Erotische Erzählungen
Von Klabund
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Klabund
Alfred Georg Hermann „Fredi“ Henschke, genannt Klabund (* 4. November 1890 in Crossen an der Oder; † 14. August 1928 in Davos) war ein deutscher Schriftsteller. Henschke wählte das Pseudonym Klabund – nach ersten Veröffentlichungen – im Jahr 1912. In Anlehnung an Peter Hille gab er vor, ein vagabundierender Poet zu sein. Der Name Klabund geht auf einen in Nord- und Nordostdeutschland geläufigen Familiennamen (Apothekersname) zurück und wird vom Autor unter anderem als Zusammensetzung aus den beiden Wörtern Klabautermann und Vagabund erklärt. Ab 1916 gab er dem Pseudonym eine weitere Bedeutung, nämlich „Wandlung“. Damit spielte er auf seinen Gesinnungswandel im Ersten Weltkrieg an. Nachdem er den Krieg anfänglich begrüßt hatte, wandelte sich seine Einstellung unter dem Einfluss seiner Lebensgefährtin (und späteren Ehefrau) Brunhilde Heberle.
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Buchvorschau
Erotische Erzählungen - Klabund
Klabund
Erotische Erzählungen
10 kleine Geschichten
Liebeslied
Dein Mund, der schön geschweifte,
Dein Lächeln, das mich streifte,
Dein Blick, der mich umarmte,
Dein Schoß, der mich erwarmte,
Dein Arm, der mich umschlungen,
Dein Wort, das mich umsungen,
Dein Haar, darein ich tauchte,
Dein Atem, der mich hauchte,
Dein Herz, das wilde Fohlen,
Die Seele unverhohlen,
Die Füße, welche liefen,
Als meine Lippen riefen –:
Gehört wohl mir, ist alles meins,
Wüßt' nicht, was mir das Liebste wär',
Und gäb nicht Höll' noch Himmel her:
Eines und alles, all und eins.
Abenteuer
Konrad war so betrunken, dass er jeder weiblichen Gestalt, die sich in den nächtlichen Straßen zeigte, nachschoss, sie überholte, unter einer Laterne stehenblieb, um sie zu betrachten, und entsetzt zurückfuhr. Nun verfolgte er einen Backfisch, der von einer Gesellschaft kam und vom Dienstmädchen nach Hause begleitet wurde. Sie erwiderte seine Blicke kühl und neugierig. Aber plötzlich fehlte ihm der Mut, sie anzusprechen. Er konnte sich nicht aufraffen und bog mechanisch in eine Nebenstraße ein.
Er war ein paar Schritte gegangen, als er hinter einem Parterrefenster einen roten Vorhang leuchten sah. Also musste Licht dahinter sein.
Das ist etwas, dachte er, er wusste selbst nicht, warum, und klopfte mit dem Spazierstock leise an das Fenster. Einmal, zweimal.
Mein Gott, dachte Esther, sollte es ein Freund von Kurt sein? Sie warf sich ein Tuch um die nackten Schultern und spähte durch die Vorhangspalte. Sie sah nur einen undeutlichen Schatten. Sie öffnete das Fenster ein wenig.
»Wer ist da?«
»Ich will herein«, sagte Konrad, »mach auf!«
Sie stieß das Fenster zurück und beugte sich leise hinaus. Da blickte sie in sein heißes, erregtes Gesicht, seine gierig gespannten Augen und hörte seine Stimme vibrieren. Er ließ den Stock fallen und hob beide Arme wie ein Adorant: »Du …«
Es betörte sie: Die dämmerig-lüsterne Straße, der wilde Liebhaber und die ganze prickelnde Situation; jeden Augenblick konnte Kurt hereintreten und sie ertappen.
Er saß zwar drüben im Arbeitszimmer und schrieb an einer Abhandlung, er konnte noch stundenlang schreiben – er saß oft bis zum Morgengrauen über seinen Manuskripten –, aber er konnte ebenso gut jeden Augenblick die Tür öffnen.
Sie schlich zur Tür und horchte in den Korridor.
Dann verriegelte sie vorsichtig, tappte über den Teppich zum Fenster und sagte: »Du musst durchs Fenster steigen.«
Mit einem Schwung war Konrad im Zimmer.
Und als er die schöne Frau erblickte, die im Nachtkittel, mit einer spitzen Haarfrisur, schwarzen, schmalen Augen und einer blassgelben, weichen Stirn vor ihm stand wie ein Bild aus einem japanischen Holzschnitt – da wurde er nüchtern von seiner Trunkenheit und rasend vor Liebe.
Ächzend presste er seinen Kopf an ihre Brust.
»Still, Liebster«, sie küsste sein Haar, machte sich zärtlich von ihm los und trippelte lauschend zur Tür. Dann griff sie rechts an die Wand und knipste das elektrische Licht aus.
Konrad ging denselben Weg durchs Fenster, den er gekommen war, eine blaue Seidenschleife vom Halsbesatz ihres Nachtkittels in der Faust.
»Was ist denn das?«, sagte Kurt, während er sich das Oberhemd auszog, »da fehlt ja an deinem Halskragen die blaue Schleife?«
»Ja«, sagte Esther gleichgültig und tastete an den Hals, dass ihre Fingerspitzen mit den Brüsten spielten, »die Wäscherin ist zu nachlässig. Da hat sie wieder die Schleife vergessen …«
Das Lächeln der Margarete Andoux
Für Fiete Wilhelm
Sie war die Urenkelin französischer Emigranten.
Margarete Andoux’ Lächeln hing wie ein ewiger Frühlingshimmel über der kleinen Stadt. Was wäre die kleine Stadt ohne Margarete Andoux’ Lächeln? Wer wüsste von ihr? Von ihrem polnisch zischenden Namen, ihren schmutzigen, gleichgültigen Straßen? Wie könnte ich eine Geschichte von ihr erzählen, wenn Margarete Andoux nicht wäre? Ihr Lächeln flatterte in die dunstigen Kontore, die schlecht belichteten Läden, die engen und trüben möblierten Zimmer.