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"Das Absolute ist der Geist.": Über Hegel. Werkbiographische Betrachtungen
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eBook569 Seiten6 Stunden

"Das Absolute ist der Geist.": Über Hegel. Werkbiographische Betrachtungen

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Über dieses E-Book

"Das Absolute ist der Geist": Geprägt von der griechischen Philosophie und den Werken von Baruch Spinoza (1632-1677), Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Immanuel Kant (1724-1804), Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854) versuchte Georg Wilhelm Friedrich Hegel, die Wirklichkeit mit seinem komplexen philosophischen System vollständig und als Ganzes zu erfassen. Er vertrat die Idee, dass das Absolute der sich selbst in einem dialektischen Entwicklungsprozess entfaltende reine Gedanke oder Geist war, der sich in der Geschichte manifestierte.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum1. Feb. 2021
ISBN9783753465913
"Das Absolute ist der Geist.": Über Hegel. Werkbiographische Betrachtungen
Autor

Thomas O. H. Kaiser

Dr. theol. Thomas O. H. Kaiser, geb. Müller (Jg. 1963), Dipl. Theol., ist Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Klettgau/Baden.

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    Buchvorschau

    "Das Absolute ist der Geist." - Thomas O. H. Kaiser

    Für

    Salome

    zum 17. Geburtstag

    „Was vernünftig ist, das ist wirklich;

    und was wirklich ist, das ist vernünftig."¹

    (G. W. F. Hegel)

    „Der Geist… ist nie in Ruhe, sondern

    in immer fortschreitender Bewegung begriffen."²

    (G. W. F. Hegel)

    „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden

    interpretiert; es kömmt darauf an, sie zu verändern."³

    (K. Marx)

    „Anfang und Ende aller Dinge ist in Gott."

    (H. Heine)

    „Nothing is real…"

    (The Beatles)

    „…That God is one…"

    (B. Dylan)


    ¹ G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (Werke Bd. 7), FfM 1972, 11.

    ² G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes (Werke Bd. 3), Vorrede, a. a. O., 18.

    ³ K. Marx, Thesen über Feuerbach, in: Marx-Engels Studienausgabe in 4 Bänden, hg. von I. Fetscher, Bd. 1: Philosophie, FfM 1966, 1976, 139-141, Zitat auf 141.

    ⁴ Heinrich Heine, Die romantische Schule. Erstes Buch [1834], in: ders., Sämtliche Werke in drei Bänden, a. a. O., Bd. 3, 5-116, Zitat auf 6).

    ⁵ J. Lennon/P. McCartney, Strawberry Fields Forever, in: The Beatles Complete, London-New York-Sidney, o. D., 170.

    ⁶ B. Dylan, RING THEM BELLS, in: ders., Lyrics 1962-2001. Sämtliche Songtexte. Deutsch von Gisbert Haefs, Hamburg 2004, ²2004, 998.

    INHALT

    Vorwort

    Einleitung

    I. In Stuttgart und Tübingen

    II. In Bern und Frankfurt

    III. In Jena, Bamberg und Nürnberg

    IV. In Heidelberg und Berlin

    V. Wirkungsgeschichte

    Nachwort

    Personenverzeichnis

    Zeittafel

    Literaturverzeichnis

    Über den Autor

    Über die Künstlerin

    Anhang

    Vorwort

    Der Titel dieses Buches lautet: „`Das Absolute ist der Geist.´ Über Hegel. Werkbiographische Betrachtungen." Es entstand auf dem Hintergrund meiner schon länger andauernden Beschäftigung mit der Philosophie eines der einflussreichsten Philosophen aller Zeiten anlässlich der Wiederkehr seines 250. Geburtstages im Jahr 2020.

    Warum fand ich Georg Wilhelm Friedrich Hegel interessant?

    Hegel zufolge war Gott Geist, reiner Geist – eine Bezeichnung für Gott, die nicht nur biblische Anklänge hatte⁸, sondern geradezu modern klang: Gott, von Hegel u. a. `das Absolute´⁹ genannt, war Geist – wie interessant!¹⁰ Aber was genau meinte Hegel damit? Hinzu kam Hegels monumentales wie rätselhaft-spekulatives Gesamtsystem¹¹, das ich faszinierend fand: Hegel setzte das spekulative, unendliche Denken gegen das empirische, endliche Denken. Er erhob den ungeheuerlichen Anspruch, mit seiner Philosophie die gesamte Wirklichkeit – zu ihr gehörten auch der Zufall, die Sinnlichkeit, die bloße Erscheinung, der Schmerz und der Tod – zusammenhängend und systematisch zu erfassen und zu interpretieren.¹² Wer jetzt meint, dass die Vorstellung eines gedanklichen Gesamtsystems eine antiquierte oder unrealistische Vorstellung ist, der sei verwiesen auf bestehende weltweite Systeme wie das Internet, auf die Computersysteme von Microsoft und Apple, auf das kapitalistische System, das in vielen Teilen der Welt herrscht, auf das kommunistische System in China und Nordkorea oder auf die Idee, die hinter einer ganzheitlichen Medizin steht. Die Beispiele, in denen Ideen Systeme hervorriefen und die Welt ganzheitlich zu erfassen versuchten, sind Legion. Der italienische Philosoph Vittorio Hösle, nach eigenem Bekunden am meisten fasziniert von Platon und Hegel, war 2012 der Meinung: „Ich glaube…, dass Philosophie, recht verstanden, den Versuch zu unternehmen hat, das Ganze der Wirklichkeit in den Blick zu bekommen.¹³

