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Gailana und die frommen Männer
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eBook144 Seiten1 Stunde

Gailana und die frommen Männer

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Über dieses E-Book

Im ausgehenden 7. Jahrhundert ist Würzburg nicht viel mehr als eine Siedlung von Flussfischern und Bauern. Für die Ordnung in einem bunten Gemisch aus Stämmen und Bräuchen ist ein merowingisches Fürstenpaar zuständig: Herzog Gosbert und seine Frau Gailana.
Alles ändert sich, als der irische Missionar Kilian mit seinen Begleitern erscheint, um einen neuen Glauben zu predigen. Zunächst nimmt der Ort kaum Notiz von ihrem Eifer. Nur der Druide Sigbert, Hüter der alten Sitten und Gebräuche, glaubt, die Gefahr genau zu erkennen, welche von den Ankömmlingen und ihren Lehren ausgeht. Das Unheil zieht schließlich schleichend herauf, als mehr und mehr der stattlichen Erscheinung und dem Auftreten Kilians erliegen. Ein Ringen um Macht und Glauben beginnt, ein Ringen voller Eitelkeiten und sogar Liebe.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Juli 2020
ISBN9783429064990
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    Buchvorschau

    Gailana und die frommen Männer - Christoph Pitz

    1

    Das Gewand passte wie angegossen, betonte die weiblichen Rundungen gerade so üppig, wie es sein sollte. Hüfte, Taille, Brüste. Das von den Kindschaften leicht hervortretende und zu ihrem Ärgernis bereits faltige Bäuchlein verdeckte geschickt ein breiter Ledergürtel mit metallener Fibel und fein gestanzten Silberbeschlägen; dazu edel gewirkte Kordeln bis zum Saum des Gewandes und ihren Fußknöcheln. Gailana blickte zufrieden an sich herab, verbog sich Kopf und Blick wendend, um auch die Kleinigkeiten ihres vollkommenen Werkes in sich aufzunehmen. Noch einmal nahm sie die vielseitigen Stickereien und eingewobenen Schmucksteine in Augenschein, die Figur unterstreichenden Muster nach alter Tradition und Runenzeichen für Herrschaft, Glück und Erfolg. Auf Symbole der Fruchtbarkeit hatte sie verzichtet, denn wenn es überhaupt möglich war, wollte sie so schnell kein weiteres Balg mehr in ihrem Schoß aufnehmen.

    „Bring mir das Geschmeide, Bertrada, sagte Gailana, „die große, dreireihige Halskette mit den in Gold fein geschlagenen Armreifen dazu, nicht das grässliche Zeug, das der alte Schrat zum letzten Julfest überbracht hat.

    Die Angewiesene schlurfte zu der großen Truhe in der Kammerecke, hob den schweren Deckel an, fand den geforderten Schmuck mit geübtem Griff. Bertrada war einst schon die Anme Gailanas gewesen, als diese in einer unsteten Welt als Tochter des austrischen Hausmeiers Ebroin aufgewachsen war. Mit der Verheiratung an Gosbert folgte sie der jungen Herrin in diesen entlegensten und elendigsten Winkel aller fränkischen Reiche und hatte sich fortan nicht nur um die Fürstin gekümmert, sondern auch die ganze einkehrende Brut versorgt. Es kam nun nach und nach die Zeit, da ihr dies alles den Rücken beugte.

    „So beeil dich doch, schalt Gailana, „die Jagd kehrt bald zurück und noch nicht einmal das Haar ist gerichtet.

    „Ich komm ja schon. Immer schön langsam mit den alten Weibern. Bertrada drückte ihrer Herrin die Armreife unsanft in die Hand und machte sich daran, die schwere Halskette umzulegen. „Für was machst du denn so ein Gewese, Gosbert wird es nicht einmal bemerken. Der feiert nach der Jagd mit seinen Kumpanen. Du hast mir doch keine Dummheit vor, Kleines?

    „Vergiss nicht, mit wem du sprichst! Bessere als dich finde ich allemal selbst in diesem verlorenen Land der Schwarzelfen in Fluss und Boden."

    „Das kannst du ja mal versuchen. Bis dahin poliere ich dir aber noch dreimal das Hinterteil. Also sprich, was tust du heute hier?" Die Alte ließ sich nicht beirren, solche Scharmützel waren beiden Frauen nicht fremd.

