Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Elvis - Mein bester Freund: Über die großen Tage des Radios, die wilden Zeiten des Rock'n'Roll und meine lebenslange Freundschaft mit Elvis Presley
Elvis - Mein bester Freund: Über die großen Tage des Radios, die wilden Zeiten des Rock'n'Roll und meine lebenslange Freundschaft mit Elvis Presley
Elvis - Mein bester Freund: Über die großen Tage des Radios, die wilden Zeiten des Rock'n'Roll und meine lebenslange Freundschaft mit Elvis Presley
eBook480 Seiten6 Stunden

Elvis - Mein bester Freund: Über die großen Tage des Radios, die wilden Zeiten des Rock'n'Roll und meine lebenslange Freundschaft mit Elvis Presley

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Elvis Aaron Presley war gerade einmal 13 Jahre alt, als er 1948 mit seiner Familie von seinem Geburtsort Tupelo nach Memphis, Tennessee, umzog. Er war dort fremd, fand aber an der High School rasch neue Freunde. Mit einem verband ihn eine lebenslange enge Freundschaft: George Klein. Elvis nannte ihn immer nur "GK". Elvis und GK wurden Freunde, lange bevor Elvis einer der wichtigsten Vertreter der Rock- und Popkultur des 20. Jahrhunderts wurde. Und auch als Elvis mit rund einer Milliarde verkaufter Tonträger zum weltweit erfolgreichsten Solo-Künstler geworden war, blieben sie in ständigem Kontakt. George Klein schreibt mit großer Zuneigung über seinen Freund. Seine Geschichte über einen der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts enthält viele Anekdoten und Insider-Berichte über eine Persönlichkeit, die immer und überall im Mittelpunkt stand. Das Buch zeigt viele neue Facetten des Superstars Elvis - Pflichtlektüre!
SpracheDeutsch
HerausgeberHannibal
Erscheinungsdatum20. Dez. 2010
ISBN9783854453383
Elvis - Mein bester Freund: Über die großen Tage des Radios, die wilden Zeiten des Rock'n'Roll und meine lebenslange Freundschaft mit Elvis Presley

Ähnlich wie Elvis - Mein bester Freund

Ähnliche E-Books

Künstler und Musiker für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Elvis - Mein bester Freund

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Elvis - Mein bester Freund - George Klein

    Georg Klein mit Chuck Crisafulli

    titel.png

    Über die großen Tage des Radios

    die wilden Zeiten des Rock’n’Roll und

    meine lebenslange Freundschaft mit Elvis Presley

    Aus dem Amerikanischen von

    Henning Dedekind und Angelika Inhoffen

    Logo_Hannibal_s/w.JPG

    www.hannibal-verlag.de

    Impressum

    Der Autor: George Klein mit Chuck Crisafulli

    Deutsche Erstausgabe 2010

    Titel der Originalausgabe:

    »Elvis – My best man« © 2010 by George Klein

    ISBN: 978-0-307-45274-0

    Originalverlag: Crown Publishers, an imprint of the Crown Publishing Group, a division of Random House, Inc., New York

    Coverfoto: © Sammlung George Klein

    Coverdesign: bürosüd°, München

    Layout und Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com

    Übersetzung: Henning Dedekind (1. Hälfte bis Kapitel 9) und Angelika Inhoffen (2. Hälfte ab Kapitel 10)

    Lektorat und Korrektorat: Aulo Verlagsservice

    © 2010 by

    Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

    www.hannibal-verlag.de

    ISBN: 978-3-85445-338-3

    Hinweis für den Leser:

    Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Es kann jedoch keinerlei Gewähr dafür übernommen werden, dass die Informationen in diesem Buch vollständig, wirksam und zutreffend sind. Der Verlag und der Autor übernehmen weder die Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für Schäden jeglicher Art, die durch den Gebrauch von in diesem Buch enthaltenen Informationen verursacht werden können. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

    Vorwort des Autors

    Einleitung: Der lange Weg zurück nach Memphis

    Kapitel 1: Der singende Junge

    Kapitel 2: Im Radio

    Kapitel 3: Die Pirsch auf der Main Street

    Kapitel 4: Good Rockin’ Tonight

    Kapitel 5: Penthouse Rock

    Kapitel 6: Pan Pacific

    Kapitel 7: G.I. Blues

    Kapitel 8: Can’t Help Falling In Love

    Kapitel 9: Stadt der hellen Lichter

    Kapitel 10: Talent Party

    Kapitel 11: Zu Hause auf der Ranch

    Kapitel 12: Bei American Music im Studio

    Kapitel 13: Exklusive Engagements

    Kapitel 14: Burning Love

    Kapitel 15: American Football

    Kapitel 16: Unchained Melody

    Epilog: Einer, den du nie vergisst

    Danksagung

    Über den Autor

    Das könnte Sie interessieren

    vorwort.png

    Ich spreche wohl schon über Elvis, seit ich ihn im Jahre 1948 kennenlernte. Damals war ich Achtklässler an der Humes High School im Norden von Memphis. Es beeindruckte mich schwer, dass dieser neu in die Stadt gezogene Junge das Talent und das Selbstvertrauen besaß, eine Gitarre mit in die Schule zu bringen und im Musikunterricht »Old Shep« zu singen. Von diesem Augenblick an war ich von Elvis begeistert – eine Begeisterung, die in all den Jahren, die ich ihn gekannt habe, niemals abebbte.

    Und die Wahrheit ist, dass ich mich nie richtig von Elvis Presley verabschiedet habe.

