Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Das weiße Haus
Das weiße Haus
Das weiße Haus
eBook123 Seiten1 Stunde

Das weiße Haus

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Herman Bang beschreibt seine Frühe Kindheit. Das weiße Haus in dem Bang seine glücklichsten Jahre verbrachte. Die Mutter ist die Seeles des Hauses, mit ihrer lebensfrohen Natürlichkeit und einer kindlichen Lust am Umhertollen. Aber schon ist ein Schatten auf das weiße Haus gefallen, der die Freude dämpf und die Sehnsucht nach Vergangenem weckt. REZENSIOIN "'Das weiße Haus' von 1898 und 'Das graue Haus"' von 1901, Pendantromane, wie die Titel erkennen lassen, zeigen Herman Bang als einen Autor von düsterer Komik, mit einem starken Sinn fürs Szenische und einer Erzähltechnik, die weit über die Jahrhundertwende vorausweist." - Michael Maar, Frankfurter Allgemeine AUTORENPORTRÄT Herman Bang, geboren 1857 auf Alsen, Nordschleswig, wuchs als Pfarrerssohn in der dänischen Provinz auf und versuchte sich als Schauspieler, Regisseur und Feuilletonist, ehe er sich der Literatur zuwandte. Lesereisen führten ihn durch ganz Europa. Bang gilt als der bedeutendste dänische Vertreter des literarischen Impressionismus. Seine Schriftstellerkollegen in Deutschland erkannten Bang früh als einen der bedeutendsten Prosaautoren der skandinavischen Moderne. Und 100 Jahre nach seinem Tod zieht Herman Bang immer mehr Leser in seinem Bann. Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal, Hermann Hesse und Thomas Mann empfahlen seine Bücher, Klaus Mann machte ihn zum Helden einer Erzählung.
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum1. Jan. 2017
ISBN9788711458259
Das weiße Haus
Autor

Herman Bang

Herman Joachim Bang (* 20. April 1857 in Asserballe auf der Insel Alsen; † 29. Januar 1912 in Ogden, Utah) war ein dänischer Schriftsteller und Journalist. (Wikipedia)

Mehr von Herman Bang lesen

Ähnlich wie Das weiße Haus

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Das weiße Haus

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Das weiße Haus - Herman Bang

    ago.

    long long ago–

    long ago.

    Kindheitstage, ich will euch zurückrufen, Zeiten ohne Neid, freundliche Zeiten, eurer will ich gedenken.

    Der leichte Schritt meiner Mutter wird in hellen Stuben ertönen, und Menschen, die nun ergraut des Lebens Bürde tragen, werden lachen wie einst, da sie ihr Schicksal nicht kannten. Mögen die Toten wieder die sanften Stimmen erheben, und alte Lieder fließen dem Chor der Erinnerung ein.

    Aber auch bittere Worte werden verlauten, schwere Worte, wie man sie sagt, wenn man den bitteren Kampf mit dem schweren Leben kennt.

    Tell me the tales,

    that to me were so dear,

    long long ago

    long long ago.

    Es war zu Hause in der Dämmerstunde.

    Draußen legte sich sacht Schleier auf Schleier über den schimmernden Schnee. Die Gebäude versanken, die großen Pappeln verschwanden. Nur Jens, der Stallknecht, schlich mit seiner Laterne um die Ställe.

    Drinnen saßen wir, die Kinder, auf Schemeln versammelt. Die Stube war groß und ihre Winkel fern. Wir verbargen die Köpfe hinter einer Gardine, vielleicht war die Finsternis schuld daran.

    Ganz leise ertönte die Stimme der Mutter, und die Saiten des Klaviers klangen zart wie die einer Harfe:

    „Tell me the tales,

    that to me were so dear,

    long long ago

    long long ago."

    Der Gesang verstummte. Kein Laut war zu hören. William, der der Mutter am nächsten saß, war auf seinem Schemel eingeschlafen.

    „Mutter, sing weiter."

    Ein Lichtschimmer huschte über die weißen Tasten, über alle Möbel hinweg und verschwand. Jens ging lautlos mit seiner Laterne an den Fenstern vorüber.

