Zuhörkompetenz im schulischen Unterricht: Die Bedeutung von Zuhören für das Fach Deutsch
Von Fabian Remkes
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Über dieses E-Book
Die doppelte Bedeutung von Zuhörkompetenz - als eine Grundvoraussetzung menschlicher Interaktion und zugleich auch als Ziel von menschlicher Interaktion in Schule und Unterricht - verdeutlicht die Komplexität des Bereichs. Doch wie genau ist der Zuhörkompetenzerwerb in den weiterführenden Schulformen struktu-riert und verankert? Welche Bedeutung kommt dem Erwerb von Zu-hörkompetenz in der Schule zu? Und wie können die grundlegenden Bedingungen und Prozesse auf theoretischer Ebene beschrieben wer-den, die in jedem Zuhörenden automatisiert ablaufen?
Diese Fragen sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit beantwortet werden. Hierzu wird zunächst ein kurzer Abriss des vielfältigen Bereichs Zuhörens gegeben und verdeutlicht, warum es sich um einen Problembereich handelt. Anschließend wird das weitere methodische Vorgehen beschrieben - insbesondere das genutzte qualitative Instrument zur Erhebung von Expertenmeinungen.
Fabian Remkes
Fabian Remkes hat an der Westfälischen Wilhelms-Universität die Unterrichtsfächer Deutsch und Sozialwissenschaften für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen studiert und ist derzeit Studienreferendar in Nordrhein-Westfalen.
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Buchvorschau
Zuhörkompetenz im schulischen Unterricht - Fabian Remkes
Vorwort zur Reihe
Impulse sind Antriebe, Anstöße und Anregungen. Als Denkanstöße sind sie im hochschulischen (Arbeits)Alltag auf vielfältige Weise Ausgangspunkt und zugleich Gegenstand von Wissenschaft. Daraus resultierende Forschungsvorhaben sind zumeist vorerst exklusiv Wissenschaftler*innen vorbehalten.
Leider viel zu selten – hier sei aus der Perspektive der Erziehungswissenschaft gesprochen – wird die Lehre als Forschungsraum verstanden. Gemeint ist damit keineswegs, dass die Studierenden in den Lehrveranstaltungen zu Probanden von Studien werden oder diese evaluieren. Intendiert sind ebenfalls keine Praxisseminare, die z. B. im Rahmen von Lehr-Lern-Laboren den Professionalisierungsprozess von Lehramtsstudierenden forcieren und deren Selbstwirksamkeitsüberzeugungen steigern wollen. Ohne Zweifel haben die skizzierten Settings alle ihre Berechtigung, verbinden die für die Hochschulen elementaren Sphären der Forschung und Lehre jedoch nicht ganzheitlich, weil die Forschung als Prozess nicht im Seminarkonzept inhärent ist, sondern zum spezifischen Inhalt (z. B. Publikationen) wird oder als Additum angesehen werden muss.
Dazu konträr stehen jene Lehrformate, in denen Forschung und Lehre verschmelzen und die Studierenden zu Forschenden werden. Ohne Frage muss der Gehalt studentischer Forschung anders bewertet werden als wissenschaftliche Forschung. Studierende sind Forschungsnovizen, die das Forschen erlernen müssen. Dennoch können aus studentischer Forschung Impulse hervorgehen. Für Dozierende ist die hochschuldidaktische Gestaltung von „Forschungsseminaren" eine polyvalente Herausforderung, gilt es doch eine wissenschaftstheoretische und methodologische Basis zu schaffen und die (Forschungs)Interessen aller Teilnehmenden zu berücksichtigen. Das Anliegen stößt zudem nicht selten auf administrative Hürden, da solche Formate nicht immer mit Studienordnungen kompatibel sind.
Studentische Abschlussarbeiten – in Zeiten der Internationalisierung des Studiums vor allem Bachelor- und Masterarbeiten – haben das Potential, ausgehend von den Interessen der Studierenden zu kleinen Forschungsvorhaben zu werden. Die Studierenden bearbeiten über einen Zeitraum von mehreren Monaten selbstständig eine Fragestellung und erschließen sich Forschungsmethoden und Diskurse mit dem Ziel, ihre Ergebnisse in einen Kontext zu stellen. Dabei behandeln sie Themen, die für wissenschaftliche Forschung zu partikular sind. Nicht selten wird mit ihnen neues Wissen generiert, aus dem sich wiederum Möglichkeiten für sich anschließende wissenschaftliche Forschung ergeben können oder die Abschlussarbeiten sind bereits die Weiterentwicklung eines vorausgegangenen Studienprojektes aus dem Praxissemester.