    „Das Absolute ist der Geist."¹⁴ Wann immer Hegel vom `Absoluten´ sprach, meinte er das von allem Losgelöste, das Unbedingte, etwas, das nicht durch Anderes, sondern nur durch sich selbst begriffen werden konnte, und beschrieb die ganze, immer gleiche Wirklichkeit mit ganz unterschiedlichen Begriffen wie `das Wahre´, `das Ganze´, `Gott´ oder `Geist´.¹⁵ Als einziger Weg, diese Wirklichkeit, dieses `Weltganze´¹⁶, zu erschließen, kam für Hegel allein `die Wissenschaft´¹⁷ mit ihrer Methodik in Frage: Nur mittels des Verstandes bzw. der Vernunft konnte Gott für Hegel vom Menschen erschlossen werden, keinesfalls durch Gefühl, Anschauung oder Intuition. „Dem Verstande, so schrieb Hegel, musste „das Göttliche… das Unbegreiflichste¹⁸ sein. Der evangelisch sozialisierte enzyklopädische Systemdenker ¹⁹ führte den geschichtlichen Prozess – in der Vernunft erblickte er die Triebkraft der Geschichte – zu einem metaphysischen System des absoluten Wissens zusammen, das absolute Gewissheit bieten, alles Widerständige ernst nehmen und nicht in einem verknöcherten System steckenbleiben sollte. ²⁰ Der Widerspruch²¹, die Negation – Stichwort `Dialektik´²², und das fanden andere und ich immer faszinierend – gehörte für Hegel zum System, war bei der Wahrheitsfindung und bei der Interpretation von Wirklichkeit extrem wichtig – was das Studium Hegels zwar interessant, aber nicht gerade einfach macht.²³ Will man die Texte Hegels erfassen, wird man, jahrelang auf schnelles Lesen und Verstehen trainiert, zu einem extrem langsamen Textstudium gezwungen – denn Hegel sagt in wenig Text viel, dadurch, dass er es sehr komprimiert sagt. ²⁴ Der Anspruch Hegels, die Wirklichkeit in ihrer Vielfalt als reine, vollkommene Darstellung des absoluten Geistes erfassen und definitiv erklären zu können sowie quasi die westliche philosophischtheologische Geistesgeschichte, in der der Geist in Form der Geisteswissenschaft zu sich selbst zurückkam, vollendet zu haben, sowie sein Anspruch auf systematische Vollständigkeit, also auf Totalität, forderte schon Theologen und Philosophen vor zweihundert Jahren zur kritischen Reflexion heraus und bleibt angesichts der Moderne auch gegenwärtig eine Herausforderung.

    Erstmals bin ich Hegels Philosophie während meiner Schulzeit in der Reformierten Oberstufe des Gymnasiums Liebigstraße in Holzminden begegnet.²⁵ Das ist jetzt etwa vierzig Jahre her. Ich habe mich mit Hegels philosophischem Entwurf im Grundkurs Philosophie beschäftigt, als ich mich mit dem Werk von Karl Marx und Friedrich Engels auseinandersetzte.²⁶ Seit dieser Zeit habe ich immer wieder einmal, sofern es meine Zeit zuließ, Hegel studiert. In meinem Theologiestudium spielte Hegel nur eine marginale Rolle – was, denke ich, nicht nur an der formalen inhaltlichen Ausrichtung des Studiums und der Besetzung der Lehrstühle vornehmlich mit Barthianern, Bultmannianern und Lutheranern, sondern auch daran gelegen haben könnte, dass Hegel in der Bundesrepublik Deutschland nach einem Boom unter den Angehörigen der 68er-Generation und ihrer Epigonen in den 1980-er Jahren dann in den Sozialwissenschaften, der Theologie oder selbst der Philosophie nicht mehr so wichtig war wie in der Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs 1968ff.²⁷

    Zu einer persönlichen Wiederentdeckung Hegels kam es mit Beginn meines Philosophiestudiums in Heidelberg Anfang der neunziger Jahre: Während ich mich wie jede/jeder ordentliche Philosophiestudierende im philosophischen Grundstudium im `Logik´-Kurs pflichtbewusst zwecks Erfüllung der Studienauflagen vor allem mit den Gedanken Quines²⁸ und der höheren Mathematik herumschlagen musste, konnte ich gottseidank parallel dazu Veranstaltungen belegen, in denen es nicht nur um die „Form des Schließens"²⁹, sondern um Sprache, ums Verstehen von Texten (Hermeneutik) und ums eigenständige systematische philosophische Nachdenken ging. Zu den von mir ausgewählten Veranstaltungen zählte u. a. auch ein Hegel-Interpretationskurs: Er fand im Sommersemester 1989 im Philosophischen Seminar in Heidelberg im Hegel-Zimmer, in dem sich eine Büste des Philosophen befand, statt. Unter den steinernen Blicken Hegels und unter der Leitung des international renommierten Hegel-Experten Prof. Dr. Hans Friedrich Fulda studierte ich mit Kommiliton*innen aus ganz unterschiedlichen Fakultäten Hegels `Phänomenologie des Geistes´³⁰ – Hegels erster großer Wurf, ein Kunstwerk der deutschen Sprache und einer der wohl kompliziertesten Texte überhaupt. Wöchentlich näherten wir uns dem eigenwillig komponierten Text des Großmeisters der Dialektik und wagten uns unter Hans Friedrich Fuldas Leitung, die einzelnen Textabschnitte minutiös lesend und vorsichtig sezierend, an den Versuch einer Interpretation. Wir lernten dabei, dass das Geheimnis der Auslegung der Hegelschen Zeilen darin bestand, sich durch systematische Fragestellungen den Text zu erschließen. Die Ergebnisse meiner Beschäftigung mit Hegel in diesem Hegel-Interpretationskurs bündelte ich damals in einer wissenschaftlichen schriftlichen Hausarbeit. Sie wird im Anhang dieses Buches erstmals veröffentlicht. Dieser Hegel-Interpretationskurs, das kann ich heute rückblickend sagen, gehörte zu den geistigen Höhepunkten meines Philosophiestudiums in Heidelberg. Neben der `Phänomenologie´ lernte ich im Zuge dieses Kurses noch die anderen maßgeblichen Werke Hegels kennen³¹, der in ihnen versuchte, den Stufengang des Geistes geschichtlich vermittelt darzustellen und dabei besonders den Prozesscharakter der Erkenntnis betonte, um damit zu demonstrieren, dass jedes Moment der Entwicklung einzig und allein aus seiner Position im Gesamtprozess verständlich war: Hegels zweibändige `Wissenschaft der Logik´ (1812-1816)³², seine dreiteilige `Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften´ (1817) ³³ und seine `Grundlinien der Philosophie des Rechts´ (1820)³⁴, einem Jahrhundertwerk, das die Welt veränderte; darüber hinaus seine Vorlesungen zur Ästhetik, zur Religionsgeschichte und zur Weltgeschichte.³⁵ Einunddreißig Jahre später lege ich nun diese Ausführungen zur Person Hegels und Aspekten seines Werkes vor – daran kann man erkennen, wie mich der Deutsche Idealismus³⁶ im Allgemeinen und Hegel, dieser `Konservative´, „der die Macht der Tradition verteidigte"³⁷, im Besonderen nachhaltig in ihren Bann gezogen haben! Die Tatsache, dass ich mich persönlich mehr zur liberalen und gerechten Sache hingezogen fühle – getreu dem bekannten Diktum `Alles ist relativ´ – und denke, dass nicht nur das Ganze das Wahre ist, sondern `das Ganze auch das Unwahre´³⁸ (Theodor W. Adorno) sein kann, ferner auch eine Teilmenge durchaus ihre Daseinsberechtigung hat und wahr sein kann sowie manchmal auch die Intuition³⁹ eine wichtige Komponente im Leben spielt, zeigt, steht auf einem anderen Blatt und soll an dieser Stelle nicht Gegenstand der Erörterungen sein.

