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Myrtle Clover und der letzte Schnitt: Myrtle-Clover-Krimis
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eBook242 Seiten3 Stunden

Myrtle Clover und der letzte Schnitt: Myrtle-Clover-Krimis

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Über dieses E-Book

Manche Beauty-Geheimnisse sind gefährlicher als andere… wenn nicht sogar tödlich.

Als Tammy Smith, die Besitzerin des Beautysalons von Bradley, mit einer Friseurschere im Rücken aufgefunden wird, mangelt es in der Kleinstadt weder an Geheimnissen noch an Verdächtigen.

Der Fall zieht sogleich die von Bingo und Bridge gelangweilte Mittachtzigerin Myrtle Clover in ihren Bann - sehr zum Unfrieden ihres Sohnes, dem Polizeichef der Stadt. Begibt sich seine betagte Mutter doch nicht zum ersten Mal auf die Suche nach einem Mörder. Schnell lernt Myrtle jedoch, dass mit einem Mörder nicht zu spaßen ist…

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum14. Sept. 2019
ISBN9781071506578
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    Buchvorschau

    Myrtle Clover und der letzte Schnitt - Elizabeth Spann Craig

    Kapitel 1

    „Du solltest mir gratulieren, Red! Und mit mir anstoßen. Auf das Autofahren!" Myrtle erhob ihr Weinglas und nahm einen Schluck.

    Ihr Sohn Red verdrehte die Augen in Richtung seiner Frau, die gerade mit dem Fuß die Hintertür aufstieß. Sie war voll bepackt mit einer Einkaufstüte und ihrem Sohn, den sie auf ihre Hüfte gestützt hielt. Red widerstand dem Drang, einfach aufzulegen. „Wozu soll ich dir denn gratulieren, Mama? Hast du Mrs. Meyers endlich im Scrabble geschlagen?"

    „Du weißt doch, dass ich die arme Frau immer absichtlich gewinnen lasse. Nein, ich komme gerade von der Zulassungsstelle. Mein Führerschein wurde für weitere zehn Jahre verlängert!"

    Red nahm Elaine die Einkaufstüte ab, wobei ihm der Telefonhörer aus der Hand glitt. Als er ihn wieder aufgehoben hatte, sagte er: „Aber Mama, du bist doch in den letzten fünf Jahren kaum gefahren!"

    „Das schien die auf dem Amt kein bisschen zu stören. Außerdem übe ich von Zeit zu Zeit. Miles hat mich heute Morgen hingefahren und das neue Foto für den Führerschein ist auch fantastisch geworden."

    „Warum um alles in der Welt willst du überhaupt noch Autofahren? Ich fahre dich doch überall hin, wenn du etwas erledigen musst. Außerdem hast du nicht einmal ein Auto. Mensch Mama, das Stadtzentrum ist doch nur ein paar Gehminuten entfernt."

    „Ich kann Caroline Wilsons Auto borgen. Sie meinte letzthin, dass es ab und zu mal aus der Garage geholt werden sollte."

    Red kämpfte gegen die Panik an, die langsam in ihm hochkroch. Als Polizeichef von Bradley, North Carolina, nahm er seine Pflicht, für die öffentliche Sicherheit zu sorgen, sehr ernst. Dass nun seine achtzigjährige Mutter die Stadt in einem geborgten 1978 Cadillac Fleetwood terrorisieren wollte, entsprach so gar nicht seiner Vorstellung.

    Elaine beobachtete, wie ihrem Mann die Röte ins Gesicht stieg. Für Elaine, die zehn Jahre jünger war als der 45-jährige Red, war seine Mutter mehr eine Ersatz-Oma als eine Schwiegermutter. Diese Sichtweise sorgte dafür, dass sie ihr nicht ganz so auf die Nerven ging. Aus Sorge um die Sicherheit seiner Mutter ‒ so sagte er ‒ hatte Red ein Jahr zuvor einen weiteren, unklugen Versuch unternommen, seine Mutter vom Greener Pastures Seniorenheim zu überzeugen. Nach einem Kampf der Titanen hatte Myrtle sich schließlich durchgesetzt. Wie immer.

    „Ich habe einen Vorschlag für dich, Mama. Was hältst du davon, wenn ich dir ein Mittagessen vorbeibringe? Um, ähm, zu feiern. Elaine kommt gerade vom Einkaufen und sie hat... Er sah Elaine eindringlich an, während sie verschiedene Lebensmittel aus den Tiefen der Einkaufstüte zog. „...frisches Roggenbrot und Cajun Roastbeef. Mmm... und Melone. Wenn du noch ein paar Chips hast ‒ wovon ich überzeugt bin ‒ haben wir ein schönes Mittagessen. Die Diskussion für beendet erklärt, legte Red auf und starrte grimmig auf das Telefon.

