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Myrtle Clover und die Tote am Altar: Myrtle-Clover-Krimis
Myrtle Clover und die Tote am Altar: Myrtle-Clover-Krimis
Myrtle Clover und die Tote am Altar: Myrtle-Clover-Krimis
eBook272 Seiten3 Stunden

Myrtle Clover und die Tote am Altar: Myrtle-Clover-Krimis

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Über dieses E-Book

Parke Stockard führt ein schönes Leben: Sie ist mit gutem Aussehen gesegnet und verfügt über einen ausgeprägten Geschäftssinn. Eigentlich könnte sie zufrieden sein. Aber stattdessen terrorisiert Parke die Bewohner ihrer Kleinstadt, versucht, auf Kosten anderer Profit zu machen und bringt somit den einen oder anderen gegen sich auf.

Als die pensionierte Lehrerin Myrtle Clover ihre Leiche am Altar findet, ist daher niemand in Bradley besonders traurig darüber. Die 80-jährige Myrtle beschließt, den Mordfall noch vor ihrem Sohn – dem örtlichen Polizeichef – zu lösen und somit allen zu zeigen, dass sie noch lange nicht ins Altersheim gehört. Wie passend, dass gerade ein gut aussehender Witwer in die Stadt gezogen ist, der sich als nützlicher Assistent erweisen könnte.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Feb. 2019
ISBN9781386489726
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    Buchvorschau

    Myrtle Clover und die Tote am Altar - Elizabeth Spann Craig

    Prolog

    Wäre Parke Stockard an diesem Morgen nicht auf Ärger aus gewesen, wäre sie auch nicht niedergeschlagen worden und jetzt mausetot. Fairerweise muss gesagt werden, dass sie nicht wissen konnte, dass sie sich dieses Mal mit der falschen Person angelegt hatte ‒ und zwar mit jemandem, der das Parke-Stockard-Problem mit einem Schlag gelöst und sie tot am Kirchenaltar zurückgelassen hatte.

    Als sie an jenem Morgen in ihrem pinken Satin-Bettlaken aufgewacht war, dachte sie sich bereits ihre nächste Heimtücke aus und bis ihre blonde Mähne, die jedes Model in den Schatten stellte, perfekt frisiert war, stand auch schon der Plan für ihr boshaftes Vorhaben. Als sie schließlich in ihrem champagnerfarbenen BMW-Cabrio auf dem Weg zur Kirche war, tätigte sie den folgenschweren Anruf, der die Weichen für diesen verhängnisvollen Tag stellte.

    Hätte Parke nur dieses eine Mal ihren niederen Instinkten nicht nachgegeben, würde sie sich auch heute noch munter Boshaftigkeiten ausdenken. Hätte sie nur auf die ‚gute Parke‘ gehört, die tief in ihrem Inneren schlummerte, oder besser nachgedacht und sich in Erinnerung gerufen, dass sie sich immerhin auf dem Weg zur Kirche befand. Aber das hatte sie nicht und somit war die Bühne frei für den Mord am Altar.

    *****

    Frühmorgendlicher Sonnenschein drang durch die fleckigen Fenster ins Innere der Kirche und erleuchtete das Blumenbouquet am Altar. Bei dem vernichtenden Blick, den Parke ihm zuwarf, war es erstaunlich, dass es sich nicht umgehend in Luft auflöste. Aber die schwarzäugigen Susannen und Gänseblümchen hielten ihrem Blick unbeeindruckt stand.

    Parke schwor sich, etwas gegen Kitty zu unternehmen. Es konnte nicht angehen, dass diese für das Altarbouquet die Straßenränder plünderte. Was käme denn als nächstes? Wahrscheinlich mit Gräsern dekorierter Wiesenkerbel in Einmachgläsern. Parke pfefferte das Bouquet in eine Mülltüte und nahm stattdessen Rosen aus einem Jutebeutel und drapierte diese rasch in einer schweren Kristallvase.