    So sind diese `werkbiographische Betrachtungen´ über Hegel entstanden. Wohlgemerkt: Es sind Betrachtungen! Ich habe bei der Beschäftigung mit Hegel nie den Anspruch gehabt, sein Leben und vor allem sein Werk in irgendeiner Hinsicht vollständig zu erfassen – das geht auch gar nicht! Von mir berücksichtigt wurden aber der philosophische und politische Kontext, in denen Hegel sich bewegte. Hegel-Zitate wurden um den Umfang der Ausführungen und auch um die Lesbarkeit willen aufs Wesentliche beschränkt. Im Anmerkungsapparat, der der wissenschaftlichen Methodik und dem eigenen Anspruch geschuldet ist, befinden sich Quellenangaben und Erläuterungen zum Text; dieser ist jedoch auch ohne dessen Beachtung als flüssiger Text lesbar. Mittels eines Personenverzeichnisses, in dem am Schluss des Buches kurze Angaben zur Person gemacht werden, können sich Leser*innen einen schnellen Überblick über die im Text erwähnten Personen verschaffen: Personennamen im Text wurden daher von mir bei der erstmaligen Erwähnung kursiv gesetzt, so dass sie eindeutig in diesem Personenverzeichnis auffindbar sind. Eine Zeittafel im Anschluss daran informiert über wichtige Daten in Hegels Leben. Ins Literaturverzeichnis hat nicht nur in diesem Buch verwendete Literatur Eingang gefunden, sondern es sind dort u. a. auch ältere und jüngere Ausgaben der Werke Hegels mit eingeflossen, außerdem eine rein subjektive Auswahl der inzwischen unüberschaubaren Hegel-Sekundärliteratur, darunter natürlich auch neuere Werke.⁴⁰

    Im Anhang dann befindet sich a.) ein Scan meiner 24 Seiten starken Philosophischen Seminararbeit aus dem Sommersemester 1989, entstanden im Rahmen des Interpretationskurs von Hegels `Phänomenologie des Geistes´ unter Leitung von Hans Friedrich Fulda. Sie gibt einen guten Eindruck davon wieder, wie vor dreißig Jahren im Heidelberger Philosophischen Seminar Hegel gelehrt wurde, wie formal und inhaltlich schriftliche Hausarbeiten ausgesehen haben und davon, wie ich als 26jähriger junger Mann wissenschaftlich zu Hegel, dem Denker der geschichtlichen Bewegung, gearbeitet habe – allein mit Hilfe von Büchern, ohne Hilfsmittel wie das Internet zur Verfügung zu haben.

    Kein Buch entsteht bekanntlich im Alleingang: Für Inhalt und Form zeichne ich allein verantwortlich.

    Ich danke an dieser Stelle vielmals Barbara Dammenhayn-Scott, engagiertes Mitglied des Kirchengemeinderates der Evangelischen Kirchengemeinde Kadelburg, die wie schon bei anderen meiner Veröffentlichungen zuverlässig und mit genauem Blick die Aufgabe des Korrekturlesens des Manuskripts übernahm.

    Ruth Rüttinger, Künstlerin aus Dogern, danke ich ganz herzlich für ihr Bild, das sie Ostern 2020 malte und das auf dem Titel dieses Buches zu sehen ist. Es steht für mich sinnbildlich im Hegelschen Sinne für die reine Idee, den absoluten Geist.

    Gewidmet ist dieses Buch meiner Tochter Salome zu ihrem 17. Geburtstag am 27. Oktober 2020, verbunden mit den besten Wünschen für die Zukunft – vor allem dem Wunsch, dass ihr bei allem Nachdenken über die Religion der Glaube nicht abhandenkommen möge!

    Kadelburg, 6. Januar 2021 Thomas O. H. Kaiser


    ⁷ Im Blick auf eine erste Orientierung zu Leben und Werk Hegels vgl. den umfangreichen Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wilhelm_Friedrich_Hegel (aufgerufen am 22.6.2020); ferner Peter Kunzmann/Franz-Peter Burkard/Franz Wiedmann, dtv-Atlas zur Philosophie. Tafeln und Texte. Mit 111 farbigen Abbildungsseiten, München 1991, 153ff., und Hans Joachim Störig, Kleine Weltgeschichte der Philosophie, Bd. 2, FfM 1980, 123-135, bes. 124ff. Zu meinen Studienzeiten kursierte noch die erste preisgünstige Erstauflage der im Suhrkamp-Verlag erschienenen Theorie-Werkausgabe, herausgegeben von dem Ehepaar Eva Moldenhauer (1934-2019) und Karl Markus Michel (1929-2000), damals beide im Lektorat des Suhrkamp-Verlags beschäftigt. Grundlage für ihre Ausgabe war die Hegel-Werkausgabe der Jahre 1832-1845, vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Werke in zwanzig Bänden, hg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, FfM 1970. Inzwischen hat diese Aufgabe mehrere Neuauflagen erlebt und ist zur Hegel-Standardausgabe geworden, nach der auch ich, sofern nicht anders angegeben, zitiere.

    ⁸ Vgl. Joh 4, 24. Schon dem italienischen Philosophen Vittorio Hösle (geb. 1960) war aufgefallen, dass Hegel viele Anleihen aus dem Neuen Testament genommen bzw. seine späte Geist-Philosophie „ganz eindeutige neutestamentliche Wurzeln" hatte (Vittorio Hösle, Zur Lage der Philosophie, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft VI/2, Sommer 2012: Idealist – Kanaille – Rousseau, hg. v. Robert Norton & Ulrich Raulff, München 2012, 58-72, Zitat auf 61).

    ⁹ In Worten G. W. F. Hegels, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II, a. a. O., 19, 79: „Das Absolute ist… das, was in einer Einheit endlich und unendlich ist."

    ¹⁰ Vgl. G. W. F. Hegel, Enzyklopädie, Dritter Teil, § 384 (Werke, Bd. 10), a. a. O., 29.