    „Wir müssen herausfinden, was mit Mama los ist. Heute kommt sie mit Autofahren an. Und morgen? Motorradfahren? Du weißt, wie sehr sie sich in eine Sache hineinsteigern kann. Red warf einen Blick auf die Küchenuhr. „Mama muss gleich frühmorgens auf dem Amt gewesen sein, denn es ist gerade einmal Mittag. Sie hat sogar eine Weinflasche geöffnet.

    Elaine runzelte die Stirn. „Ihr muss wirklich langweilig gewesen sein, wenn sie den ganzen Vormittag auf dem Amt verbracht hat."

    Red stellte sich seine Mutter vor, wie sie mit einem Cowboyhut auf dem Kopf jedes bekannte Gesicht anhupte. Er seufzte und griff nach ein paar Lebensmitteln. Dann gab er Elaine einen flüchtigen Kuss und hastete zur Tür hinaus. Im Gehen streifte er noch schnell seine Uniform glatt und steuerte auf das kleine Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu.

    Myrtle spähte aus dem Fenster und beobachtete Red, der mit einer Einkaufstüte in der Hand aus dem Haus trat. Sie lächelte. Das war ein persönlicher Rekord für sie ‒ ein zweiminütiges Telefongespräch, das ihr ein gratis Mittagessen und einen Besuch ihres Sohnes bescherte.

    Sie musterte ihn kritisch. Er war ein gutaussehender Bursche, auch wenn sein grimmiger Gesichtsausdruck seine Züge verhärtete. Für sie war er immer noch ein Junge, auch wenn sein rotes Haar, das ihm seinen Spitznamen beschert hatte, bereits grau meliert war.

    Red trat ohne anzuklopfen ein und ging schnurstracks in die Küche, um die Einkaufstüte auszupacken. Myrtles knurrender Magen erinnerte sie vorwurfsvoll daran, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte.

    „Was ist heute so auf der Arbeit los?", fragte Myrtle und griff nach dem Brot.

    Red verdrehte die Augen. „Mrs. Peterson möchte, dass ich nach dem Mittagessen nochmal bei ihr vorbeischaue."

    „Laufen immer noch die Nachbarskinder über ihren Rasen?"

    „Entweder ist es das oder der verdächtige Herumtreiber lungert wieder hinter ihren Hortensien herum. Oder sie beschwert sich wieder einmal darüber, dass der taube alte Mr. Smith nebenan seinen Fernseher zu laut laufen lässt. Es kann alles Mögliche sein. Sie muss mich einfach jeden Tag einmal anrufen."

    Myrtle rümpfte die Nase. „Wahrscheinlich langweilt sie sich und will nur Gesellschaft."

    „Sei nicht so selbstgefällig, Mama, du wirkst auch ziemlich gelangweilt. Ich kann nur nicht verstehen, warum. Ich dachte, dass du immer noch damit beschäftigt bist, jeden einzelnen in der Stadt beim Bridgespielen zu schlagen."

    Myrtle schüttelte den Kopf. „Mir ist die Lust daran vergangen, Red. Keiner will mehr gegen mich spielen. Die denken alle, dass ich schummle. Aber so ist es nun mal, wenn man so unglaublich gut spielt wie ich."

    „Du könntest ein anderes Kartenspiel ausprobieren, schlug Red vor. Auf ihren fragenden Blick hin antwortete er unschuldig: „Poker vielleicht?

    Myrtle richtete sich entrüstet auf und sah Red an. Ihr künstlich gepflegtes Erscheinungsbild einer klassischen Südstaatendame passte so gar nicht zu ihrer stämmigen Statur. „Ich tue mal so, als hätte ich das nicht gehört", erwiderte sie hochmütig.

    „Oder Skip Bo, Skat oder Schwarzer Peter. Mach bitte einfach keinen Ärger und sorg dafür, dass du dich nicht langweilst. Du kannst dich sicher noch erinnern, was passiert ist, als du dich das letzte Mal gelangweilt hast. Du hast dich in das politische Geschehen eingemischt... und wir wissen beide, wie das ausgegangen ist."

    „Nur zu deiner Information, Red, Sitzstreiks sind ein hervorragender Weg, um die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Sache zu lenken. Ziviler Ungehorsam und so."

