Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Poetik des Widerstands: Eine Festschrift für Werner Wintersteiner
Poetik des Widerstands: Eine Festschrift für Werner Wintersteiner
Poetik des Widerstands: Eine Festschrift für Werner Wintersteiner
eBook561 Seiten6 Stunden

Poetik des Widerstands: Eine Festschrift für Werner Wintersteiner

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Vergebliche Liebesmüh', aber Liebesmüh' immerhin: diese EINE Festschrift für den emeritierten Klagenfurter Universitätsprofessor Werner Wintersteiner (geb. 1951, freilich in Wien). Denn keine Poetik, und sei sie eine noch so umfassende, reichte aus, um Person und Schaffen in allen Facetten zu würdigen. Von Herausgeber_innenseite in drei Teilen angeordnet, berührt der Band dennoch dessen zentrale berufliche Tätigkeitsfelder: Politische Bildung und Friedenserziehung – Literaturwissenschaft (ästhetisch, poetisch) – Literaturdidaktik. Im Zeichen des Widerständigen der Literatur und ihrer Lehre finden sich hier in der Hauptsache Beiträge aus der Feder von Freund_innen und Wegbegleiter_innen versammelt: Menschen, die Werner Wintersteiner geprägt haben und die er mit seinem Tun und Schreiben beeinflusst hat, greifen direkt oder indirekt seine Anregungen auf und laden ihm zum Dank und zur Ehre zum Weiterdenken und Weitermachen ein.
SpracheDeutsch
HerausgeberStudienVerlag
Erscheinungsdatum28. Feb. 2020
ISBN9783706560504
Poetik des Widerstands: Eine Festschrift für Werner Wintersteiner

Ähnlich wie Poetik des Widerstands

Titel in dieser Serie (7)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Politik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Poetik des Widerstands

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Poetik des Widerstands - StudienVerlag

    Seuil.

    I.

    »Geh aber nun und grüße«

    (Friedrich Hölderlin)

    Marlies Krainz-Dürr

    Von Fernfahrerinnen und Fernfahrern!

    Lieber Werner,

    unsere Lebenswege haben sich über all die Jahre immer wieder gekreuzt. Im Studium der Germanistik in Wien, als ich Dich aus der Ferne als attraktiven, eloquenten und politisch engagierten Studenten (oder gar Studienrichtungsvertreter?) heimlich bewunderte. Im Lehrgang »Politische Bildung« haben wir später gemeinsam und mit grünen Haaren gegen den Referenten protestiert und im Lehrgangsteam PFL-Deutsch – nun selbst Referent/innen – durfte ich viele Jahre mit Dir zusammenarbeiten. In diesem Lehrgang sind Persönlichkeiten zusammengekommen, die mit Lust und Witz Lernanlässe gestaltet haben, von denen Teilnehmer/innen noch heute erzählen. Ich habe niemals mehr in einem so anregenden, chaotischen und bissig-liebevollen Team gearbeitet, die Planungssitzungen auf der Alm von Dietmar Larcher mit viel Marillenkuchen und Fernfahrerschnaps waren legendär und nicht minder produktiv. Ein Produkt – den ide-extra-Sonderband Deutschunterricht (1994) der von Dir (neu)gegründeten Fachdidaktikzeitschrift ide. informationen zur deutschdidaktik – hat kein Geringerer als Ulf Abraham umfangreich würdigend rezensiert. Mut und die Bereitschaft, kognitive Dissonanzen auszuhalten, hat er uns damals, 1995, attestiert.

    Mut hattest Du immer! Und die Bereitschaft, kognitive Dissonanzen nicht nur auszuhalten, sondern damit zu spielen, auch.

    Und manchmal warst Du einfach Deiner Zeit voraus.

    Am Versuch, Friedenserziehung in der Lehrer/innenbildung zu verankern und einen Lehrgang anzubieten, sind wir gemeinsam grandios gescheitert. Von Frieden wollte in den 1990er Jahren niemand etwas hören, dabei war das Wort »Gutmensch« noch gar nicht erfunden. Du hast Dich nicht entmutigen lassen und Deine Ideen dann in einem anderen Kontext umsetzen können, einer ist heute aktueller denn je. Ich bin stolz, mit der PH Kärnten an dem von Dir ins Leben gerufenen Masterlehrgang »Global Citzenship Education« beteiligt zu sein.

    Du bist immer ein »global citizen« gewesen. Ich bin neugierig, wohin es Dich treiben wird, und hoffe, dass unsere Wege sich noch oft kreuzen werden!

    Marlies Krainz-Dürr

    Konrad Krainer

    Von Akrostichon bis Zungenbrecher: Werner Wintersteiner Wirkt

    1

    WWW ist nicht nur eine Abkürzung für das World Wide Web, es bezieht sich auch auf das Wirken von Werner Wintersteiner, vernetzt mit vielen weiteren W-Wörtern wie Widerstand, Wissenschaft oder Wortgewandtheit.

    Dieser Beitrag ist in sechs Teile gegliedert, wobei die Sechs überhaupt eine besondere Bedeutung für Werner Wintersteiner (WW) zu haben scheint.

    1. Ein mathematischer Jahrzehnte-Blick (modulo 6) auf den Lebenslauf von WW

    2. Weitere wissenschaftliche Höhepunkte im Lebenslauf von WW

    3. Leseprobe aus »Schnaps-Ideen«

    Im Kapitel Fernfahrer und Fernstudien. Über die Arbeit eines Leitungsteams findet man im Teilkapitel »Schnaps-Ideen« des Buchs zu den Hochschullehrgängen »Pädagogik und Fachdidaktik für LehrerInnen« (PFL) folgende Reflexionen zur Qualität von Fortbildungs-Vorbereitungen:

