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Der Kalte Krieg: 1945–1991
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eBook312 Seiten3 Stunden

Der Kalte Krieg: 1945–1991

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Über dieses E-Book

DER SHOWDOWN DER SUPERMÄCHTE: KOMPAKT UND ANSCHAULICH ERZÄHLT
Von 1945 bis 1991 war die Welt in zwei Lager geteilt, die sich unversöhnlich gegenüberstanden: auf der einen Seite die WESTLICHEN DEMOKRATIEN unter Führung der USA, auf der anderen Seite die KOMMUNISTISCHEN STAATEN unter Führung der SOWJETUNION. Diese Konfrontation ist als KALTER KRIEG in die Geschichte eingegangen, wurde mit geradezu "religiöser Intensität" geführt und nahm schon bald apokalyptische Formen an. Der Besitz der ATOMWAFFEN unterschied die "Siegermächte" von den übrigen Mächten. Das machte sie zu potentiellen Zerstörern der Welt, zeigte ihnen aber gleichzeitig die Grenzen zum Abgrund, die am Ende niemand überschritt. Wie dieser Krieg geführt wurde und wie er endete, stellt ROLF STEININGER auf der Basis NEUESTER QUELLEN AUS WESTLICHEN UND ÖSTLICHEN ARCHIVEN dar.
SpracheDeutsch
HerausgeberStudienVerlag
Erscheinungsdatum7. Okt. 2019
ISBN9783706558532
Der Kalte Krieg: 1945–1991

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    Buchvorschau

    Der Kalte Krieg - Rolf Steininger

    Literatur/Dokumentationen

    I. GRUNDRISS

    Vorbemerkung

    46 Jahre lang gab es das, was als Kalter Krieg in die Geschichte eingegangen ist und die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Von 1945 bis 1991 war die Welt in zwei Lager geteilt: Im Ost-West-Konflikt standen sich auf der einen Seite die westlichen Demokratien unter Führung der USA und auf der anderen Seite die kommunistischen Staaten unter Führung der Sowjetunion unversöhnlich gegenüber. Der amerikanische Journalist Walter Lippmann bezeichnete dies im Jahre 1947 in seinem gleichnamigen Buch als „The Cold War". US-Präsidentenberater Bernard M. Baruch meinte im Juni 1947: „Russia is waging a cold war against us."

    Dieser Krieg wurde mit geradezu „religiöser Intensität geführt, wie das der amerikanische Historiker Arthur Schlesinger Jr. einmal genannt hat. Er nahm schon bald apokalyptische Formen an. Der Besitz der Atomwaffen unterschied die „Siegermächte von den übrigen Mächten. Das machte sie zu potentiellen Zerstörern der Welt, zeigte ihnen aber gleichzeitig die Grenzen zum Abgrund, die am Ende niemand überschritt. Lediglich „aus Versehen" geriet die Welt mehrfach an den Rand eines Atomkrieges.

    Mit der Geschichte dieses Kalten Krieges hat sich die Forschung – insbesondere in den USA – seit Jahren intensiv beschäftigt. Mit am interessantesten war dabei die Frage, wie es zu dieser unversöhnlichen Konfrontation kommen konnte, wer folglich die Verantwortung für die „Teilung der Welt trägt. Hatte man immer nur falsche Vorstellungen vom „anderen? Führte also nur eine „Fehlperzeption" zum Kalten Krieg? Wann begann der Konflikt? Mit der Oktoberrevolution in Russland 1917? Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945? Oder vielleicht schon 1944? Und war dieser Konflikt unvermeidlich? War es nicht im Kern ein ideologischer Konflikt zwischen zwei fundamental unterschiedlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen, der ausgetragen werden musste und nur durch die Anti-Hitler-Koalition während des Zweiten Weltkrieges unterbrochen worden war? Wer ist dann verantwortlich für das Auseinanderbrechen dieser Koalition? Die aggressive, expansive Sowjetunion unter Josef Stalin, die den Westen zu einer Politik der Eindämmung des Kommunismus zwang?

