Marienbilder
Von Eva Janssen
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Über dieses E-Book
Eva Janssen
Eva Janssen wuchs im Kölner Friesenviertel auf. Nach ihrer Ausbildung in der Grafikabteilung des DuMont Buchverlages studierte sie Germanistik und Slawistik in Köln und am Gorki-Institut in Moskau. Im Anschluss war sie als freie Übersetzerin, Referentin und Kritikerin tätig. Heute arbeitet die Autorin als Lehrerin in der Erwachsenenbildung. "Marienbilder" ist ihr vierter Roman. Eva Janssen ist verheiratet und hat zwei Kinder.
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Buchvorschau
Marienbilder - Eva Janssen
Zur Autorin dieses Buches
Eva Janssen wuchs im Kölner Friesenviertel auf. Nach ihrer Ausbildung in der Grafikabteilung des DuMont Buchverlages studierte sie Germanistik und Slawistik in Köln und am Gorki-Institut in Moskau. Im Anschluss war sie als freie Übersetzerin, Referentin und Kritikerin tätig. Heute arbeitet die Autorin als Lehrerin in der Erwachsenenbildung.
Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder
Für die Toten
When I am laid, am laid in earth, may my wrongs
create
No trouble, no trouble in, in thy breast.
When I am laid, am laid in earth, may my wrongs
create
No trouble, no trouble in, in thy breast.
Remember me, remember me, but ah!
Forget my fate.
Remember me, but ah!
Forget my fate.
Remember me, remember me, but ah!
Forget my fate.
Remember me, but ah!
Forget my fate.
Didos Lamento von N. Tate
Die Figuren und Lebensgeschichten dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Sommaire
Teil 1
Maria S., September 1964 I
Maria B., August 1923 I
Maria S., Dezember 1964 II
Maria B., Weihnachten 1928 II
Maria S., August 1966 III
Maria B., III. Sommer 1929
Maria S., November 1966 IV
Maria B., Sommer 1931 IV
Maria S., Frühjahr 1967 V
Maria B. Frühjahr 1932 V
Maria S., Frühjahr 1969 VI
Maria B., 1939 VI
Maria S., Sommer und Herbst 1975 VII
Maria B., 1940 VII
Maria S., Herbst 1978 VIII
Maria B., 1940 - 1941 VIII
Maria S., Frühjahr 1981 IX
Maria B., 1942 - 1945 IX
Teil 2
Maria B
kennen lernen 1958
Maria S
sich begegnen 1984
Maria B., verheiratete K. spielen 1960 - 1966
Maria S. lesen 1984
Maria K. Neues erleben 1966 – 1967
Maria S. kochen und essen 1984 – 1986
Maria K. lachen und lernen 1968 - 1976
Maria S. leben und lieben 1987
Maria K. 1977- 1987 sich sehnen und erinnern
Maria K. und Maria S. 1988 feiern
Maria S. und Maria K. 1989 – 1991 sterben
Der Weg
Der Flug
Ein eigener Raum
Teil 1
Maria S., September 1964
I.
Mama hat das Licht angelassen. Nur für sie. Mama weiß, dass ihre Maria im Dunkeln Angst hat. Mama ist lieb. Mama ist eine Königin. Maria ist ihre kleine Prinzessin.
Eine Tür quietscht unten. Es ist die Tür. Maria kennt das Geräusch. Schnell und möglichst lautlos huscht sie ins Bett und zieht die Decke über den Kopf. Die Füße sind kalt. Kalt und wie Stein. Angestrengt horcht sie unter der Decke. Fast kann sie nichts hören, der Atem ist so laut. Doch die harten Schritte auf der Holztreppe sind unverkennbar. Sie kommen näher, sind jetzt im zweiten Stock. Dann ist es still. Maria hält den Atem an. Ganz fest kneift sie die Augen zusammen. Ein kurzes Poltern. Nebenan öffnet sich die Tür zum Zimmer von Barbara. Maria hält sich die Ohren zu. So fest sie kann. Ganz still liegt sie dort unter der Decke mit den Plüschteddys darauf und den Steinzehen darunter. Sie zählt. Maria kann schon bis 100 zählen. Sie weiß, was zu tun ist. Sie muss mindestens fünfmal bis 100 zählen. Dann ist es vorbei.
Es ist schwer zu zählen, ohne die Hilfe der Finger, nur mit dem Kopf, mit dem Kopf, der nicht hören, nicht sehen, nicht atmen, nicht denken, nur zählen soll.
