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Die Ragulka-Bande
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eBook224 Seiten2 Stunden

Die Ragulka-Bande

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Über dieses E-Book

Estland, Tallin, in den 1940er Jahren. Heino und seine Bande fühlen sich unschlagbar. Grund dafür ist deren Steinschleuder, die Ragulka, mit der sie unter den anderen Jungen ihres Alters Angst und Schrecken verbreiten. Aber aus dem Spiel wird schon bald bitterlicher Ernst als Estland in den Strudel des Zweiten Weltkriegs gerissen wird. –Spannendes Buch um Krieg und Gewalt, das einen bis zum Schluss fesselt.Rezensionszitat"Ein schönes, spannendes Buch über eine Gruppe von Teenagern, die sich mit den Wirren des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzen muss. Aber auch ein wenig traurig." – keineinfall, www.bookcrossing.comBiografische AnmerkungGun Jacobson (1930-1996) war eine schwedische Schriftstellerin, die vor allem durch ihre Jugendromane bekannt wurde. Jacobson arbeitete zunächst als Grundschullehrerin bevor sie in den 1960er Jahren mehr und mehr Bücher veröffentlichte. Zu ihren bekanntesten Romanen gehören "Peters Baby" aus dem Jahr 1976, "Danke, halt die Klappe: Alexandra und Manolis suchen Freunde" (1975) und "Pingo und die Clique" aus dem Jahr 1975.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum14. Aug. 2015
ISBN9788711449868
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    Buchvorschau

    Die Ragulka-Bande - Gun Jacobson

    Saga

    1

    Es gab nur eine Möglichkeit, sich zu retten. Flucht. Sie umringten ihn zwar von drei Seiten, aber noch hatte er den Rücken frei. Er drehte sich um und stürmte den Lindenhügel hinunter. Hinter ihm ertönte das enttäuschte und wütende Geheul seiner Verfolger.

    Ich hab geschossen, dachte er und überquerte die Falkstraße zwischen dem Hügel und dem Domberg mit wenigen großen Schritten. Er hielt auf den Langen Herman zu und erkannte zu spät, daß das ein großer Fehler war. Die hohe Mauer bildete ein Hindernis, das seine Verfolger ausnutzten. Sie kamen immer näher.

    Plötzlich spürte er einen brennenden Schmerz im Rücken. Er war getroffen, lief aber weiter. Dann ein Schmerz in der Wade, und er fiel hin.

    »Jetzt haben wir dich«, rief jemand hinter ihm. »Ergib dich, Heino. Ergib dich!«

    Er war wieder auf den Beinen, ehe einer von ihnen bei ihm war. Den Rücken gegen die Mauer, sah er ihnen in die Augen.

    Ihm am nächsten stand Ilmar mit erhobener Ragulka. »Her damit«, sagte er.

    »Das ist meins«, antwortete Heino trotzig.

    »Es gehört der Bande«, erklärte Ilmar, und damit war die Sache entschieden. Es war Ilmar, der das Sagen hatte, und selten wagte jemand, ihn als Anführer in Frage zu stellen.

    »Welcher Bande?« Toomas schob sein Kinn vor. Hin und wieder versuchte er, sich gegen Ilmar aufzulehnen.

    »Wir haben es in der Unterstadt geschossen«, sagte Ilmar in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

    Heino wollte sich trotzdem nicht geschlagen geben. »Ich hab es geschossen.«

    Ilmar zögerte. Toomas nutzte den Moment und übernahm die Führung. Rasch hob er seine Ragulka und ließ triumphierend ein Geschoß abschnellen.

    Heino spürte einen Schmerz in der Hand. Er schrie auf und mußte seine Beute loslassen.

    Rasch war Vello da und schnappte sie sich. »Ein Eichhörnchen«, schnaubte er. »Wenn du wenigstens einen Bären geschossen hättest!«

    »Die Ragulka her!« befahl Ilmar.

    »Niemals!« schrie Heino.

    »Du mußt gehorchen«, sagte Jaan. Ihm tat sein kleiner Bruder leid, aber er zog ihm die Ragulka aus der Gesäßtasche. »Wir machen zu Hause eine neue«, flüsterte er.