    So sahen das in den ersten zwanzig bis dreißig Jahren des Kalten Krieges die „Traditionalisten unter den Historikern – bis der Vietnamkrieg kam. Eine Reihe zumeist junger Historiker, die „Neue Linke, revidierte dann dieses Geschichtsbild. Für diese „Revisionisten war nämlich nicht mehr der totalitäre Herrschaftsanspruch des Kommunismus verantwortlich, sondern der amerikanische Kapitalismus. Inzwischen scheint das überholt. Mit neuen Quellen haben die „Postrevisionisten, die „Realisten", das Wort – und die nähern sich mehr und mehr den Traditionalisten an. Das Fazit lautet: Mit Stalin war der Kalte Krieg unvermeidlich. Der sowjetische Diktator sah die Welt durch die marxistisch-leninistische Brille: Die Sowjetunion war expansiv und aggressiv; Stalin unterstützte die kommunistischen Parteien, um das Nachkriegschaos auszunutzen; er unterstützte Mao Tsetung im chinesischen Bürgerkrieg, billigte und unterstützte schließlich den Angriff Nordkoreas auf Südkorea und verhinderte dann einen Waffenstillstand.

    Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 war auch das Ende des Ost-West-Konfliktes. Wie dieser Konflikt entstanden ist und wie er geführt wurde, wird im Folgenden geschildert.

    1. Von der Kooperation zur Konfrontation

    a) USA

    Das Verhältnis der USA zur Sowjetunion war während des Krieges – oder zumindest bis zur Konferenz in Jalta im Februar 1945 – alles andere als schlecht. Das Gegenteil war eher der Fall, auch wenn Stalin im Zusammenhang mit der Errichtung der „Zweiten Front" immer wieder von den Westalliierten vertröstet worden war. Am Ende des Krieges waren von zehn gefallenen deutschen Soldaten neun an der Ostfront gefallen – ein Zeichen für die Gewichtung der Kriegsschauplätze. Bei den Planern für die Nachkriegspolitik kann man in den USA zwei gegensätzliche Konzeptionen unterscheiden: Kooperation und Konfrontation. Die Vertreter beider Richtungen waren allerdings gleichermaßen von der Überlegenheit der amerikanischen Gesellschaftsordnung, des American way of life überzeugt. Die eine Seite wurde von Präsident Franklin D. Roosevelt repräsentiert, der sein grand design, die Vorstellung von der „einen Welt", der „one world, realisieren wollte: Die USA und die Sowjetunion würden im friedlichen Wettbewerb miteinander stehen und künftige Auseinandersetzungen nicht auf militärischem, sondern primär auf politischem, ökonomischem und ideologischem Gebiet führen. Um weitere Namen zu nennen: Finanzminister Henry Morgenthau; Innenminister Harold Ickes; Harry Hopkins, Vertrauter von Präsident F. D. Roosevelt; Robert Sherwood; die Diplomaten John G. Winant, Joseph Davies und der stellvertretende Außenminister Sumner Welles. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Wendell Willkie, den Roosevelt bei der Wahl 1940 nur knapp geschlagen hatte, schrieb 1943: Ohne gute Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion „würde jeder Friede nur ein neuerlicher Waffenstillstand sein [...]. Wir müssen lernen, auch nach dem Kriege mit Russland zusammenzuarbeiten. Denn Russland ist ein dynamisches Land, eine lebenskräftige neue Gesellschaft, eine Macht, an der man in einer zukünftigen Welt nicht wird vorbeigehen können.

    Einflussreiche Handels- und Industriekreise der USA setzten sich gegen Kriegsende nachdrücklich für das „Russland-Geschäft" ein. Der Präsident der amerikanischen Handelskammer, Eric Johnston, besuchte im Sommer 1944 für mehrere Wochen die Sowjetunion, wo er auch von Stalin empfangen wurde. 700 amerikanische Firmen ließen sich in kurzer Zeit in einem für sowjetische Einkäufer bestimmten Katalog eintragen. Eine Gruppe von Banken bereitete die Bildung eines Konsortiums vor, das die erwarteten Geschäfte finanzieren sollte. Morgenthau setzte sich dafür ein, der Sowjetunion Kredite in Höhe von 10 Mrd. Dollar (nach heutigem Wert etwa 100 Mrd.) zu gewähren.