    Ein wichtiger Grundstein für eine solide Lehrerfortbildung ist die Qualität des Leitungsteams. Es muß sich seiner Verantwortung bewußt sein. Im Idealfall entsteht eine homogene Gruppe, die ihre Aufgabe sehr ernst nimmt. Man trifft sich in regelmäßigen, relativ kurzen Abständen, um die Seminare in aller Ruhe und zeitgerecht zu planen. […] Schriftliche Fixierung des gemeinsamen Plans, eine klare Kompetenzaufteilung und eine genaue Vorbereitung jedes Teammitglieds für den eigenen Bereich, am besten schriftlich, das sind die wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg. […] Manchmal hört man auch von anderen Seminaren: Deren Team bildet, wie schon von weitem sichtbar, einen chaotischen Haufen. Mit langer Verspätung treffen die Mitglieder auf einem sehr verkehrsungünstig gelegenen Treffpunkt ein. Oder war gar kein genauer Zeitpunkt ausgemacht? Die Zeit drängt, doch sie beginnen zu plaudern statt zu planen. Tratschgeschichten werden erzählt, man fällt ziemlich erbarmungslos über abwesende KollegInnen her. Bereits am Vormittag wird Schnaps getrunken, einen, den angeblich italienische Fernfahrer (!) bevorzugen. Unter allgemeinem Geblödel bequemt man sich schließlich doch, zur Tagesordnung überzugehen. Leider haben einige ihre Unterlagen vergessen, andere können sich an nichts mehr erinnern. Sie hätten sich verpflichtet, bis heute […]? Die »Planung« ist eine ziemlich unstrukturierte Diskussion. Nur allzu oft kommt man vom Hundertsten ins Tausendste. Wenn man nicht gerade wieder in »G’schichterln« abgleitet, erfindet man zur allgemeinen Heiterkeit bombastische Wortschöpfungen. Schon hat ein anderer den Ball aufgenommen und doziert über die Gefahr des »Zitronismus«. Wie soll da je ein anständiges Seminar draus werden? (Wintersteiner 1996, S. 152 f.)

    Es wird sodann die These vertreten (ebd., S. 153), dass der zweite Weg »die einzig sinnvolle Methode einer Seminarplanung ist. Ihre wesentlichsten Voraussetzungen sind auch heute noch überall in Mitteleuropa zu haben: Schnaps, Sonnenschein (ersatzweise ein Sparherd), ausreichend O2 sowie ab und zu etwas Marillenkuchen«.

    PFL-Deutsch war und ist ein Riesenerfolg und wird – 1982 startend – noch immer angeboten.

    4. Der Akrostichon-Beschenkte

    In den Miniaturen zu Werner Wintersteiners 60. Geburtstag (Zentrum für Friedensforschung und Friedenspädagogik/Österreichisches Kompetenzzentrum für

    Deutschdidaktik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt 2011) findet sich auffällig so manches Akrostichon. Dies ist wohl ein Indikator, dass der Beschriebene ein wortgewandter Mensch ist, der Poesie und Vielfältigkeit – in Kombination und reichem Maße – besitzt.

    So wird zum Beispiel W E R N E R folgend beschrieben (ebd.):

    5. Ein neuer Zungenbrecher

    Zungenbrecher gibt es – auch verwendet im Deutschunterricht – viele, auch zu W-Wörtern wie etwa jenen zu den Wiener Waschweibern (1905)3:

    Wir Wiener Waschweiber würden weiße Wäsche waschen, wenn wir wüßten, wo warmes Wasser wär.

    Etwas erweitert hat dies das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung der Universität Potsdam4 zu:

    Wir Wiener Waschweiber würden weiße Wäsche waschen, wenn wir wüssten, wo wirklich weiches, warmes Waschwasser wäre.

    Auf Werner Wintersteiner umgemünzt könnte der Zungenbrecher – um auch einen eigenen Beitrag zur Poesie herzustellen – lauten:

    Wir widerständige Wissenschaftswerker würden wunderbare Weisheiten wirken, wenn wir wüssten, wo wirklich wahre Welten wären.

    6. Ein kurzer Dank

    Werner Wintersteiner ist in vielerlei Hinsicht zu danken.

    Hier eine kleine Auswahl:

    •Für seine Begleitung von Studierenden bis hin zu qualitätsvollen Dissertationen und erfolgreichen Weiterbildungsabschlüssen.

    •Für seine vielfältigen Beiträge zur Deutschdidaktik und Friedenspädagogik in Forschung und Lehre.

    •Für seine Beiträge zur Verbreitung von neuem Wissen, zum Beispiel im Rahmen der bereits über 40 Jahre existierenden Zeitschrift ide. informationen zur deutschdidaktik .

    •Für seine Gründungsaktivitäten wie das AECC Deutschdidaktik oder das Zentrum für Friedensforschung und Friedenspädagogik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

    •Für seine Flexibilität, inter- und transdisziplinäre, interinstitutionelle, interfakultäre und interuniversitäre Diskurse zu pflegen und dabei kreative und kritische Beiträge zu entwickeln und weiterzuentwickeln.

    •Für seine Kollegialität, seine unbändige Schaffenskraft und noch vieles mehr.

    Anmerkungen

    1Der folgende Text ist großteils eine Verschriftlichung meines Inputs anlässlich der Abschiedsvorlesung von Werner Wintersteiner am 18. November 2016 in Klagenfurt, in meiner Funktion als Dekan der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt sowie als ehemaliger Kollege Werners an der Höheren Lehranstalt für Wirtschaftliche Berufe (HLW Klagenfurt) in den 1980er Jahren.

    2»Der Preisträger engagiert sich als lehrender und forschender Fachdidaktiker an der Universität Klagenfurt für eine Neuformation der Literaturdidaktik als gesellschaftlich verantwortliche Wissenschaft, die dem interkulturellen Charakter literarischen Lernens und der kulturwissenschaftlichen Friedensforschung verpflichtet ist. Mit Werner Wintersteiner wurde der Autor zahlreicher wissenschaftlicher Studien, der Herausgeber der maßgeblichen österreichischen deutschdidaktischen Zeitschrift IDE und schließlich der aktive Bildungspolitiker und Friedenspädagoge für sein außerordentlich produktives Schaffen geehrt.« ( https://erhard-friedrichstiftung.de/der-friedrich-preis/ [Zugriff: 31.8.2019]).

    3https://www.volksliederarchiv.de/lexikon/macht-auf-das-tor/ [Zugriff: 31.8.2019].

    4https://www.uni-potsdam.de/fileadmin01/projects/zelb/Dokumente/Sprecherziehung/12_Zungenbrecher.pdf [Zugriff: 31.8.2019].

