kupfergraben
Antik- & Buchmarkt am Bodemuseum
3 Die Schönste im ganzen Land
Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität
4 Am Ende auch Menschen
Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung
5 Geschichte geschrieben
Bibliothek des Deutschen Historischen Museums
6 Alles und noch viel mehr
»Dussmann – Das KulturKaufhaus«
7 Schreib mal wieder
Museum für Kommunikation Berlin
8 Hoffmanns Erzählungen
Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt
9 Das literarische Trio
Nicolaihaus – Ein Haus der Deutschen Stiftung Denkmalschutz
10 »Jesacht, wies is«
»Zille Museum«
11 Zeit für eine Pause
Café Tasso – Das andere Antiquariat
12 Alles über Anne
»Anne Frank Zentrum«
13 Bücher machen Kleine groß
LesArt – Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur
14 Fortsetzung folgt …
Comicbibliothek Renate
15 Heine und ein anderer Buchladen
Heine-Denkmal und Buchhandlung »ocelot« am Weinsbergpark
Westliches Zentrum
Deutsches Technikmuseum
16 In den Rauch geschrieben
Brecht-Weigel-Museum im Brecht-Haus
17 Sie bleiben lebendig
Dorotheenstädtischer Friedhof
18 Weltkunst auf Papier
Kupferstichkabinett
19 Anziehende Bücher
Sammlung Modebild – Lipperheidesche Kostümbibliothek
20 Literatur im Parterre
Buchhändlerkeller Berlin
21 Erlesenes unter dem Gleis
Bücherbogen am Savignyplatz
22 Qualität vom Erzeuger
Autorenbuchhandlung Berlin
23 Folge dem weißen Elefanten
Literaturhaus Berlin beim Kurfürstendamm
24 Schwarz auf Weiß
Deutsches Technikmuseum
25 Hoffmann kam nicht raus
Friedhöfe am Halleschen Tor
26 In Omas altem Lesesessel
»Café BilderBuch«
27 Bowie hatte keine Chance
Bücherhalle
28 Zauberreich in Randlage
Antiquariat Tode
29 Letzte Station als »Giftmischer«
Fontane-Apotheke im Haus Bethanien
Äußere Bezirke
Kleiner Wannsee
30 Alte, neue schwarze Kunst
Offizin Die Lettertypen
31 Ausguck in Adlershof
Anna-Seghers-Museum
32 Mikrofon läuft
Haus für Poesie
33 Im Papierhaus
Antiquariat Die Geisterschmiede
34 Lesen ist gesund
Bibliothek am Luisenbad
35 Spur der Brüder
Humboldt-Bibliothek
36 Spandauer Geheimnisse
Museum Spandovia Sacra
37 Guter Tausch
Bücherboxx
38 Edles unter dem Hammer
Kunst- und Buchauktionshaus Bassenge
39 Hintertür ins Paradies
Kleistgrab am Kleinen Wannsee
40 Haus am See
Literarisches Colloquium Berlin
41 Zu Gast bei Mary
Hotel Friedenau – Das Literaturhotel Berlin
Ausflüge nach Brandenburg
Fontanedenkmal in Neuruppin
42 Der Große und seine kleinen Bücher
Schloss Sanssouci und Neues Palais: Die Bibliotheken Friedrichs II.
43 Potsdamer Rätselspiel
Buchhandlung Viktoriagarten
44 Relativ glücklich
Einsteinhaus in Caputh
45 Ermutigung
Peter-Huchel-Haus in Wilhelmshorst
46 Undine verzaubert
Fouqué-Bibliothek in Brandenburg an der Havel
47 Schummerige Gänge
Bücher- und Bunkerstadt Wünsdorf
Brandenburg an der Havel
48 Ein Leben wie ein Jahrhundert
Franz Fühmann Literatur- und Begegnungszentrum in Märkisch Buchholz
49 Produktiver Spaziergänger
Gerhart-Hauptmann-Museum in Erkner
50 Fremder ohne Schatten
»Chamisso Museum im Kunersdorfer Musenhof«
51 Rätsel, Kämpfe, Brüche
Kleist-Museum in Frankfurt / Oder
52 Warner und Mahner
Friedrich-Wolf-Gedenkstätte in Lehnitz
53 Dem Dichter der Mark
Theodor Fontane im Museum Neuruppin
54 Für Verliebte – und den Rest
Kurt Tucholsky Literaturmuseum in Rheinsberg
55 Belletristik zum Bacalao
Schmökerstuw in Berlinchen
Adressen
Karte 1
Karte 2
Östliches Zentrum
Humboldt-Universität
kapiteltrenner_osten_1a.JPG1 Geteilte Lesefreude
Staatsbibliothek zu Berlin
01_staatsbibliothek_1a.jpgSteinerne Büchermenschen empfangen Besucher der Staatsbibliothek Unter den Linden: Männer- und Frauenskulpturen flankieren das efeubewachsene Portal im Vorhof. Sie tragen Bücherstapel, halten Schriftrollen oder sind in dicke Wälzer vertieft. Ganz klar: Wer lesen und lernen möchte, ist hier richtig. Elf Millionen Druckschriften und zahllose weitere Medien – jährlich kommen rund 100.000 hinzu – schlummern an diesem Ort. Genauer gesagt an diesen zwei Orten: Wie ganz Berlin war auch die Staatsbibliothek lange Zeit geteilt. Die beiden Häuser im ehemaligen Ost- und Westteil der Stadt arbeiten seit der Wende wieder zusammen. Betrieben unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, bilden sie eine der bedeutendsten Bibliotheken weltweit.