    „Sitzstreiks sind aber nicht geeignet für ältere, von Arthritis geplagte Damen, Mama. Mrs. Hanover konnte sich immer noch nicht ganz aus ihrer Sitzstreik-Pose befreien."

    „Das nächste Mal nehmen wir Stühle mit. Myrtle runzelte die Stirn. „Das Alter ist etwas Furchtbares.

    „Besser als die Alternative", erwiderte Red.

    „Da bin ich mir nicht so sicher."

    „Und was ist mit Brownings Werde mit mir alt, das Beste kommt zum Schluss?" Red war sichtlich zufrieden mit sich und seinem Einwand. Mit einer Literaturprofessorin als Mutter hatte er in den Jahren so einige Zitate zu Ohren bekommen und es schien ganz so, als wäre ein bisschen was davon hängen geblieben.

    „Ach, Browning war doch noch ein Jüngling", sagte Myrtle brüsk. „Anne Bradstreet könnte es treffender nicht beschreiben:

    Mein Gedächtnis ist kurz und mein Gehirn ist trocken.

    Mein Haar gedeiht in Grau.

    Und mein Rücken, einst so gerade, beginnt sich zu beugen."

    Red musterte sie von oben bis unten. „Dein Rücken scheint mir sehr gerade zu sein. Das Gedächtnis und die grauen Haare sind jedoch ein anderes Thema. Aber wie kommt es denn zu dieser ganzen Jammerei? In letzter Zeit wird es immer schlimmer."

    „Das sind Zitate. Ich versuche lediglich, mein Gehirn vor dem Verfall zu schützen. Was gar nicht so leicht ist, wenn man bedenkt, dass es hier in Bradley beträchtlich an intellektuellen Stimuli mangelt."

    „Was ist mit deinem Buchclub?" Red schien sich ein Grinsen zu verkneifen.

    „Ich bitte dich! Erwähne bloß diesen furchtbaren Buchclub nicht."

    „Seid ihr denn überhaupt jemals von diesem Dinnerclub zurück auf den Buchclub gewechselt? Ich habe da den Überblick verloren", sagte Red.

    „Ja, das haben wir. Und ich glaube, diesen Monat sollen wir irgend so einen furchtbaren Roman lesen. Ich hab’s aufgegeben. Wir lesen nur Schundromane à la Heathers verflossene Liebe." Myrtle seufzte entnervt.

    „Vielleicht solltest du mit Kunst anfangen."

    „Ist Kunst etwas, mit dem man einfach so anfängt? Sollte man nicht dazu berufen sein?", erwiderte Myrtle.

    „Ich habe keine Ahnung. Elaine scheint jedenfalls gerade dazu berufen worden zu sein. Sie malt schon seit ein paar Tagen unaufhörlich."

    Myrtle runzelte die Stirn. „Sie malt Bilder, keine Wände? Ich wusste gar nicht, dass sie malen kann."

    „Nun, das bleibt noch abzuwarten. Ich sage nur, dass sie malt. Und soweit ich das sehen konnte, bist du Teil eines ihrer Meisterwerke", erwiderte Red milde.

    Er blickte auf die Uhr. „Es tut mir sehr leid, dass ich unser wunderbares Gespräch beenden muss, aber ich muss jetzt zu Mrs. Peterson. Ich wünsche dir einen schönen Nachmittag. Er kniff seine Mutter in die Wange. „Warum schaust du nicht bei Elaine vorbei? Du könntest eine Weile mit Jack spielen oder ihre Bilder bewundern.

    „Vielleicht nach Das Versprechen von Morgen. Ich habe die Folge gestern verpasst und die Aufnahme noch nicht angesehen. Außerdem wollte ich auf dem Bauernmarkt vorbeischauen, um Gemüse zu kaufen. Hat Elaine später schon etwas vor?"

    „Ich denke nicht. Etwas später ist wahrscheinlich eh besser, denn es wird bald Zeit für Jacks Mittagsschlaf. Er öffnete Myrtles Schrank und nahm ein paar Schokokekse heraus. „Gut, dass du von denen immer einen Vorrat für mich hast, sagte er augenzwinkernd und ging.

    Myrtle lächelte und nahm sich ebenfalls einen Keks. Sie griff nach der Fernbedienung, ließ sich auf das Sofa fallen und schaltete den Fernseher ein. Das Leben, Beziehungen und Gewohnheiten mochten sich ändern, aber ihre Seifenoper lief einfach immer.