    Literatur

    SAXER, ROBERT (2011): Dreimal was Neues. In: Zentrum für Friedensforschung und Friedenspädagogik; Österreichisches Kompetenzzentrum für Deutschdidaktik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfut (Hg.): Miniaturen. Werner Wintersteiner zum 60. Geburtstag. Klagenfurt: Drava, S. 92–94.

    WINTERSTEINER, WERNER (1996): Fernfahrer und Fernstudien. Über die Arbeit eines Leitungsteams. In: Krainer, Konrad; Posch, Peter (Hg.): Lehrerfortbildung zwischen Prozessen und Produkten. Hochschullehrgänge »Pädagogik und Fachdidaktik für LehrerInnen (PFL): Konzepte, Erfahrungen und Reflexionen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 151–165.

    DERS. (1999): Pädagogik des Anderen. Bausteine für eine Friedenspädagogik in der Postmoderne. Münster: Agenda.

    ZENTRUM FÜR FRIEDENSFORSCHUNG UND FRIEDENSPÄDAGOGIK; ÖSTERREICHISCHES KOMPETENZZENTRUM FÜR DEUTSCHDIDAKTIK AN DER ALPEN-ADRIA-UNIVERSITÄT KLAGENFURT (Hg., 2011): Miniaturen. Werner Wintersteiner zum 60. Geburtstag. Klagenfurt: Drava.

    Ursula Esterl

    Die ide – über die Poetik des Widerständigen eines deutschdidaktischen Fachjournals

    Mir war es immer wichtig, dass die IDE nicht einfach gefällt, sondern sich etwas »Kratzbürstiges« erhält: Bildung durch produktive Irritation. Die IDE will die Fachwissenschaftler_innen mit den Konzepten der Didaktik konfrontieren, die Didaktik muss sich nicht nur an den Erfordernissen der Praxis, sondern auch an den Standards der Literatur-, Sprach- oder Medienwissenschaft messen lassen, und Lehrkräften in der Schule wird ein ganz schönes Maß an elaborierter Reflexion zugemutet. Kein Wunder, dass dieser Komplexitätsanspruch die Zeitschrift immer wieder auch in Widerspruch zu Verengungen der Perspektive innerhalb der Fachdidaktik selbst gebracht hat. Für mich ein weiterer Hinweis für die Notwendigkeit dieses Journals. (Werner Wintersteiner)

    Dieses Statement, das Werner Wintersteiner über sein Verständnis der ide für die neue, grundlegend überarbeitete Website der Fachzeitschrift ide. informationen zur deutschdidaktik verfasst hat, hat mich in der Nacht (wann sonst?) des 28. Juli 2019 per Mail erreicht und ist auch online nachzulesen.1 Es hat mich endgültig davon überzeugt, dass die ide in einer Festschrift für Werner Wintersteiner, die noch dazu den Titel Poetik des Widerstands trägt, nicht fehlen darf. Denn die Widerständigkeit, oder »produktive Irritation«, wie es Werner Wintersteiner nennt, das »Kratzbürstige« ist ein Markenzeichen dieser Zeitschrift, die – noch?, ja! Und unbedingt auch künftig! – sehr deutlich seine Handschrift trägt.

    Es wird ein sehr persönlicher Blick, mit dem ich versuche, Werner Wintersteiners Zugang zur Zeitschrift und seine Bedeutung für sie nachzuzeichnen. Es soll ein Rückblick werden auf ihr Entstehen und Wachsen, ihr Selbstverständnis, ja sogar ihre Existenzberechtigung, die Werner nicht nur einmal in Frage gestellt und mich damit immer wieder sehr unsanft und zugegebenermaßen auch ein wenig verstörend aus meiner Komfortzone geholt hat. Es ist wohl genau dies, was sein Verständnis von diesem Medium und damit die Zeitschrift selbst geprägt hat – man darf und muss alles denken (dürfen), selbst wenn es zur Auflösung führen würde. Die Existenzberechtigung ist nur gegeben, solange man etwas zu sagen und – idealiter – zu verändern hat, wachrütteln und konstruktiv in Frage stellen kann. Und so war und ist man immer auf der Suche nach Themen, die noch nicht in allen didaktischen und pädagogischen Medien aufgegriffen wurden, verschließt sich

    aber auch aktuellen, bildungspolitisch breit diskutierten Inhalten nicht, immer mit dem Vorsatz, dabei ebenfalls ungewöhnliche Wege zu gehen. Die ide verschreibt sich – anders als stärker praxisorientiert oder rein fachwissenschaftlich ausgerichtete deutschdidaktische Zeitschriften – einem kulturwissenschaftlichen Ansatz, greift aber auch andere Zugänge und unterschiedliche methodische Herangehensweisen auf und bietet Platz für kontroverse Diskussionen.

    Im Folgenden sollen Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Zeitschrift geboten, ihr Selbstverständnis erläutert und ihre Ansprüche vorgestellt werden.2

    1. Das Werden und Wachsen der ide – ein kurzer Rückblick

    Die Zeitschrift informationen zur deutschdidaktik (damals noch nicht die ide) wurde 1976 – also vor mehr als 40 Jahren – am damals jüngsten Institut für Germanistik des deutschsprachigen Raumes, an der »Universität für Bildungswissenschaften« (wie sie damals hieß) in Klagenfurt gegründet. Von Anfang an wurde von den Herausgebern (es waren anfangs nur Männer) das Ziel verfolgt, Theorie und Praxis zu verbinden. So lautet der Untertitel bis heute Zeitschrift für den Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule. Man strebte eine sinnvolle Arbeitsteilung und einen regen Austausch zwischen universitärer Fachdidaktik und Pädagogik auf der einen Seite und schulischer Praxis auf der anderen Seite an. Darauf verweist auch der Titel des Basisbeitrags von Dietmar Larcher (damals Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Klagenfurt und ehemaliger Deutschlehrer) Schützengraben. Das Verhältnis von Praktikern und Theoretikern des Unterrichts (1976) (vgl. Wintersteiner 2007b, S. 173). Die (fach-)didaktische und pädagogische Landschaft hat sich seither sehr stark verändert, Brücken zu bauen bleibt weiterhin das große Anliegen der ide. Die Kooperation ist insofern wichtig, als die Praxis die kritische Reflexion der Wissenschaft braucht und die Wissenschaft sich in der Praxis bewähren muss. »Diesen Dialog unter Gleichberechtigten zu führen, bleibt eine permanente Aufgabe, auf die sich die universitäre Didaktik gerade in Zeiten von Evaluationen, Tests und Messungen besinnen muss.« (Ebd., S. 174)