    »Fünf Steine«, schlug Ants vor.

    Den Mädchen tat Heino auch leid. »Jetzt reicht es«, sagte Salme.

    »Wir lassen ihn laufen«, schlug Ella vor.

    »Er muß trainieren«, höhnte Olev. »Es sah zu jämmerlich aus, als er zu rennen versuchte.«

    Alle gruben in ihren Taschen nach Steinen. Ilmar nahm die fünf größten. Aus seiner eigenen Tasche holte er einen stumpfen Bleistiftstummel und machte auf jeden Stein ein Kreuz.

    »Die Dicke Margareeta, die Küche, der Stall, die Jungfrau und der Lange Herman«, sagte er und warf Heino einen Stein nach dem anderen vor die Füße. »Der Lange Herman zuletzt. Denk dran!«

    Heino erkannte, daß er keine Chance hatte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als loszulaufen. Schnell. Ehe sie sich noch mehr ausdachten. Er lief an der Mauer entlang zur Stadt hinunter.

    »Du schaffst es!« rief Salme ihm nach.

    Natürlich konnte er es schaffen. Aber er wollte es nicht. Er war wütend und wünschte sich weit weg. Ich hau ab, dachte er. Sollen sie doch befehlen, was sie wollen, ich pfeif auf ihre albernen Regeln!

    Plötzlich fiel ihm Rosalinde ein, und da lief es sich gleich viel leichter. Rosalinde war die Tochter eines Tanzlehrers und wohnte in der Gartenstraße. Eine hohe Mauer trennte das Grundstück von der Straße. Deshalb konnte man den Garten dahinter nicht sehen. Heino war das egal, er benutzte sowieso immer den Weg über das Dach. Die Steine verteile ich später, dachte er. Jetzt will ich Rosalinde treffen. Kurz danach saß er auf dem Dach des Nachbarhauses und trillerte wie eine Amsel. Das war ihr geheimes Signal.

    Es dauerte nicht lange, da war Rosalinde draußen im Garten. »Komm runter«, rief sie. »Spring, wenn du dich traust!«

    Es war nicht besonders gefährlich. Zuerst konnte er auf ein etwas niedrigeres Dach springen. Das wußte sie, und sie war sehr erschrocken, als er jetzt statt dessen über den Dachfirst zur anderen Seite balancierte. Von dort sprang er, und zwar von der höchsten Stelle aus. Aber es ging so schnell, daß sie nicht merkte, wie er ein bißchen schummelte, indem er die Feuerleiter zu Hilfe nahm.

    »Hier, für dich«, sagte er und reichte ihr die fünf Steine.

    »Danke«. Sie wußte nicht, was sie damit sollte.

    »Für euren Steingarten«, erklärte Heino.

    »Danke«, sagte sie wieder und fragte, ob er Saft wolle.

    Sie tranken Himbeersaft, und er erzählte ihr alles. Sie fand, daß er sich ganz richtig verhalten hatte. Schließlich war es sein Eichhörnchen. Aber sie fand trotzdem, es wäre am besten, er würde tun, was die Bande verlangte. Sie wollte ihm die fünf Steine zurückgeben, aber er nahm sie nicht an. Statt dessen bat er sie um einen Bleistiftstummel.

    Als er eine Weile später ging, hatte er ein Gefühl, als ob er tanzte. In der rechten Hosentasche wärmte ihn Rosalindes Bleistiftstummel. Sie hatte nur einen langen Bleistift gehabt, aber Heino hatte sich ein Stück abgebrochen. Sonst hätte der Bleistift ja nicht in seine Hosentasche gepaßt.

    Es war nicht weiter schwer, fünf neue Steine zu finden und sie mit einem Kreuz zu kennzeichnen. Er lief in Richtung Dicke Margareeta, aber plötzlich blieb er stehen und dachte nach. Die konnten ihn doch nicht zwingen, mit gekennzeichneten Steinen rumzurennen. Was für eine idiotische Idee!