    Im wachsenden Gegensatz zu dieser Richtung formierte sich 1944/45 eine zweite Gruppe mit einer anderen Konzeption. Ihre Vertreter setzten sich immer offener für einen harten Kurs gegenüber der Sowjetunion ein, die Kooperation sollte durch Konfrontation ersetzt werden. Vertreter dieser Richtung waren u. a. Senator Arthur H. Vandenberg, der Vorsitzende des Senatsausschusses für außenpolitische Beziehungen, der spätere Außenminister John Foster Dulles, Marineminister James V. Forrestal, Minister Robert E. Patterson, der stellvertretende Kriegsminister John J. McCloy und General Douglas MacArthur, Oberbefehlshaber im Pazifik. Ihnen zur Seite standen die Russlandexperten des State Department, Vertreter der „Riga-Schule (jene Diplomaten, die vor Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 1933 auf dem Beobachtungsposten in Riga waren) bzw. von ihnen beeinflusst. Hier ist George F. Kennan zu nennen, aber auch Robert F. Kelly, Direktor der Osteuropaabteilung des State Department, Charles E. Bohlen sowie der erste US-Botschafter in Moskau, William C. Bullitt, und dessen Nachfolger während des Krieges, W. Averell Harriman. Harriman forderte im September 1944 in einem Schreiben an Hopkins, die USA sollten ihre Politik gegenüber den Sowjets ändern: „Die Zeit ist gekommen, dass wir ihnen klarmachen müssen, was wir von ihnen als Preis für unseren guten Willen erwarten.

    Jalta auf der Krim: Vom 4. bis 11. Februar 1945 treffen die „Großen Drei" – Winston S. Churchill, Franklin D. Roosevelt, Josef Stalin – zum zweiten Mal während des Krieges zusammen. Hinter Roosevelt dessen Stabschef Admiral W. Leahy; hinter Churchill der Oberbefehlshaber der britischen Mittelmeerflotte, Admiral Sir Andrew Cunningham, und der Chef des britischen Luftwaffenstabes, Luftmarschall Sir Charles Portal; am linken Bildrand die Außenminister Anthony Eden (etwas verdeckt; Großbritannien) und Wjatscheslaw Molotow (Sowjetunion) sowie der amerikanische Russlandexperte und spätere Botschafter in Moskau, Charles Bohlen.

    Die Vertreter dieser Richtung behaupteten, die Sowjetunion setze das Expansionsstreben der Zaren fort. Die Bereitschaft zur Kooperation mit Moskau würde als Schwäche gedeutet, eine Zusammenarbeit sei daher nur als Ergebnis einer harten Politik Washingtons möglich, wobei die meisten davon überzeugt waren, dass eine Zusammenarbeit überhaupt nicht möglich war. Innerhalb kurzer Zeit – 1945 bis 1947 – wurde dies dann die neue US-Politik.