    1976 war die Zeit eines Booms der Pädagogik und Didaktik, und so wurde die ide als bibliographisches Referenzorgan gegründet, mit dem Ziel, durch eine möglichst vollständige bibliographische Erfassung, durch kritische Rezensionen und einige (wenige) Überblicksbeiträge zur Orientierung in der Fülle der didaktischen Neuerscheinungen zu verhelfen. Gegründet wurde die Zeitschrift informationen zur deutschdidaktik (IzD) von Bernhard Doppler, redaktionell tätig waren von Anfang an auch Robert Saxer und der langjährige Bibliograph der Zeitschrift Friedrich Janshoff (alle damals beschäftigt am Institut für Germanistik der Universität Klagenfurt). In der deutschdidaktischen Szene wurde dieses Konzept sehr begrüßt, eine Einflussnahme auf die österreichische Schulwirklichkeit konnte dadurch jedoch nicht erreicht werden. Als Werner Wintersteiner im Jahr 1988 die Herausgabe der ide übernahm, schlug er ein völlig neues Konzept vor: Er wollte eine Zeitschrift herausbringen, »die sich jeweils einem Schwerpunktthema theoretisch und praktisch widmet und dieses möglichst gründlich von vielen Seiten beleuchtet:

    Einleitungsartikel, thematische Beiträge, Unterrichtsmodelle und Berichte aus der Schulpraxis sowie eine weiterführende Bibliographie« (ebd.).

    Der Name wurde beibehalten, die neue Abkürzung ide und das seit damals unveränderte Logo prägten das Bild der Zeitschrift und markierten die Erneuerung; das Layout, professionell betreut von Marlies Ulbing – ihr von Anfang an vorhandenes Engagement für die Zeitschrift zeigte sich unter anderem darin, dass sie als eine der Ersten einen der vier (!) Computer zu nutzen lernte, die die Universität Klagenfurt in den 1980er Jahren erstand –, wurde nach und nach verbessert und modernisiert, behält aber seinen Wiedererkennungswert, wozu auch Walter Oberhauser, der die ide bereits seit dem Jahr 2001 grafisch betreut, maßgeblich beiträgt. Seit dem Jahr 1994 wird die Zeitschrift im StudienVerlag in Innsbruck veröffentlicht. Das Redaktions- und Herausgeber_innenteam wurde in den 1990er Jahren durch die leider viel zu früh verstorbene Eva Maria Rastner verstärkt. Gemeinsam mit Werner Wintersteiner hat sie bis ins Jahr 2006, dem dreißigsten Jahr der ide – das zugleich einen Abschied, nämlich den von Eva, und einen Neubeginn, nämlich den des Austrian Educational Competence Centers/AECC Deutschdidaktik, dessen Gründer und erster Leiter Werner Wintersteiner war und aus dem das Institut für Deutschdidaktik (2010) und später die Abteilung für Fachdidaktik am Institut für GermanistikAECC (2017) hervorgegangen ist, bedeutete –, die ide geprägt. Die meisten bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Hefte wurden von den beiden, manchmal mit Unterstützung weiterer Kolleg_innen der Universität Klagenfurt, herausgegeben.

    Werner Wintersteiner nahm die Vergrößerung des deutschdidaktischen Teams zum Anlass, die Aufgaben rund um die ide neu zu verteilen. Damals wurde auch ich mit der Redaktion der Zeitschrift betraut. Es war ein sehr turbulenter Einstieg so knapp nach dem Tod von Eva Maria Rastner und eine große Herausforderung, die ich ausgestattet mit relativ wenigen Informationen und einer Tasche voller Publikationen, die »unbedingt zu rezensieren« wären, sowie unerschütterlicher Zuversicht seitens Werner Wintersteiners übernommen habe. Im Jahr 2007 durfte ich bereits mein erstes eigenes Themenheft herausgeben; etwas unsicher und unerfahren wählte ich als damalige Mitarbeiterin des ebenfalls gerade in Gründung befindlichen SchreibCenters der Klagenfurter Uni das Thema Kultur des Schreibens (1/2007) und fragte vorsichtig bei den Autor_innen an, deren Publikationen ich gerade gelesen hatte (u. a. Ulf Abraham, Michael Becker-Mrotzek, Gerd Bräuer, Gundel Mattenklott, Hanspeter Ortner). Die Antworten kamen rasch, freundlich, wertschätzend der ide gegenüber und verbunden mit einer Zusage, was mich mit Freude und einem ersten Erahnen des Stellenwerts der ide in der deutschdidaktischen Forschungslandschaft auch über Österreichs Grenzen hinaus erfüllte.

    Mit der Zeitschrift verfolgte Werner Wintersteiner aber noch ein weiteres Ziel – nämlich den Aufbau einer deutschdidaktischen Szene in Österreich. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Etablierung eines wissenschaftlichen Beirats für die ide, bestehend aus jenen Personen, die sich an österreichischen Universitäten und Pädagogischen Akademien, später zu Pädagogischen Hochschulen umgebaut, mit dem Unterrichtsfach Deutsch beschäftigten, Wissenschaftler_innen und reflektierte Praktiker_innen, die zumeist auch in der Lehrer_innen-Aus-, -Fort- und -Weiterbildung tätig waren. Gemeinsam mit Eva Maria Rastner baute er einen Beirat auf, »der für die Entwicklung der Zeitschrift von unschätzbarer Bedeutung ist und sich immer mehr zu einer Keimzelle eines wissenschaftlichen Netzwerks Deutschdidaktik in Österreich weiterentwickelt« (Wintersteiner 2007b, S. 174).