    ¹¹ Vgl. zu Hegels Werk erhellend und weiterführend Hans Friedrich Fulda, Spekulatives Denken und Selbstbewußtsein, in: Theorie der Subjektivität, hg. von Konrad Cramer, Hans Friedrich Fulda, Rolf-Peter Horstmann, Ulrich Pothast (stw 862), FfM 1990, 444-479, und Walter Jaeschke/Andreas Arndt, Die Klassische Deutsche Philosophie nach Kant. Philosophie nach Kant. Systeme der reinen Vernunft und ihre Kritik 1785-1845, München 2012, 547-691.

    ¹² Vgl. Dina Emundts/Rolf-Peter Horstmann, G. W. F. Hegel. Eine Einführung, Ditzingen 2002, 32 (Lit.: 117-122). Aus diesem Gedanken heraus entstand der bekannte Hegel-Satz „Das Wahre ist das Ganze (G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, a. a. O., 24). Auch später geht es um die Wahrheit, nämlich um „das wirkliche Erkennen dessen, was in Wahrheit ist (G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, a. a. O., 63). Bei den letzten Worten des großen Soziologen Max Weber (1864-1920), der an den Folgen der Spanischen Grippe starb und dessen 100. Todestag wie Hegels 250. Geburtstag im Jahr 2020 begangen wurde, handelt es sich um eine Tautologie: `Das Wahre ist die Wahrheit´.

    ¹³ Vittorio Hösle, Zur Lage der Philosophie, in: Zeitschrift für Ideengeschichte, Heft VI/2, a. a. O., 58-72, Zitat auf 69; vgl. weiterführend Vittorio Hösle, Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität, Hamburg 1998. Hegel-Experte Michael Theunissen hatte schon 1976 festgehalten: „…das Bedürfnis des Menschen nach Totalitätserkenntnis ist so elementar, daß es, wenn Philosophie und Theologie es nicht stillen, seine Befriedigung andernorts sucht" (Michael Theunissen, Das Denken im Widerstreit von Glaube und Vernunft, in: Herder-Korrespondenz 30, 1976, 449-456, Zitat auf 452).

    ¹⁴ G. W. F. Hegel, Enzyklopädie Dritter Teil, § 384 (Werke Bd. 10), a. a. O., 29.

    ¹⁵ Vgl. dazu Michael Theunissen, Begriff und Realität, in: Denken im Schatten des Nihilismus, a. a. O., 164-195, bes. 178.

    ¹⁶ Mit seinem `Weltganzen´ vertrat Hegel nicht wie Baruch de Spinoza (1632-1677) einen Gottesbegriff, der Gott mit der Natur gleichsetzte (`Pantheismus´) – das Weltganze oder Gott war nicht die Natur, sondern die gesamte Natur war Geist und allein das Geistige war das Wirkliche. Ernst Cassirer (1874-1945) zufolge ist Hegel nie Spinozist gewesen; die Natur hatte „in Hegels System kein unabhängiges Sein" (Ernst Cassirer, Vom Mythos des Staates, a. a. O., 341) und war nicht das Absolute. Karl Löwith (1897-1973) zufolge war das Ganze bis zu Hegel eine Dreiheit – Gott, Mensch und Welt, vgl. das Interview mit Karl Löwith im SPIEGEL v. 20.10.1969, online zugänglich unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45520624.html (aufgerufen am 13.6.2020).

    ¹⁷ In der Vorrede zur `Phänomenologie des Geistes´ schreibt Hegel: „Der Geist, der sich so entwickelt als Geist weiß, ist die Wissenschaft" (G. W. F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, a. a. O., 29). Zur Einführung und näheren Erläuterung des Geist-Begriffs in Hegels Philosophie vgl. Walter Jaeschke, Hegels Philosophie, a. a. O.,153-170.

    ¹⁸ Herman Nohl (Hg.), Hegels theologische Jugendschriften. Nach den Handschriften der Königlichen Bibliothek in Berlin. Unveränderter Nachdruck der Originalauflage Tübingen 1907, FfM 1991, ²2006, 315.

    ¹⁹ Hegel verstand sich zeitlebens als Lutheraner. Er ließ seine Kinder taufen und selbstverständlich konfirmieren, heiratete kirchlich und ließ sich kirchlich bestatten; seine Frau betätigte sich nach seinem Tod karitativ bei der Armenfürsorge in ihrer Kirchengemeinde.

    ²⁰ Schon der Tübinger Philosoph Ernst Bloch (1885-1977) hatte vom `Werden´ als dem Passwort, das Hegel von Anfang an verwendete, gesprochen, vgl. Ernst Bloch, Subjekt-Objekt. Erläuterungen zu Hegel. Erweiterte Ausgabe, Gesamtausgabe Bd. 8, FfM 1977, 226.

    ²¹ Dietmar Dath zufolge war Hegel „der größte Widerspruchslehrer der Philosophiegeschichte (Dietmar Dath, Hegel. 100 Seiten, Ditzingen 2020, 32). Vgl. dazu auch Hans-Georg Gadamers Vortrag „Hegel. Der Idealismus der Freiheit, auf YouTube zugänglich unter: https://www.youtube.com/watch?v=3FPjSZ0o8s4 (aufgerufen am 17.9.2020), in dem Gadamer u. a. in der für ihn typischen Weise Hegels im schwäbischen Dialekt gesprochenes `Ha noi´ mit dessen Dialektik in Verbindung setzt; vgl. dazu auch https://www.y-outube.com/watch?v=ePvk6lDas0U (aufgerufen am 17.9.2020).

    ²² Ernst Bloch schreibt erhellend (vgl. Ernst Bloch, Subjekt-Objekt, a. a. O., 121-150), die Dialektik habe bei Hegel insgesamt drei Stufen: Sie „ist 1. unmittelbare Einheit des Begriffs, 2. Entgegensetzung des Begriffs gegen sich selbst, 3. Wiedereinheit des Begriffs mit sich durch die Aufhebung des Gegensatzes. Anders gesagt: sie ist 1. Stufe des abstrakten Verstandes oder der einfach gesetzten Thesis, 2. Stufe der negativ vernünftigen Reflexion oder der Antithesis, von Hegel auch mit krisenhaftem Ausdruck Stufe der Negation, des Konflikts, der Kollision, der Differenz genannt, 3. Stufe der positiv vernünftigen Vermittlung, das heißt, Negation der Negation oder Synthesis. Keine dieser drei Bestimmungen darf selbständig gegen die anderen gehalten werden, sie müssen sich vielmehr durchdringen und in ihrer Endlichkeit immer wieder aufheben, immer wieder im Fluß halten, worin sie sind (Ernst Bloch, Subjekt-Objekt, a. a. O., 122). Ihm zufolge korrigiert die Dialektik „den abstrakten Glauben an feste Tatsachen und angeblich unveränderliche Gesetze über ihnen… (Ernst Bloch, Subjekt-Objekt, a. a. O., 145). Andernorts schreibt Bloch über Hegels Dialektik, sie sei „nicht nur… Einheit der Widersprüche, sondern Einheit der Einheit und der Widersprüche" (Ernst Bloch, Erbschaft dieser Zeit. Erweiterte Ausgabe [Gesamtausgabe 4], FfM 1977, 125). Vgl. dazu auch, die unterschiedlichen Facetten der Dialektik beleuchtend, das Seminar: Dialektik in der Philosophie Hegels, hg. und eingeleitet von Rolf-Peter Horstmann (stw 234), FfM ³2016.