    Parke war derart darauf bedacht, das vorliegende Blumendesaster und das Dauerproblem der allgemeinen Ignoranz zu beseitigen, dass sie nicht bemerkte, wie die Tür zur Sakristei geöffnet wurde. Eine harsche Stimme riss sie aus ihren Gedanken.

    „Du!" schnaubte Parke wütend, bevor sie sich der letzten Auseinandersetzung ihres Lebens stellte ‒ dreißig Minuten später war Parke Stockard tot...

    Kapitel 1

    Einige Tage zuvor:

    Ein schöner Sommertag hatte sich angekündigt und es war um sieben Uhr morgens bereits warm, aber noch nicht drückend heiß. Die älteren, besonneneren Bewohner von Bradley, North Carolina, waren bereits geschäftig unterwegs, noch bevor die Temperaturen in den unerträglichen Bereich anstiegen. Sie ernteten in ihren Gärten Tomaten für das Mittagessen, füllten die Tröge mit dem Vogelfutter auf, grübelten über dem täglichen Kreuzworträtsel oder löffelten gemütlich unter den Ventilatoren auf ihrer Veranda eine Schale Müsli. Myrtle Clover hingegen zählte nicht zu diesem besonnenen Teil der Bevölkerung. Ein frühmorgendlicher Anruf hatte sie aufgeschreckt. Parke Stockard.

    In einem glänzenden Kochtopf aus Kupfer erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf ihr Spiegelbild und somit auf ihre Frisur, die stark an die von Albert Einstein erinnerte. Sie zupfte das strähnige Haar so gut es ging zurecht und blickte auf die Wanduhr. Nein, es war nicht zu früh für einen Anruf bei Elaine. Myrtles Enkel war im Kleinkindalter und übernahm den morgendlichen Weckruf für Elaine. Er schien sich die Teletubbies mit Vorliebe um halb sechs Uhr morgens anzusehen und in seiner Vorstellung sollte wohl jeder ganz besessen darauf sein, Laa-Laa und Dipsy beim Spielen mit ihrem riesigen gelben Ball zuzusehen.

    Elaine begrüßte sie mit einem erschöpften Hallo. Das frühe Aufstehen musste sie ganz schön mitnehmen. Ihre Stimme klang rau, als hätte sie Jacks halben Sandkasten verschluckt.

    „Parke Stockard bedeutet schlechte Nachrichten, Elaine. Sehr schlechte Nachrichten. Die ganze Stadt ist wegen ihr in Aufruhr und jetzt rate, was sie mir angetan hat."

    Elaine versuchte wirklich, ihrer Schwiegermutter zuzuhören. Für gewöhnlich war Multitasking auch ihre Stärke, aber mit dem schnurlosen Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt, während sie die Cornflakes aufwischte, die ihr Sohn auf dem Boden verteilt hatte, konnte sie sich nicht wirklich auf den Anruf konzentrieren. „Ähm. Wirklich?" Elaine streckte sich, um die Brösel auf der anderen Seite des Stuhls wegzuwischen und fühlte sich dabei viel älter als 36.

    Myrtle machte eine dramatische Pause. Diese wäre eindrucksvoller gewesen, hätte Elaine den Anblick der achtzigjährigen, aber dennoch stämmigen 1,80 Meter großen Myrtle vor sich gesehen. „Sie hat sich doch tatsächlich im Bradley Bugle mehr Platz für ihre Kolumne unter den Nagel gerissen."

    Elaine riss dem zweijährigen Jack den Pfefferstreuer aus der pummeligen Hand, der daraufhin sofort zu einem Protestgeheul ansetzte. Sie seufzte. „Warum ist das für dich ein Problem?"