    Werner Wintersteiners Einschätzung aus dem Jahr 2007 wurde im letzten Jahrzehnt bestätigt. Hatte er im Jahr 2007 noch die erste und einzige Professur für Deutschdidaktik in Österreich inne, so gibt es nun Professuren an nahezu allen österreichischen Universitäten und auch an den Pädagogischen Hochschulen wurden neue Hochschulprofessuren eingerichtet, die Forschung und Lehre wirkungsvoll verbinden. Aus dem wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift, der nach wie vor eine wichtige Einrichtung für die Qualitätskontrolle der ide ist, hat sich das 2012 gegründete »Österreichische Forum Deutschdidaktik« (ÖFDD), der Dachverband der Deutschdidaktik in Österreich, entwickelt.

    Eine breiter aufgestellte und besser verankerte Deutschdidaktik hat es Werner Wintersteiner ab 2006 ermöglicht, sich allmählich ein wenig aus der Zeitschrift zurückzuziehen, der Kreis der Herausgeber_innen wurde erweitert: in einem ersten Schritt um Mitarbeiter_innen des AECC Deutschdidaktik, dann auch um Mitglieder aus dem wissenschaftlichen Fachbeirat der Zeitschrift, gelegentlich unterstützt von Gastherausgeber_innen mit ausgewiesener Expertise für das jeweilige Themenheft. Auch die Herausgeberschaft der Zeitschrift, die über das AECC Deutschdidaktik und die »Arbeitsgemeinschaft für Deutschdidaktik« fest an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt verankert ist, sollte nicht mehr nur an die Person Werner Wintersteiners gebunden bleiben. Ab 2014 wurde ich Mitherausgeberin, in den Jahren 2018 bzw. 2019 wurde das Herausgeber_innen-Team noch um Markus Pissarek und Nicola Mitterer (beide AECC Deutschdidaktik) erweitert. Werner zieht sich zu unserem großen Bedauern allmählich ganz aus der Zeitschrift zurück, steht uns jedoch glücklicherweise immer noch als Ansprechpartner zur Seite.

    Dadurch, dass die einzelnen, viermal jährlich erscheinenden Themenhefte der Zeitschrift von unterschiedlichen Herausgeber_innen betreut werden, von denen jedoch zumindest immer eine Person aus dem AECC Deutschdidaktik oder dem wissenschaftlichen Beirat der ide kommen muss, zeigen sich innerhalb der vorgegebenen Rahmung doch immer auch unterschiedliche Präferenzen, was das Verhältnis von Theorie und Praxis betrifft. – Es wäre wohl nicht die ide, wenn jedes Themenheft identisch aufgebaut wäre. »Erwartbar ist, dass einem in jedem ide-Heft Unerwartetes begegnet«, kommentiert Thomas Zabka in seinen Grußworten anlässlich des 40. Geburtstages der Zeitschrift deren Charakter (Zabka 2016, S. 120) – und er führt weiter aus: »Nicht die Einheitlichkeit der Verwendbarkeit, sondern die Vielfalt der Zugänge zum Gegenstand bilden offensichtlich das Grundprinzip der Beitragsauswahl.« (Ebd., S. 121) Ein schöneres Kompliment könnte ein kritischer Leser der Zeitschrift nicht machen als jenes, ihr Konzept zu verstehen und zu schätzen. Das Dogma der ide ist wohl, »dass es kein Dogma gibt« (Wintersteiner 2016, S. 119 f.).

    Die meist langjährige Verbundenheit der Themenheft-Herausgeber_innen mit der Zeitschrift und ihrem Selbstverständnis soll gewährleisten, dass die ide ihrer Linie treu bleibt und die Qualitätskriterien der Zeitschrift eingehalten werden. Unterschiedliche Zugänge lassen die ide aus unserer Sicht bunter und vielfältiger werden, bergen aber auch Konfliktpotential, wenn es darum geht zu definieren, wie die ide denn nun (wirklich) sei oder festzustellen: »So ist die ide einfach nicht.« Diskussionen und Reflexionen zum Selbstverständnis der ide und zu ihrer Legitimation sind daher eine regelmäßig wiederkehrende Maßnahme zur Qualitätskontrolle, wie im Folgenden dargelegt wird.

    2. Konzept und Anspruch – das Selbstverständnis der ide

    Für die ide wurden bereits zu ihrer Neugründung drei Grundsätze aufgestellt, denen sich die Zeitschrift nach wie vor verpflichtet fühlt: kritisch, engagiert, offen (Wintersteiner 1987, unveröffentlichtes Dokument; zit. nach Wintersteiner 2007b, S. 174):

    •Kritisch: systematische Auseinandersetzung mit einer (teilweise überholten) österreichischen Schulrealität und ihren Konsequenzen für die Deutschdidaktik.

    •Engagiert: auch zu brisanten Fragen und wunden Punkten Stellung beziehen, Kontroversen nicht scheuen.

    •Offen: neben der universitären Didaktik alle Schultypen einbeziehen; auch an außerschulische Weiterbildung denken; auch Fachleute anderer Disziplinen und qualifizierte Laien zu Wort kommen lassen.

    Mit diesem Konzept konnte man Lehrerinnen und Lehrern in der Schule ein attraktives Angebot vorlegen, das zur Reflexion des eigenen Unterrichts einlud und zugleich zahlreiche Impulse zur methodischen und fachdidaktischen Weiterentwicklung setzte. Darüber hinaus verfolgte die ide aber auch immer schon das Ziel, den Didaktiker_innen an den Universitäten Denkanstöße zu geben. Es sollte sowohl Neues aus der fachdidaktischen bzw. fachdidaktisch relevanten Forschung vorgestellt als auch die Fachdidaktik selbst weiterentwickelt werden, wie Ulf Abraham in seinem Beitrag anlässlich des 30-jährigen Bestehens der ide konstatiert. Im Zuge seiner kritischen Bestandsaufnahme der deutschdidaktischen Zeitschriftenlandschaft identifiziert er drei grundlegende Ausrichtungen: (1) Neues aus der Forschung vorstellen – (2) Fachdidaktik vermitteln – (3) Fachdidaktik entwickeln. Die ide verortet er ebenso wie Praxis Deutsch in den Bereichen 1 und 3 (vgl. Abraham 2007, S. 164 f.).