    Es ist jetzt über 30 Jahre her, seit ich das letzte Mal mit jenem Mann zusammen war, den ich als meinen besten Freund bezeichnen durfte, aber er ist immer noch ein fester Bestandteil meines Lebens. Im Rahmen meiner Arbeit bei Radio und Fernsehen tue ich, was ich kann, um die Erinnerung an ihn wach zu halten. Ich spiele seine Musik und spreche mit alten – und hoffentlich auch vielen neuen – Fans über sein Leben. Ich organisiere viele der alljährlich stattfindenden Veranstaltungen zu Ehren von Elvis und seiner Musik und nehme auch selbst an ihnen teil. Ich bin stolz, sein Vermächtnis auf diese Weise pflegen zu können. Und jeden Tag, ohne Ausnahme, trage ich den mit Juwelen besetzten Goldring, den er mir einmal zum Geburtstag schenkte.

    Über Elvis Presley ist so viel geschrieben und gesagt worden, dass ich lange Zeit keine Notwendigkeit sah, selbst ein Buch über ihn zu verfassen. Es gab ja schon genügend andere. Nach seinem Tod bot man mir eine stattliche Summe dafür, so etwas wie »Die Wahrheit über Elvis Presley« zu schreiben, aber ich fand, dass dies nicht die Geschichte war, die ich zu erzählen hatte. Inzwischen aber bin ich älter, und mir ist klar geworden, dass ich nicht immer hier sein werde, um über den Elvis zu sprechen, den ich kannte. Daher erscheint es mir richtig, meine Erinnerungen in einer etwas dauerhafteren Form niederzulegen. Außerdem glaube ich, dass man Elvis als Phänomen der Popkultur zwar lang und breit analysiert hat, der Mensch Elvis Presley dabei aber oft viel zu kurz gekommen ist.

    Der Elvis, den ich kannte, war keine Ikone. Er war ein ganz normaler Typ und ein echter Freund. Darüber hinaus war er einer der klügsten Menschen, denen ich je begegnet bin, und gerade diese große, angeborene Intelligenz ist etwas, von dem viel zu selten gesprochen wird. Etwas Anderes, das oft übersehen wird, ist, was für ein lustiger Mensch er war. Es machte einfach immer Spaß, mit ihm zusammen zu sein, wenn sein Leben schließlich auch tragisch endete. Wann immer ich die Gelegenheit hatte, verbrachte ich Zeit mit ihm, weil er einfach ein phantastischer Typ war, in dessen Gesellschaft man sich wohlfühlte. Er hat zahllose Menschen mit seiner Musik berührt, doch nur sehr wenige kannten ihn näher. Einer seiner engsten Freunde gewesen zu sein, ist eine Ehre, die mich immer mit Stolz und Dankbarkeit erfüllen wird. Es vergeht kein Tag, an dem ich ihn nicht vermisse.

    Bei der Arbeit an diesem Buch musste ich mich ganz auf mein Gedächtnis verlassen. Freilich habe ich dabei keine Mühe gescheut, meine Erinnerungen mit den gut dokumentierten Fakten aus Elvis’ Leben abzugleichen. Die Zitate in diesem Buch mögen nicht immer eine wortwörtliche Transkription dessen sein, was tatsächlich gesagt wurde, sondern geben lediglich wieder, wie ich bestimmte Gespräche in Erinnerung habe. Ich hoffe aber, es ist mir gelungen, dem Leser einen lebendigen Eindruck davon zu vermitteln, wie das Leben an Elvis’ Seite war, von jenen ersten Tagen an der Humes bis zu den letzten in Graceland. Ich möchte, dass dieses Buch ein umfassendes und ehrliches Bild des begabten, großzügigen, intelligenten und rundum menschlichen Elvis zeichnet, den ich kannte. Ich möchte, dass dieses Buch einem Mann Achtung zollt, der nicht nur ein Pionier des Rock’n’Roll, sondern auch ein phänomenaler Entertainer war.

    In erster Linie jedoch ist dieses Buch ein aufrichtiges und bleibendes Dankeschön an Elvis. Die schönsten Momente meines Lebens wären nicht möglich gewesen, hätte er mir nicht gestattet, an alledem teilzuhaben.

    George Klein, Memphis, Tennessee, Januar 2010

    einleitung.png

    »GK, alter Kumpel.«

    Elvis war guter Laune. Und wenn Elvis gute Laune hatte, waren auch alle um ihn herum guter Laune.

    »Hey, Elvis«, antwortete ich. »Hallo zusammen.«

    »Komm hier rüber, GK«, sagte er. »Setz dich, und bleib ein bisschen hier.«

    Er saß auf der Kopfseite des Tischs in seinem Esszimmer in Graceland und wirkte entspannt, glücklich und so cool, wie man nur sein konnte. Elvis deutete auf den leeren Stuhl zu seiner Rechten, also nahm ich dort Platz und begrüßte einige der anderen Leute am Tisch: Priscilla, Joe Esposito, Charlie Hodge, Richard Davis. Es war Anfang Januar 1969. Joe, Charlie und Richard arbeiteten alle für Elvis. Sie waren bekannte Mitglieder der so genannten »Memphis-Mafia«, also überraschte es mich nicht, sie bei diesem informellen Abendessen zum Ferienausklang anzutreffen. Am anderen Ende der Tafel indes sah ich ein paar Gesichter, mit denen man in Graceland nicht ganz so häufig konfrontiert wurde –Gesichter, die mehr die geschäftliche Seite von Elvis’ Welt repräsentierten: der Plattenproduzent Felton Jarvis etwa, der zu einem zuverlässigen musikalischen Partner geworden war, seit Elvis einige Jahre zuvor Aufnahmen in Nashville gemacht hatte; Freddy Bienstock, Elvis’ Verbindungsmann zum Verlag Hill and Range Publishing, der so gut wie alle von Elvis aufgenommenen Songs verwertete; und schließlich Tom Diskin, die rechte Hand von Elvis’ langjährigem Manager Colonel Tom Parker.