    „Weil das bedeutet, dass meine ‚Nützliche Tipps‘-Kolumne halbiert wird! Sloan Jones, der Herausgeber, hat mich heute Morgen angerufen und es mir mitgeteilt. Dieser Feigling. Er hat sicher gehofft, dass ich noch schlafe und er nur den Anrufbeantworter erreicht. Diese Stadt braucht meine nützlichen Tipps viel mehr als das, was diese furchtbare Parke Stockard ausspuckt. Diese nutzlose 'Prächtiges Posieren mit Parke'-Kolumne. Diese schreckliche Frau! Sie hielt kurz inne, als Jacks Gebrüll zu ihr vordrang. „Wirst du belagert oder ist Jack für diesen Höllenlärm verantwortlich? Was machst du denn bloß mit meinem reizenden Enkel?

    Elaine lief den Flur entlang ‒ der reizende Enkel dicht auf ihren Fersen. Sie rettete sich in ihr Schlafzimmer und schloss schnell die Tür hinter sich ab. Mit ihrer Hand, die immer noch in einem gelben Gummihandschuh steckte, strich sie sich die Haare ihres schwarzen Bobs aus dem Gesicht. Elaine hoffte, dass Jack, der sich gerade mit seinem kleinen Körper gegen die Tür warf, schon bald bemerkte, dass die Teletubbies in Dauerschleife im Fernsehen liefen. Als sie an sich hinuntersah, fiel ihr auf, dass sie noch immer den Pfefferstreuer in der Hand hielt. Sie stellte ihn auf eine Kommode und strich die Handschuhe ab. „Nichts. Er... sobald ich auflege, ist es Zeit für sein Nickerchen. Aus irgendeinem Grund ist er heute um halb fünf Uhr aufgewacht. Darum ist es schon Zeit für sein Schläfchen." Sie stieß ein kurzes, hysterisches Lachen aus. Elaine war ein Morgenmensch, aber halb fünf Uhr ging auf keinen Fall als Morgen durch.

    „Ähm..., stammelte Elaine zerstreut. „Ich glaube, ihre Kolumne heißt 'Liebenswert Leben mit Parke', Myrtle. Und warum sollte Sloan deine Artikel kürzen? Alle lieben sie.

    Myrtle ließ sich in ihrem Wohnzimmer in den Sessel am Schreibtisch sinken und öffnete einen Ordner am PC. „Meine Kolumne war in den letzten Wochen vielleicht ein bisschen skurril. Aber du kannst dir nicht vorstellen, welche Tipps mir die Leute schicken. Ich habe mit einem Tipp gegen Wadenkrämpfe mit Ivory-Seife unter dem Leintuch improvisiert." Myrtle schnaubte.

    „Und dem Tipp gegen Nasenbluten", erinnerte Elaine sie. Sie stellte erleichtert fest, dass sich das Gebrüll entfernte und Jacks kleine Füße in Richtung Wohnzimmer tapsten.

    „Ach ja, die alte Leier, dass ein kalter Schlüsselbund im Nacken hilft." Myrtle las mürrisch den Artikel auf dem Bildschirm durch.

    „Sloan denkt, dass ich esoterisch werde. Aber das waren überhaupt nicht meine Tipps."

    Elaine öffnete vorsichtig die Schlafzimmertür und linste den Flur hinunter. Es war kein verrücktes Kleinkind in Sicht, nur der mürrisch dreinblickende französische Austauschschüler, der verschlafen aus dem Gästezimmer gestolpert kam. Elaine entschuldigte sich in holprigem Französisch für Jacks morgendlichen Wutausbruch, während Jean-Marc noch geschlafen hatte. Dummerweise ließ sich ihre Entschuldigung als „Ich freue mich, dass Jack eine sonnige Ziege ist." übersetzen. Elaine aber konnte sich nicht erklären, warum ihr französischer Gast die Augen verdrehte.

    Myrtle gab noch etwas Zucker in ihren Kaffee. „Sloan hat ebenfalls ein Auge auf Parke geworfen."