Die Reihe Erziehungswissenschaftliche Impulse setzt es sich zum Ziel, exzeptioneller studentischer Forschung ein Forum zu bieten. Anker sind neben der Bedeutung des Gegenstandes und der gewählten Herangehensweise auch Anerkennung und Wertschätzung der Leistung. Dabei sollen die veröffentlichten Arbeiten auch als Impuls, das heißt als Anregung verstanden werden, die erwähnten partikularen Themen aufzugreifen und weitere Forschung (vor-)an-zutreiben.
Münster, im Februar 2020
Patrick Gollub
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Problembereich ,Zuhören‘
Forschungsvorhaben und Forschungsfrage
Auditive Wahrnehmung aus neurobiologischer Perspektive
Ontogenese des menschlichen Hörvermögens und die Relevanz des Hörens im Spracherwerbsprozess
Zentrale Begrifflichkeiten
6.1 Zuhören und Hörverstehen
6.2 Hören und Zuhören
6.3 Kompetenz und Zuhörkompetenz
Beschreibung des Zuhörprozesses
Lehrplananalyse
Kompetenzstufenmodell Zuhören
Zuhören in Schule und Unterricht
10.1 Herausforderungen in der schulischen Zuhörkompetenzvermittlung
10.2 Scaffolding
10.3 Leistungsgruppierung nach Schulform und curriculare Differenzierung als Problemfall
10.4 Infrastrukturelle Rahmenbedingungen und Hürden für zuhörfreundlichen Unterricht
Forschungsdesign
11.1 Durchführung der Untersuchung
11.2 Interviewleitfaden
11.3 Auswertungsmethodik
11.4 Erläuterung der Kategorien
11.4.1 Fachliches Theoriewissen
11.4.2 Einstellung zum Bereich Zuhören und zur Zuhörkompetenz
11.4.3 Rolle von Zuhörkompetenz in der Unterrichtspraxis
11.4.4 Forschungsgrad
11.4.5 Lehrerhandeln
11.5 Gütekriterien
Auswertung und Interpretation der Ergebnisse
12.1 Angaben zu den Interviewpartnern
12.2 Fachliches Theoriewissen
12.3 Begriffsverständnis
12.4 Einstellung zum Bereich Zuhören und Zuhörkompetenz
12.5 Einschätzung der Schülerfähigkeiten
12.6 Subjektiv empfundene Einstellung der Gesellschaft zum Bereich Zuhören
12.7 Grad der Reflexion gegenüber dem Bereich Zuhören
12.8 Rolle von Zuhörkompetenz in der Unterrichtspraxis
12.9 Zuhörkompetenz im allgemeinen schulischen Unterricht
12.10 Zuhörkompetenz im Deutschunterricht
12.11 Forschungsgrad
12.12 Unterrichtsmaterialien
12.13 Vermittlung von fachlichem Wissen in der Lehramtsausbildung
12.14 Didaktische Konzepte
12.15 Lehrerhandeln
12.16 Individuelle Lehr- und Fördermethoden
12.17 Individuelle Beobachtungen
Zusammenführung der Untersuchungsergebnisse und Beantwortung der Forschungsfrage
Hypothesenbildung
Kritische Reflexion der gewählten Methodik
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Durch die weit verbreitete Nutzung von Messenger-Diensten wie WhatsApp¹ hat sich die schriftsprachliche Kommunikation (obwohl sie konzeptionell oftmals eher mündlichen Charakter besitzt) stark in den privaten und beruflichen Alltag ausgebreitet. Trotzdem bleibt verbale Interaktion ein wichtiges Medium zur Kommunikation. Face-to-face-Interaktion ist heute ebenfalls allgegenwärtig, wie auch Becker-Mrotzek und Mörs (2015: 20) betonen und beispielhaft hierfür die besondere Rolle von domänenspezifischen Gesprächsformen in der Arbeitswelt aufzeigen. Außerdem sorgt die Einbindung von Sprachnachrichten in diversen Messenger-Diensten, wie etwa in WhatsApp, für eine digitale, auditive Kommunikation.