Viermal hat Marie bis 100 gezählt. Viermal und ein bisschen mehr. Dann hört der Kopf doch die Tür nebenan. Er kann nicht anders. Er muss doch hören, was passiert. Maria zählt nicht mehr. Sie erstarrt. Wartet. Da klingelt unten das Telefon. Die Schritte, jetzt ruhig und bestimmt, in festem Takt bewegen sich fort.
Ganz allmählich entspannt sich der kleine Körper. Nur die Füße bleiben kalt. Sie hört noch Barbaras leises Tapsen und die Tür zum Badezimmer, bevor sie schläft.
Es ist Morgen. Die Kinder sitzen am Tisch. Da sitzen Markus, Matthias, Barbara und Maria. Die kleine Elisabeth sitzt im Kinderstuhl. Draußen ist es noch dämmrig. Die Frau, die sagt, sie sei Marias Mutter, steht am Herd. Sie hat einen kleinen Kugelbauch. Seitdem sie den Kugelbauch hat, ist sie anders. Irgendwie gelöst. Sie lächelt. Die älteren Kinder müssen sich beeilen. Sie gehen schon in die Schule. Nur Maria und Elisabeth bleiben bei der Frau, die lächelt. Auf dem Tisch stehen zwei große Töpfe Marmelade und Margarine. Erdbeere und Aprikose. Wurst gibt es nur am Sonntag. Für jedes Kind eine Scheibe. Die liegt auf dem Teller jedes Kindes und man muss darauf aufpassen, darf sich nicht rumdrehen oder weggucken. Dann ist die Scheibe weg.
Jetzt nehmen Barbara und die Jungen die Ranzen, bekommen noch das Schulbrot von der Frau und verlassen die Küche.
Der Mann, der sagt, dass er Marias Vater sei, ist schon zur Arbeit gegangen. Er geht vor den Kindern aus dem Haus, wenn es draußen noch ganz dunkel ist.
Maria B., August 1923
I.
Im St.-Johannes-Hospital in Dortmund wird am 18. August 1923 ein kleines Mädchen geboren. Es wird die Namen Maria Hedwig tragen. Maria wird ihr Leben lang diese Namen hassen und sie mehr ertragen als tragen. Weder Maria noch Hedwig gehören zu ihr. Das ist sie nicht, wird sie nie sein.
Apathisch und erschöpft verschwindet ihre Mutter nach der Geburt fast in den weißen Krankenhauskissen. Sie ist schmächtig, zu zierlich, um so kurz hintereinander zu gebären. Der große Bruder Wilhelm ist nur etwas mehr als ein Jahr älter. Ihn hat sie stolz während der gesamten Schwangerschaft mit Maria gestillt, ihren Sohn. Für das kleine Mädchen bleibt da nicht mehr viel. Schlapp und ausgezehrt sind die Brüste.
Zurück bei Mann und Sohn in der winzigen, dunklen Wohnung im Dortmunder Norden bleibt die Milch ganz aus. Vielleicht ist es auch die Anspannung, die unausgesprochene Frage, wie sie das alles allein bewältigen soll mit zwei so kleinen Kindern. Sie ist fremd hier. Immer noch.
Eine Nachbarin weiß Rat. Sie hält im Hinterhof eine Ziege. Maria wird mit Ziegenmilch großgezogen.
Der Vater, Josef B., ist hilflos. Ein stummer, unbeholfener Westfale, der seine Zuneigung nicht zu zeigen vermag. Die Kraftlosigkeit seiner Frau macht es nicht besser. Er hat sie vor drei Jahren über die Wirtin seiner Stammkneipe kennen gelernt. Dort hat der arbeitslose Buchhalter allabendlich an der Theke vor seinem Glas Bier gesessen. Die Wirtin, eine Rheinländerin, ist herzlich, patent und entwaffnend. Sie versteht es, mit all den arbeitslosen, zum Teil angetrunkenen Männern umzugehen. Pragmatisch geht sie die Hochzeit ihres Stammkunden Josef B. mit ihrer jüngsten Schwester Margarete an, die mittlerweile auch schon das 27. Lebensjahr erreicht hat. Beide, Josef und Margarete, sind zu schüchtern, als dass sie jemals auf dem Heiratsmarkt eine Chance hätten.
Margarete ist das elfte Kind eines Dorfschullehrers aus einem Ort in der Nähe von Mönchengladbach. Die große Familie ist beliebt und wird von den dort ansässigen Bauern durchgefüttert. Obwohl sie gerne die Schule weiterbesucht hätte, neugierig und wissensdurstig wie sie ist, lässt man Margarete, als das Nesthäkchen, von ihrem