    Nein, die können mich nicht zwingen, dachte er aufrührerisch. Er setzte sich ins Gras. Was würde passieren, wenn sie entdeckten, daß er nicht ... Er war der Kleinste in der Bande, und eigentlich war er zu klein. Er durfte nur mitmachen, weil Jaan dabei war. Feierlich hatte er den Rittereid geschworen und gelobt, den Anführern zu gehorchen. Jaan und er zählten zu den Rittern der Unterstadt, und der Anführer war Ilmar. Toomas führte die Ritter der Oberstadt an. Ein Zweikampf hatte entschieden, daß Toomas Ilmar als obersten Anführer anerkennen mußte. Wer nicht gehorchte, wurde bestraft. Heino war viele Male dabei gewesen, wenn aufmüpfige Ritter dazu verurteilt worden waren, herumzulaufen und gekennzeichnete Steine in einer bestimmten Zeit an verschiedenen Orten zu verteilen.

    Die schwerste Strafe war es, wenn man die Ragulka ablegen mußte. Was ist schon ein Ritter ohne Waffe!

    Hat man etwas gelobt, dann hat man es gelobt. Es ist feige, ein Gelöbnis zu brechen. Aber er hatte nie gelobt, jeden Blödsinn mitzumachen, den sie sich ausdachten. Es war ja eigentlich nicht besonders schlimm, zu den verschiedenen Wehrtürmen zu laufen und die Steine an die vorbestimmten Plätze zu legen. Aber es war so demütigend. Und es war ohne Sinn und Verstand!

    Er streichelte den alten Turm, der die Dicke Margareeta genannt wurde. Wenn die Bande bei Margareeta oder einem der anderen Türme nachsah, würde herauskommen, daß er sich aufgelehnt hatte. Gut, dachte er, die denken bestimmt, ich trau mich nicht.

    Er fühlte sich befreit, als er wegging.


    In diesem Sommer war viel von Freiheit die Rede. Immer wieder mußte Heino sich anhören, daß er seinen letzten freien Sommer genießen solle. Im Herbst kam er in die Schule. Dann sei es vorbei mit dem freien Leben.

    Blöd, fand Heino. Er durfte doch sowieso nicht tun, was er wollte. Nicht mal, wenn er draußen spielte. Dann bestimmten die anderen über ihn, jedenfalls, wenn sie Ritter spielten. Und das taten sie meistens. Aber natürlich war es gut, daß die älteren Kinder ihn mitspielen ließen. Das hatte er seinem großen Bruder zu verdanken.

    Es war nicht nur Heino, der seinen letzten freien Sommer erlebte. Das galt für ganz Estland. Der Sommer 1939 war der letzte Sommer der Freiheit, doch das wußte niemand. An einem sonnigen Augusttag, als die Kinder in den Parks spielten oder im Meer badeten, wurde weit weg in der Welt über die Zukunft des kleinen Landes entschieden. Aber es dauerte noch eine Weile, ehe ihr ruhiges Leben in Trümmer ging.

    2

    Jaan war stinkwütend, als er nach Hause kam. So was durfte man einfach nicht machen. Das mußte Heino endlich kapieren. Sich überhaupt nicht um die Steine zu kümmern! Auf die Befehle des Anführers zu pfeifen! Jaan war so aufgebracht, daß er kaum reden konnte. Er hatte sich so wegen seines dämlichen kleinen Bruders schämen müssen.

    »Warum hast du das gemacht?«

    »Sag ich nicht.«

    Mama griff ein. Sie war verärgert und besorgt zugleich, wenn die Jungen sich zankten. Worüber sie sich eigentlich stritten, wollte sie wissen. Die beiden wanden sich. Keiner wollte als erster antworten.

    In dem Augenblick hörten sie Schritte auf der Treppe. Papa kam nach Hause. Die Tür wurde aufgerissen, und auf der Schwelle stand eine schwankende Gestalt.