    Insbesondere die Weiterentwicklung der Deutschdidaktik als »praktische Wissenschaft« (Wintersteiner 2007a) war und ist Werner Wintersteiner ein besonderes Anliegen und so wollte und will die Zeitschrift zu einem permanenten Dialog und Austausch einladen, indem sie eine Plattform für Fachdidaktiker_innen und andere Expert_innen zur Verfügung stellt. Sie soll(te) »der österreichischen Deutschdidaktik ein eigenes Gesicht [] geben, sie […] sichtbar innerhalb der Deutschdidaktik im deutschsprachigen Raum [machen], aber auch gegenüber der Germanistik, die sich lange Zeit schwer getan hat, die Didaktik als eigenständigen Bereich zu akzeptieren« (Wintersteiner 2007b, S. 175). Dabei verfolgt die ide ein bewusst anspruchsvolles Konzept, das auch die Leser_innen fordert, da die profunde Auseinandersetzung mit den einzelnen Thematiken sich nicht mit der oft gewünschten niederschwelligen Darbietung in Einklang bringen lässt. Das Wie der Umsetzung methodischer Fragen ist in der ide nie losgelöst von Überlegungen zum Warum und Wozu, darüber hinaus genießt die gesellschaftliche Begründung von Unterrichtsinhalten einen hohen Stellenwert.

    Blickt man aus heutiger Sicht auf die Grundsätze von 1987, so könnte man konstatieren, dass sie immer noch gelten, bei kritischer Betrachtung aber wohl nicht mehr ganz so kompromisslos wie ursprünglich intendiert umgesetzt werden. Kritisch ja, aber möglicherweise etwas konsensorientierter. Es ist uns daran gelegen, Vielfalt in fachdidaktischer Forschung und schulischer Wirklichkeit abzubilden und diese kontrovers, aus verschiedenen Blickwinkeln darzulegen, nicht alle Entwicklungen werden gutgeheißen, einige davon lassen sich aber auch nicht ignorieren, auch sie erhalten Platz in der ide. Dazu kommt, dass uns durchaus bewusst ist, dass Lehrer_innen heute im Spannungsfeld von Kompetenzorientierung und einer deutlich gestiegenen Anzahl an Überprüfungen von Schüler_innen-Leistungen immer mehr unter Druck geraten sind, und wir fühlen uns auch deren Bedürfnissen nach Orientierung im Rahmen dessen, was für sie selbst noch machbar bzw. notwendig scheint, verpflichtet. Eine kritische Auseinandersetzung mit (deutsch-) didaktischen Themen und Entwicklungen beinhaltet eben auch die Möglichkeit, sich selbst auf Basis einer umfassenden Information aus verschiedenen Perspektiven eine Meinung bilden zu können, wobei es den Grundlagenbeiträgen nach wie vor zukommt, Orientierung zu schaffen und etwaige Bruchlinien aufzuzeigen. Die Rubrik »Kommentar«, mitunter auch als »Debatte« angelegt, greift auch heute noch brisante bildungspolitische Fragestellungen auf und bietet den jeweiligen Autor_innen eine Plattform für kritische Stellungnahmen.

    Engagiert: Ja, dies ist nach wie vor ein von allen getragener Anspruch der ide. Es ist uns daran gelegen, fachdidaktische Forschung weiterzuentwickeln, Theorie und Praxis zusammenzudenken, aktuelle und künftige Fragestellungen aufzugreifen. Und offen? Ja, auch das zählt weiterhin zu den Leitlinien der ide, die Palette an Autor_innen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, aus Unterrichtspraxis und anderen beruflichen Umfeldern, an differenzierten Zugängen und Sichtweisen ist nach wie vor groß, größer sogar als in den Anfängen der ide, was nicht zuletzt dem stark gewachsenen Interesse an fachdidaktischer Forschung geschuldet ist. Der Anspruch, unterschiedliche Schularten von der Primar- bis zur Sekundarstufe II zu berücksichtigen, ist ambitioniert, nicht in jedem Jahrgang gelingt es, alle Schulformen gleich in den Blick zu nehmen, der Hauptfokus bleibt auf den Sekundarstufen.

    Die Offenheit zeigt sich immer auch in der Wahl der Themenschwerpunkte für die einzelnen Hefte. Von Anfang an war den Herausgeber_innen daran gelegen, auch jene Fragen und Themen aufzunehmen, die in der Lehrer_innen-Ausbildung zu kurz kommen und denen auch in der schulischen Wirklichkeit oft zu wenig Platz eingeräumt wurde und zum Teil immer noch wird, wie zum Beispiel Kinder- und Jugendliteratur (Heft 1/1988; der erste Band nach dem neuen Konzept), Politische Bildung (Heft 2/1988), Friedenserziehung sowie Medienerziehung. Die Auseinandersetzung mit Interkulturalität und Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht kann als Pionierleistung der ide gesehen werden (regelmäßig thematisiert ab 1992) (vgl. Wintersteiner 2007b, S. 177). Mit diesen Schwerpunktsetzungen zeigte Werner Wintersteiner Weitsicht und sein Gespür für didaktische Entwicklungen: Kinder- und Jugendliteratur sowie Medienerziehung sind in der neuen Lehrer_innen-Ausbildung sowie in den gerade entstehenden Curricula von Primarstufe und Sekundarstufe I gut verankert, Interkulturalität und Mehrsprachigkeit sind in den sprachlich und kulturell heterogenen Klassenzimmern von heute aktueller denn je. Diese Thematik war Werner Wintersteiner – insbesondere in Verbindung mit Friedenserziehung und Politischer Bildung – bis zum (vorläufig) letzten von ihm (mit)herausgegebenen Themenheft »Menschen gehen.« Flucht und Ankommen (1/2017, gem. mit Sabine Zelger) ein zentrales Anliegen.

    Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den drei Kerngebieten der Deutschdidaktik – Sprachdidaktik, Literaturdidaktik und Mediendidaktik – herzustellen, war immer das erklärte Ziel der ide. Daneben werden regelmäßig auch gesellschaftspolitische und pädagogische Fragestellungen aufgenommen. Der Schwerpunkt der ide lag bis 2007 de facto jedoch in der Literaturdidaktik, erst im letzten Jahrzehnt gab es – gesellschaftlichen Veränderungen und bildungspolitischen Vorgaben geschuldet – einen deutlichen Anstieg an Themenheften mit sprachdidaktischem Inhalt (von den Kompetenzen Lesen, ören, Schreiben, Sprechen, Sprachbewusstsein, der Bedeutung von Bildungssprache über die Veränderungen der literalen Praxis bis zur Mehrsprachigkeit und Plurizentrik). Darüber hinaus blieb selbstverständlich auch der literaturdidaktische Schwerpunkt weiterhin bestehen und umfasst ein breites Spektrum (Sehnsuchtsort Mittelalter, Kultur des Performativen, Literaturvermittlung, Die Sichtbarkeit (in) der Literatur) und auch mediendidaktische Themenhefte boten vielfältige und des Öfteren auch neue Zugänge (New Literacies, Deutschunterricht 4.0 und gerade im Entstehen: Videospiele). Die Themenhefte insbesondere der letzten Jahre lassen sich aber meist nicht nur einem Bereich zuordnen, sondern greifen neben literatur-, sprach- und mediendidaktischen auch disziplinenübergreifende Themen und Inhalte auf, so wurden beispielsweise pädagogische (Pubertät, Identität(en), Inklusion) und methodischdidaktische Schwerpunkte (Lernräume, Individualisierung, Projekt und Deutschunterricht) gesetzt. Auch gab es in den letzten Jahren eine deutliche Hinwendung zu kulturwissenschaftlich geprägten Themenheften (Humor, Kultur des Sehens, Musik, Berge, Donau, Kulturen des Erinnerns, Maximilian I.) sowie zu aktuellen, gesellschaftlich relevanten Themen (Sprachliche Bildung im Kontext von Mehrsprachigkeit, »Menschen gehen.« Flucht und Ankommen, Inklusion).

    In der ide kommen nicht nur Deutschdidaktiker_innen und Lehrpersonen aus allen amtlich deutschsprachigen Ländern zu Wort, sondern auch Fachleute aus unterschiedlichsten Disziplinen. Mit Stolz verweist Werner Wintersteiner auch immer auf die große Zahl internationaler Expert_innen, die sich an der ide beteiligt haben (bisher sind es bereits mehr als 20 Nationen). Das mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, entspricht jedoch der transkulturellen Orientierung der Fachzeitschrift. Ebenfalls hervorzuheben sind auch die zahlreichen Schriftsteller_innen, die für die ide geschrieben oder sich zu einem Interview bereit erklärt haben, wie zum Beispiel (in chronologischer Reihenfolge) Fabjan Hafner (4/2001 Peter Handke, 1/2004 Europa), Alois Brandstetter (4/2004 Konjunktiv), Barbara Frischmuth (2/2007 Mittelmeer), Franzobel (4/2007 Fußball), Eva Schörkhuber (2/2015 Kulturen des Erinnerns), im letzten Jahr waren das die Autor_innen Ewald Arenz (1/2016 Schule in Literatur und Film), Josef Haslinger (2/2016 Sachtexte), die Poetry Slammer Markus Köhle und Mieze Medusa (3/2017 Kultur des Performativen) und Isabella Straub (1/2018 Literaturvermittlung). Das Themenheft Wissen (3/2015) zeigt unser Interesse daran, den wissenschaftlichen Diskurs voranzutreiben, Die Sichtbarkeit (in) der Literatur (3/2018) und Normen und Variation (4/2018) beleuchten zentrale deutschdidaktische Schwerpunktthemen aus neuen Perspektiven, kulturwissenschaftlich und disziplinenübergreifend angelegt sind die Hefte Literaturvermittlung (1/2018) und Maximilian I. (3/2019). Die Hefte Sachtexte (2/2016), Lehren und Lernen (4/2017), Verbalisieren (2/2019) und Inklusion (4/2019) widmen sich tagesaktuellen Unterrichtsfragen und haben die unterrichtliche Praxis im Blick – und zwar bezogen auf die gesamte Sekundarstufe unter deutlicher Berücksichtigung der Nahtstelle zur Primarstufe.

    Um ihren hohen Ansprüchen an die Qualität der Beiträge gerecht zu werden, setzt die ide zahlreiche Maßnahmen zur Qualitätskontrolle. Die Etablierung eines wissenschaftlichen Beirats war ein erster Schritt, dieser ist heute verjüngt und deutlich breiter aufgestellt, wobei er sich nach wie vor aus Vertreter_innen von Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Schulpraxis zusammensetzt. Der wichtigste Indikator für die Akzeptanz der ide ist die Zahl der Abonnent_innen, die auch in schwieriger werdenden Zeiten für das Medium Fachzeitschrift weitgehend gleichbleibt, wenn auch nicht mehr auf dem hohen Niveau einer boomenden Fachdidaktik der 2000er Jahre. Eine kritische Analyse und Diskussion von Ausrichtung und Qualität der ide waren immer zentrales Anliegen von Werner Wintersteiner. Daher fanden in regelmäßigen Abständen Grundsatzdiskussionen zum Selbstverständnis der Zeitschrift und in etwas größeren Intervallen Umfragen unter den Leser_innen statt, die letzte im Jahr 2015 (Hudelist 2015, begleitet von Werner Wintersteiner und Ursula Esterl). Dabei zeigte sich, dass die grundsätzliche Ausrichtung der ide als »Zeitschrift für den Deutschunterricht in Wissenschaft und Schule« sowie der Anspruch, Theorie und Praxis zu verbinden, nach wie vor auf breite Zustimmung stießen, dass aber auch unter den Leser_innen unterschiedliche Präferenzen erkennbar waren, insbesondere die Praxisrelevanz (Angebot an Praxisbeispielen und für den Unterricht aufbereitetes und sofort einsetzbares Material) betreffend; als (durchaus noch ausbaufähige) Stärke der Zeitschrift wurde der Österreichbezug der ide hervorgehoben, der sie von anderen deutschdidaktischen Zeitschriften unterscheidet.