    „Das sollst du bereuen, alte Wachtel…, Gailana hielt abrupt inne, ging ein paar Schritte, ließ sich auf der Bank neben dem Tisch in ihrer Kammer nieder, eine Träne floss. „Keine Dummheit, Bertrada. Ich hab‘ das alles hier aber so satt. Ein bisschen Herrschaft, ein bisschen Glanz. Das ist doch nicht zu viel verlangt. Der Gosbert aber ist ein verdammter Bauer, ein Streuner, der sich an seinen Grenzen mit den Nachbarn um ein Stück verirrtes Vieh schlägt. Das ist nicht gerecht.

    „Ach Kindchen, du weißt doch, wie es ist, wenn du als Weib in die Welt geworfen bist. Du musst dich fügen, arbeiten und gebären. Da ist das Los der Fürstin nicht viel anders als dasjenige ihrer Dienerin. Ich habe es dir oft gesagt."

    „Ja, das hast du. Aber mein Vater Ebroin hat die Reiche der Franken wieder zusammengeführt und die Herrschaft in seinen Händen gehalten."

    „Wofür ihn die Feinde auch erschlagen haben. Vergiss das nicht. Jetzt herrscht der Arnulfinger. Und Pippin hat dich gewiss nur übersehen, weil du hier fernab seines Blickes lebst."

    „Du vergisst deine Stellung! Mein Mann ist noch immer Herzog und ein Verwandter des Königs."

    „Liebes, mach doch die Augen auf. Theuderich ist nur König, weil er der nachgeborene Merowinger ist. Man nennt ihn so, aber er kann nicht herrschen. Pippin ist es, der herrscht. Deines Vaters Geschlecht und auch die Königslinie des Geschlechts deines Fürstgemahls haben die Macht im Reich verloren. Ihr müsst euch beide ruhig verhalten, um der Aufmerksamkeit des Mächtigen zu entgehen."

    Gailana drückte das Kreuz durch, straffte ihre Haltung. „Denk was du willst, ich bin die Tochter des Ebroin. Und mein Gatte Gosbert steht der Königswürde näher als irgendein Arnulfinger oder Pippinide, oder wie die sich auch sonst noch nennen werden."

    Noch bevor der Satz beendet war, schoss die kleine Immina durch den Raum und verbarg sich zielsicher unter den Rockschößen Bertradas, gejagt von ihrem großen Bruder Hetan. Dieser wandte sich empört an seine Mutter.

    „Die kleine Eiterbeule hat sich in der Küche einfach auch meine Schüssel mit dem Fleischeintopf für heute unter den Nagel gerissen."

    „Gar nicht wahr! Er wollte mir meine wegnehmen", kam es unter dem Stoff der alten Dienerin hervor.

    „Ruhe, schrie die Fürstin dazwischen, „seid ruhig. Verschwindet! Ich muss mir die Haare machen.

    Bertrada nahm die Kinder zu beiden Seiten energisch an der Hand und zog sie aus der Kammer hinaus.

    2

    „So hab doch ein Einsehen, Bruder Kilian. Mich schmerzen die Füße, ich muss rasten." Der etwas untersetzte, schwer atmende Totnan ließ sich auf einem der großen Findlinge nieder, wie sie im trockenen Gras dieser Hochebene überall aus der Erde heraustraten, ließ auch seinen knorrigen Wanderstab zu Boden fallen und rieb sich die nackten, wunden Füße.

    „Ich vermag keinen Schritt mehr zu tun. Lasst uns doch für heute rasch den Platz für ein Lager suchen und ein wärmendes Feuer anfachen. Hier oben friert der Wind einem noch das Gemächt ein."

    Kilian, der mit entschlossenen Schritten zu dem zurückbleibenden Gefährten getreten war, traktierte diesen mit seinem Stab.

    „Nicht schon wieder, du kleingläubiger Taugenichts. Steh schon auf und schreite aus. Lass es nun aber gefällige Schritte werden, die Kolonat und mir zu folgen vermögen. Nimm dir ein Beispiel an ihm. Er trägt schwerer als du und beklagt sich nicht."

    Totnan hob seinen Wanderstock auf und stemmte sich daran auf die Beine. „Das ist ja gar nicht wahr. Er trägt an seinem Körper nur das halbe Gewicht."