    Seit Elvis Graceland 1957 gekauft hatte, war ich dort stets ein gerngesehener Gast gewesen. Ich hatte ihn sogar bei der Besichtigung des Anwesens vor dem Kauf begleitet. Ich fühlte mich in Graceland so wohl, dass es für mich nicht »Graceland«, sondern einfach nur »das Haus« war. Den meisten, die Elvis nahe standen, ging es ebenso. Doch so oft man mich dort auch schon empfangen hatte, war es doch jedes Mal etwas ganz Besonderes, Elvis während der Ferien zu Hause zu besuchen.

    In jenem Jahr war Elvis kurz vor Weihnachten nach Hause zurückgekehrt. Er hatte gerade die Arbeiten zu einem seiner Hollywoodfilme abgeschlossen, und ich war froh gewesen, während der Ferien so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen zu können. Wie immer hatten Elvis und Priscilla Graceland in eine Art Winterwunderland verwandelt. Die herrlichen Eichen des Anwesens waren mit glitzernden Lichterketten geschmückt, und im Esszimmer stand ein wunderschöner Weihnachtsbaum. Er liebte diese Jahreszeit. Das Weihnachtsfest 1968 war ein besonders schönes gewesen – sein erstes als Vater. Am Weihnachtsabend hatten sich ein paar von uns zu einer sehr familiären und fröhlichen Feier im Haus eingefunden (bei der sich Elvis’ Vater Vernon für die damals elf Monate alte Lisa Marie als Nikolaus verkleidete). In der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr hatten wir mehrere private Abendvorstellungen im Memphian-Kino besucht (Elvis hatte an der verrückten Komödie »Candy« mit Marlon Brando einen Narren gefressen), bevor wir mit einer Privatparty in der Thunderbird Lounge, die in der Innenstadt von Memphis lag, gemeinsam das neue Jahr einläuteten.

    In den ersten Tagen des neuen Jahres kehrte in Graceland wieder der Alltag ein. Elvis kam in der Regel gegen 22 Uhr zum Abendessen herunter. Wer sich gerade auf dem Anwesen aufhielt, war mehr als willkommen, ihm Gesellschaft zu leisten. An jenem Abend standen einige seiner Lieblingsspeisen aus den Südstaaten auf dem Tisch: Hackbraten, Gemüse, Kartoffelbrei, Maisbrot. Ich hatte schon vor Jahren festgestellt, dass mir Hackbraten spätabends nicht sonderlich gut bekam, also hatte ich mir angewöhnt, schon zu essen, bevor ich Elvis besuchte. Wenn ich mit ihm bei seinem späten Abendbrot zusammensaß, trank ich noch eine Pepsi oder aß einen kleinen Nachtisch. An jenem Abend aber dachte ich zuallerletzt ans Essen. Als ich hörte, dass Felton, Tom und Freddy vorbeischauen wollten, wusste ich, dass über Geschäfte geredet würde. Bei dieser Unterredung wollte ich unbedingt dabei sein. Ich wusste noch nicht recht, wie ich sagen sollte, was ich sagen wollte, doch ich wusste, dass es gesagt werden musste.

    Elvis war immer noch sehr stolz auf das »Elvis«-Special, das Anfang Dezember auf dem Fernsehkanal NBC ausgestrahlt worden war und ihm eine tiefe Befriedigung verschaffte. Seit Jahren hatte er das Gefühl, dass man ihm nur noch mittelmäßige Filmrollen und mittelmäßige Songs anbot, also hatte er darum gekämpft, eine Fernsehshow nach seinen Vorstellungen machen zu können. Er hatte den Rat des nicht gerade leicht abzuwimmelnden Colonel Parker ausgeschlagen, der seinen wichtigsten Klienten mehr oder weniger davon überzeugen wollte, eine Stunde lang heimelige Weihnachtslieder zu singen.

    Stattdessen hatte Elvis eine ungeheuer aufregende einstündige Sendung zusammengestellt, die seine Rock’n’Roll-Wurzeln nicht verleugnete, ihn aber gleichzeitig als Künstler und Entertainer zeigte, mit dem man immer noch rechnen musste: einen Elvis, der in seinem schwarzen Lederdress schlank und rank aussah. Einen Elvis, der sich eine Gitarre umschnallte, um mit seinen alten Bandkollegen Scotty Moore und D.J. Fontana zu jammen. Einen Elvis, der nach wie vor kraftvoll wirkte und etwas zu sagen hatte. Einen Elvis, der aus vollem Herzen sang und wirklich Spaß an seinem Auftritt hatte. Das war der Elvis, den viele Menschen lange Zeit vermisst hatten, und genau diesen präsentierte er nun in seinem TV-Special. Offensichtlich teilte ein Großteil des Landes diese Gefühle für Elvis, denn fast die Hälfte der amerikanischen Fernsehzuschauer sah am Abend der Ausstrahlung seine Show. Die Einschaltquoten waren unter den höchsten des gesamten Jahres.

    Auch in der Presse hatte Elvis einige phantastische Kritiken bekommen. Das Einzige, was ihn an den Reaktionen auf seine Show störte, war, dass sie von einigen Leuten als »Comeback Special« bezeichnet wurde. Er war der Ansicht, dass er niemals aufgehört hatte, hart für seinen Erfolg zu arbeiten. Selbst, wenn die Filme und Soundtracks, in die er seine Energie steckte, nicht immer sonderlich inspiriert waren, so hatte er doch nicht das Gefühl, irgendwohin gegangen zu sein, von wo er nun »zurückkehrte«. Vielmehr fand er, dass er zum Teil recht außergewöhnliche Arbeit geleistet hatte. Ich war begeistert, dass mein guter Freund, der begabteste Mensch, den ich kannte, seine Fähigkeiten nun wieder voll nutzte und rockte und rollte, wie nur er es konnte.