    „Mutter, sing weiter."

    Eine Tür wurde geöffnet, ganz behutsam. Es war Vaters Tür.

    „Herr Peder warf die Runen auf den Holzsteg,

    den Klein-Helle dann überschreiten sollte.

    Dann ließ er Anker hieven,

    die Brise kam zur Zeit,

    zurück blieb Jütlands Küste

    und manche Dänenmaid.

    Schöne Worte freuen manche Herzen,

    schöne Worte

    machten mir viel Schmerzen,

    schöne Worte."

    Es ist still. Die Mutter, fein und schlank, gleicht einem Schatten. Wenn der Schatten schweigt, hört man die große Uhr.

    „Schöne Worte

    freuen manche Herzen,

    schöne Worte

    machten mir viel Schmerzen,

    schöne Worte."

    Draußen wird leise eine Türklinke bewegt. Das sind die Mägde, die zuhören möchten. Im Schein des Messingleuchters sitzen sie rund um den Küchentisch und lauschen, während „Frau Pastor singt".

    Der Großknecht stiehlt sich herein. Die Holzschuhe hat er vorsichtig abgestreift, nun lehnt er sich an den Türpfosten neben dem Wassereimer.

    „Kinder."

    „Ja, Mutter."

    „Singt mit."

    Die Mutter greift etwas kräftiger in die Tasten und singt:

    „Schön ist die Erde,

    prächtig Gottes Himmel,

    herrlich ist der Seelen Pilgergang."

    Zaghaft dringen die Stimmen der Kinder aus den Winkeln durch das Dunkel, angeführt von der Stimme der Mutter:

    „Durch alle schönen Reiche der Erde

    ziehen wir singend zum Paradies."

    Draußen in der Küche sitzen die Mägde noch immer still um das brennende Licht.

    Die Kerlsmarie wischt sich mit dem Rücken ihrer rissigen Hand eine Träne fort:

    „Das, sagt sie, „will die Gnädige gesungen haben, wenn sie mal stirbt.

    Alles ist still. Nur die große Uhr bei der Tür spricht.

    Da sagt aus seiner Ecke leise einer der Jungen: „Mutter, sing noch mal das, was ich nicht verstehe."

    Der Schatten der Mutter löst sich nicht aus dem Schweigen.

    Dann ertönen wieder – doch schwächer als zuvor – die harfenähnlichen Saiten:

    „Tell me the tales,

    that to me were so dear,

    long long ago

    long long ago."

    Kindheitstage, ich will euch zurückrufen – Zeiten der Sehnsucht und ohne Schuld, da es dem Herzen wohl erging. Wehmutsvolle Tage, da die Tränen sanft waren.

    Kindheitstage, da Mutter lebte.

    Ich entsinne mich an einen Tag, als wir Brombeeren sammelten – Mutter, wir Kinder und Tine von der Schule.

    Es gab so viele Beeren, und ihre Ranken waren so hübsch.

    Hinunter in die Gräben ging es und dann die Hecken entlang. Wir Kinder fingen uns in den Ranken und schrien. Unsere Gesichter waren so verschmiert, daß wir wie die Kinder von Lars, dem Schmied, aussahen.

    „Seht doch nur den Jungen, seht doch nur den Jungen", rief die Mutter.

    Aber Tine hatte eine mächtige Ranke gegriffen, die von dunklen Beeren nur so prangte, und rasch warf sie sie der Mutter um die Schultern.

    „Oh, Sie schöne Frau", sagte sie.

    Die Mutter stand am Zaun, die Ranke fiel ihr auf die Brust. Hochaufgerichtet stand sie da, hinter ihr der leuchtende Himmel.


    Kindheitstage, ich will euch zurückrufen.


    Es war ein weißes Haus, und seine Tapeten waren hell.

    Alle Türen standen offen, auch im Winter, wenn eingeheizt wurde.