Durch die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) wurde die Gesprächskompetenz im Deutschunterricht aufgewertet. Dies geschah anschließend auch in den neuen Kernlehrplänen der Bundesländer. Der aufgewertete Bereich der Mündlichkeit setzt sich aus den Teilen Sprechen und Zuhören zusammen (Beste 2014: 272).
Die Fähigkeit zum Zuhören ist sowohl eine zentrale Bedingung für das Gelingen von menschlicher Interaktion und Kommunikation, aber genauso auch Voraussetzung und Ziel von Lernen und Kompetenzerwerb. (Imhof 2010: 15)
Die doppelte Bedeutung von Zuhörkompetenz – als eine Grundvoraussetzung menschlicher Interaktion und zugleich auch als Ziel von menschlicher Interaktion in Schule und Unterricht – verdeutlicht die Komplexität des Bereichs. Jeder Mensch beginnt schon vor der Geburt, seine Hörfähigkeit zu entwickeln (Mattock et al. 2010: 298). Er durchläuft einen langen Entwicklungsprozess, bis er erstmals in der Grundschule im Unterricht seine vorhandene Zuhörkompetenz anwenden muss, um schulisch zu reüssieren und schlussendlich seinen Fähigkeiten-Apparat in diesem Bereich auszubauen. Doch wie genau ist der Zuhörkompetenzerwerb in den weiterführenden Schulformen strukturiert und verankert? Welche Bedeutung kommt dem Erwerb von Zuhörkompetenz in der Schule zu? Und wie können die grundlegenden Bedingungen und Prozesse auf theoretischer Ebene beschrieben werden, die in jedem Zuhörenden automatisiert ablaufen?
Diese Fragen sollen im Rahmen der vorliegenden Arbeit beantwortet werden. Hierzu wird zunächst ein kurzer Abriss des vielfältigen Bereichs Zuhörens gegeben und verdeutlicht, warum es sich um einen Problembereich handelt. Anschließend wird das weitere methodische Vorgehen beschrieben – insbesondere das genutzte qualitative Instrument zur Erhebung von Expertenmeinungen. Außerdem wird die leitende Forschungsfrage dieser Arbeit formuliert.
¹ Bspw. nutzen 89% der 12- bis 19-jährigen in Deutschland WhatsApp täglich, 94% gaben eine mehrfache wöchentliche Nutzung an (Feierabend et al. 2017: 35).
2. Problembereich ,Zuhören‘
Der Mensch hat neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem, zu essen und zu trinken, zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören.
(Tucholsky 1931: 889)
Tucholsky beschreibt in seinem satirischen Aufsatz Der Mensch die verschiedenen Eigenarten des menschlichen Wesens. Das Zitat verdeutlicht ein Problem, das anscheinend schon lange besteht: die mangelnde Fähigkeit der Individuen sich gegenseitig zuzuhören.
Eine Studie zu Managementfehlern aufgrund von Fehlkommunikation bezifferte 2004 die hierdurch entstandene Schadenshöhe in Deutschland auf einen dreistelligen Milliardenbetrag. Die zentralen Ursachen für diese Fehlleistungen sind die mangelnde Befähigung der Unternehmen dem Kunden bei seinen Wünschen, der Vorgesetzten den Mitarbeitern bei auftretenden Problemen und der Kollegen den Arbeitskameraden in anderen Abteilungen zuzuhören (Hartung 2006: 6). Es ist also vielfach ein Phänomen zu beobachten, das umgangssprachlich mit ‚aneinander vorbeireden‘ beschrieben werden könnte. Tatsächlich liegt diesem aber auch unaufmerksames Zuhören zugrunde. Eine solch fehlerhafte Kommunikation hat nicht immer gleich einen wirtschaftlichen Schaden zur Folge. Aber solche Auswirkungen zeigen, welche Relevanz eine problemorientierte Betrachtung des Bereichs Zuhören besitzt.