    Das neue Jahr brachte in Sachen Rock’n’Roll noch mehr gute Nachrichten. Der Colonel hatte gerade einen beispiellosen Deal für Elvis’ Bühnen-Comeback abgeschlossen: Im brandneuen Hotel International in Las Vegas sollte im Sommer eine einmonatige Konzertreihe stattfinden. Elvis freute sich darauf, wieder vor Publikum aufzutreten, und machte gerne Witze, das Hotel und dessen Konzertsaal seien eigens für ihn erbaut worden. Zum ersten Mal seit langer Zeit sah Elvis die Richtung, die seine Karriere nahm, wieder mit Optimismus. Er war voller Energie.

    An jenem Abend, als die Gäste im Esszimmer in Graceland ihre Mahlzeit gerade beendet hatten, zog Elvis einen kleinen Hav-a-Tampa-Zigarillo aus seiner Hemdtasche. Er mochte die dünnen, süßen Zigarren mit Holzspitze, wenngleich er sie auch häufig einfach nur in den Fingern hielt, ohne sie anzuzünden. Langsam schwenkte die Unterhaltung von dem TV-Special zu den Filmen hinüber, die wir kürzlich gesehen hatten, bis man dann zum eigentlichen Geschäft kam. Felton erwähnte, dass es nun an der Zeit sei, Aufnahmetermine für Elvis’ nächstes Album bei RCA festzulegen.

    »Ja, das weiß ich«, sagte Elvis und drehte die Zigarre zwischen den Fingern. »Wir kriegen das schon hin.«

    Die Session sollte schon bald stattfinden, und zwar entweder in den RCA-Studios in Nashville oder in Los Angeles. Felton begann zu überlegen, welche Studiomusiker in den kommenden Wochen frei wären. Elvis wollte immer mit einer starken Rhythmusgruppe zusammenarbeiten, und es bestand ein wenig Sorge, dass der beste Studioschlagzeuger aus Los Angeles, Hal Blaine, ausgebucht war und für die Aufnahmetermine nicht zur Verfügung stand. Felton schlug ein paar passende Ersatzmusiker vor und diskutierte dann darüber, welche Musiker sonst noch verfügbar wären oder nicht. Freddy Bienstock sagte, Hill and Range hätte eine Fülle neuen Materials, dass sie Elvis gerne vorstellen wollten.

    Ich bemerkte, dass Elvis’ gute Laune einen Dämpfer erhalten hatte. In letzter Zeit war zwar alles gut gelaufen, doch war es lange her, dass er einen Hit gehabt hatte. Zum damaligen Zeitpunkt erschien ihm der Gedanke, in ein Aufnahmestudio zu gehen, schlicht als das, was es war – Arbeit. Je mehr Studiomusiker in Betracht gezogen wurden, desto mehr schien die fröhliche Ferienstimmung zu verpuffen. Das TV-Special war so gut gelaufen, und Elvis freute sich so sehr auf die anstehenden Konzerte, dass es fast eine Schande war, dass er nicht auch wieder großartige Schallplatten machen sollte.

    Für mich war das übrigens keine Frage des Könnens oder Wollens. Elvis hatte gerade bewiesen, dass er in Topform war, und wenn wir auch nicht viel darüber redeten, so wusste ich doch, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als wieder die Spitze der Charts zu erklimmen. Ich war inzwischen der Meinung, dass dies ausschließlich davon abhing, was und wo er aufnahm. Natürlich konnte er sich in jedem Studio einrichten – das hatte er schon von Anfang an so gemacht, als er in dem kleinen, gemütlichen Studio des Memphis Recording Service zusammen mit Sam Phillips seine ersten Platten für Sun Records einspielte. Die größeren und besser ausgestatteten Studios, in denen er später arbeitete, hatten ihm jedoch nie so recht gefallen. Ganz egal, wie neu die Aufnahmegeräte waren oder wie teuer die Einrichtungen aussahen – Elvis arbeitete ganz nach seinem Gefühl, und es war eine Weile her, dass er an einem Ort aufgenommen hatte, wo er sich richtig wohl gefühlt hatte. Obendrein hatte er zwar ein extrem gutes Ohr für die Auswahl seines Materials, doch hatte es in letzter Zeit zu viele Sessions gegeben, bei denen einfach nichts Großartiges zur Auswahl stand.

    Ich wusste genau, wo er die Atmosphäre und das Material finden konnte, die er suchte.

    Ich wusste aber ebenso gut, dass es nicht klug wäre, ihm vor so vielen anderen Leuten einen wichtigen Vorschlag zu seiner Karriere zu machen, insbesondere, wenn sich die Gesellschaft aus Geschäftspartnern und Mitgliedern der Memphis-Mafia zusammensetzte. So offen und großzügig sich Elvis zeigte, so war er doch auch sehr stolz, und man vermied es daher tunlichst, ihn auf irgendeine Weise bloßzustellen. Das wäre eine todsichere Methode gewesen, um den Zutritt nach Graceland zu verwirken. Wenn man ihm etwas Wichtiges zu sagen hatte, vor allem, wenn es seine Arbeit betraf, war es klüger, ihn um eine private Unterredung zu bitten und ihm die entsprechenden Vorschläge dann auf die sanfte Tour nahe zu bringen. Man musste geschickt alles so hindrehen, dass er das Gefühl hatte, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Es ging ihm nie darum, dass wir uns neben ihm unbedeutend fühlten, aber Tatsache war auch, dass er der Superstar war und nicht wir. Man musste im Hinterkopf behalten, dass Elvis seine Freunde zwar schätzte und respektierte, aber nicht von ihnen zu etwas gedrängt werden wollte.

