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Falsche Annahme: Kriminalroman
Falsche Annahme: Kriminalroman
Falsche Annahme: Kriminalroman
eBook316 Seiten4 Stunden

Falsche Annahme: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Wieder wurde in Düsseldorf ein Mädchen tot aufgefunden, das dritte Mädchen und es gibt keine Indizien, die auf Zusammenhänge deuten, wenn man vom Alter absieht, und es ist nicht das letzte Mädchen im pubertierendem Alter das gefunden wird.
Ein bekannter Psychologe, Elias Emilan soll das Ermittlerteam bei der Such dem Täter unterstützen. Die Kommissarin und ihr Team sind nicht erfreut über diese Entwicklung. Aus Argwohn wird Annäherung, aber auch Verachtung und es kristallisiert sich ein schwerwiegender Verdacht gegen den Psychologen heraus. Ein Verdacht den das Team auch wieder verwirft um ihn abermals aus der Schublade zu holen. Das Ermittlerteam ist uneins, außer in einem Punkt: Der Emilian ist selbst ein Durchgedrehter Typ
Das ist er wirklich, denn sein Wissen transportiert er nicht gerne. Exzentrisch wie er ist taucht er.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum16. Juli 2016
ISBN9783738075502
Falsche Annahme: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Falsche Annahme - Renate Amelung

    1

    Die Sonne blinzelt durch das frische Grün des Laubwaldes. Ihre Strahlen legen sich dampfend auf den feuchten Waldboden Rebecca Eden’s Mokassins gehen eine feste Verbindung mit dem schweren Boden ein. Sie schaut die kleine Schlucht hoch und seufzt über den verdorbenen Sonntag. Die Vögel zwitschern ihr Hochzeitkonzert, flattern aufgeregt von Baumwipfel zu Baumwipfel. Es verspricht ein schöner Tag zu werden. In wenigen Stunden erstickt der Grafenberger Wald an Spaziergängern die es aus den wintermuffigen Wohnungen in die ersten Frühlingssonnenstrahlen treibt. Zuerst kommen die Jogger, eifrig dem Trimm-Pfad folgend, ihrer jugendlichen Figur nachrennend, oder vor dem Herzinfarkt voraneilend. Eins ist ihnen gemeinsam, sie scheuchen die Urbewohner des Waldes von den Lichtungen zurück in ihre Verstecke. An diesem friedlich wirkenden Morgen erwacht der Wald auf andere Weise.

    Der Deckel wird von zwei Männern in schwarzen Anzügen auf den schlichten Sarg gelegt und abtransportiert. Der Fotograf nickt, schießt noch ein paar Aufnahmen. In einer Stunde werden die Bilder bei Rebecca Eden auf dem Schreibtisch liegen. Der Obduktionsbericht wird frühestens Montag da sein, aber die Kommissarin kennt das Ergebnis schon. Todesursache durch strangulieren, starke Kampfspuren und trotz gegenteiligem Erscheinungsbild keine Vergewaltigung. Die Spurensicherung wird ebenso wenig mit Neuerungen aufwarten. Der Fundort ist nicht der Tatort und die Kleine besucht dieselbe Schule wie die anderen beiden Opfer. Ganz offensichtlich bedient sich da eine Bestie wie in einem Kaufhaus in dem noblen Mädchen-Pensionat. Verdammt, es ist das dritte junge Mädchen! Es muss etwas geschehen. So kommt sie nicht weiter! Sie wird das Angebot des Staatsanwalts annehmen und die Psychologin mit einbeziehen, auch wenn es ihr nicht passt wie Doktor Lachmann die Dame in den höchsten Tönen lobt. Vermutlich ist sie seine neueste Favoritin, gar die blonde Walküre mit der sie ihn vor einiger Zeit zufällig beim Griechen traf. Lachmann wirkte an dem Abend nicht sehr glücklich über die Entdeckung. Schade, sie hatte der Dame nicht in ihr Gesicht sehen können. War sie attraktiv? Auf jeden Fall nicht mehr ganz jung, da er sie noch aus Studienzeiten kannte und dies ist gut so für die künftige zusammen Arbeit, denkt Rebecca Eden.