    Mama erstarrte, und sie sagte nur ein einziges Wort: »Juhan!«

    Heino schauderte. In Mamas Ton war etwas, das er nicht verstand. Aber er fühlte, daß sie böse war. Sehr böse. Er wußte auch, warum. Es war Papa anzusehen, daß Freunde ihn auf der Arbeit besucht hatten und daß die Flasche herumgegangen war. Aber Heino begriff nicht, warum Mama sich so darüber aufregte. Soweit er sehen konnte, war Papa nur laut und fröhlich. Er machte Späße und hob seine Söhne einen nach dem anderen hoch, wirbelte sie herum und kitzelte sie am ganzen Körper. Sie quietschten vor Lachen.

    Papa fand nichts Besonderes daran, daß die Jungen sich zankten. Er strahlte vor Stolz, als er erfuhr, daß sein Jüngster ein Eichhörnchen geschossen hatte. Der Junge hatte Schneid!

    Hastig und erregt erzählte Jaan, wie es weitergegangen war. Wie er sich wegen Heino hatte schämen müssen, weil der einfach auf den Befehl des Anführers gepfiffen hatte.

    »Gut so, Heino«, sagte Papa. »Estland ist ein freies Land. Wir tun, was wir für richtig halten, und lassen uns nicht zwingen.«

    Heino wagte nicht zu zeigen, wie sehr er sich über Papas Antwort freute. Er spürte, daß beide, Mama und Jaan, sehr böse waren.

    Mama regte sich darüber auf, daß ihre Kinder Krieg spielten. Es gab ein strenges Verhör, und die Jungen antworteten widerwillig. Mama hatte zwar gewußt, daß sie mit der Ragulka schossen, aber nicht, daß sie regelrechte Kämpfe austrugen. Und nicht, daß sie aufeinander schossen!

    »Wir zielen niemals auf den Kopf«, beruhigte sie Jaan.

    »Ach«, sagte Papa, »Jungs sind Jungs. Ich weiß noch, als ich Kind war ...«

    Heino spitzte die Ohren. Er hörte gern zu, wenn Papa von früher erzählte. Aber Mama wollte nichts hören. Ihr scharfes »Juhan« brachte Papa zum Schweigen.

    »Ein andermal«, sagte er augenzwinkernd.

    »Du sollst ihnen nicht von deinen Heldentaten vorprahlen, und du sollst sie nicht auch noch ermuntern, Krieg zu spielen.«

    »Hilja, es ist doch ganz harmlos, es ist nur ein Spiel.«

    »In diesem Land hat es genug Krieg gegeben«, sagte Mama, und damit war die Diskussion beendet.

    »Und jetzt wollen wir es vergessen«, sagte Papa. Das sagte er immer, wenn die Jungen was angestellt hatten. Dann wußten sie, daß ihnen verziehen war.

    Heino lag auf dem Fußboden, guckte zur Decke und malte sich aus, daß er weglaufen würde, weit weg, dahin, wo niemand über ihn bestimmen konnte. Er hörte die Eltern reden, hörte aber nicht zu. Plötzlich drang die energische Stimme seiner Mutter in seine Phantasiewelt.

    »Du weißt, was ich gesagt habe. Du mußt dich entscheiden, ich oder die Flasche. Meine Söhne sollen nicht mit einem saufenden Vater aufwachsen.«

    Heino lauschte, aber die Eltern senkten die Stimmen. In dem Augenblick klopfte es heftig an der Tür, und alle lauschten. Drei Männer stürmten ins Zimmer, und Papa sprang mit einem fröhlichen Fluch auf.

    »Juhan! Du weißt ...« Mehr konnte Mama nicht sagen.

    Papa straffte sich und sah sie starr an. »Ja, ich weiß«, sagte er. »Und ich hab genug.«

    »Denk an die Kinder«, flehte Mama.

    »Genau! Wenn sie den Anblick von ihrem Vater und seinen Freunden nicht ertragen, dann lassen wir es doch. Alles.«

    Heino lief zu Jaan, um bei ihm Schutz zu suchen. Still standen die beiden da und sahen zu, wie Papa im Schrank wühlte. Er warf ein paar Kleidungsstücke in einen Koffer, den er dann heftig zuknallte.

    »Ade!« rief er, und weg war er.