    All das war mir bewusst, aber vielleicht war ich an jenem Abend in Graceland etwas übermütig, weil meine eigene Karriere ausgezeichnet lief und ich alles hatte, was ich mir je von einem Leben bei Funk und Fernsehen erträumte. Ich war der brandheiße Nummer-eins-Rock’n’Roll-DJ in Memphis und hatte eine beliebte Fernsehsendung namens Talent Party, Memphis’ Antwort auf American Bandstand und Shindig!. Ich verdiente meinen Lebensunterhalt, indem ich mir ein Gespür für die Entwicklungen in der Musik bewahrte, und ich wusste, dass Elvis das schätzte. Wenn es um Rock’n’Roll ging, hatte ich ein verdammt gutes Ohr dafür, was einschlug und was nicht.

    Nun saß ich also so nahe bei Elvis, wie es nur ging. Mein Stuhl stand nur etwa 15 Zentimeter neben seinem. Als Felton, Tom und Freddy die anstehenden Aufnahmesessions planten, bemerkte ich, wie Elvis nervös mit seiner Zigarre spielte. Sein Gesichtsausdruck war ernster und düsterer als zuvor. Ich kannte die kluge Art, Elvis auf etwas anzusprechen, doch ich beschloss, diesmal nicht so umsichtig zu sein.

    Ich hob meine Hand und sagte leise: »Elvis, darf ich etwas sagen?«

    Die Tischgesellschaft verstummte. Elvis blickte mich mit einer gewissen Verwunderung in den Augen an.

    »Klar, GK. Sag, was immer du willst.«

    Also sagte ich es.

    »Elvis, du bist der größte Star, der je gelebt hat. Du definierst den Begriff des Superstars. Du bist auf der ganzen Welt beliebt und besitzt mehr Energie und Talent als jeder andere. Du bist der vielseitigste Sänger, den ich je gehört habe. Du kannst alles singen.«

    Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie Elvis die Brauen ein wenig hob, weil er sich fragte, worauf ich hinauswollte – wusste er doch wohl, dass ich nicht die Hand erhoben hatte, nur um ihm zu sagen, wie großartig er war.

    »Elvis, du weißt, dass du alles singen kannst. Aber es macht mich ganz krank, dass du nur noch Material für B-Seiten angeboten bekommst. Du bist einer der größten Sänger der Welt und könntest die besten Autoren für dich schreiben lassen, aber diese Typen da am anderen Tischende liefern dir nur lausige B-Seiten-Scheiße, weil sie einen Teil der Urheber- und Verlagsrechte an den Songs haben wollen. Die Top-Autoren arbeiten heutzutage nicht mehr nach diesem Prinzip. Sie machen es anders, und das ist auch gut so. Elvis, wenn du kein gutes Material kriegst, kannst du nicht 100 Prozent geben. Und das ist schade, denn wenn du ein paar gute Songs in die Finger bekämst, würdest du Nummer-eins-Hits landen.«

    Ich machte eine Pause, um Luft zu holen. Elvis sagte keinen Ton, und am Tisch herrschte Totenstille. Ich fand, ich könne nun ebenso gut alles sagen.

    »Elvis, gutes Material ist nur die halbe Miete. Du sitzt hier, ein Superstar, und man sagt dir, welche Musiker du haben kannst und welche nicht und wann und wo du aufnehmen sollst. Elvis, nur zehn Meilen nördlich von hier sind die American Sound Studios, wo sie jetzt die größten Hits der Welt aufnehmen. Sie liegen im Norden von Memphis, anderthalb Meilen von unserer alten Humes High, in der Nähe der Ecke Thomas und Chelsea. Es ist ein kleines, flippiges Studio mit genau der Atmosphäre, die du so magst. Es ist weder schick noch auf dem neuesten Stand der Technik, aber sie nehmen dort phantastische Platten auf – ›The Letter‹ von den Box Tops, ›Hooked On A Feeling‹ von B.J. Thomas oder ›Angel Of The Morning‹ von Merrilee Rush. Alles Hits. Wilson Pickett hat dort aufgenommen, Neil Diamond ebenfalls. Dusty Springfield hat im American gerade erst ›Son Of A Preacher Man‹ eingesungen – sie ist extra aus England angereist, um hier im Norden von Memphis aufzunehmen, Elvis. Für die Jungs im American wäre es die Erfüllung eines Traums, wenn du bei ihnen aufnehmen würdest. Wenn man dort mit ein paar klasse Songs arbeiten würde, hättest du bestimmt ein paar Hit-Singles, da bin ich sicher. Du verdienst es, Elvis.«

    Ich weiß nicht, ob es etwas noch Stilleres gibt als Totenstille, aber am Tisch war es nun verdammt still.

    Zum ersten Mal wurde ich richtig nervös. Ich hatte gesehen, wie Leute, die mit Elvis gut bekannt waren, aus seinem inneren Zirkel ausgeschlossen wurden, weil sie ihre Grenzen überschritten hatten. In diesem Augenblick wäre es leicht für ihn gewesen, so zu tun, als wäre nichts geschehen, den anderen Anwesenden gegenüber einen Witz zu reißen und mich dann vor die Türe zu setzen. Der Gedanke, in Elvis’ Heim nicht mehr willkommen zu sein, war schrecklich. Ich mochte diesen Kerl mehr als alle Freunde, die ich je gehabt hatte, und konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen, als seine Freundschaft zu verlieren. Ich wollte jedoch nichts unversucht lassen, um ihm dabei zu helfen, wieder ganz nach oben zu kommen. Also nahm ich dieses Risiko in Kauf.