    Ausgangspunkt war die Konferenz von Jalta vom 4. bis 11. Februar 1945, auf der Stalin immerhin die „Erklärung über das befreite Europa unterschrieb, mit der darin enthaltenen Zusicherung freier Wahlen in den von der Naziherrschaft befreiten Ländern. Wenn von Jalta die Rede ist, verbindet sich bis in unsere Tage damit auch die Vorstellung, dass dort die „Teilung der Welt bzw. die „Teilung Europas beschlossen worden sei. Tatsache ist, dass genau dies nicht der Fall war. Es wurde im Gegenteil von Roosevelt und Churchill der Versuch gemacht, die angesichts der militärischen Realität längst bestehende Teilung zu überwinden. Weil dieser Versuch scheiterte, wurde Jalta schon bald nach dem Krieg zum Streitobjekt der amerikanischen Innenpolitik und Geschichtsforschung, vor allen Dingen, als in den fünfziger Jahren auf Anordnung der republikanischen Administration in Washington die amerikanischen Protokolle der Konferenz veröffentlicht wurden. Die Revisionisten von rechts beschuldigten den verstorbenen Präsidenten Roosevelt, er habe Ost- und Südosteuropa „verraten, deren Völker leichtfertig dem Bolschewismus preisgegeben. Die Revisionisten von links warfen ihm vor, er habe durch seine unaufrichtige Politik die friedenswillige Sowjetunion zurückgestoßen und somit überhaupt erst den Kalten Krieg entfacht. Die Anklagen beider Seiten treffen daneben – sie verkennen nämlich die Realitäten in der Endphase des Krieges und die widerstreitenden Interessen, die zwangsläufig zur Kollision führen mussten.

    Roosevelt und Churchill haben jedenfalls 1945 die Teilung der Welt nicht zu verantworten. Es begann mit Adolf Hitler und dem Hitler-Stalin-Pakt. Hitler hatte durch seinen Überfall auf die Sowjetunion der Roten Armee die Tore nach Mitteleuropa geöffnet. Wie für Stalin die politischen Konsequenzen dieses Vorstoßes aussahen, machte er wenige Wochen vor der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht dem Stellvertreter Titos, Milovan Djilas, klar: „Dieser Krieg ist nicht wie in der Vergangenheit; wer immer ein Gebiet besetzt, erlegt ihm auch sein eigenes gesellschaftliches System auf. Jeder führt sein eigenes System ein, so weit seine Armee vordringen kann. Es kann gar nicht anders sein."

    Auch wenn Harry Hopkins noch in Jalta zu Roosevelt meinte, die von Stalin unterschriebene Erklärung sei „dehnbar von hier bis Washington: Was dann in Osteuropa entgegen den Absprachen von Jalta im Einflussbereich der Roten Armee geschah – „Säuberungen in Bulgarien, Ablösung der Regierung in Rumänien, Verhaftung von Widerstandsführern in Polen, Schwierigkeiten bei der Bildung der Regierung in Polen, Errichtung von vier Wojwodschaften im Gebiet östlich von Oder-Neiße, etc. –, führte zu einer Stärkung der Riga-Fraktion in Washington. In den vorbereitenden Gesprächen für das Treffen zwischen dem sowjetischen Außenminister Wjatscheslaw Molotow und dem neuen US-Präsidenten Harry S. Truman im April 1945 meinte letzterer, er beabsichtige, „hart mit den Russen zu sein und keine Konzessionen im Hinblick auf amerikanische Prinzipien oder Traditionen zu machen, um dadurch etwa ihre Gunst zu gewinnen. Seiner Meinung nach seien die Vereinbarungen mit der Sowjetunion „aber bisher eine Einbahnstraße gewesen, was so nicht weitergehen könne. Er wolle die Pläne für die Gründungskonferenz der Vereinten Nationen weiter verfolgen, aber „falls die Russen nicht wünschten, sich uns anzuschließen, könnten sie zur Hölle fahren".

    Harry S. Truman im Rosengarten des Weißen Hauses in Washington, D. C., Juni 1945: Als F. D. Roosevelt am 12. April 1945 stirbt, wird er als Vizepräsident der 33. Präsident der USA. Nur wenige ahnen damals, dass mit diesem Mann eine der überzeugendsten Persönlichkeiten in der amerikanischen Geschichte ins Weiße Haus einziehen und einer ganzen Ära ihren unverwechselbaren Stempel aufdrücken würde.