    Rebecca Eden begutachtet nochmals alle Details an der Fundstelle, es ist vergebens. Wirklich nichts, auch keine Fußabdrücke die auf einen Täter hinweisen. Es ist ihr ein Rätsel. Da macht sich Jemand nicht die Mühe eine Leiche zu verstecken und hinter lässt trotzdem keine Indizien. Hier ist nichts was ihr einen Hinweis gibt. Bedächtig zieht sie das Handy aus der Tasche, gibt die Zahlenkombination von Staatsanwalt Lachmann ein, stoppt jedoch den Vorgang. Den schweren Schritt kennt sie. Schnaufend im Dauerstress mit seinem Heuschnupfen tritt Lachmann neben sie.

    Na, was ist jetzt mit meinem Angebot?, fragt Lachmann.

    Mist, muss er jetzt danach fragen, wo sie es tun wollte! Alle Vorsätze sind zum Teufel. Guten Morgen, Herr Staatsanwalt, sagt sie betont höflich.

    Mojen! Emilian ist eine Kapazität, das solltest du, nicht ausschlagen.

    Schon wieder, sie hasst seine rheinische Eigenart die Menschen überall und bei Jedermann beim Vornamen zu nennen sobald er per Du mit ihnen ist, so wie sie sein Frau Eden kannst du, machst du, gehst du, hasst. Rheinischer Schwachsinn an den sie sich nur schwer gewöhnt. Hier geht es nicht um persönliches, sondern um drei Kinder die ihr Leben gelassen haben. Da muss ihr jedes probate Mittel recht sein und über dem eigenen Ego stehen. Rufen Sie die gute Dame an!

    Wie bitte, was meinst du Frau Eden?, fragt Lachmann.

    Ihre Doktor Elisa. Sagen Sie, sie soll sich beeilen, oder besser nicht.

    Äh... Er lacht. Frau Eden, Frau Eden! Die schwarzen Türen des verhangenen Mercedes schließen. Verzeihung, ist nicht angebracht. Doktor Emilian wird dir gefallen, Frau Eden. Aber ich kann schlecht. Ich darf daran erinnern, es ist Sonntag, und noch in aller Herrgottsfrühe, da kann ich Emilian schlecht aus dem Bett schmeißen.

    Aha, selbstredend das Bett aus dem er kam und in das er beabsichtigt gleich wieder reinzusteigen, denkt Rebecca Eden und sagt barsch, für mich auch!

    Was?, will Lachmann wissen.

    Sonntag! Und verdammt früh für einen dienstfreien Tag! Hören Sie, ich war von der Idee nicht sonderlich angetan, aber jetzt soll sie ihren Allerwertesten zusammenrotten und schleunigst im Präsidium erscheinen. Ich hoffe sie ist nicht zimperlich!

    "Ach, Frau Eden, dass ich es nicht vergesse, Doktor Emilian hat alle Befugnisse und ist mir unterstellt.

    Prima, und keine Pflichten nehme ich an. Abrupt wendet sie sich ab und steigt in ihren Dienstwagen. Glaubt er etwa ihr macht es Spaß? Sie ärgert sich, was ist der wirkliche Grund warum man ihr eine Wanze in den Pelz setzt? Und sie stimmt leichtsinnig zu. Ihre Qualifikation kann es nicht sein, ihre Aufklärungsrate liegt über dem Durchschnitt. Nur ein einziger Fall lagert zäh auf ihrem Schreibtisch, der tote Gärtner. Gleich am Montag wird sie den Akt bei Seite schieben. Was wird ihre Tochter Gerrit sagen, wenn sie merkt, dass wieder ein Sonntag geplatzt ist? Wie hat sie sich die Arbeit mit einer Psychologin an ihrer Seite vorzustellen? Müssen die nicht selbst alle bei ihrem Kollegen auf die Couch? Hoffentlich ist es keine Klatschbase. Sie wird ihr mit dezidiertem Desinteresse begegnen oder auf bilaterale Entspannungspolitik in Nimmer Land umlenken, aber sich nie in die Karten schauen lassen. Rebecca Eden greift zum Telefon. Eden.

