Mimis allerbester Freund
Von Viveca Lärn und Angelika Kutsch
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Buchvorschau
Mimis allerbester Freund - Viveca Lärn
Saga
Montag, 27. Dezember
Sobald ich aufgewacht war, dachte ich:
Ich bin so froh. Ich bin so besonders froh. Warum bin ich heute nur so froh?
Weihnachten war ja schon seit tausend Jahren vorbei. Ich hatte auch noch keinen Zahn wieder verloren. Ich hatte ganz bestimmt keine kleine Schwester, keinen Hund oder Bruder und auch keine Locken gekriegt.
Ich schüttelte ein bißchen den Kopf, wie ich da so im Bett lag, um ordentlich wach zu werden und herauszubekommen, warum ich bis in den Bauch froh war. Und als ich den Kopf nach rechts schüttelte (guten Tag, guten Tag), da wußte ich plötzlich, warum ich so froh war.
Auf dem Fußboden neben meinem Bett lag eine blaue Matratze mit weißen Kommas drauf. Und auf der Matratze lag sehr unordentlich eine alte Decke mit grünen Kamelen.
Ratet mal, was über den Kamelen herausguckte? Richtig – ein nettes kleines Ohr, das gerade richtig vom Kopf abstand!
Und um das Ohr herum? Richtig – massenhaft dünnes nettes helles und struppiges Haar! Das Haar war natürlich an Lasse dran, und genau aus dem Grund war ich so besonders froh.
Nicht weil Haar und Ohr immer noch an Lasse dran waren, sondern weil Lasse selbst dort lag und schlief.
Lasse aus Norrland würde eine Woche bei mir in Göteborg wohnen.
Und Lasse ist jedenfalls mein allerbester Freund.
Wenigstens von den Jungen.
27. Dezember
aber etwas später
Es war fast unmöglich, Lasse wachzukriegen. Schließlich versuchte ich es damit, daß ich Sachen nach ihm schmiß. Ich fing ein bißchen vorsichtig mit vier rosa Büroklammern an, aber er rührte sich nicht. Da warf ich etwas härteres Zeugs: einen Mokassin, ein Radiergummi mit Geruch (mein bestes) und schließlich meine Pelzmöwe, die Alfons heißt. Ich weiß genau, was es für Sachen waren, denn nach dem Frühstück mußte ich sie alle selber aufheben. Gäste brauchen nämlich nicht aufzuräumen, sagt Mama.
Aber Lasse wurde erst wach, als seine Mama, die aussieht wie eine Tanne, ins Zimmer geschwirrt kam, ohne anzuklopfen.
»Oh, Lasse, mein kleiner Liebling, wie geht’s dir? Du hast doch hoffentlich nicht gefroren? Es ist ja so windig hier in Göteborg«, jammerte sie und kniff ihn in die Backen.
Da endlich machte Lasse die Augen auf.
Und kaum hatte er das getan, warf er beides von sich, die Kameldecke und seine Mama und stürzte zum Fenster. Rauf mit dem Rollo und das mit einem mächtigen Krach, von dem mein Papa sagt, daß er verboten ist, denn dann landet eine wichtige Schraube im Blumentopf. Aber das war Lasse doch egal. Er riß das Fenster auf, daß mindestens ein Zwerg und drei Oblaten wegflatterten, und dann starrte er auf die Straße und schrie:
»Beeil dich, Mimi! Wir müssen runter und Autonummern sammeln.«
Ich hatte mir natürlich vorgestellt, daß wir uns erst mal verschiedene Sachen in meinen Schreibtischschubladen angucken würden, aber so sind eben die Norrländer.
Viel später
Vierundsechzig Autokennzeichen in einer Viertelstunde! Lasse war wirklich beeindruckt.
»Wenn es zu Hause in Norrland so zuginge, würde ich es nie rechtzeitig in die Schule schaffen«, sagte er. »Dann würde ich mitten auf der Straße auf einem Stuhl sitzen und immer nur Nummern aufschreiben. Und wenn ich groß bin, würde ich alle Autonummern in einen Computer eingeben.«
Ich war sehr stolz, daß Lasse meine Stadt so sehr mochte, mein Göteborg. Aber seine Mama stellte die Kaffeetasse so hart auf den Unterteller, daß der Kaffee überschwappte.
»Bist du ohne mich auf die Straße gegangen?« schrie sie. »Lasse, das darfst du auf keinen Fall tun!«
Ich guckte auf mein Butterbrot und pulte ein bißchen an den Wurstscheiben herum, damit Lasse sich nicht so blöd fühlte. Aber das tat er nicht.
»Papperlapapp!« rief er nur.
Lasse ist so witzig.
»Hätten wir diese Reise nach Göteborg bloß nicht gemacht«, nörgelte seine Mama weiter. »Großstädte bringen nur Unglück.«
»Guck lieber, was du mit deinem Kaffee angestellt hast«, sagte Lasse mutig.
»Warum soll ich meinen Kaffee nicht aus der Untertasse trinken, wie man das in Norrland macht?« zischte seine Mama und kippte sich den Kaffee direkt von der Untertasse in den Mund. Das sah ungeheuer lustig aus, jedenfalls fanden das meine Mama, mein Papa und ich samt dem großen getupften Hund Plutten von meiner Tante. Und wenn Plutten etwas lustig findet – dann merkt man das wirklich. Er zuckte mit den Ohren, kläffte und landete mit einem kleinen Tigersprung auf dem Küchentisch und versuchte, sich in den Brotkorb zu legen. Er hat keine Ahnung, wie groß er in Wirklichkeit ist.
»Geht es immer so lustig zu bei euch in Göteborg?« fragte Lasse.
Ich war so stolz, daß ich das ganze Wurstbrot auf einmal in den Mund stopfen mußte. Plutten sah mich böse an. Er mag Leute, die keine Tischmanieren haben, nicht.
»Jaha«, sagte mein Papa plötzlich. »Jetzt wollen Mimi und ich euch unsere hübsche Stadt zeigen. Ich mag zwar Denkmäler und frische Luft am liebsten, aber heute werden wir wohl auch in einige Museen gehen müssen. Wir fangen mit dem Götaplatz an, wo die berühmte Prachtstraße Avenyn beginnt ...«
»Das hast du dir vielleicht so gedacht, aber Lasse und ich haben was ganz anderes vor«, sagte ich. »Wir wollen Autonummern sammeln.«
»Genau«, sagte Lasse, »und Kennzeichen von Motorrädern.«
»Und Lasse soll nicht auf die Straße laufen, denn mein Lasse und ich fahren zu Ikea und kaufen Gardinen.«
Papa stöhnte.
»Ihr seid doch nicht Hunderte von Kilometern aus dem Urwald zur Perle der Westküste gereist, nur um euch alte Gardinen anzugucken!« brüllte er.
»Nein, neue Gardinen, Dummchen«, sagte Lasses Mama und goß noch ein bißchen Kaffee in die Untertasse.
»Wenn das so ist, nehm ich den Bus und fahr raus in meinen Schrebergarten und schipp Schnee«, sagte Papa seufzend.
Mamas Gesicht tauchte über der Morgenzeitung auf.
»Ausgezeichnet«, sagte sie »jeder macht, was er will. Und ich, ich werde Schlittschuh laufen auf dem Kungsplatz.«
»Ooooh«, riefen alle. »Darf ich mit?«
Mama legte erstaunt die Zeitung weg. Plutten schlug sofort seine Zähne hinein