    Zu diesem Zeitpunkt war bereits erkennbar, wer als eigentlicher Sieger aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen war: die Großmacht USA als die Weltmacht schlechthin. Drei Viertel des in der Welt investierten Kapitals und zwei Drittel ihrer Industriekapazität befanden sich in den USA. Das jährliche Einkommen pro Kopf der Bevölkerung lag bei fast 1.500 Dollar, während es in keinem europäischen Land 800 Dollar überstieg. Zudem verfügte man schon bald über das Atommonopol. Schon ein Jahr vorher war man daher bemüht gewesen, Instrumente zur Neuordnung der Weltwirtschaft zu schaffen. Zu diesem Zweck hatte man bereits im Juli 1944 zu einer Konferenz nach Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire eingeladen. Dort verhandelten Delegierte von 44 Ländern, am Ende wurden zwei Organisationen gegründet: die „Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung" (International Bank for Reconstruction and Development), kurz Weltbank, und der „Internationale Währungsfonds. Sie wurden mit rd. 15 Mrd. Dollar ausgestattet und zu einem wichtigen Steuerungselement in der internationalen Wirtschaftspolitik – unter Führung der USA. Am 27. Dezember 1945 traten die Beschlüsse von Bretton Woods in Kraft – ohne die Sowjetunion. Sie lehnte eine Teilnahme ab. Von nun an wurden Weltbank und Internationaler Währungsfonds zu Instrumenten im Kalten Krieg. Von einem möglichen US-Kredit in Milliardenhöhe war keine Rede mehr; die Unterlagen, so wurde dem Kreml mitgeteilt, seien „verloren gegangen. Wenig erfreut waren die Sowjets auch darüber, dass Truman die Lieferungen auf der Basis des Leih- und Pachtgesetzes (Lend-Lease) abrupt, wenn auch vertragskonform – das Gesetz lief im August aus – an sie stoppte. Schiffe mit entsprechenden Lieferungen mussten sogar umkehren.

    Noch aber gab es die Anti-Hitler-Koalition und die „Großen Drei – Truman, Stalin, Churchill –, die sich vom 17. Juli bis 2. August 1945 in Potsdam zur letzten großen „Kriegskonferenz trafen. Trotz der unterschwellig vorhandenen Spannungen, der vielfältigen Differenzen der Westalliierten mit den Sowjets und des zeitweise offen zutage tretenden Misstrauens, insbesondere Stalins, gegenüber Truman und Churchill gab es keine Milde gegenüber den Deutschen, auch nicht vonseiten der Westmächte. „Noch hasste und fürchtete der ganze Kontinent Deutschland mehr als Russland", wie es Robert Murphy, der politische Berater des amerikanischen Oberbefehlshabers in Deutschland, Dwight D. Eisenhower, formulierte. Deutschland stand im Mittelpunkt der Konferenz, und da fand man noch so etwas wie einen Formelkompromiss. Der neue britische Premierminister Clement Attlee – Nachfolger des nach der Wahlniederlage zurückgetretenen Winston Churchill – meinte intern, man habe in Potsdam bedeutende Erfolge auf dem Weg zu einem besseren Verständnis zwischen den drei Regierungen erzielt und die getroffenen Entscheidungen seien eine solide Grundlage für weitere Fortschritte. Dies sollte sich schon bald als Irrtum herausstellen, wie auf der Außenministerkonferenz im September in London deutlich wurde. In den Entwürfen für Friedensverträge mit Bulgarien, Rumänien und Ungarn, die die Sowjets vorlegten, konnten die Amerikaner kaum etwas finden, was ihren Vorstellungen entsprach.

    17. Juli bis 2. August 1945: Potsdamer Konferenz. Die „Großen Drei", Stalin (links), Truman (rechts) und Churchill (vorne), mit ihren Beratern am Verhandlungstisch. Der Krieg in Europa ist gewonnen, jetzt soll der Frieden gesichert werden. Unterschwellig vorhandene Spannungen und vielfältige Differenzen werden noch einmal überspielt.