    ²³ Der Philosoph und Arzt Wolfgang Wieland (1933-2015), der im Alter von 22 Jahren bei Hans-Georg Gadamer (1900-2002) in Heidelberg mit einer Arbeit über Friedrich Wilhelm Schelling promovierte, sich mit 27 Jahren habilitierte und von 1983 bis zu seiner Emeritierung 1998 Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Heidelberg war, schrieb: „Dieses Denken in Zusammenhängen, das den Widerspruch, der ein Moment der Wirklichkeit selbst ist, ernst nimmt und jeden Gegenstand unter mannigfachen Gesichtspunkten zugleich betrachtet, ist der Grund für die beträchtlichen Schwierigkeiten, die sich bei jedem ernsthaften Studium der Werke H[egel]s ergeben (Wolfgang Wieland, Art. `Hegel´, in: RGG³, Dritter Band, Tübingen 1959, Sp. 115-119, Zitat auf 116). Vg. dazu auch Christoph Helferich, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Stuttgart 1979: „Im Bereich großer Philosophie ist Hegel wohl der einzige, bei dem man buchstäblich zuweilen nicht weiß und nicht bündig entscheiden kann, wovon überhaupt geredet wird (326).

    ²⁴ Schon Ernst Bloch hatte daran erinnert: „Hegel ist schwer, daran besteht kein Zweifel, er ist einer der unbequemen unter den großen Denkern (Ernst Bloch, Subjekt-Objekt, a. a. O., 18). Bloch ermutigt aber dazu, Hegel zu lesen, denn: „Der gute Leser wird sich, was unglatte Schönheit angeht, in Hegels Deutsch so wohnlich fühlen wie in einer alten Stadt, mit gebogenen Gassen, deutlichem Zentrum. Viel Schwäbisches ist in der Sprache… (a. a. O., 20). Kern der Hegelschen Lehre war Bloch zufolge in nuce „die dialektische Subjekt-Objekt-Vermittlung…" (a. a. O., 36).

    ²⁵ Das nach der Straße, an der es lag, benannte neusprachliche Gymnasium Liebigstraße in Holzminden wurde 1990, acht Jahre, nachdem ich dort Abitur gemacht hatte, mit dem ehemaligen Gymnasium Wilhelmstraße unter dem Namen `Campe-Gymnasium´ vereinigt. Seine Vorläuferin war die 1569 gegründete Klosterschule Amelungsborn, eine auf das Jahr 1135 zurückgehende Zisterzienser-Abtei. Namensgeber ist der im Landkreis geborene Johann Heinrich Campe (1746-1818), Theologe, Feldprediger, Buchhändler, Schriftsteller und Erzieher Alexanders (1769-1859) und Wilhelms von Humboldt (1767-1835), und einer der Begründer des modernen Genres der Kinder- und Jugendliteratur. Als Freimaurer, Aufklärer und Sympathisant der Französischen Revolution erhielt Campe 1792 wie Friedrich Schiller (1759-1805), George Washington (1732-1799) und anderen Nicht-Franzosen, die sich um die französische Demokratie verdient gemacht hatten, den Ehrenbürgerbrief der Republik Frankreich.

    ²⁶ Damals begegneten mir erstmals die Bücher von Paul-Heinz Koesters und Wilhelm Weischedel, die eine hilfreiche Einführung in Hegels System boten, vgl. Paul-Heinz Koesters, Deutschland, deine Denker. Geschichten von Philosophen und Ideen, die unsre Welt bewegten, Hamburg ³1980, 120-143, und Wilhelm Weischedel, Die philosophische Hintertreppe. 34 große Philosophen in Alltag und Denken, München 1985, 209-220.

    ²⁷ Vgl. dazu weiterführend Philipp Felsch, Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte (1960-1990), FfM ²2018. In der Kultur- und Geistesgeschichte des deutschen Historikers und Kulturwissenschaftlers Philipp Felsch (geb. 1972) geht es um die Hoffnungen der Angehörigen der Generationen der 68er- und der frühen 1970er-Jahre, die sich ins Studium schwieriger Texte stürzten, sich mit linken Theorien auseinandersetzten, um die bleierne bundesdeutsche Gesellschaft jener Zeit zu verändern und eine geistige Revolte herbeizuführen. Felsch verknüpft die Rezeption linker Theorie mit der Geschichte eines kleinen Berliner Verlags und des Verlagsmitbegründers und entführt Leserinnen und Leser in die Zeit der 1970er Jahre, in der diskutieren `in´ war. „Auf Marcuse folgte Marx, und auf Marx folgte Hegel: Wer mitdiskutieren wollte, legte sich die zwanzigbändige Suhrkamp-Gesamtausgabe zu. (13) Vgl. dazu auch Rudi Dutschke, Die Revolte. Wurzeln und Spuren eines Aufbruchs, hg. v. Gretchen Dutschke-Klotz, Jürgen Miermeister und Jürgen Treulieb, Reinbek 1991; Jürgen Miermeister, Rudi Dutschke. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1986, und Ulrich Chaussy, Rudi Dutschke. Die Biographie, München 2018. Melancholisch bemerkt Felsch schon zu Beginn seines Buches, dass heute „die intellektuellen Energien von `68 in schwach glimmende Substanzen zerfallen sind… (12).

    ²⁸ Vgl. W. V. O. Quine, Grundzüge der Logik (stw 65), FfM 1969, 1974.

    ²⁹ Theodor Bucher, Einführung in die angewandte Logik, Berlin-New York 1987, 13.

    ³⁰ Für eine erste Sichtung vgl. den Wikipedia-Artikel auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Phänomenolo-gie_des_Geistes (aufgerufen am 29.4.2020).

    ³¹ Vgl. weiterführend Günter Zöller, Hegels Philosophie. Eine Einführung, München 2020, 27-119, und Walter Jaeschke, Hegels Philosophie, Hamburg 2020, der in der inhaltlichen Darstellung von Hegels Philosophie thematisch vorgeht (Lit: 417-431).