    Hallo Robert, schön, dass du im Land bist, kannst du deine Tochter heute abholen?

    Sicher Rebecca. Will sie das denn?

    Robert...

    Aha, deine Arbeit, geht vor. Rebecca, komm zurück zu mir, dann brauchst du diesen blöden Job nicht machen. Ich meine 18 Jahre Ehe sind doch kein Pappenstiel... Rebecca hält das Handy angewidert mit ausgestreckter Hand und lässt die Blubbermaschine ausklingen.

    Wir haben da genug drüber diskutiert! Holst du Gerrit nun ab?

    Ja! Wir haben nicht diskutiert. Du bist sang und klanglos in diese winzige Wohnung gezogen.

    Verdammt Robert, wir haben wochenlang geredet, wir haben 5 Jahre gestritten, genau seit ich wieder arbeite.

    Du brauchst ja auch nicht arbeiten!, mault Robert Eden.

    Du hast dich in deiner Wortwahl vertan, ciao Robert und danke. Mistkerl, Frauen sollen ihre Arbeitsplätze den Männern überlassen ist seine Divise und es stimmt sie heute noch übellaunig trotzdem sie seit einem Jahr von ihm geschieden ist und das Sorgerecht für die 17-jährige Tochter Gerrit hat. Rebecca geht die wenigen Schritte zum Wagen, der auf der Ernst Poensgen Allee gegenüber dem Polizeisportverein parkt. Ohne den Berufsverkehr wird sie in ein paar Minuten im Präsidium sein.

    2

    Elisa betritt den Frisiersalon als einer der letzten Kunden am Samstag. Es ist ein schwerer Gang. Sein ganzes Leben trug er das Haar lang, nun muss der Zopf ab. Für Christine wird er ihn opfern, besser für alle Christinen die er je trifft und ihn interessieren. Der Schnitt mit der Schere ist der Schnitt durch sein Leben.

    Seine glücklose Kindheit machte ihn zu dem was er ist. Ruhelos auf der Suche nach einer besseren Welt, immer mit Rat und Tat zur Seite. Der sich auf die Maxime gesetzt hat jedem Kind eine Zukunft zu geben, zurückzugeben. Im eigenen Überlebenskampf hat er gelernt zu überleben, ein feines Ohr, Gespür dafür zu entwickeln was in anderen Menschen vorgeht und so Katastrophen zu erahnen.

    Die Tür klimpert nervig in das Schloss. Binnen Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkommen und Raum zur Flucht lassen, rauscht ein Farbkasten auf zwei Beinen um den mit Duftwässerchen gefüllten Raumteiler.

    Waschen, Föhnen, Legen?, fragt die junge Dame.

    Sie wird wissen was zu tun ist. Er nickt ergeben. Mühelos bugsiert sie seine verstimmten 88 Kilogramm bei 1-Meter-88 auf einen der Marterstühle. Hebelt ihn unsentimental in den Abgrund. Sie fasst in seine Mähne, streift sie nach hinten, ihr Griff prüfend.

    Ganz nett, sagt sie, ein schöner Fasson Schnitt, wo arbeiten Sie? Ich mein darf es etwas Modernes sein?

    Nein!, sagt Elisa energisch.

    Dann zeige ich Ihnen etwas. Geschwind wirbelt sie mitschwingenden Hüften, unter dem kurzen Rock davon und lässt ihn allein mit seinem Spiegelbild. Sie kommt auf den Absätzen zurück geklappert. Das Musterbuch landet auf seinem Schoß. Traummänner lächeln ihn an. Nein! Nie wird er so wie diese Sonnyboys lächeln.

    Sind Sie neu in der Gegend?

    Nein, ich bin der Typ den ihr nicht mögt!