    Anregungen für Schwerpunkte weiterer Themenhefte und zur Gestaltung einer grundlegend erneuerten Website (https://ide.aau.at/) wurden bereits umgesetzt. Die Website versteht sich als Informationsplattform, auf der Inhaltsverzeichnis und Editorial sowie häufig zusätzliches Material zu jedem Themenheft angeboten wird, aber auch als Archiv, das sämtliche Themenhefte ab 1988 und vorerst bis 1999 kostenlos zum Download anbietet – eine Ausweitung des Angebots bis ins Jahr 2007 ist bereits in Vorbereitung. Die Resultate der Umfrage wurden auch mit dem wissenschaftlichen Beirat diskutiert und führten u. a. auch zu folgender Überarbeitung der Richtlinien der Zeitschrift.

    3. Selbstverständnis der ide (2015)

    •Die Grundausrichtung der ide soll beibehalten werden. Der Mehrwert der Zeitschrift liegt in der Verbindung von Wissenschaft und Schule (wobei immer wieder zu klären ist, was im aktuellen Diskurs unter »Wissenschaft« bzw. »Schule« verstanden wird).

    •Weiterentwicklung von Deutschdidaktik und Deutschunterricht (Verortung zwischen Fach, Fachdidaktik und Pädagogik).

    •Themenvielfalt und Transdisziplinarität, kulturwissenschaftliche Ausrichtung sollen beibehalten werden (Orientierung an aktuellen Themen der Deutschdidaktik, an zentralen Vorgaben, aber auch an relevanten Themen, die quer dazu stehen).

    •Ziel/Zielgruppe: Vernetzung von Lehrenden und Forschenden an Schulen (vor allem Sekundarstufe I und II; gelegentlich auch Blick auf Primarstufe, insbesondere auf die Nahtstelle), Pädagogischen Hochschulen und Universitäten (Fokus: »Science to professionals« – aber immer auch Beiträge »Science to science«).

    •Einbeziehung möglichst aller amtlich deutschsprachigen Länder, jedoch immer auch mit Blick auf die spezifisch österreichische Perspektive.

    •Die Einteilung in Theorie, Praxis, Berichte etc. soll beibehalten werden (jedes Themenheft hat zumindest einen Grundlagentext) – mit dem Ziel des Wissenstransfers.

    •Im Service- und Magazinteil ist Platz für eine möglichst umfassende Bibliographie zum Schwerpunkt des Themenheftes, für Kommentare bzw. Debatten (bildungspolitisch aktuell, Berücksichtigung anderer Scientific Communities …) und Rezensionen zu aktuellen deutschdidaktischen Publikationen.

    •Konsequente Berücksichtigung der Maßnahmen zur Qualitätssicherung: »Herausgeber_innen geprüft« nach verbindlichen Richtlinien: 3 u. a. zwei Herausgeber_innen je Themenheft (idealerweise je eine Person aus Forschung und Praxis), die fachliche Expertise zum jeweiligen Thema aufweisen; diese entwickeln, auch in Absprache mit dem wissenschaftlichen Beirat, ein Konzept und laden gezielt Autor_innen/ Expert_innen für die einzelnen Beiträge ein, begleiten und kommentieren die eingelangten Texte und gegebenenfalls Überarbeitungen, mit der Möglichkeit, auch nach Überarbeitung unpassende Beiträge nicht zu veröffentlichen.

    4. Resümee und Ausblick

    Es warten vielerlei Herausforderungen auf die ide, Fragen von Peer-Review – trotz sorgfältiger Qualitätssicherung – und Open Access – neben der Verbreitung als E-Book (seit 2016) – stellen sich, um vor allem auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs bessere Sichtbarkeit in der Scientific Community, aber auch in den Forschungsdokumentationen der Universitäten zu garantieren, die »Science to science«-Publikationen höher bewerten als jene, die sich an »Professionals« richten, ohne dabei zu bedenken, dass fachdidaktische Forschung als »praktische Wissenschaft« (Wintersteiner 2007a) den Austausch mit der Unterrichtspraxis braucht. Ebenfalls herausfordernd wird es sein – mit Blick auf die Praktiker_innen und den aktuellen Generationenwechsel in der Lehrer_innenschaft –, sich neue Leser_innengruppen zu erschließen. Praxisbezug wird – auch von Studierenden – nicht selten so verstanden, dass kopierfähige Vorlagen zum raschen Einsatz im Unterricht zur Verfügung gestellt werden sollen, wobei die Bereitschaft, sich mit theoretischen Konzepten, neuen Forschungsergebnissen und komplexen Texten reflektiert auseinanderzusetzen, nicht immer besteht.

    Es wird somit Aufgabe und Ziel der Herausgeber_innen der ide-Hefte bleiben, die Zeitschrift in der Lehrer_innen-Aus- und -Weiterbildung weiterhin bewusst einzusetzen, um auch die nachkommende Lehrer_innengeneration mit diesem Medium vertraut zu machen und seine Bedeutung für den wissenschaftlichen Meinungsaustausch und als wesentlichen Indikator für fachdidaktisch relevante, aktuelle Fragestellungen zu unterstreichen. »Die Fachzeitschrift ist eine Institution« (Abraham 2007, S. 163) – dieses Diktum von Ulf Abraham nehmen wir gerne und mit Nachdruck für die ide in Anspruch.

    5. Post Scriptum

    Es ist wohl auch eine besondere Fähigkeit Werner Wintersteiners, Bindungen herzustellen und Begeisterung zu wecken, nicht nur bei allen an der Produktion der ide Beteiligten: Die langjährigen Mitgliedschaften im wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift ide, die hohe Bereitschaft, meist aufwändige und von den jeweiligen Institutionen nicht immer ausreichend geschätzte und honorierte Herausgeberschaften eines Themenheftes zu übernehmen, und nicht zuletzt die Beiträger_innen in dieser Festschrift, die meist über Jahrzehnte Wegbegleiter_innen – von Werner Wintersteiner selbst, aber auch der ide – sind, legen eindrucksvoll Zeugnis davon ab.

    Anmerkungen

    1https://ide.aau.at/team/ [Zugriff: 7.1.2020].

    2Ich beziehe mich im Folgenden insbesondere auf meinen am 8. Mai 2017

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1