    Zwischen den Mahagonimöbeln befanden sich Marmortische und auch weiße Konsolen, sie stammten von Auktionen auf Schloß Augustenborg. Die alten Porträts waren mit Immortellen umwunden, und viel Efeu gab es, denn Efeu, das sich an einer hellen Wand emporrankte, liebte die Mutter.

    Das Gartenzimmer war so weiß, daß es zu leuchten schien.

    Die Kinder mochten dieses Zimmer, und auch die Treppe zum Garten, auf deren weißgestrichenem Geländer sie hinunterrutschten.

    „Kinder, Kinder, rief die Mutter, „lehnt euch nicht an das Geländer.

    „Um Himmels willen, sagte sie zu Tine, der Tochter des Schullehrers, „eines Tages brechen sie sich noch den Hals. – Der Tischler wird ja auch nie geholt.

    Das Geländer war morsch und wurde niemals ausgebessert.

    Aber schon bald wurde die Tür zum Garten geschlossen, die Läden wurden zugemacht und grüne Vorhänge über die weißen Gardinen gezogen, warm und anheimelnd. Denn die Mutter wollte den Garten und die große Allee nur sehen, wenn die Sonne schien und lange am Himmel stand.

    „Du lieber Gott, wie mag es nur im Küchengarten aussehn", sagte sie plötzlich zu Schullehrers Tine, als sie nachmittags beim Kaffee saßen.

    Drei Viertel des Jahres kam sie nicht in den Küchengarten.

    Er lag weit hinter der Pappelallee und hinter der Einfahrt, und die Kinder durften nicht dorthin, denn sie könnten ja nasse Füße bekommen. Manchmal jedoch, wenn der Weg am allerschlechtesten und der ganze Hof ein grundloser Morast war, da wollte die Mutter nach dem Garten sehen.

    In den Holzschuhen von Kerlsmarie und mit geschürzten Rökken zog sie los, quer über den Hof.

    Alle Mägde standen auf der Treppe und schauten ihr hinterdrein. „Kinderchen, Kinderchen", rief sie; sie kam mit ihren Holzschuhen keine zehn Schritte weit, da war sie auch schon steckengeblieben.

    Wenn sie nach Hause kam, mußte sie zur Stärkung warmen Zwieback haben.

    „Meine Liebe, sagte sie zu der Lehrerstochter, „warum bleiben die Menschen im Winter nur nicht zu Hause?

    Die Kinder spielten auf dem Teppich. Er hatte viele große Felder, rote und graue. Die Felder waren Königreiche, über die die Kinder herrschten und um die sie kämpften. Sie gerieten in Streit dabei, und dann gab es Tränen. Mit den Möbeln bauten sie Barrikaden um ihre Königreiche. Die ganze Wohnstube war ein einziges babylonisches Durcheinander.

    „Was diese Kinder doch für einen Lärm machen können", sagte die Mutter zum Stubenmädchen – dabei feuerte sie die Kinder selbst zum Lärmen an.

    „So, so, nun verliert Nina wieder ihre Höschen."

    Mit den Spitzenhöschen gab es ewig Ärger. Bald zerknautschten sie, und bald gingen sie im Streit der Königreiche verloren.

    Der Großknecht, der Knecht und der Stallknecht waren bei ihrer Arbeit. Bedächtig und langsam gingen sie zwischen Stall und Tenne hin und her.

    Wenn die Stalltür geöffnet wurde, hörte man die Kühe brüllen.

    „Mutter, sagte Nina, „jetzt ruft Williams Kuh.

    Doch manchmal, wenn der Vater nicht daheim war, konnte es geschehen, daß die Mutter den Stallknecht bat, „nur für einen Augenblick" alle Kühe hinaus auf den weißen Hof zu lassen. Und dann sprangen sie im Schnee umher, alle vierzehn, die braunen, die weißen und die gefleckten, und die Kinder jubelten.

    „Laßt sie nicht auf die Koppel, laßt sie nicht auf die Koppel", rief die Mutter. Sie stand auf der Treppe und lachte am lautesten.

    Aber in eine der gefleckten Kühe war der Teufel gefahren.

    „Oh, wie sie rennt",

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1