    Immer noch war es mucksmäuschenstill am Tisch. Ich war überzeugt, dass jeder mein Herz hören konnte, das wie wild schlug.

    Langsam drehte Elvis seine kleine Zigarre zwischen den Fingern, dann richtete er seinen Blick nach oben und kniff die Augen zusammen, als wollte er durch die Decke hindurch schauen. Er wandte sich zu mir, sah mich durchdringend an und zeigte mit dem Zeigefinger auf mich.

    »GK hat Recht«, sagte er. Dann drehte er sich um und sagte zu den anderen am Tisch: »George hat Recht.«

    Das waren vermutlich die schönsten Worte, die ich je gehört habe. Ich war von der Mischung aus Glück und Erleichterung so überwältigt, dass ich einen Augenblick brauchte, um zu registrieren, dass ich noch etwas anderes hörte: Priscilla und die Jungs am Tisch applaudierten. Charlie Hodge reichte mir die Hand für ein »Gib mir fünf«, und Felton sprang mit einem lauten »Juhu« von seinem Platz auf: »Ich kann das American für dich buchen, Elvis. Ich kann dir Songs von Jerry Reed oder Mac Davis besorgen, was immer du willst. Ich kümmere mich darum.«

    »Ich habe einen guten Draht zu Neil Diamond«, sagte ich. »Ich weiß, dass es für ihn ganz bestimmt eine Ehre wäre, etwas für dich zu schreiben.«

    Elvis nickte, dann steckte er seine Zigarre in den Mund und biss darauf. »Es ist mir völlig egal, von wem das Material stammt«, sagte er. »Verlagsrechte und Prozente interessieren mich nicht. Es kümmert mich auch nicht, was die Autoren bekommen und was wir alles bezahlen müssen. Ich will einfach nur ein paar verdammt gute Songs.«

    Wieder jubelte die gesamte Runde. Naja, jedenfalls fast alle. Beim Sprechen hatte ich jeden Blickkontakt mit Tom Diskin oder Freddy Bienstock bewusst vermieden. Persönlich hatte ich nichts gegen sie, aber sie standen für das Geschäftsgebaren von Männern, die in Elvis mehr das Produkt denn einen echten Entertainer sahen – eine Marke, die sich gut verkaufen ließ, und weniger den Künstler, den es zu unterstützen galt. Ich sah ein paar Mal flüchtig in ihre Richtung und konnte an ihrem gequälten Lächeln ablesen, dass sie nicht gerade glücklich darüber waren, welche Richtung der Abend genommen hatte. Es war mir auch klar, dass sie alles haarklein dem Colonel berichten würden, sobald ein Hoteltelefon greifbar war.

    Ich wusste, dass es unklug war, sich gegen den Colonel zu stellen, aber an jenem Abend war mir das egal. Ich fand, dass ich für meinen Freund Elvis das Richtige getan hatte.

    Elvis stieß mich mit dem Ellenbogen an, und ich wandte mich zu ihm um. Er schaute mich einen kurzen Moment an, dann zwinkerte er mir zu. Das sagte mir alles, was ich wissen musste.

    Wir standen vom Tisch auf und begaben uns in das Arbeitszimmer neben der Küche. Alle redeten aufgeregt darüber, was wohl wäre, wenn Elvis wieder ein paar tolle Songs aufnehmen könnte. Marty Lacker, der ebenfalls zur Memphis-Mafia gehörte, war bereits im Arbeitszimmer, und zeigte sich über die Neuigkeiten ebenfalls begeistert. Er hatte bereits mit den American Studios zusammengearbeitet und hielt sie für den perfekten Ort für Elvis. Felton Jarvis kam mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf mich zu, und bevor ich noch ein Wort sagen konnte, schnappte er mich und drückte mich an seine Brust. »George, ich habe exakt dasselbe gedacht, was du gesagt hast, aber ich hätte es selbst nie sagen können. Ich habe immer das Gefühl, dass ich zwischen allen Stühlen stehe, weil ich es nicht nur Elvis, sondern auch dem Colonel und der RCA recht machen will. Ich dachte, ich würde meinen Job verlieren, wenn ich das sagte. Aber du hast es ausgesprochen, Mann, du hast es gesagt.«

    Ich hatte kaum Zeit, ihm für seine Unterstützung zu danken, als er über meine Schulter hinweg rief: »Ich kann jetzt gleich beim American anrufen, Elvis. Wir können das gleich regeln.«

    »Dann ruf an«, sagte Elvis. »Je eher, desto besser.«

    Felton ging hinaus, um das Telefon in der Küche zu benutzen, und ich ging zu Elvis hinüber. Er sah mich an, und diese Andeutung eines Lächelns kehrte in sein Gesicht zurück.

    »Mensch, GK – wie siehst du denn aus? Du hast ja überhaupt keine Nerven.«

    »Puh, Elvis. Ich habe mich ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt. Aber du weißt, es kam von Herzen.«

    »Das weiß ich, George«, sagte er. »Aber du hattest trotzdem Recht. Und wenn du Recht hast, hast du Recht.«

    Ich stand da und atmete nun wieder ein wenig freier. Die anderen Jungs unterhielten sich und alberten miteinander herum. Dann betrat Felton wieder das Zimmer.

    »He, Elvis. Wir haben die American Studios gebucht. Am nächsten Montagabend geht’s los.«

    Abermals gab es Applaus. Elvis kehrte in den Norden von Memphis zurück. Zurück in unser altes Viertel.