    Der mit dem Renault. Elisa weiß wie unbeliebt er mit dem alten, stinkenden Sportwagen ist, wenn er spät in der Nacht nach Hause fährt und sein röhrender Auspuff die Bauern in Hamm aus dem Schlaf reißt. Kappes-Hamm nicht zu verwechseln mit der Stadt in Westfalen, sondern ein Stadtteil von Düsseldorf. Eingeschlossen von der Südbrücke, die lange die südlichste Möglichkeit der Rhein-Querung nach Neuss darstellte und von der Eisenbahnbrücke im Norden. Den Westen begrenzt der Rhein mit einem Hochwasserdeich auf dem sich vier Wassersportvereine etabliert haben. Den Osten verbindet die Straßenbahn-Linie 708, mit der Endstation, wie an einem Faden mit der Stadt. Bis Ende der sechziger Jahre lebte man hier wie in einem Dorf mit Ackerbau, denn die Natur ließ einst einen Klecks fruchtbare Erde aus der Kölner Bucht hier fallen. Im innersten seines Herzens war jeder Einwohner in dieser Enklave ein Hammer und kein Düsseldorfer, selbst der Dialekt trennte die Menschen. Hier übersetzt man nicht alle Tassen im Schrank mit ‘ne Äz am rollen. Sie hießen Schmitz, Knell, Esser, Leuchten, Röckrath und, und, und es schien als bliebe es so. Bis der erste Gemüsebauer ein Mietshaus errichtete. Bald erkannten auch andere, dass Mietbücher bequemer sind als Feldarbeit und der Bau-Boom hielt Einzug in die Idylle, so blieben nur wenige Höfe erhalten.

    Warum die Friseuse wenig später ein ansehnliches Trinkgeld von Elisa bekommt wird ihr ein Rätsel sein, aber sie hofft er kommt wieder und sie steigt eines Tages mit in den blauen Zweisitzer.

    Elisa schnappt nach Luft als er wieder auf dem Bleek, dem Marktplatz der früher als Bleichplatz diente, draußen vor dem Salon steht.

    Bei leichtem Nieselregen tritt er zu Fuß den Heimweg an, biegt um die Ecke zur hohlen Gasse ‘Auf den Kampen’, erleidet knapp einen Herzstillstand der in Herzjagen umschlägt. Christine! Es kann nur Christine sein die auf den Stufen vor seiner Haustür sitzt. Er beschleunigt und stockt nach wenigen Metern. Diese blutjunge Frau kennt er nicht. Die ganze Kartei seiner Probanden geht er wie im Diavortrag durch.

    Direkt vor ihm erhebt sie sich, lächelt, schaut auf ein Foto. Hast dich kaum verändert, Onkel Elisa.

    Onkel?, fragt er verdutzt.

    "Ja, also bei der Taufe war ich etwas zu klein um mir dein Gesicht einzuprägen, bis zum zehnten Lebensjahr hast du Steiftiere geschickt, dann kamen Bücher, ich habe sie gelesen, zu meiner Konfirmation hast du zu gesagt, bist aber nicht erschienen. Das hast du dann mit einem Schein erledigt. Zur Abi-Feier hast du dich auch freigekauft und zum Studienbeginn in Düsseldorf bist du dran, lieber Patenonkel."

    Lea?, fragt Elisa.

    Meinen Namen weißt du noch!, bemerkt sie fröhlich. Also Mama hat sich die Finger wund gewählt, aber der Herr Doc-Seelen-Klempner ist nicht erreichbar. Hast die E-Mail nicht bekommen, oder den Brief?

    Doch, jetzt, glaube ich, sagt Elisa. Prosaisch langt er in die einen Spalt offenstehende Briefkastenklappe in der Tür. Nicht die feine Art des Briefträgers, aber in dieser Enklave Dorf mitten in der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen ist alles möglich.

    Egal ich bin hier, und wohne bei dir. Mama meint Wohngemeinschaften sind nichts für Töchter. Sie hat da so ihre Erfahrung aus der eigenen Studienzeit. Hast du damals nicht mit ihr in einer WG gewohnt?