    Nach einer Stunde voller verzwickter Handlungen bei Das Versprechen von Morgen schaltete sie den Fernseher wieder aus, griff nach ihrem Gehstock und machte sich auf den kurzen Weg die mit Bäumen gesäumte Straße hinunter zum Bauernmarkt. Sie seufzte. Immer dieselben Backsteinhäuser. Immer dieselben alten Leute. Manches änderte sich einfach nie. Und manchmal wünschte sie sich, das wäre nicht so.

    Sie ging zu dem kleinen Platz neben dem Rathaus, auf dem die Bauern aus der Region im Sommer einmal pro Woche ihre Erne verkauften. Mist. Sie hatte ihre Tasche vergessen, dabei sahen die Maiskolben so lecker aus. Und dann gab es auch noch Pfirsiche! Wo kamen die nur her? Sie war sich sicher, dass um diese Zeit in der Region keine Pfirsiche mehr wuchsen.

    Agnes Walker, die ihre eleganten Züge mit einem Hut schützte, hielt einen Weidenkorb voll Gemüse im Arm und begutachtete gerade die Bohnen. Sie betrachtete die Bohnen mit derselben Behutsamkeit, mit der sie sich allem im Leben widmete.

    „Du schaust heute aber eher missmutig drein", bemerkte Agnes, als sie ihre Freundin erblickte.

    „Ich habe meine Tasche vergessen."

    „Das ist alles?, fragte Agnes und zog ihre Augenbrauen nach oben. „Das ist alles, was dich plagt?

    „Und ich... langweile mich ein bisschen."

    Agnes füllte eine Handvoll Bohnen in eine Papiertüte. „Das sollte natürlich nicht so sein. Ich dachte ja, nur Kinder hätten ein Recht auf Langeweile." Sie musterte Myrtle betont auffallend von oben bis unten, von ihrem sorgfältig frisierten Haar, das langsam etwas an Fülle verlor, bis hin zu ihren bequemen Hartjes-Schuhen. Myrtle ging mit Sicherheit nicht als Kind durch.

    „Ich habe mir das Recht auf Langeweile verdient, erwiderte Myrtle. „Ich habe das gesamte Unterhaltungsangebot für Rentner in Bradley ausprobiert: Bingo und Bridge. Teepartys und Mittagstische. Buchclubs und Historikertreffen. Ich bin schon sehr, sehr lange dabei. Ich habe alles probiert, alles gesehen und jetzt langweile ich mich. Willkommen in Bradley, sagte sie grimmig. „Vielleicht kann ich ja für den Tourismusverband arbeiten."

    Agnes dachte über Myrtles Worte nach, während der Landwirt ihre Bohnen abwog. „Du könntest reisen", schlug sie vor.

    „Und wer bitte soll mich begleiten? Red und Elaine sind mit Jack beschäftigt. Und von meinen Freunden segnet einer nach dem anderen das Zeitliche. Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich. „Agnes, wie wäre es, wenn du und ich...

    „Da muss ich dich leider gleich unterbrechen. Meine Reiselust gehört bereits der Vergangenheit an. Das habe ich hinter mir. Längere Autofahrten machen mich steif und ungelenk."

    „Man kann auch das Flugzeug nehmen", erklärte Myrtle, für den Fall, dass Agnes diese Neuigkeit verpasst hatte.

    „Dessen bin ich mir bewusst, erwiderte Agnes würdevoll. „Ich halte aber nichts von engen Flugzeugkabinen. Nein, Myrtle, das Reisen interessiert mich nicht mehr und es gibt auch nicht viel, das ich noch sehen möchte. Und wenn meine Familie mich sehen will, kann sie mich jederzeit besuchen.

    Myrtle seufzte. „Na gut. Wenn du schon nicht mit mir verreisen willst, könnten wir zumindest morgen ins Greener Pastures fahren. Das Sonntagsessen dort ist ganz passabel."

    „Das ist aber selbstlos von dir. Agnes’ Augen blitzten misstrauisch auf. „Bist du sicher, dass du nicht nur ins Seniorenheim willst, um mit deinem Elan und Schwung anzugeben?

    „Natürlich geht es mir nur um das Essen." Myrtle schob ihr Kinn vor.

    „Erst letzte Woche hast du dich über das Essen dort beschwert! Ich verstehe dich nicht, Myrtle. Ich finde es tatsächlich sehr angenehm, dass Bradley so ruhig und beschaulich ist. Und du machst nichts anderes, als Däumchen zu drehen, während du auf den Postboten wartest."

    Myrtle errötete.

    „Dann hast du mich letzte Woche auch noch angerufen, damit ich mir über die unregelmäßigen Zeiten der Müllabfuhr Gedanken mache. Du hast einfach zu viel Zeit", fuhr Agnes fort.