Alles begann im 17. Jahrhundert mit dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg: Der Landesherr beschloss, seine Büchersammlung ausgewählten Gelehrten zugänglich zu machen. 1661 ließ er die Bibliothek im Apothekenflügel des Berliner Schlosses einrichten. Als der Kurfürst 1688 starb, lagerten hier schon rund 20.000 Druckwerke und 1.600 Handschriften. Die nachfolgenden Preußenherrscher pflegten die Bestände weiter. Unter König Friedrich II., dem passionierten Leser, erhielten sie 1784 ihr eigenes Gebäude neben dem Opernhaus – wegen seiner barock geschwungenen Fassade nannten die Berliner es sogleich »Kommode«.
Das Haus Unter den Linden gefällt als neobarocker Prachtbau. Bis 1902 stand an dieser Stelle der Marstall mit Akademie der Wissenschaften und Akademie der Künste, in dem Johann Gottlieb Fichte ab 1817 seine Reden an die deutsche Nation hielt. Das heutige Bibliotheksgebäude erbaute Ernst von Ihne ab 1903. 1909 füllte es sich mit Büchern, zu Beginn des Ersten Weltkriegs war es fertiggestellt. Von 1918 an trug die ehemals Königliche Bibliothek den Namen Deutsche Staatsbibliothek. Als der Zweite Weltkrieg nahte, war der Bestand schon auf drei Millionen Bände und mehr als 70.000 Handschriften angewachsen. Die Verantwortlichen lagerten ihn aus Furcht vor Bombenangriffen und Plünderungen an verschiedene Orte überall in Deutschland aus. Nach dem Krieg kehrte vieles, was sich in der sowjetischen Besatzungszone befand, in das Haus Unter den Linden zurück, das nun zur Bücherherzkammer der DDR werden sollte.
Heute dient die Staatsbibliothek Unter den Linden als historische Forschungsbibliothek für Literatur bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Der große Kuppellesesaal im Zentrum des Gebäudekomplexes, eröffnet 1914, wurde während des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt. An seiner Stelle befindet sich der 2013 eröffnete Allgemeine Lesesaal unter einem Glaskubus. Das Haus wurde zuletzt in den Jahren 2005 bis 2020 umfassend saniert und präsentiert nun eine gelungene historisch-moderne Mischung.
Die Staatsbibliothek Unter den Linden ist auch der Standort des Bibliotheksmuseums: In der ehemaligen grünen Eingangshalle geben auf 200 Quadratmetern eine Dauerausstellung zur Geschichte der Sammlung, eine Schatzkammer und Wechselausstellungen einen Einblick in rund 350 Jahre Kulturgeschichte Berlins, Preußens und Deutschlands. Die Exponate belegen: Die Berliner Büchersammlung sucht ihresgleichen. Zu sehen ist etwa eine Handschrift des Nibelungenliedes. Weltweit sind nur neun vollständige Fassungen des Heldenepos erhalten – drei davon bewahrt die Staatsbibliothek auf. Auch eine zweibändige illuminierte Pergamentbibel, hergestellt 1454 / 55 vom Druckpionier Johannes Gutenberg, sorgt für Staunen.
Die meisten Preziosen aber halten die Bibliothekare in den Tresoren streng unter Verschluss und holen sie nur für Forscher mit besonderem Anliegen hervor. So das Psalterium Latinum 1457 aus Mainz – eine der 18.500 abendländischen Handschriften im Bestand. Aufbewahrt sind zudem rund 4.600 Inkunabeln aus dem 15. Jahrhundert, als der Buchdruck sprichwörtlich noch in der Wiege lag.
Mit Rekordverdächtigem geizt die Bibliothek nicht: 1,1 Millionen Karten, Pläne und Globen, dazu der weltgrößte gebundene Atlas. Zu den mehr als 321.000 Autographen zählen Faust-Fragmente Johann Wolfgang von Goethes, Schriften Martin Luthers sowie der Wissenschaftler Max Planck und Albert Einstein. Rund 1.600 Nachlässe, unter anderem von Moses Mendelssohn, den Brüdern Grimm, Annette von Droste-Hülshoff, Theodor Fontane, Gerhart Hauptmann und Dietrich Bonhoeffer, sind hier verwahrt. Mehr als 80 Prozent aller Musikautographe von Johann Sebastian Bach und die größte Mozart-Sammlung weltweit gehören zu einer der international bedeutendsten Musikalien-Sammlung. Zu den 66.700 Musikautographen zählen Partituren von Ludwig van Beethovens Sinfonien Nummer 4, 5, 8 und 9. In den Lesesälen für Handschriften, Musik, Karten, Zeitungen sowie Kinder- und Jugendbuch können Nutzer die Werke aus den entsprechenden Abteilungen konsultieren.