    Unwillkürlich setzt er den Rechenmechanismus graue Zellen in Gang derweil er den hübschen Windfang betrachtet. Es ist Quatsch er weiß doch wie alt sie ist, genau zwei Jahrzehnte und mit ihrer Mutter, Freja lebte er vor einem viertel Jahrhundert in der WG.

    Was ist nun, willst du mich nicht hereinbitten? Ich habe eine lange Fahrt hinter mir, sagt Lea. Elisa starrt sie noch immer regungslos an. Er versucht zu begreifen, was da für eine Verantwortungslawine auf ihn zukommt.

    Was ist nun? Dir hat es die Sprache verschlagen und Mama hat behauptet dein Redefluss sei das Zuverlässigste an dir. Ach, keine Angst sie hat mich gewarnt. Du lebst mit einer viel zu jungen Frau zusammen. Und sie wundert sich, dass die Lütte es schafft dich so an die Kandare zu nehmen. Ich werde schon nicht in deine Privatsphäre brechen.

    Bei euch Ostfriesen wird noch getrommelt, sagt Elisa. Er zieht den Schlüssel aus der Hosentasche und öffnet die Haustür. Hast du kein Gepäck?

    Doch, und wie, antwortet sie, und schlüpft flugs durch den schmalen Spalt. Wie lebt denn so ein Seelen-Heiler? Ups, du ziehst um?

    Elisa antwortet nicht, kickt mit dem Fuß die Tür hinter sich zu.

    Du renovierst? Wie eine Ballerina wirbelt sie über die blanken Holzdielen, streift mit der Hand über den Ledersessel, bückt sich, nimmt einige Bücher kontrollierend in die Hand, sie rümpft die Nase, Fachliteratur, ein Blick aus dem großen Fenster zum Innenhof, sie geht auf ihn zu legt die Hände auf seine breiten Schultern. Das sieht verdammt nach Krise aus.

    Elisa sinkt stöhnend mit geschlossenen Augen in seinem Sessel und zieht die Beine an, er rollt sich wie ein Igel zusammen. Verdammte Osterferien, es waren doch nur 3 schlichte Wochen die er weg war. Nur 3 Wochen im Dienste der gestrauchelten Jugend.

    Und nun?, fragt Lea.

    Auf der Stelle schlägt er die Augen auf, spürt bleierne Müdigkeit und weiß, dass die Zukunft Unruhe bringt.

    Lea ist nicht müde zu kriegen. Sie hat die Großstadt in sich aufgesogen. Aber sie hat auch akzeptiert, dass Elisa nicht die ganze Altstadt an einem Abend mit ihr durchstreift. Schließlich ist seine Stimmung nicht gerade auf dem Höhepunkt angelangt, aber in dem irischen Pub wo sie den Lachs zu Abend aßen und danach darteten fand er sein Lächeln endgültig wieder. Einige Male musste sie ihn an fremde Personen die er gut kannte ausleihen, aber das dauerte nie so lange dass Langeweile aufkam. Die halbe Nacht verbrachten sie so. Jetzt hockt sie mit ihm vor dem knisternden Kamin und sie blicken in die lodernden Flammen. Elisa sagt, ich hatte das ganze Wochenende nur für uns eingeplant, und sie haut einfach ab. Elisa nimmt die Pfeife und stopft den Tabak.

    "Du hast geplant! Ein Wochenende! Das reicht einer Frau nicht. Beim nächsten Mal planst du besser und beziehst sie ein", sagt Lea.

    Nächstes Mal! Es gibt kein nächstes Mal.

    Okay, sie ist weg, aber wahrscheinlich hat sie nicht dich geliebt, sondern die Situation. Ein Doc mit Namen hat seine Reize. Vermutlich bist du zufällig ganz nett im Bett. Das dauert, aber es hört irgendwann auf zu brennen in der Brust. Verdammt Elisa, warum hast du Christine nicht mit einbezogen in diesen Bootstörn? Ich mein einfach mitgenommen.