    „Na ja, sie ist eine hübsche Frau."

    „Mit kalten Augen. Eiskalten, kleinen Knopfaugen. Und mit diesem britischen Gesicht. Ihre Nase ist so spitz, dass sie damit einen Luftballon zum Platzen bringen könnte. Parke ist penetrant, rechthaberisch und bringt alle auf die Palme."

    „Sie ist schlank."

    „Knochig", antwortete Myrtle.

    „Und sie ist wohlgeformt. Sie treibt sicher jeden Tag Sport."

    „Sie macht Powerwalking. Sie wirft ihre Arme rauf und runter wie ein wild gewordenes Huhn."

    „Das soll eine gute Alternative zum Joggen sein, Myrtle."

    „Tja, sie sieht aber eher aus, als müsste sie dringend aufs Klo."

    „Ob es nun dämlich aussieht oder nicht, es scheint zu funktionieren. Sie ist fit", erwiderte Elaine wehmütig.

    „Und ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Darstellung von Parke Stockard als Ausgeburt des Bösen glauben soll. Immerhin spendet sie verdammt viel Geld für die Renovierung der Kirche. Ich habe schon gehört, dass sie einen neuen Raum für die Sonntagsschule bereitstellen wird."

    Myrtle schnaubte. „Ein verzweifelter und vergeblicher Versuch, ihre unsterbliche Seele zu retten. Glaub jemandem, der alt und weise genug ist, um zu wissen, dass Parke Stockard eine Plage ist. Es macht ihr Spaß, die Leute in den Wahnsinn zu treiben."

    An der Schlafzimmertür ertönte erneut kreischendes Gebrüll und lautes Hämmern. Elaine konnte Myrtles plötzlicher Schimpftirade nicht ganz folgen und versuchte herauszubekommen, ob sich das Gespräch immer noch um Parke Stockard drehte, ohne preiszugeben, dass sie die letzten Sätze nicht ganz mitbekommen hatte.

    Myrtle konnte sich unglaublich in Kleinigkeiten hineinsteigern. Aber das konnte Elaine genauso gut. Ihr größtes Problem diese Woche war, dass Jack plötzlich in der Lage war, die Deckel seiner Trinkfläschchen selbst abzuschrauben. Elaine entschied, dass sie am besten beim letzten Teil des Gesprächs ansetzte, an den sie sich noch erinnern konnte. „Sloan würde deine Kolumne nicht kürzen, nur weil er auf sie steht, Myrtle."

    „Und Parke gibt mittlerweile mehr als alle anderen für ihre Anzeigen im Bugle aus, was Sloan offensichtlich zu ihrem lebenslangen Sklaven macht. Und das nennt sich freier Journalismus. Nur weil sie eine ach so bedeutende Unternehmerin und Immobilienmaklerin ist. Er denkt, dass sie sonst noch was ist, nur weil sie in New York eine Gesellschaftskolumne geschrieben hat. Wen interessiert das schon? Myrtles tiefer Seufzer drang durch das Telefon und ließ Elaine den Hörer von ihrem Ohr weghalten. „Diese Kolumne hat mir wenigstens eine Aufgabe gegeben.

    Elaine beeilte sich zu sagen: „Na, jetzt bist du ja auch in der Kirche aktiv, nicht wahr? Du hast also immer etwas zu tun." Es hätte Red gerade noch gefehlt, dass sich seine achtzigjährige Mutter wieder langweilte.

    Myrtles Stimme klang stählern. „Wie, in der Kirche aktiv?"

    „Die Altargilde und der Kirchenkreis. Red hat das heute Morgen erwähnt."

    Eine bedeutungsschwere Stille legte sich über sie, bevor Myrtle sprach: „Ich habe mich nicht für die Altargilde gemeldet. Und ganz bestimmt nicht für den Kirchenkreis. Die alten Mütterchen. Hat Red mich angemeldet?"