    ³² https://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaft_der_Logik (aufgerufen am 29.5.2020).

    ³³ https://de.wikipedia.org/wiki/Enzyklopädie_der_philosophischen_Wissenschaften (aufgerufen am 30.5.2020).

    ³⁴ https://de.wikipedia.org/wiki/Grundlinien_der_Philosophie_des_Rechts (aufgerufen am 30.5.2020).

    ³⁵ In der Hegel-Forschung wird zwischen drei verschiedenen Textsorten Hegels unterschieden: Es gibt von Hegel verfasste und zu Lebzeiten publizierte Texte; von ihm verfasste, aber erst posthum veröffentlichte Texte wie Vorlesungsnotizen, Briefe und Tagebucheinträgen; und weder von Hegel verfasste noch zu Lebzeiten publizierte Texte wie Mit- und Nachschriften der Studenten in seinen Vorlesungen und Briefe an Hegel. Vgl. dazu G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke, in Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Nordrhein-Westfälischen (1968-1995: Rheinisch-Westfälischen) Akademie der Wissenschaften, Hamburg 1968ff. Die sog. `Akademieausgabe´ veröffentlichte im Unterschied zur ersten, nach Hegels Tod von 1832-1845 herausgegebenen Ausgabe seiner `Werke´, die u. a. stark überarbeitete Vorlesungsmitschriften und Notizen beinhaltete (vgl. G. W. F. Hegel, Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten, 18 Bände Berlin 1832-1845), unbearbeitete Vorlesungsmitschriften und Notizen. Vgl. dazu ferner Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Hauptschriften. Sonderausgabe auf der Grundlage der `Gesammelten Werke´, 6 Bde., Hamburg 2014; und: Hegel, Die Hauptwerke, Berlin 2020. Hegels Werke sind im übrigen leicht online zugänglich unter: https://hegel.de, http://www.zeno.org/Philoso-phie/M/Hegel,+Georg+Wilhelm+Friedrich und https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/hegel.html und https://hegel.net/hegelwerke/ (alle vier Links aufgerufen am 28.5.2020).

    ³⁶ Die Epoche der deutschen Philosophie, die von Kants `Kritik der reinen Vernunft´ bis zu Hegels Tod reicht, gilt heute als Blütezeit der deutschen Philosophie, vgl. zu einer ersten Orientierung: https://de.wikipe-dia.org/wiki/Deutscher_Idealismus. Vgl. sodann weiter Curt Friedlein, Geschichte der Philosophie. Lehr- und Lernbuch, Berlin ¹⁴1984, 261-275; Peter Kunzmann/Franz-Peter Burkard/Franz Wiedmann, dtv-Atlas zur Philosophie, a. a. O., 134f., und Stefan Jordan/Christian Nimtz (Hg.), Lexikon Philosophie. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2009, 2011, 129-132. Jürgen Kaube, Hegels Welt, Berlin 2020, wählte für das Frontispiz seines Hegel-Buches eine Illustration, die einen Heißluftballon zeigte: Kaube verglich metaphorisch die Heißluftballon-Fahrt der Brüder Montgolfier im Jahre 1783 mit dem Idealismus: Mittels erhitzter Luft die Höhe zu erklimmen, um die Welt von oben zu sehen, zeugte von Idealismus; analog zur erhitzten Luft stand bei Hegel das Selbstbewusstsein des Menschen, vgl. dazu detailliert Axel Honneth, Das Ich im Wir. Studien zur Anerkennungstheorie, FfM ⁴2017, 15-32, und Pothast, Ulrich, Etwas über `Bewußtsein´, in: Theorie der Subjektivität, hg. von Konrad Cramer, Hans Friedrich Fulda, Rolf-Peter Horstmann, Ulrich Pothast (stw 862), FfM 1990, 15-43. Das philosophische Gegenmodell zum Idealismus ist übrigens der philosophische Materialismus, vgl. weiterführend Hans Jörg Sandkühler (Hg.), Handbuch Deutscher Idealismus, Stuttgart/Weimar 2005. Der Freiburger Philosoph Sandkühler (geb. 1940), der über Schelling promoviert hatte und viele Jahre in Bremen lehrte, ist seit 2005 emeritiert. Vgl. dazu auch die Einleitung von Dr. Arthur F. Holmes (1924-2011), britischer Philosophieprofessor am Wheaton College, Illinois, USA: https://www.y-outube.com/watch?v=DNA0mrEeHXY (aufgerufen am 15.8.2020), sowie die Übersicht von Michael Reitz, Was wir sehen, ist was wir denken: Die Welt des Idealismus, online zugänglich unter: https://www.y-outube.com/watch?v=SdYXY1KRHSQ&list=PL6cI1_8BvV-YT5FgyP57nvsTEjsDKmD8M (aufgerufen am 20.8.2020).

    ³⁷ So Ernst Cassirer, Vom Mythus des Staates (Philosophische Bibliothek 541), Hamburg 2002, ²2016, 326. „Konservativismus ist daher eine der charakteristischsten Züge in Hegels ethischer Theorie (327). Cassirer beschreibt Hegel als einen Nationalisten, der sich auf das Bestehende verließ und deshalb im preußischen Staat die Verwirklichung seiner politischen und philosophischen Ideale sieht, und darüber hinaus als Patrioten, Partikularisten und Provinzialisten. Er war weder ein lupenreiner Demokrat noch ein konservativer Sozialdemokrat, zu dem ihn mancher Biograph heute machen möchte, sondern Hegel plädiert für die konstitutionelle Monarchie, d. h. für eine Staatsordnung mit einem von Gott durch Erbfolge legitimierten König an der Spitze, als ausgezeichnete Gestalt von vernünftiger nationaler Staatlichkeit und hält – etwa in seinen `Grundlinien´ – am Privateigentum fest. Er ahnt aber auch die Auswüchse neoliberaler Deregulierung und lässt Ansätze wohlfahrtsstaatlicher Institutionen erahnen. Der alte Hegel „nimmt die gegebene Ordnung der Dinge hin… Er versucht nicht, die Übel, das Unglück und die Verbrechen aus der historischen Welt wegzuschaffen. All dies wird als gegeben hingenommen (Ernst Cassirer, Vom Mythus des Staates, a. a. O., 335).

    ³⁸ Dieses Antonym findet man bei Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben (= GS 4), FfM ¹²2019, 55. Adorno ist mit seiner `Bemerkung zu Hegel´ von 1956 hier zu hören: https://www.youtube.com/watch?v=aL3rCpzz_x4 (aufgerufen am 22.8.2020).