    Sie hasst Wasser und primitives Bootsleben. Es war verflucht eng auf den Kähnen und es hat nicht eine private Minute gegeben. Außerdem ist es wahnsinnig schwer auf so engen Raum, wenn man sich nicht hundertprozentig mag und respektiert und das kann man nicht mit einer wild zusammengewürfelten Gruppe Jugendlicher.

    Was für Kähne? Was für Jugendliche?

    Charterboote, zwei Boote, je zwei Betreuer und 18 gescheiterte junge Leben. Autodiebe, Misshandelte, Streunende, Süchtige Jungen und Mädchen. Die ersten Tage waren verflucht schwer, bis sie sich aneinander gewöhnt hatten. Timo kam nicht mit Susanne klar, Susanne hasst den aufdringlichen Lars, Lars weiß nicht dass die Dusche von jedem benutzt werden soll und dass man sie so hinter lässt dass man es kann, Benjamin diskutiert jede Handlung so lange aus bis das Boot herrenlos auf dem Kanal treibt, Lasse kann plötzlich nicht mehr schwimmen und sieht nicht ein warum er helfen soll, Janine lässt die Koteletts auf dem Grill verkohlen, in der Bar in Trèbes gibt es kein einziges Glas mehr, der Schleusenwärter von Carcassonne hat keinen Sonnenschirm mehr, die Bank im Vorschiff ist gebrochen, der Tampen am Heck suchte am ersten Tag das Weite, der Billardtisch in dem kleinen Gartenlokal von Roubia ist manipuliert, ein Griff in die Fahrtenkasse, Biggi ist über die Landstraße abmarschiert und Spüldienst übernimmt sowieso keiner.

    Mein Gott, Elisa wie stehst du das durch?

    Gut! Ich habe mit Lea in Trèbes beim einem Glas des teuersten Hausweins um die Gunst unserer Schützlinge gebuhlt und wir durften anschließend die von den Kids eigenhändig mit schamroten Kopf zurückgebrachten Gläser wieder auf das Boot tragen und die gespendeten Erinnerungsstück austeilen; der Wein war bezahlt. Wir haben uns in die Prärie gelegt und die Kids ausgehungert und dem Täter die Möglichkeit gelassen das Geld anonym in die Kasse zurückzulegen.

    „Hat er?"

    Er hat es mir gegeben und sich entschuldigt, er hat sich eine Strafe ausgesucht und der Spüldienst war erledigt. Als ich mit meiner Kollegin von der Post zurückkam, war unser Boot weg, die Bande lag im Gras und hat geschlafen, keiner hat bemerkt wie der Pott sich selbstständig machte. Sie haben mich den Kanal lang rennen lassen. Da lag das Schiff, friedlich festgemacht, sie hatten die sechsfach Schleuse schon alleine gemeistert. Wir haben mit der Klampfe unseren eigenen Song gedichtet und den Text auf ein weißes T-Shirt für jeden drucken lassen. Susanne und Lars saßen Abend für Abend beieinander. Ich habe mein Wissen über Verhütung preisgegeben. Auf dem neuen Sonnenschirm des Schleusenwärters steht jetzt Coca-Cola, ich machte mir keinen Kopf wo der he kam. In einem Dorf am Kanal haben die Bewohner uns zum Osterfeuer eingeladen, ein riesiger Scheiterhaufen auf dem Platz am Ufer, Getränke und die längste Grillwurst die ich je sah umsonst. Anschließend habe ich einen Grundkurs in Fische füttern geleitet und mir ein Aspirin reingeschoben. Biggi saß an der ersten Schleuse und heulte, keiner nannte sie mehr einen Rotfuchs. Es gibt ein paar Berufswünsche und angestrebte Schulabschlüsse. Beim Abschied auf dem Bahnhof gab es Tränen und ausgetauschte Adressen und für mich eine Pfeife, sie ist nicht besonders gut, aber es schmeckt verdammt gut. Es war anstrengend und es war verflixt schön.

    Es muss wunderbar sein mit dir, wenn man nicht mit dir verbandelt ist.

    Mm...?

    Jäh dazwischen das Telefon. Elisa, sieht auf die Uhr, fast noch Nacht. Ja.