    Hätte Jack nicht gerade vor der Tür einen Wutanfall gehabt, hätte Elaine den drohenden Unterton in der Stimme ihrer Schwiegermutter erkannt. „Hmm."

    Myrtle kochte vor Wut. „Parke Stockard war bisher diejenige, die es in Bradley am meisten herausgefordert hat, dass man ihr an die Kehle springt, aber Red scheint sie gerade überholt zu haben."

    *****

    Josh Tucker beobachtete, wie Sloan Jones, sein Chef beim Bradley Bugle, den Hörer auf das Telefon pfefferte. „Grundgütiger, klagte Sloan und begrub den Kopf in den Händen. „Verschone mich in Zukunft mit Gesprächen mit Myrtle Clover.

    „Meckert sie immer noch, weil ihre Kolumne gestrichen wird?"

    „Ich habe sie nicht gestrichen. Ich habe sie nur gekürzt. Außerdem wurden ihre Tipps gegen Nasenbluten in letzter Zeit etwas seltsam."

    „Und warum wurde mein Artikel in der letzten Ausgabe gekürzt? Meiner war nicht seltsam", sagte Josh.

    „Ach, tut mir leid, sagte Sloan, „der war wie immer hervorragend geschrieben. Ich musste nur für Parkes Kolumne Platz finden. Ihre wöchentliche Werbung füllt eine ganze Seite und hat uns aus den roten Zahlen geholt. Gott sei Dank zahlt sie im Voraus.

    Joshs halbherziges Lächeln verschwand von seinem Gesicht. „Und sie schreibt auch nicht schlecht. Stell dir vor, zwei ehemalige New Yorker Journalisten beim Bugle!", fuhr Sloan fort.

    Josh massierte sich die Schläfen. Manchmal vermisste er New York. Er hatte erwartet, dass sich in seiner Heimatstadt das eine oder andere verändert hätte, während er weg war, aber er konnte keine einzige Veränderung wahrnehmen. In Bo’s Diner kosteten Chili Hotdogs immer noch 99 Cent. Die Bibliothek von Bradley hat seit 1985 keine neuen Bücher mehr angeschafft und Miss Hudgins begrüßte immer noch alle Besucher mit einem 'pssst'. Der Bradley Bugle berichtete über Bridge-Abende und Goldene Hochzeiten immer noch als wären sie die wichtigsten lokalen Ereignisse. Und seine Mutter wollte ihn immer noch verhätscheln und brachte beim ersten Niesen weiterhin eine wässrige Hühnersuppe vorbei. Bradley war das Musterstück einer amerikanischen Kleinstadt.

    „Parke bringt neuen Schwung in den Bugle." Sloan hing seinen Gedanken über Parke Stockards Vorzüge nach und dachte versonnen an das strahlende Lächeln, das sie ihm am selben Morgen zugeworfen hatte. Sloan hatte heute sein strähniges Haar sorgfältig zur Seite gekämmt. Ein schwieriges Unterfangen, das voraussetzte, dass er seinen Kamm fand, den er schon vor Wochen verlegt hatte.

    Josh errötete. Parkes teures, blumiges Parfum hing immer noch im Büro, kitzelte ihn in der Nase und verschlimmerte so nur seine Migräne. Außerdem erinnerte ihn der Geruch an Parkes herablassendes Lächeln. „Solange das Kürzen meiner Artikel jetzt ein Ende hat. Wir haben den Bradley Bugle zu einer preisgekrönten Zeitung gemacht, Sloan. Wir rücken langsam aber sicher ins Zentrum des öffentlichen Interesses... und zwar nicht nur in Bradley. Da können wir es nicht gebrauchen, dass sie sich einmischt."