    ³⁹ Die Tatsache, dass man die Intuition nicht unterschätzen sollte, zeigt das berühmte Beispiel des Apple-Gründers Steve Jobs. Jobs machte sich für die Intuition stark, vgl. dazu meinen Beitrag über Steve Jobs und Apple, online zugänglich unter: https://www.theomag.de/102/tka01.htm (aufgerufen am 24.6.2020).

    ⁴⁰ Ralf Ludwig hat dafür eine überzeugende Erklärung geliefert: „Die Uneinheitlichkeit der ersten Hegel-Interpretationen mündet in eine noch weiter ausufernde Uneinheitlichkeit der auseinanderlaufenden Hegel-Schulen" (Hegel für Anfänger. Phänomenologie des Geistes. Eine Lese-Einführung von Ralf Ludwig, München 1997, ¹⁰2017, 189).

    Einleitung

    „Hegel gehört zu den bedeutendsten, am wirksamsten gewordenen Philosophen der Neuzeit. Er ist aber auch derjenige, dessen zentrale Gedanken am schwersten zu begreifen sind und über den die Meinungen am weitesten auseinandergehen. Angeblich sagte er selbst einmal: von seinen Schülern habe ihn keiner verstanden außer einem, aber der habe ihn mißverstanden."⁴¹

    Mit diesen humorvollen Worten beginnt das Hegel-Buch eines der wichtigsten zeitgenössischen und lebenden Hegel-Kenner, nämlich des Heidelberger Philosophen Hans Friedrich Fulda. Fulda fasste die Schwierigkeit in Worte, die sich bei der Lektüre von Texten des berühmten schwäbischen bzw. Berliner Philosophen für alle und jeden, die einmal einen Blick in Hegels Werke geworfen haben, ergibt. Hegel macht es seinen Leser*innen wahrlich nicht gerade leicht! In diesem Jahr jährte sich zum 250. Mal der Geburtstag des einflussreichen Philosophen.⁴² Doch bereits lange im Vorfeld geplante Hegel-Jubiläumsveranstaltungen mussten wegen der weltweiten Corona-Pandemie und der mit ihr in Verbindung stehenden Vorsichtsmaßnahmen ausfallen.⁴³ Die folgenden Ausführungen möchten deshalb die Erinnerung an G. W. F. Hegel wachhalten und den Lebensweg dessen schildern, an dem sich die Geister bis heute scheiden: des letzten großen Repräsentanten des Deutschen Idealismus. Zu dessen maßgeblichen Vertretern gehören zwar auch Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, doch als sein Hauptrepräsentant gilt nach wie vor Georg Wilhelm Friedrich Hegel.⁴⁴ Der Deutsche Idealismus – das Wort stammt vom griechischen `idein´= sehen, `eidos´ = Bild und `ismus´= Glaube – ging frei nach Platon von der Idee aus, dass die Welt in erster Linie ein `Bild´, eine Idee, war, und die festen Wirklichkeiten dieser Welt nur Abbilder waren, gewissermaßen verkörperlichte Abziehbilder dieser Idee. Hegel stellte sich Gott als die höchste Intelligenz vor, die er `Geist´⁴⁵ nannte. Er wandte sich gegen zeitgenössische Strömungen, die es für unmöglich hielten, Gott zu erkennen, und wollte vor allem den philosophischen Entwurf von Immanuel Kant⁴⁶ korrigieren, weil man mit ihm seines Erachtens keine einheitliche Theorie der Wirklichkeit konzipieren konnte – was neben ihm alle erwähnten Deutschen Idealisten zum Ziel hatten.⁴⁷ Hegel, auf den im heutigen Sprachgebrauch die Redewendung `an und für sich´ zurückzuführen ist,⁴⁸ wollte uns – entgegen Kant – glauben machen, wir könnten die Welt als Ganzes erkennen und erfassen⁴⁹, damit wir mit ihm dann die Erkenntnis teilen sollten, dass das Absolute der Geist war. Die Formen von Wirklichkeit (Pflanzen, Tiere, Menschen, staatliche und soziale Organisationsformen, die schönen Künste, Kultur und Religion, Sonnensysteme und physikalische Körper) sollten systematisch aus einem einzigen Prinzip oder einem einzigen Sachverhalt mittels der Vernunft erklärt werden können. In Hegels Verständnis war sie keine subjektive Eigenschaft, „sondern die Summe aller Realität⁵⁰, d. h. Vernunft und Wirklichkeit waren identisch. Bemerkenswert ist, dass Hegel entgegen dem Geist der damaligen Zeit eine neue Metaphysik entwickelte, d. h., die menschliche Wirklichkeit von einem außer ihrer selbst liegenden Prinzip her deuten wollte. ⁵¹ Diesen Sinn hatte Hegel zufolge auch die Religionsphilosophie und schließlich die Religion selbst: „Eine Religion ist Erzeugnis des göttlichen Geistes, nicht eine Erfindung des Menschen, sondern Produktion des göttlichen Wirkens, Hervorbringens in diesem.⁵² Religion definierte Hegel als „den sich selber wissenden absoluten Gottesgeist.⁵³ Der Geist Gottes war für ihn „nicht ein Geist jenseits der Sterne, jenseits der Welt, sondern Gott ist gegenwärtig und als Geist im Geiste und in den Geistern⁵⁴ . Der allmächtige Gott stand im Zentrum von Hegels philosophischem Entwurf.⁵⁵ Er war der einzige Gegenstand der Philosophie, war ihr zentrales Thema, war der Zweck seiner Vorlesungen. ⁵⁶ Mit Hilfe der Philosophie suchte Hegel Gott zu erkennen, und so wurde die Philosophie zur Theologie – und wurde mit der Religion identisch.⁵⁷ Gott war der absolute Geist, zu dessen Wesen es gehörte, sich zu offenbaren und sich im endlich Wirklichen und als endlich Wirkliches darzustellen. Doch ist es bis heute schwierig zu ermitteln, was Hegel genau eigentlich unter `Gott´ verstand, denn er legte nie eine zusammenhängende Entwicklung dieses Begriffes vor. Stattdessen verwendete er synonyme Begriffe für Gott und charakterisierte Gott ganz vielfältig, ohne sein Wesen zu definieren. Gott war für Hegel `das unendliche Leben´ – so nannte er Gott vor allem in seinen Jugendschriften –, das `Absolute´ ⁵⁸ , `die Wahrheit´ ⁵⁹ , `der Begriff´ ⁶⁰ , die `Idee´, `der absolute Geist´⁶¹ . Zusammenfassend kann man sagen: Gott war „die Einheit unterschiedlicher Bestimmungen, das absolut Konkrete, das absolut Wahre, das, was aller Wirklichkeit das Wirklichsein verleiht, das eigentlich Wirkliche, das lebendig Wirksame, das schöpferische Prinzip in aller Wirklichkeit, das sich aus sich selber heraus verwirklicht und entfaltet und dabei doch in sich selber bleibt und aus der Entäußerung zu sich selber zurückkehrt und das so im dialektischen Prozeß es selber wird. (…) Hegels metaphysische Philosophie ist vom Wesen her Philosophische Theologie.⁶² Der Höhepunkt der Bezeichnung Hegels für Gott war die `Idee´ oder `die absolute Idee´ – sie war mit Gott gleichgesetzt, aber die höchste Benennung für Gott war der Geist: „Das Absolute ist der Geist⁶³, schrieb er: „Der Begriff des absoluten Geistes ist somit der wesentliche Ausdruck zur Kennzeichnung Gottes und der zentrale Begriff der Philosophischen Theologie Hegels überhaupt.⁶⁴ Das Wesen dieses Geistes bestand in seiner Tätigkeit, er konnte sich selbst produzieren und sich dialektisch entfalten. So gelangte Hegel zu seinem bekannten, in seiner `Phänomenologie des Geistes´ geäußerten Satz: „Das Geistige allein ist das Wirkliche…⁶⁵ Gott war für Hegel die Wirklichkeit schlechthin, prozesshaft in der Geschichte erfahrbar, jedoch nicht der zeitliche, sondern der `ewige Prozess´.⁶⁶ In Hegels System war „die Geschichte keine bloße Erscheinung Gottes, sondern seine Realität: Gott `hat´ nicht nur Geschichte, er ist Geschichte."⁶⁷