Während die Staatsbibliothek im altehrwürdigen Gebäude unter den Linden Altes sammelt, ist ihr West-Pendant Haus Potsdamer Straße für die neue Literatur nach 1945 zuständig. Dazu passt auch das Gebäude, das 229 Meter lang, 152 Meter breit und 42 Meter hoch aus dem Boden ragt wie ein Ozeanriese aus dem Wasser. Die Pläne stammen von Hans Scharoun. Der prägende Architekt der Berliner Nachkriegszeit erhielt den Auftrag, ein Heim für die im Krieg nach Westdeutschland ausgelagerten Bestände zu entwerfen. Das Bücherschiff am Matthäikirchplatz zwischen Kulturforum und Potsdamer Platz entstand von 1967 bis 1978. Die Forschungs-, Informations- und Leihbibliothek der Moderne in seinem Inneren baut ihren Bestand kontinuierlich aus. Hier sind außerdem Sonderabteilungen für Literatur und andere Schriftzeugnisse aus Osteuropa, Ostasien und dem Orient angesiedelt. Die Bibliothek verwahrt 42.170 orientalische Handschriften, darunter die größte hebräische Pergamentbibel: Die sogenannte Erfurter Bibel ist 63 Zentimeter hoch, 47 Zentimeter breit und stammt aus dem Jahr 1343. Für die Herstellung des Pergaments wurden die Häute von 1.100 Tieren benötigt. Ebenfalls enormen Ausmaßes ist eine Thora-Rolle vom Ende des 13. Jahrhunderts. Der Stab, um sie zu halten, misst 1,19 Meter. Verwahrt sind Blockdrucke der frühen Ming-Zeit sowie das vielleicht älteste Druckwerk der Welt: das Hyakumantō Darani, ein Papierröllchen mit buddhistischen Zaubersprüchen aus dem Japan des 8. Jahrhunderts.
Das Ibero-Amerikanische Institut, wichtigster Anlaufpunkt für Forschung zu Spanien, Portugal und Lateinamerika, ist dem Gebäude am Kulturforum angegliedert.
01_staatsbibliothek_2b.JPG2 Schnäppchenjagd am Kupfergraben
Antik- & Buchmarkt am Bodemuseum
02_buchmarkt_1a.JPEGBerlin bietet paradiesische Zustände für alle, die gerne trödeln und feilschen: Lampenschirme, Lederjacken, Rosenkränze, Rätschen, Fahrräder, Filzhüte, Taschenuhren, Toaster gehören zum bunten Angebot – genau wie Lesestoff aller Art. Bücherkisten unter, vor und auf den Tapeziertischen, manchmal sogar in Stehregalen, entdecken Schnäppchenjäger und Sammler eigentlich auf allen regelmäßigen Berliner Flohmärkten.
Dabei besitzt jeder dieser Märkte seinen eigenen Charme: Im Mauerpark und am Ostbahnhof dürfen sich Second-Hand-Freunde durch eine riesige Auswahl bummeln. Am Boxhagener Platz in Friedrichshain könnten Vintage-Fans fündig werden, während am Fehrbelliner Platz Pelzmäntel und Porzellanfiguren aus gediegenen Wilmersdorfer Haushalten zum Verkauf stehen. Der Flohmarkt am Schöneberger Rathaus ist eine gute Adresse, um sich mit Schraubenschlüssel und Co. einzudecken, auf der Straße des 17. Juni warten ausgesuchte Antiquitäten, während in Bohnsdorf nahe dem neuen Flughafen BER Schätzchen aus DDR-Zeiten ihrer Bergung harren.
Für Bücherfreunde aber führt kein Weg am Antik- und Buchmarkt am Bodemuseum vorbei. Durchschnittlich 50 bis 60 Händler – Profis und private Verkäufer – sind jeden Samstag und Sonntag am Kupfergraben anzutreffen. Sogar feiertags findet der Markt statt, der im Jahr 1992 gestartet ist. Eine Pause machen die Händler lediglich über die Weihnachtsfeiertage, selbst an Neujahr darf hier getrödelt werden.
An den Ständen zwischen Bodemuseum und Pergamonaltar ist nahezu alles zu haben, was zwischen zwei Buchdeckel passt: Romane, Krimis, Historisches, Ratgeber, Bilderbücher, Comics und vieles mehr. Auch wer bibliophile Werke sucht, könnte fündig werden. Und natürlich gibt es wissenschaftliche Literatur, schließlich ist die Humboldt-Universität gleich in der Nähe.
Wer selbst auf dem Antik- und Buchmarkt verkaufen möchte, kann sich beim Veranstalter anmelden. Es dürfen allerdings nur Kunst, Antiquitäten und Bücher angeboten werden. Erlaubt sind beispielsweise Postkarten, Fotos, Gemälde, Porzellan, Schallplatten und Briefmarken.
3 Die Schönste im ganzen Land
Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität
03_grimmzentrum_1a.jpgHinein in den riesigen Bücherschrank: Das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität ist innenarchitektonisch einem großen Bibliotheksregal