    Elisa, es ist so weit, ich brauche dich!

    Sofort, Rolf?

    Sofort!

    3

    Hinter ihrem jungen Kollegen Karsten Möller fährt Rebecca direkt nach der zweiten Tatortbesichtigung auf den Innenhof des Präsidiums. Da steht auch schon die junge Bettina Kämpf, dritte Kollegin in dem Team, auf dem Parkplatz. Rebecca zweifelt sehr an Bettina’s Qualifikation zur angehenden Inspektorin. Bettina lebt allein und ist in ihrer Freizeit vehement auf der Suche nach einem heiratslustigen Homo sapiens. Berthold Blume fehlt noch.

    High, Rebecca, sagt Bettina.

    Hallo!

    High, die Damen, grüßt Karsten flapsig. Er stöhnt gewaltig hinterher. Wette, es gibt wieder keine brauchbaren Spuren.

    Trefflich!, sagt Rebecca.

    Und was machen wir jetzt?, fragt Bettina.

    Wo ist Blümchen?, erkundigt sich Rebecca.

    Der steckt sicher wieder im Kölner Nachtleben fest; ist schließlich Sonntag, antwortet Karsten. Er geht voran durch den Eingang des alten Backsteinbaus. Nicht gerade sehr elegant für eine Landeshauptstadt. Kein Wort fällt auf dem Flur. Der Verdruss löst sich erst als sie das Zimmer der Soko 9350 betreten haben.

    Stimmt das, Lachmännchen droht mit Verstärkung?, fragt Karsten.

    Ja, antwortet Rebecca knapp, und versucht ihre Zweifel runter zu würgen.

    Sie ist sogar schon da habe ich gehört, trällert Bettina.

    "Was!? Hat die am Sonntag nichts Besseres zu tun, als auf Abruf zu stehen?", fragt Rebecca. So schnell, dass passt ihr im Moment nicht, obwohl sie vor wenigen Minuten anders dachte.

    Hast du dir Mal die Konsequenzen überlegt, wenn die unserem Lachmännchen abends beim Bettgeflüster alles erzählt was wir hier am Tag verzapfen?, sagt Karsten.

    Ja, habe ich. Ihr werdet euch einfach wie Gentlemans benehmen.

    Schade, ein Mann wäre mir lieber, sagt Bettina.

    Nö, ‘nen Blondchen ist völlig okay, verbessert Karsten.

    Ich schätze dir geht es um die schwingenden Hüften, Ziege im Haus lockt Böcke, sagt Rebecca.

    Ein männlicher Hintern wäre Berthold lieber, verbessert Karsten. Berthold würde sicher mit gespreizten Arschbacken die Treppe vor ihm hochgehen, wenn er wüsste, dass er damit auf indirektem Wege über Lachmann seine Karriere anschieben kann.

    He, hm...!

    Wer ist das?, fragt Rebecca. Würdigt aber dem fremden Mann an der breiten Fensterfront wenig Beachtung nachdem sie schemenhaft seine olivfarbene Trekking-Hose und den schwarzen Rollkragenpullover in ihr fotografisches Gedächtnis aufgenommen hat. Da blitzt das Bild nochmals. Da war noch etwas, eine Geste! Ein Funken grünes in seinen Augen die er sofort niederschlug und dabei flink die Hände aus den Hosentaschen zog, das lange Strickzeug fällt runter wie ein Vorhang über die großen aufgesetzten Taschen. Sie geht zum Fenster und entdeckt den blauen Lieferwagen. Die Rostlaube ziert eine schäbige Aufschrift: Richrath, Klempnermeister der Mann für alle Fälle. Sie mustert den Mann für alle Fälle. So brachial mit einer Spirale in der Hand kann sie ihn sich nicht vorstellen.

    Der ist ja immer noch da!, sind die Worte die Berthold Blume beim Eintreten begleiten. Fangen Sie endlich an! Das Waschbecken ist da in der Ecke, an die Arbeit! Es wird aber auch Zeit, dass die Kacke repariert wird.

    Gut, wenn es so üblich ist in

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