    Versuche von Außenminister James Byrnes, durch einen partiellen Kompromiss zu einem positiven Abschluss der Konferenz in London zu kommen, wurden vom Republikaner John Foster Dulles verhindert. In einem Gespräch unter vier Augen drohte er, die Republikanische Partei werde jeden Kompromiss in dieser Frage als Appeasement-Politik öffentlich bekämpfen. Truman stellte daraufhin am 27. Oktober in einer Rede in New York klar: „Wir werden es ablehnen, irgendeine Regierung anzuerkennen, die einem Volk von einer fremden Macht gewaltsam aufgezwungen wurde. In einigen Fällen mag es nicht möglich sein, das gewaltsame Oktroyieren einer solchen Regierung zu verhindern. Aber die Vereinigten Staaten werden diese Regierungen nicht anerkennen."

    Und gegenüber Byrnes betonte er am 5. Januar 1946 unmissverständlich: „Wenn man mit Russland nicht eine deutliche Sprache spricht und ihm nicht mit eiserner Faust entgegentritt, ist der nächste Krieg in Sicht. […] Ich bin es leid, die Sowjets weiter zu hätscheln." („I’m tired of babying the Soviets.")

    Das war der Beginn eines Jahres, dessen Ende auch das Ende jeder Kooperation mit der Sowjetunion bedeutete. Von nun an ging es beinahe Schlag auf Schlag. Am 9. Februar 1946 hielt Stalin in Moskau eine Rede, in der er erneut die marxistische These vertrat, dass das kapitalistische System in sich selbst Elemente einer allgemeinen Krise und militärischer Zusammenstöße enthalte; mit anderen Worten: Die von Stalin erwartete Wirtschaftskrise in den kapitalistischen Staaten würde nahezu gesetzmäßig zu Aufrüstung und Krieg führen. Im State Department wurde diese Rede als direkter Angriff auf die USA gewertet; und für den Richter am Obersten Bundesgericht in Washington, William O. Douglas, war sie gar die „Erklärung zum Dritten Weltkrieg".

    Am 22. Februar schickte Kennan dann aus Moskau sein inzwischen berühmtes „langes Telegramm nach Washington. Es waren zwar nicht „8.000 Wörter, wie Kennan in seinen Erinnerungen später schrieb, sondern nur 5.000, aber immer noch das längste Telegramm in der Geschichte des State Department. Für den Russlandexperten Kennan war die sowjetische Außenpolitik militant, aggressiv und expansionistisch, kompromisslos, negativ und destruktiv; internationale Kooperation sei für die Sowjetunion nur ein Lippenbekenntnis, sie benutze die kommunistischen Parteien in Europa dazu, dem Weltkommunismus zum Sieg zu verhelfen; es gebe keinen modus vivendi mit der UdSSR. Kennan formulierte hier das, was wenig später als containment ein Begriff wurde. Seine Überlegungen wurden vom Russlandexperten Charles E. Bohlen, damals Assistent von Außenminister Byrnes, am 13. März weiterentwickelt. Die USA sollten demnach jedes zur Verfügung stehende Mittel einsetzen, um die „Ausdehnung der sowjetischen Macht über die gegenwärtigen Grenzen hinaus zu verhindern, und ein positives Programm ausarbeiten und verwirklichen, „um den Völkern dieser Länder zu zeigen, dass das nicht-sowjetische System ihnen mehr bietet als die falschen Versprechungen des Kommunismus.

    Ganz in diesem Sinne sah Washington nun sowjetischen Expansionismus am Werk. Die Joint Chiefs of Staff meinten am 16. April 1946, die Sowjetunion beabsichtige mit ihrer Forderung, das ehemals italienische Tripolitanien unter ihre Mandatsmacht zu stellen, die politischen Verbindungslinien durch das Mittelmeer nach dem Nahen und Mittleren Osten sowie nach Indien unter ihre Kontrolle zu bekommen. Es handle sich um einen Präzedenzfall, um den sowjetischen Einfluss über die eigene Sicherheitszone hinaus auszudehnen. Ähnlich auch die Situation im Iran, wo Moskau eingegangene Verpflichtungen nicht einhielt, seine Truppen nicht abzog und stattdessen versuchte, einen kommunistischen Regierungschef zu installieren. Dies, so Truman zu Harriman, „kann zum Krieg führen". Erst

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