    „Hast du dich mit Red verbündet? Man kann doch wohl von der Post und der Müllabfuhr geregelte Zeiten erwarten", erwiderte Myrtle.

    Agnes lächelte milde. „Wertest du immer noch die Wettervorhersagen aus und schickst dann Berichte über ihre Fehlvorhersagen?"

    „Das ist doch ein Haufen Verrückter, die keine vernünftige Vorhersage hinbekommen!"

    „Außerdem besteht kein Grund für Langeweile, sagte Agnes, „es gibt immerhin genug Intrigen hier.

    Damit hatte sie Myrtles Aufmerksamkeit. „Erzähl mir mehr", drängte sie.

    Agnes’ sonst so natürliche Zurückhaltung schien gegen ihre Lust auf Klatsch und Tratsch anzukämpfen. Vergeblich, die Verschwiegenheit siegte. Verdammt! Agnes presste ihre Lippen fest zusammen, um zu verhindern, dass der Klatsch aus ihr heraussprudelte. Schließlich sagte sie verschwörerisch: „Morgen im Beautysalon wirst du dann schon sehen, was ich meine."

    „Ist Tammy wieder völlig von Sinnen?" Tammy war die Friseurin und ehemalige Vertraute der Damen, die zu ihr kamen. Aber der Alkohol hatte Tammys Zunge gelockert, wodurch ihr in den letzten Wochen der eine oder andere Fauxpas unterlaufen war.

    „Du wirst schon sehen."

    „Es ist einfach zu schade, dass es mit Tammy derart bergab geht. Geht sie denn noch mit Connor aus? Myrtle gab ihr Bestes, besorgt zu klingen. Connor, der Agnes’ einziger Sohn und ganzer Stolz war, pflegte mit Tammy eine On-Off-Beziehung. Agnes schien sie entweder nicht gehört oder beschlossen zu haben, sie nicht zu hören. „Wir sehen uns dann morgen, rief sie und ging.

    ***

    Elaine und Jack strahlten Myrtle gleichermaßen an, als sie ihr die Tür öffneten. Jack raste sofort davon, um einen Spielzeug-Lastwagen zu holen, den er seiner Großmutter zeigen wollte. Myrtle setzte sich schnell auf die Couch, um nicht den Fehler von letzter Woche zu wiederholen, als sie nach dem Spielen mit Jack auf dem Boden dort regelrecht gefangen gewesen war. Das Niedersetzen war kein Problem gewesen, jedoch hatte sich das Aufstehen eine halbe Stunde später als durchaus schwierig erwiesen.

    Elaine kam zu ihnen ins Wohnzimmer und sah Myrtle in eifriger Hausfrau-und-Mutter-Manier an. „Na! Irgendetwas Spannendes passiert?"

    „Du und ich sitzen im selben Boot, nicht wahr? Aber vielleicht habe ich dank dem Beautysalon bald etwas Klatsch und Tratsch zu bieten. Anscheinend passiert da gerade ziemlich viel."

    Elaine strich sich geistesabwesend über das Haar. „Da kann ich dir was erzählen. Tammy hat meine Haare beim letzten Mal so verunstaltet, dass ich seitdem nicht mehr zu ihr gegangen bin. Das hätte sogar Jack besser hinbekommen. Kannst du dich noch erinnern? Deshalb muss ich jetzt einen Bob tragen. Red mochte meine langen Haare viel lieber und ist immer noch sauer auf Tammy."

    Das mochte sein, aber der Bob passte zu Elaines herzförmigem Gesicht und betonte ihre Wangenknochen. Red konnte sich glücklich schätzen.

    „Mir gefallen deine Haare, sagte Myrtle. „Aber es ist wahrscheinlich tatsächlich besser, den Beautysalon zu meiden. Auf Tammy ist zurzeit einfach kein Verlass.

    „Das ist echt schade. Tammys Kopfmassagen waren einmalig. Ich war immer tiefenentspannt nach einem Besuch bei ihr. Elaine seufzte sehnsüchtig. „Was für Probleme gibt es denn im Salon?

    „Agnes hat mir leider nicht allzu viel verraten. Aber soweit ich das einschätzen kann, säuft Tammy, was das Zeug hält."

    Elaine beobachtete, wie Jack seinen Lastwagen in einen Spielzeug-Krankenwagen rammte. „Hmm... Tammy trinkt also? Das könnte gefährlich sein. Sie kennt die Geheimnisse aller Frauen der Stadt. Das wäre ja, als

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