Angst vor so viel Glück: Der Arzt vom Tegernsee 55 – Arztroman
Von Laura Martens
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Über dieses E-Book
Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
»Halt, halt, Franzl, nicht so eilig!« Dr. Eric Baumann kostete es einige Mühe, seinen Hund daran zu hindern, so naß, wie er durch den Spaziergang geworden war, in die Küche zu stürmen, um sofort nach seinem Freßnapf zu sehen. Er griff nach dem Handtuch, das Katharina Wittenberg schon bereitgelegt hatte. Sorgfältig trocknete er ihn ab. »So, jetzt noch die Hinterpfoten, Franzl«, sagte er. »So ein feiner Hund wie du darf nicht den ganzen Schmutz ins Haus tragen.« Franzl kümmerte der Schmutz wenig, den er von draußen hereinbrachte. Kaum hatte ihn Eric freigegeben, rannte er in die Küche und vergrub die Schnauze im Freßnapf. »Halb verhungert wie immer«, bemerkte Katharina Wittenberg lachend. »Mann könnte wirklich meinen, wir würden dir nichts zu fressen geben.« »Ganz sicher steht irgendwann der Tierschutzverein vor unserer Tür und fordert Rechenschaft.« Eric wusch sich die Hände am Spülbecken und setzte sich an den Tisch. »Was gibt es Neues im Tegernseer Tal, Katharina?« fragte er, als er sah, daß seine Haushälterin bereits einen Blick in die Zeitung geworfen hatte. Katharina schenkte Kaffee ein. »Wolfgang Strecker aus Gmund hat eine Heiratsanzeige aufgegeben«, erwiderte sie.
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Angst vor so viel Glück - Laura Martens
Der Arzt vom Tegernsee
– 55 –
Angst vor so viel Glück
Laura Martens
»Halt, halt, Franzl, nicht so eilig!« Dr. Eric Baumann kostete es einige Mühe, seinen Hund daran zu hindern, so naß, wie er durch den Spaziergang geworden war, in die Küche zu stürmen, um sofort nach seinem Freßnapf zu sehen. Er griff nach dem Handtuch, das Katharina Wittenberg schon bereitgelegt hatte. Sorgfältig trocknete er ihn ab. »So, jetzt noch die Hinterpfoten, Franzl«, sagte er. »So ein feiner Hund wie du darf nicht den ganzen Schmutz ins Haus tragen.«
Franzl kümmerte der Schmutz wenig, den er von draußen hereinbrachte. Kaum hatte ihn Eric freigegeben, rannte er in die Küche und vergrub die Schnauze im Freßnapf.
»Halb verhungert wie immer«, bemerkte Katharina Wittenberg lachend. »Mann könnte wirklich meinen, wir würden dir nichts zu fressen geben.«
»Ganz sicher steht irgendwann der Tierschutzverein vor unserer Tür und fordert Rechenschaft.« Eric wusch sich die Hände am Spülbecken und setzte sich an den Tisch. »Was gibt es Neues im Tegernseer Tal, Katharina?« fragte er, als er sah, daß seine Haushälterin bereits einen Blick in die Zeitung geworfen hatte.
Katharina schenkte Kaffee ein. »Wolfgang Strecker aus Gmund hat eine Heiratsanzeige aufgegeben«, erwiderte sie. »Sieht aus, als würde es ihm langsam ernst.«
Eric wunderte das nicht. Er kannte den Bauern gut, weil dessen Mutter seit Jahren an Angina pectoris litt und zu seinem Patientinnen gehörte. Bei den Streckers handelte es sich um ordentliche Leute, der Hof stand gut da, Wolfgang sah auch nicht schlecht aus, trotzdem war es ihm bisher nicht gelungen, eine Frau zu finden. Die meisten Mädchen und Frauen zogen sich sofort zurück, wenn sie erfuhren, daß er einen Hof besaß und seine Mutter pflegebedürftig war.
»Wollen wir hoffen, daß er Erfolg hat«, meinte er und griff nach einem Brötchen.
»Ich muß heute vormittag etwas in der Stadt erledigen«, sagte Katharina, während sie eine Brezel mit Butter bestrich. »Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich Maria und Natalie besuchen.« Ihr Gesicht umhuschte ein Lächeln. »Ich habe die Kleine erst gestern gesehen, dennoch kann ich es kaum erwarten, sie in den Armen zu halten. Es ist so ein wundervolles Gefühl. Lach nicht, Eric, es ist, als wäre mir in meinem Alter noch ein Kind geschenkt worden.«
»Unsere Natalie ist ein bezauberndes kleines Wesen«, meinte Eric. Er dachte daran, wie am Heiligen Abend plötzlich eine hochschwangere, junge Frau vor ihrer Tür gestanden hatte. Wenig später hatte er sie von einem Mädchen entbunden. Da Maria La Marca an einer schweren Bronchitis litt, war ihm nichts anderes übriggeblieben, als sie und ihr Töchterchen ins Krankenhaus einweisen zu lassen. Sie hatten beschlossen, beide vorläufig bei sich aufzunehmen. Als Maria sie gefragt hatte, ob sie die Paten ihrer kleinen Tochter werden wollten, hatten sie sofort zugestimmt.