Obwohl schulisch zuerst durch die Bildungsstandards der KMK angeregt und anschließend in Nordrhein-Westfalen (NRW) in den Kernlehrplänen Deutsch verankert (vgl. Kapitel 8), wird die Befähigung zum Zuhören gerade in der Schule oftmals vorausgesetzt und als gegeben betrachtet (Bernius 2007a: 10; Becker-Mrotzek/Mörs 2015: 32). Erschwerend kommt hinzu, dass die wissenschaftlich-didaktische Behandlung des Themas, im Gegensatz zum besser fundierten Forschungsstand im Bereich Textverstehen, noch in ihren Anfängen steckt (Imhof 2010: 15). In der allgemeinen Gesprächsforschung wurde der Rolle des Zuhörers² ebenfalls deutlich weniger Beachtung geschenkt als der Rolle des Sprechers. Dies könnte der schwierigen empirischen Betrachtung des Gegenstandsbereichs geschuldet sein. Die Erhebung von Daten bezüglich der Zuhörer-Rolle gestaltet sich deshalb als schwierig, weil ein Großteil des Zuhörprozesses für den Beobachter unsichtbar geschieht. Außerdem wird oftmals ein mögliches Nicht-Zuhören seitens des Zuhörers durch gegenteilige Signale, bspw. Kopfnicken, kaschiert. Was also tatsächlich an produktivem Input beim Zuhörer ankommt, ist durch reines Beobachten der Gesprächsinteraktion kaum festzustellen. Der generierte Output des Sprechers kann hingegen vergleichsweise unkompliziert durch Transkription festgehalten werden. Bei der Beobachtung von Zuhörern unterliegt die Wissenschaft also einem sogenannten Blackbox-Problem. Dunkel et al. formulierten bereits 1993 die Schwierigkeiten bezüglich einer wissenschaftlichen Untersuchung des Zuhörvermögens wie folgt:
[…] [T]here exists neither uniform agreement on the components of listening comprehension and the factors that affect the success or failure of comprehension, nor general consensus on the best techniques for assessing that construct.
(Dunkel et al. 1993: 180)
Des Weiteren kommt hinzu, dass die Aufmerksamkeitsspanne des Individuums circa 20 bis 30 Minuten beträgt, bevor sie absinkt und der Zuhörprozess gestört wird (Spiegel 2006: 154; Bernius 2007b: 189 f.). Es ist also davon auszugehen, dass bei äußerlich signalisiertem, scheinbar aktivem Zuhören häufig nur vorgegeben wird, den Ausführungen des Gegenübers zu folgen. Eine wissenschaftliche Beobachtung und Auswertung des Zuhörens wird so erschwert.
Eine mangelnde Hörfähigkeit hat außerdem weitreichende negative Folgen für den Schriftspracherwerb. Bei Kindern mit Hörbehinderung und dementsprechendem sonderpädagogischen Förderbedarf sind diese Auswirkungen bekannt. Allerdings gibt es auch bei Kindern ohne auffälligen audiologischen Befund vielfach Schwierigkeiten beim Hören. Das Problem ist die schwierige Diagnostik leichter Hörfehler. Eine unentdeckte fehlerhafte Wahrnehmung von sprachlichen Lauten seitens der Lerner kann in der Folge ebenfalls zu einem erschwerten Erwerb von Schriftsprache führen. Ohne die gezielte Aufmerksamkeit von Lehrpersonen oder Elternteilen kann der Schriftspracherwerb unverändert gehemmt bleiben (Wiedenmann 2000). Auf die Bedeutung des Hörens im Spracherwerbsprozess wird daher in Kapitel 5 weitergehend eingegangen.