    Dorthin, wo alles begann …

    elvis_kapitel-1.png

    Die Humes High war ein großer Backsteinbau an der North Manassas Street im Norden von Memphis – das größte Gebäude in diesem Stadtteil. Es war die Highschool für die Kinder und Jugendlichen, die in unserem Arbeiterviertel lebten. Es gab dort eine Mittel- und eine Oberstufe. Im Herbst 1948 kam ich in die achte Klasse. Es war mein zweites Jahr an der Humes, und ich freute mich schon richtig darauf. Ich war gerne in dem großen Gebäude, wo ich meinen eigenen Spind hatte und Teil einer großen Gruppe Jugendlicher war – einer Gruppe, zu der auch ein paar ziemlich hübsche Mädchen gehörten. Der Unterrichtsbeginn nach den Ferien hatte in jenem Herbst nur einen einzigen Haken, und das war ein bestimmter Kurs in meinem neuen Stundenplan: Der Musikunterricht von Fräulein Marmann.

    An der Humes gab es viele strenge Lehrer und Lehrerinnen, aber Fräulein Marmann war eine der strengsten. Die Schule war zwar voller Problemkinder, die während des Unterrichts allerlei Unfug machten, doch bei Fräulein Marmann saßen die Unruhestifter artig auf ihren Plätzen und achteten darauf, dass man sie nicht beim Kaugummikauen erwischte. Selbst nach den Maßstäben des Jahres 1948 war Fräulein Marmann eine Lehrerin der »alten Schule«. Es hieß, sie schlüge unaufmerksame Schüler am liebsten mit einem Lineal, das sie eigens zu diesem Zweck in ihrer Schreibtischschublade aufbewahre.

    Ich mochte Musik ganz gern, aber ich war nicht sonderlich scharf darauf, verhauen zu werden. Also begann ich schon lange vor Beginn des neuen Schulhalbjahres nach einem Ausweg zu suchen. An der Humes gab es die Verfügung, dass man als Mitglied der Schulkapelle nicht am Musikunterricht teilzunehmen brauchte, also meldete ich mich zu einem Eignungstest an und sagte, dass ich am liebsten Schlagzeug spielen würde. Ich stellte fest, dass auch viele andere Jugendliche versuchten, sich über eine Mitgliedschaft in der Kapelle um Fräulein Marmanns Musikunterricht zu drücken. So gesehen förderte sie tatsächlich die musikalische Entwicklung der Schüler. Die Prüfung bestand aus einem ziemlich schweren schriftlichen Teil und einem praktischen Test. Offenbar schnitt ich bei keinem der beiden sonderlich gut ab, denn man befand relativ schnell, mein musikalisches Talent reiche für einen Posten in der Marschkapelle nicht aus.

    Hätte ich andererseits nur ein klein wenig Schlagzeug spielen können, hätte ich Elvis Presley vielleicht nie kennengelernt.

    Die Schule begann, und Fräulein Marmann wurde ihrem Ruf voll gerecht. Sie schwang tatsächlich ein Lineal, aber es zeigte sich auch, dass sie und ich gut miteinander zurechtkamen. Offenbar fanden wir beide, dass ein Großteil der populären Musik jener Zeit langweilig, einfallslos und ohne künstlerischen Anspruch war. Eines Nachmittags beklagte sie, dass sich die musikalischen Einflüsse in unserem Alltag auf ein paar wenige Hits beschränkten. Ich hob meine Hand und warf ein, dass »Dance, Ballerina, Dance« von Vaughn Monroe die ganze Zeit im Radio laufe und mich der Song wahnsinnig mache. Statt nach ihrem Lineal zu greifen, lächelte Fräulein Marmann sogar ein bisschen und sagte: »Das ist ein sehr gutes Beispiel, George.«

    Unser mangelndes Interesse für die Songs aus der Hitparade war aber wahrscheinlich das Einzige, was Fräulein Marmann und mich verband, wenn es um Musik ging. Sie fand, wir sollten alle lieber Bach, Brahms und Beethoven hören. Ich wusste noch nicht recht, was für Musik ich eigentlich im Radio hören wollte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht von einem Orchester gespielt werden sollte.

    Im November kam ein neuer Junge in Fräulein Marmanns Musikunterricht, dessen Familie gerade von Tupelo, Mississippi, nach Memphis gezogen war. Ich bin sicher, dass die Lehrerin seinen Namen nannte und ihn uns anderen vorstellte, aber er fiel nicht sonderlich auf, und so nahm ich kaum Notiz von ihm. Bis zu einem Freitag ein paar Wochen später, als Fräulein Marmann verkündete, dass bald Weihnachten vor der Tür stehe und sie statt regulärem Unterricht in der kommenden Woche ein »besonderes Bonbon« für uns parat habe: Wir sollten gemeinsam Weihnachtslieder singen. Das klang in meinen Ohren nicht gerade »besonders«, der neue Junge aber hob sofort seine Hand.

    »Fräulein Marmann?«, rief er.

    »Ja, Elvis?«

    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich meine Gitarre mitbringe und etwas singe?«

    Es gab ein wenig Gekicher und Gelächter. Damals, 1948, war es ganz und gar nicht »cool«, wenn ein 13-jähriger Junge ein »Country«-Instrument wie die Gitarre spielte. Cool wäre es gewesen, seinen Football oder seine Boxhandschuhe mit in die Schule zu nehmen. Dieser Junge jedoch wollte seine Gitarre mitbringen und singen. Er saß auf der linken Seite des Klassenzimmers und ich ganz rechts, aber auf einmal starrte ich über die Reihen zu diesem neuen Schüler hinüber. Sein Name war Elvis Presley.