    An diesem Abend konnte Heino nicht einschlafen. Er lag neben Jaan im Doppelbett und wartete auf Papa. Mama lag allein im Bett der Eltern und versuchte, ihr Schluchzen im Kopfkissen zu ersticken.

    Wenn sie nur aufhören würde! Heino tat es im ganzen Körper weh, sie weinen zu hören. Jaan war auch wach. Das merkte Heino an seinen Atemzügen. Er könnte doch was sagen, ihm wenigstens etwas ins Ohr flüstern. Aber der Bruder schwieg. Heino seufzte und wälzte sich herum, bis Jaan zischte, er solle stilliegen.

    Papa kam nicht, und Mama schluchzte.

    Trotzdem mußten sie schließlich doch eingeschlafen sein, sonst hätte Mama sie nicht am nächsten Morgen wecken können. Heino betrachtete sie heimlich, aber er konnte keine Tränen in ihrem Gesicht entdecken. Doch sie war ernst und sprach streng mit den Jungen. Heute durften sie nicht zu Papa in die Werkstatt gehen. Sie brauchte den ganzen Tag ihre Hilfe. Jaan wurde zu einer Besorgung in die Stadt geschickt.

    Es machte Spaß, in dem Kurzwarengeschäft zu helfen, in dem Mama arbeitete. Zum Beispiel, die Regale aufzuräumen. Frau Haamer, der der Laden gehörte, mochte Kinder. Obwohl überall Ordnung herrschte, sagte sie nichts, wenn die Jungen alle Sachen umräumten. Wenn sie nur nichts von einem Regal ins andere legten oder die Schubkästen vertauschten.

    Mama saß mit ihren Kolleginnen Leida und Thea in einem Zimmer hinter dem Laden. Sie nähten neue oder änderten alte Kleider. Meistens nahmen sie Laufmaschen in feinen Seidenstrümpfen auf.

    Oft wollten die Kunden die Kleidung nach Hause gebracht haben, und das war die Aufgabe der Jungen. Mama war stolz, wenn ihre Söhne sich nützlich machen konnten. Und Jaan und Heino hatten nichts dagegen. Es gab immer etwas Leckeres oder eine Münze, wohin sie auch kamen. Außerdem erhöhte Frau Haamer dann Mamas Lohn um ein paar Kronen. Auf diese Weise trugen die Jungen zur Versorgung der Familie bei.

    Aber an diesem Tag begriff Heino nicht, warum er hier sein mußte. Es war nicht besonders viel zu tun. Im Gegenteil, es war so ruhig im Laden, daß Frau Haamer nach hinten ins Nähzimmer kam. Sie sprach erregt, und die anderen hörten aufmerksam zu. »Krieg«, sagte sie plötzlich.

    Heino, der an einem Tisch mit ein paar Garnrollen Krieg spielte, zuckte zusammen. Hatten sie gemerkt, was er da trieb? Mama hatte ja verboten, daß er Krieg spielte.

    »Man kann nie wissen«, sagte Frau Haamer mit leiser, warnender Stimme. »Ich hab schon einen ganzen Kopfkissenbezug voll.«

    »Was?« Heino konnte sich nicht zurückhalten. »Was haben Sie im Kopfkissenbezug?«

    »Heino«, sagte Mama vorwurfsvoll, und Heino schämte sich.

    »Entschuldigung«, sagte er nur, schlich aus dem Zimmer und begann eifrig, eines der schon aufgeräumten Regale neu zu ordnen.

    In dem Augenblick kam Jaan zurück. Er war aufgeregt, das merkte man. Er habe Ilmar in der Stadt getroffen, berichtete er. Der Anführer sei sehr wütend. Heino schauderte und kauerte sich auf dem Fußboden hinterm Ladentisch zusammen.

    »Ich hab gesagt, daß es dir leid tut und daß du dich entschuldigen willst.«

    »Aber das will ich doch gar nicht«, protestierte Heino.

    »Du mußt es wollen!« Jaan stürzte sich auf ihn und kniff ihn, daß es weh tat.

    Heino biß die Zähne zusammen. Er wollte auf keinen Fall jammern. Jaan wurde

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