Allesch (2002: 16 f.) betont außerdem die Vielfältigkeit der menschlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten. In der heutigen Zeit sei zwar eine verstärkte Fokussierung auf das Visuelle und Auditive beobachtbar. Trotzdem nimmt der Mensch stets mit allen Sinnen seine Umwelt wahr und orientiert sich dementsprechend genauso durch das Tasten, Riechen und Schmecken. Auch Reichel (2015: 4) und Karst (1995: 73) sehen eine über die vergangenen Jahrtausende gewachsene Dominanz des Visuellen gegenüber dem Auditiven. Die primäre Wahrnehmung über den visuellen Kanal ist daher eine evolutionäre Entwicklung, die bis in die heutige Zeit fortgeführt wurde. Zwischen der visuellen und auditiven Wahrnehmung kann im Ablauf allerdings ein großer Unterschied verortet werden. Beim Prozess des Sehens werden die Bilder direkt in das Gehirn geliefert, wohingegen beim Zuhören selbst ein Bild vom Gehörten im Kopf entworfen werden muss. Die notwendige Anstrengung ist beim Hören daher größer als beim Sehen (Gruber 2002: 9). Des Weiteren setzt der Mensch selbst durch die Ausrichtung seiner Wahrnehmung auf bestimmte Sinneseindrücke einen eigenen Fokus. Wer bspw. beim Frühstück intensiv die Zeitung liest und somit seinen Fokus auf die visuelle Ebene rückt, wird aufseiten der gustatorischen und olfaktorischen Wahrnehmung nicht die ganze Bandbreite der möglichen Reize, wie den Geschmack des Brotes oder den Geruch des Kaffees, erfassen. Es liegt also am Individuum selbst und an den von der Umwelt angebotenen und zugleich geforderten Wahrnehmungsebenen den Fokus der Sinne festzulegen (Allesch 2002: 16 f.). Dies ist eine Herausforderung, die den erfolgreichen Hörprozess erschweren kann.
2008 hat das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen bundesweit eine repräsentative Studie zur Einordnung der Zuhörfähigkeit von Neuntklässlern durchgeführt. Sie ergab, dass knapp über 22% derjenigen, die den Mittleren Schulabschluss anstreben, nicht die in den Bildungsstandards formulierten Regelnormen erreichen. Bei Schülern, die den Hauptschulabschluss absolvieren möchten, erreichen sogar 38% nicht den Regelstandard der KMK. Lediglich etwas mehr als 4% der Hauptschulabschluss- und knapp unter 12% der Mittleren Schulabschlussanwärter können den vorgegebenen Optimalstandard erreichen und die curricularen Erwartungen vollständig erfüllen (KMK 2014a).
Es verwundert daher nicht, dass in der wissenschaftlichen Betrachtung ein Konsens über die vorhandenen Fähigkeiten zum Zuhören in der Bevölkerung herrscht. Sie werden als wenig verbreitet beschrieben (Bernius 2007a; Hartung 2006; Huber/Odersky 2000). Abschließend soll die kurze Stellungnahme einer Viertklässlerin die Rolle veranschaulichen, die Zuhören bereits im Alltag von Kindern einnimmt:
Ich höre Menschen, die sprechen und Geräusche machen. Ich höre der Lehrerin zu und den anderen Kindern. Wenn ich etwas weiss, rede ich mit der Lehrerin oder mit den anderen Kindern. Ich antworte, wenn sie mich etwas fragen. Ich frage auch, was sie am Nachmittag machen.
Zu Hause höre ich der Mutter und dem Vater zu. Wenn am Nachmittag jemand zu mir kommt, sprechen wir miteinander und hören Musik. Wir spielen auf dem Spielplatz. Da höre ich viele Geräusche, zum Beispiel Autos, Traktoren, Camions, und Tiere.
Beim Nachtessen diskutieren wir. Bevor ich ins Bett gehe, singen wir ein
Lied, dann stelle ich meinen Wecker.
(Melanie, Schülerin einer 4. Primarklasse 2013: 11)
² Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtertrennende Ansprache im Rahmen dieser Arbeit verzichtet. Mit dem genutzten generischen Maskulinum sind selbstverständlich stets auch Frauen gleichwertig angesprochen.
3. Forschungsvorhaben und Forschungsfrage
Nachdem das Zuhören im vorherigen Kapitel aus verschiedenen gesellschaftlichen Blickwinkeln betrachtet wurde, soll im Folgenden der Fokus auf dessen schulische Rolle gelegt werden. Wie bereits angesprochen, ist Zuhören fest in den nordrhein-westfälischen Kernlehrplänen für das Fach Deutsch verankert. In welcher Form dies genau geschieht, wird durch