    Fräulein Marmann verbat sich das Gekicher im Klassenzimmer, wenngleich auch sie dieses Ansinnen ein bisschen zu erstaunen schien. »Ja, Elvis – das wäre schön«, sagte sie. »Bring ruhig deine Gitarre mit in den Unterricht.«

    Am Montag darauf nahmen wir im Musikunterricht alle unsere Plätze ein, und da kam auch schon Elvis Presley mit seiner Gitarre. Als ihn Fräulein Marmann aufrief, nahm er die Gitarre, ging nach vorn und sang zwei Stücke für uns, die beide keine Weihnachtslieder waren. Das erste war »Old Shep«, ein herzergreifendes Lied über einen Jungen und seinen Hund, das zweite »Cold Icy Fingers«, eine Art lustiges Gespensterlied. Als der letzte Akkord verklang, herrschte einen Moment lang Grabesstille, dann brach die ganze Klasse in Applaus aus.

    Unsere Klassenkameraden hatten vermutlich etwas furchtbar Schlechtes erwartet – etwas, über das sie lachen konnten. Dieser Junge konnte jedoch tatsächlich singen und spielen. Er hatte mich, ehrlich gesagt, vom Hocker gerissen. Zunächst war es natürlich beeindruckend, dass er über eine gewisse Begabung verfügte. Aber zu sehen, wie er nach vorn ging und vor der gesamten Klase und einer der strengsten Lehrerinnen der gesamten Schule so kraftvoll und leicht sang, war noch einmal etwas ganz anderes. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich ging gern ins Kino und träumte ab und zu von einem Leben im Showgeschäft, wusste aber nicht, wie man das anstellen sollte. Hier in der Humes High jedoch war ein Junge, der sich nicht scheute, ins Rampenlicht zu treten. Das verblüffte und beeindruckte mich.

    Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich: »Mensch, der Typ ist cool.« Ich sollte es noch oft denken.

    Es wäre schön, wenn ich sagen könnte, dass Elvis Presley und ich von jenem Augenblick an unzertrennliche Kumpels waren, aber das war nicht ganz der Fall. Später stellte ich mich ihm vor, und wir unterhielten uns dann und wann. Wir waren zwei Jungs, die sich freuten, wenn sie einander auf dem Korridor begegneten. Ich erinnere mich, dass er einmal sagte, er habe sich ebenfalls für die Schulkapelle beworben, sei aber abgelehnt worden (ich weiß zwar immer noch nicht, warum ein Typ mit seinem Talent nicht aufgenommen wurde, aber ich bin dankbar dafür).

    Elvis und seine Familie lebten damals noch in einer Pension in der Poplar Street, zogen aber kurz darauf in das von der Regierung geförderte Siedlungsprojekt in Lauderdale Courts um. Ich lebte mit meiner Mutter und meiner Schwester direkt gegenüber der Humes, und wenn wir Jugendlichen um Viertel nach drei aus der Schule kamen, gingen Elvis und ich getrennte Wege. Rückblickend weiß ich, dass er und seine Familie in Tupelo bettelarm gewesen waren und alles daran setzten, in ihrer neuen Heimatstadt ein besseres Leben zu beginnen.

    Meine Familie kam von etwas weiter weg, musste aber für ihr Auskommen nicht weniger hart arbeiten. Meine Mutter und mein Vater waren orthodoxe Juden. Sie stammte aus Russland, er aus Polen. Beide hatten ihrer Heimat in den zwanziger Jahren den Rücken gekehrt, als in Osteuropa der Antisemitismus aufflammte. Meine Mutter hatte zwar Verwandtschaft in Chicago, ihre Überfahrt wurde jedoch von einem jüdischen Rechtsanwalt aus Memphis bezahlt, durch welchen sie auch meinen Vater kennenlernte. Sie ließen sich in einem kleinen Haus in der Leath Street im Norden von Memphis nieder, wo sie erst meine Schwester Dorothy und dann mich bekamen. Meine Eltern waren geflohen, noch bevor Hitler an die Macht kam, und wollten sich nun in Amerika ein neues, besseres Leben aufzubauen. Die Dinge nahmen jedoch eine unglückliche Wendung, weil mein Vater schwer krank wurde. Ich kann mich an ihn als Teil meiner Kindheit eigentlich kaum noch erinnern und weiß offen gestanden nicht einmal ganz genau, woran er litt. Ich habe nur ein paar undeutliche Erinnerungen daran, wie wir ihn in einer Spezialklinik in Hot Springs im Bundesstaat Arkansas besuchten, wo er die letzten Jahre seines Lebens ans Bett gefesselt war.

    Wir waren niemals wohlhabend, kamen aber zurecht, konnten saubere Kleider tragen und hatten immer etwas zum Abendessen. Mein Vater hatte vor seiner Erkrankung ein Geschäft für landwirtschaftliche Erzeugnisse eröffnet. Er kaufte Obst und Gemüse von den Bauern und verkaufte sie dann an Gemüseläden weiter. Von dem Gewinn erwarb er zwei kleine Häuser im Norden von Memphis, eines für uns selbst und eines zur Vermietung. Nach seinem Tod lebten wir zum Teil von den Mieteinnahmen. Daneben arbeitete meine Mutter als Schneiderin und änderte in einem der feineren Konfektionsgeschäfte in der Innenstadt von Memphis Anzüge. Sobald ich alt genug war, ging auch ich einem Broterwerb nach: Ich trug Zeitungen aus und brachte zusätzlich etwas Geld nach Hause, indem ich bei Paraden Ballons und anderes verkaufte.

    Im Norden von Memphis wohnten nicht sehr viele Juden. Ich weiß außerdem, dass es in der Südstadt Bezirke gab, wo sich meine Mutter und ich nicht gerade willkommen gefühlt hätten, insbesondere vor dem Hintergrund der Spannungen während des Zweiten

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1