    Bei der Abfassung dieser Darstellung von Hegels Leben habe ich mich von maßgeblich zwei Gesichtspunkten leiten lassen: Sie sollte, soweit es geht, verständlich geschrieben sein und in Hegels Leben einführen, wobei sein philosophisches Werk nur leicht gestreift werden sollte; ich wollte das Rad nicht neu erfinden. Sie sollte sich ferner auf das Wesentliche beschränken, d. h. einen Überblick geben. Es ist bekannt, dass sich das Wesentliche häufig auch im Detail verbirgt, und so galt es der Versuchung zu widerstehen, Nebenthemen zu erörtern. Ferner habe ich mich bemüht, dem neusten Stand der Hegel-Forschung gerecht zu werden. Und: Auch Hegel selbst sollte in seiner unverwechselbaren Sprache hier und dort zu Wort kommen. Etliche Autor*innen haben in den letzten 250 Jahren versucht, das Leben des großen Philosophen zu erzählen, auch sein Werk zu erläutern, und einige ihrer Erkenntnisse sind natürlich in dieses Buch mit eingeflossen.⁶⁸

    Ich habe mich dazu entschlossen, anhand von Hegels Lebensstationen sein Leben zu beschreiben; entsprechend habe ich meine Ausführungen nach den wichtigsten Orten in Hegels Leben gegliedert.⁶⁹ Dieses Buch ist folglich keine wissenschaftliche Abhandlung, bei der ich mit weißen Handschuhen nach akribischer Sichtung von Originalmanuskripten Hegels in den staatlichen und kirchlichen Archiven das Archivmaterial sezierte und Hegels philosophische Gedankengänge minutiös freilegte.⁷⁰ Nein, das überlasse ich getrost den Fachleuten an den Universitäten, an denen Hegels Philosophie vermittelt wird. Schließlich gibt es Hegel-Experten, die über sein Leben seit Jahren forschen, sein Werk seit Jahrzehnten studieren, es auslegen und auf Kongressen das Erarbeitete zur Diskussion stellen. Ich halte es vielmehr mit Ernst Bloch, der 1951, also vor fast siebzig Jahren, im Vorwort seines berühmten Hegel-Buches schrieb: „Vorliegende Schrift erhebt nicht den Anspruch, ein Buch über Hegel zu sein, sie ist eher eines zu ihm, mit ihm und durch ihn hindurch."⁷¹ So versucht also auch dieses Buch ein Buch zu Hegel zu sein, mit Hegel und durch Hegel hindurch. Es will informieren, aufklären, bei Leserinnen und Lesern Neugier wecken und sie mit einem außergewöhnlichen Denker und einer fernen Zeit etwas vertrauter machen.

    Ich bin mir durchaus dessen bewusst, dass das Eigentliche im Leben eines Philosophen sein Denken und sein Werk sind – doch wie für alle und jeden gilt auch für Hegel, dass Biographie und Denken eng zusammengehören und die Lebensumstände das Ihre dazu beitragen, wie ein Werk entsteht.⁷² Je mehr ich mich mit Hegel in den vergangenen Jahren beschäftigte, desto klarer wurde mir, dass sich nicht nur Hegels `Phänomenologie des Geistes´ und seine `Wissenschaft der Logik´ jeglicher zusammenfassenden Interpretation entziehen⁷³, sondern dass darüber hinaus auch andere Teile seines Werkes, die für seine komplizierten Gedankengänge charakteristisch sind, nur sehr schwer zugänglich sind.⁷⁴ Mein Tipp bzw. meine Anregung ist daher, nicht nur Kommentare über Hegel zu lesen, sondern wegen der Hermetik seines Denkens und der Schönheit seiner Sprache Hegel im Original zu lesen – vielleicht einmal mit, vielleicht einmal ohne Lektürehilfe.⁷⁵

    Doch jetzt: Wer war Georg Wilhelm Friedrich Hegel? Wie war sein Leben? Was hat er gedacht? Warum hat seine Philosophie, die sich in `Logik´, `Naturphilosophie´ und `Philosophie des Geistes´ gliedern lässt, bis heute so viele Anhänger*innen? Wie ist die Wirkungsgeschichte seiner Philosophie und was bleibt von seinem philosophischen Ansatz? Ausgehend von den einzelnen Stationen in Hegels Leben lasse ich, wie gesagt, Gedanken seines philosophischen Werkes mit einfließen und versuche, diese und andere Fragen, die sich beim Studium Hegels ergeben, zu beantworten.


    ⁴¹ Hans Friedrich Fulda, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, a. a. O., Vorwort, 13. Ich habe mir erlaubt, den Druckfehler „mißvertanden" (13) hier zu korrigieren. Der Heidelberger

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