    Kolonat grinste und gab sich besonders leichtfüßig. „Das liegt daran, dass ich nur die Hälfte von dem esse, was du in dich hineinschlingst, und auch den geistigen Getränken nicht so zuspreche."

    „Na warte, dich werd‘ ich lehren …"

    „Hört auf damit, Brüder, fuhr Kilian energisch zwischen die Neckerei, „nutzt euren Atem, um euch die Psalmen zu lehren. Ihr vergesst sie immer wieder.

    „Ja Bruder, erwiderten die Jüngeren in kleinlauter Eintracht, denn solcherlei Momente hatten sie auf ihrer langen Wanderung schon viele erlebt, „Psalm 42. Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir …

    „Im Lateinischen sollt ihr deklamieren, im Lateinischen!"

    „Quemadmodum desiderat cervus ad fontes aquarum ita desiderat anima mea ad te Deus …"

    So schritten Totnan und Kolonat im monotonen Rhythmus ihrer Rezitationen über das trockene, steindurchsetzte Gras einher, zwischen dem nur vereinzelt bereits frisch aufkeimenden Grün, das den herannahenden Frühling erahnen ließ. Kilian, der deutlich ältere Anführer ihrer kleinen Gruppe schwieg unterdessen und studierte dafür mit scharfem Blick ein ums andere Mal die Markierungen der Landschaft.

    Es waren nun schon viele Monate vergangen, seit sie gemeinsam aus ihrem irischen Heimatkloster Aghagower aufgebrochen waren. Der Bischof selbst hatte ihnen in der Nachfolge des heiligen Patrick den Auftrag zur heiligen Mission erteilt. Nachdem sie zunächst beinahe die ganze irische Insel durchwandert hatten, setzten sie mit einem Schiff in die Lande der Angelsachsen über und von dort in einer stürmischen Seefahrt wiederum auf das Festland nach Neustrien in das Reich der fränkischen Herrscher. Während dieser Zeit hatten sie bescheiden von der Mildtätigkeit der Klöster oder christlicher Herren gelebt, bei denen sie Aufnahme fanden. Kilian führte einen Missionsbrief mit sich, welcher ihnen die Türen der Gastfreundschaft geöffnet hatte. So war die Reise zwar beschwerlich gewesen, aber nie hatten sie Not leiden müssen. Auch nicht im Reich der Franken. Überall fanden sie ein Dach über dem Kopf und eines Tages waren sie gar von einem sehr feinen Edlen empfangen worden, über den Totnan und Kolonat nur hörten, dass er zwar kein König sei, aber doch der mächtigste Mann der irdischen Welt. Mit diesem Pippin¹ hatte Kilian sich allein und mehrere Male besprochen.

    Schließlich wanderten sie weiter nach Osten. Ihr Ziel sei nun die Mission in Austrasien hatte Kilian gesagt. Anfangs war es wie zuvor, sie fanden gütige Aufnahme in Klöstern oder bei freundlichen Herren ihres Glaubens. Dann aber wurden die Aufnahme und die Güte seltener und hörten schließlich zur Gänze auf. Immer weiter in Richtung Osten. Das Land ihrer Wanderung wurde mehr und mehr altgläubig und rauer. Beschwernis um Beschwernis stellte sich ein, bis sie gar anfingen Hunger zu leiden und insbesondere Totnan darunter litt. Kilian hingegen, ihr geistiger wie auch weltlicher Anführer, zeigte weder äußerlich noch innerlich die geringsten Spuren der Verwahrlosung, worüber seine Begleiter von Tag zu Tag mehr und mehr in Erstaunen gerieten. Ihre Kleidung verschliss, ihre Körper wiesen Blasen und Schrammen des ewigen Wanderns auf, ja sie hatten längst auch schon begonnen zu stinken. Nur Kilian sah noch immer aus wie am Tag des Beginns ihrer Mission. Fein, ordentlich, sauber, rasiert, frisch und wohlriechend. Er war den jungen Männern in seiner Begleitung während des Weges ihrer Reise ein wenig unheimlich geworden.

    Totnan und Kolonat kannten sich schon, seit sie gerade einmal heranwachsende Knaben gewesen waren. Beide waren sie Nachgeborene von Viehhirten aus benachbarten Dörfern in der unmittelbaren Umgebung des Klosters Aghagower. Das Leben der Menschen ihrer Heimat

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