    Sloan blickte verklärt auf die Trophäe in Form einer übergroßen Schreibfeder, die einen Ehrenplatz auf seinem mit Zetteln übersäten Schreibtisch bekommen hatte. „Ja, das haben wir gut gemacht, nicht wahr?" Sloan strahlte Josh an. Sein Lächeln verschwand, als er Joshs unbeeindruckten Gesichtsausdruck sah. Sloan zog unsicher an seinem Hemdkragen. „Platz ist Geld, weißt du. Parkes Werbung hilft uns sehr, denn wir haben kein Budget wie die New York Times. Oder der Charlotte Observer. Oder der..."

    „Ich hab‘s verstanden. Aber es gibt sicher andere Artikel, die du kürzen kannst. Ritas Rezepte vielleicht?"

    „Da würde ich Drohbriefe von den Lesern bekommen."

    „Die Horoskope, die sich Maisy Perry ausdenkt?"

    „Josh, es gibt Leute, die planen ihren gesamten Tag nach ihrem Horoskop. Da wäre was los auf den Straßen, wenn Maisy ihnen nicht mehr den Weg weisen würde."

    „Dann halt die 'Gute Nachbarschaft'-Kolumne. Wenn jemand die Punschschüssel seiner Oma gegen ein paar Tomaten-Setzlinge tauschen will, muss sich ja nicht der Bugle darum kümmern, oder?"

    Sloan starrte ihn fassungslos an. Es war ihm schleierhaft, wie Josh während seiner Zeit in New York jeglichen Bezug zur Realität in Bradley verlieren hatte können. „Jetzt hast du aber ganz wilde Ideen. Wenn ich nicht als Vermittler helfe, wenn jemand seine National-Geographic-Sammlung gegen eine Readers-Digest-Sammlung tauschen will, würde ich öffentlich gesteinigt werden. Kannst du dich noch an meine 75-jährige Nachbarin erinnern, Miss Sissy? Sie würde mich jeden Morgen ausbuhen, sobald ich vor die Tür gehe, um den Müll rauszubringen. Sie ist der größte Fan der 'Guten Nachbarschaft'."

    „Dann wären wir wieder bei Parke."

    Sloan entging der düstere Unterton in Joshs Stimme. „Wie ich dir schon gesagt habe, finanziert Parke ganz alleine unsere bescheidene Auflage. Nein, wir müssen deine Artikel und Myrtles Tipps kürzen. Dir verdanken wir die Auszeichnung, fügte Sloan hastig hinzu, „aber wir können deine Artikel noch etwas reduzieren. Und Myrtles Kolumne ist noch neu genug, dass sich die Leser noch nicht ganz darauf versteift haben.

    Josh beugte sich wieder über seinen Artikel. Die Diskussion war für ihn somit beendet. Er würde nicht hinter Parke Stockard die zweite Geige spielen ‒ und es interessierte ihn nicht im Geringsten, wie viele Werbeeinnahmen sie ihnen bescherte.

    *****

    Tanner Hayes keuchte und hustete, die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Die Tatsache, dass seine sonst so gesunde Röte einem aschfahlen Teint gewichen war und er sich dramatisch an die Brust griff, hätten einfühlsame Beobachter als einen plötzlichen Herzinfarkt erkannt. Aber Parke Stockard war trotz all ihrer Schönheit, ihres Geldes und ihrer Gerissenheit nicht besonders aufmerksam. Oder einfühlsam. Sein rundes Gesicht mit den vorstehenden Augen, der fast schon kahle Kopf und sein Gestotter erinnerten sie vielmehr an eine Kröte.

    Sie scheuchte mit ihrer manikürten Hand desinteressiert eine summende Fliege in seine Richtung und fragte sich, ob er sie wohl wie ein Reptil mit einer langen Zunge fangen würde. Als das nicht der Fall war, kam sie wieder auf das Geschäftliche zurück.