»Ich kann es gar nicht mehr erwarten, bis wir am Samstag den Stubenwagen kaufen gehen. Mal sehen, ob ich auch schon heute etwas Hübsches für die Kleine finde.«
»Vergiß nicht, auch für Maria etwas mitzubringen.«
»Ich werde daran denken«, versprach Katharina und warf Franzl, der treuherzig zu ihr aufschaute, ein Stückchen Wurst zu.
Tina Martens, eine der beiden Sprechstundenhilfen Dr. Baumanns, hatte Urlaub. Und auch die Krankengymnastin Franziska, die eine Woche vor Weihnachten Manfred Kessler geheiratet hatte, war noch nicht von ihrer Hochzeitsreise zurückgekehrt.
So befand sich nur Barbara Schneider in der Praxis, als Eric kurz nach acht durch die Verbindungstür trat. Sie wünschte ihm einen guten Morgen und schien bester Laune zu sein. Lachend erzählte sie ihm, daß es ihr am Vorabend gelungen war, ihren Vater zu überreden, endlich seinen Kleiderschrank auszuräumen und etwas Neues anzuschaffen.
»Sie müssen zugeben, bei einem so stadtbekannten Geizhals, wie es mein Vater ist, ist das ein nicht geringer Erfolg, Doktor Baumann«, meinte die junge Frau.
»Sie können sich auf beide Schultern klopfen, Barbara«, bestätigte der Arzt. Wie es aussah, nahm Guido Schneider langsam Vernunft an. Durch seinen Geiz hatte er sich ein schweres Magenleiden zugezogen. Erst, seit er sich in psychotherapeutischer Behandlung befand und sich auch Barbara, für die er früher nie Interesse gezeigt hatte, um ihn kümmerte, ging es langsam aufwärts.
»Das neue Jahr scheint wirklich gut anzufangen.« Sie schaute aus dem Fenster in den verschneiten Garten hinaus. »Sehen Sie nur, wie sich die Vögel um das Futterhäuschen drängen.«
»Sieht aus, als würden sie eine Party geben«, scherzte der Arzt und ging in sein Sprechzimmer.
Nach und nach trafen die ersten Patienten ein. Für jeden hatte Barbara ein freundliches Wort. In den wenigen Wochen, die sie für Dr. Baumann arbeitete, hatten die Patienten sie bereits ins Herz geschlossen. Selbst Lina Becker, die nur selten an anderen Leuten einen guten Faden ließ, war des Lobes voll über sie.
An diesem Morgen hatte auch Hanna Schad einen Termin. Barbara erschrak, als sie die Patientin sah. Innerhalb der letzten drei Wochen schien Hanna nicht nur abgenommen zu haben, sondern auch regelrecht körperlich verfallen zu sein. Hätte sie nicht gewußt, daß die Patientin erst achtundvierzig war, hätte sie Frau Schad für bedeutend älter gehalten.
Hanna wünschte ihr müde einen guten Morgen. »Ich habe einen Termin zum EKG und zur Blutsenkung«, sagte sie.
»Bitte, nehmen Sie einen Augenblick im Wartezimmer Platz«, bat Barbara. »Ich rufe Sie dann auf.« Besorgt sah sie Hanna an. »Fühlen Sie sich nicht wohl?«
»Nicht sonderlich«, gestand Hanna. »Mir ist in letzter Zeit immer so schwindlig, und schon bei der geringsten Anstrengung bekomme ich kaum noch Luft. Manchmal ist es, als würde ein Reifen meine Brust zusammenschnüren.« Sie hob die Schultern. »Vermutlich das Wetter. Was sollte es auch sonst sein? Ich kann mir nicht vorstellen, ernstlich krank zu sein.«
Barbara verzichtete darauf, ihr zu antworten. Sie war überzeugt, daß Hannas Beschwerden nicht nur am Wetter lagen. Kaum waren die beiden weiteren Patienten, die sie zu einer Blutsenkung erwartet hatte, eingetroffen, rief sie den ersten ins Labor und bat ihn, den Ärmel hochzukrempeln.
Da Tina Martens im Urlaub war, übernahm es Dr. Baumann, bei Hanna Schad ein EKG zu machen. Auch er hatte auf den ersten Blick erkannt, daß seine Patientin kränker zu sein schien, als sie annahm. Als sie vor Weihnachten telefonisch den Termin mit ihm vereinbart hatte, hatte sie nur von leichten Herzbeschwerden gesprochen.
»Wie sieht es aus, Doktor Baumann?« erkundigte sich Hanna, nachdem sie sich wieder angezogen hatte und ihm am Schreibtisch gegenüber saß. Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Mein Herz ist doch in Ordnung, oder?«
Dr. Baumann atmete tief durch. »Laut Ihrem EKG sind Sie ernstlich krank, Frau Schad, und es wird am besten sein, wenn ich Sie zu einem Herzspezialisten überweise. Er kann differenziertere Untersuchungen vornehmen als ich.«
»Wie krank?« Hanna richtete sich kerzengerade auf. »Ist es etwas Schlimmes?«
»Diese Frage kann ich Ihnen leider noch nicht beantworten, aber so wie es