    „Ihr Haus, wiederholte sie laut. War der Alte taub oder einfach nur dumm? „Sie müssen es mir verkaufen. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie für die Unterschrift bereit sind. Sie werden überrascht sein, wie viel Ihr Grundstück wert sein wird, wenn wir erst das Haus abreißen und stattdessen drei neue aufstellen. Mal ehrlich, Ihr Haus ist vollkommen veraltet. Sie gestikulierte mit ihrem schlanken Arm um sich. „Sie werden es nicht mehr verkaufen können, wenn Ihre Frau erst mal in einem Seniorenheim ist. Was, so betonte sie, „jederzeit der Fall sein könnte. Sie sah ihn eindringlich an, machte auf dem Absatz kehrt und stolzierte zu ihrem Auto.

    Als Parke in ihrem Sportauto die Straße entlangfuhr, richtete sie sich den Rückspiegel so ein, dass sie ihren Lippenstift nachziehen konnte. So kam es, dass sie nicht bemerkte, wie Tanner Hayes in seiner Einfahrt lag, die Hände immer noch auf die Brust gepresst, während seine Frau Althea ihm zu Hilfe eilte.

    Es war nur eine kurze Fahrt bis zu ihrem eigenen Zuhause, das früher ein altes Farmhaus mit Veranda gewesen war. Zumindest bis sie es dem Erdboden gleichgemacht hatte. Jetzt stand an seiner Stelle eine mediterrane Villa mit dem Namen Shangri-La, verziert mit echtem Stuck, einem Ziegeldach und einer kleinen separaten Wohneinheit im Kellergeschoß für ihre Schwiegereltern. Die Wohneinheit erinnerte mehr an einen Kerker, aber das spielte keine Rolle mehr, da Parke sich von ihrem nervtötenden Ehemann scheiden hatte lassen und somit auch ihre lästigen Schwiegereltern los war.

    Sie überlegte nun, stattdessen ihren Sohn Cecil dort einzuquartieren. Um ihn sozusagen unter Verschluss zu halten. Sie war sich nicht sicher, was er mit dem ganzen Geld anstellte, das sie ihm gab, aber der widerwärtige tätowierte Freund mit den seltsamen Piercings ließ vermuten, dass Cecil erneut auf die schiefe Bahn geraten war. Es wäre nur schön, wenn ihnen dieses Mal eine Entzugsklinik erspart bleiben würde. Parke fragte sich, ob es hier im Süden überhaupt Entzugskliniken gab.

    Sie zog gerade die massive Holztür hinter sich zu, als Cecils Stimme vom Balkon im ersten Stock durch das mit Granit geflieste Foyer zu ihr drang. Sie nahm ihre Chanel-Sonnenbrille ab und rüstete sich für den Kampf. Wie viel würde er dieses Mal wollen? 25.000 Dollar? 40.000? Sie griff sich vorsorglich schon mit der gebräunten Hand an die Stelle, wo sie ihr Herz vermutete. Ihr Sohn kam nicht umher zu denken, dass sie aussah, als würde sie den Treueeid leisten.

    „Ja, Cecil?", fragte sie mit gespielt schwacher Stimme. Sie klang so fragil, dass ihr Sohn kurz innehielt.

    „Mutter, ich brauche etwas Geld." Seine Gedanken überschlugen sich, während er überlegte, wie viel er wohl rausschlagen konnte.

    „Ja, Cecil?" Sie ließ sich dramatisch auf einem Chippendale-Sessel nieder und suchte in ihrer Handtasche nach ihrem Scheckheft.

    „Nur... Er stockte. „Nur... Fünftausend.

    Parke stutzte. Fünftausend? Fünftausend was? Sicher nicht Dollar. Da musste ein Haken dabei sein. Fünftausend Pfund vielleicht? Oder fünftausend Rubine? Sie würde ihm jedenfalls keine Gelegenheit lassen, noch zu erhöhen. Sie griff nach dem Scheckheft sowie einem Stift und stellte einen Scheck aus. Dabei brach ihr einer der sorgfältig manikürten Fingernägel ab.

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