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Der Tod ist immer anders: 13 schwarze Geschichten
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Der Tod ist immer anders: 13 schwarze Geschichten
eBook112 Seiten2 Stunden

Der Tod ist immer anders: 13 schwarze Geschichten

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Über dieses E-Book

Ein jugendlicher Pyromane, ein freundlicher Kannibale, eine unsichtbare Stripperin, aber auch so ganz normale Menschen wie ein lüsterner Chefarzt, ein infarktgefährdeter Lehrer oder eine übergewichtige Kuchenfreundin geraten aus Situationen alltäglicher Harmlosigkeit in tödliche Verstrickungen.
Jörg Staiber spielt mit den verschiedensten literarischen Gattungen von der bedrückend-realistischen Erzählung über die klassische Kriminal- und Gruselstory bis hin zur makabren Groteske, Märchen-Parodie oder fantastischen Geschichte und zeigt: Der Tod ist immer anders.

SpracheDeutsch
HerausgeberPandion Verlag
Erscheinungsdatum30. März 2019
ISBN9783869115511
Der Tod ist immer anders: 13 schwarze Geschichten

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    Buchvorschau

    Der Tod ist immer anders - Jörg Staiber

    Danksagung

    Grilltag

    „Es ist doch wirklich schön hier, oder etwa nicht", meinte Cäcilia Wassermann mit leichter Verzweiflung in der Stimme. Sie blickte sich um: Ja, es war schön hier. Sie frühstückten in einem riesigen Glashaus, in dem Kübel mit prachtvollen Pflanzen, alte Möbel sowie einige Bistrotische und -stühle aufgelockert verteilt waren. Die Morgensonne fiel in den hohen Raum, von dem man einen herrlichen Blick auf einen sanft geschwungenen grünen Hügel hatte.

    „Oder gefällt es euch hier nicht?", nahm sie einen weiteren Anlauf, um zumindest eine leicht zustimmende Reaktion von ihrem Mann und ihrem Sohn zu erhalten. Werner Wassermann blickte von der Zeitung auf.

    „Ein Käseblatt ist das, brummelte er. „Oder genauer gesagt, ein Bratenblatt. Schau dir die Anzeigen an: Heute Spießbraten. Oder hier: Unsere Spezialität, Schwenkbraten vom Rost. Oder wie wär’s zur Abwechslung damit: Rollbraten direkt vom Buchenholzgrill. Die Leute scheinen sich hier nur von Fleisch zu ernähren.

    „Seit wann bist du denn Vegetarier?", gab Cäcilia Wassermann spitz zurück.

    „Gefällt es dir denn wenigstens hier?, wandte sie sich ihrem Sohn Florian zu. „Ist es nicht toll, im Heu zu schlafen?

    Florian zuckte zusammen. Heu! An nichts anderes konnte er denken. Ein Streichholz – und ...

    „Na, was ist jetzt, gefällt es dir?", drängte seine Mutter weiter. Sie war unruhig. Schließlich war es ihre Initiative gewesen, in diesem Jahr nicht wie sonst ans Mittelmeer, in die Karibik oder sonstige südliche Gefilde zu fahren, sondern hierher, in die hinterste deutsche Provinz – dem Hunsrück.

    Der Psychologe, bei dem Florian in Behandlung war, hatte zu einem Urlaub auf dem Land geraten. Die frische Luft, eine natürliche Umgebung, Wiesen, Weiden, Wälder – er hatte gemeint, das würde dem Jungen gut tun. Sie hatte immer noch den Verdacht, dass es nur ein hilfloser Ratschlag war, mit dem der Seelenklempner überspielen wollte, dass er eigentlich auch nichts mit ihrem schweigsamen und verstockten Sohn anfangen konnte. Aber trotzdem, warum sollte man es nicht mal probieren. Jedes Jahr Provence, Costa Brava, Bali oder Dominikanische Republik. Jedes Jahr diese Hitze, jedes Jahr dieser Strand mit den Bikini-Schönheiten, die jünger waren als sie und natürlich auch bessere Figuren hatten. Dann las sie in einem Prospekt den Namen ihres jetzigen Feriendomizils: Heuherberge Wallenstein. Das klang urwüchsig und gebildet zugleich.

    Und es gefiel ihr wirklich. Und ihrem Mann und Florian sollte es auch gefallen. Dafür würde sie schon sorgen. Doch ihr Gatte blätterte weiter verächtlich in dem Provinzblatt und Florian …

    Florian blickte geistesabwesend in die brennende Kerze, die die Gastgeber überflüssigerweise – schließlich war es heller Tag – auf den Frühstückstisch gestellt hatten. Es war ihr unheimlich, wenn Florian so in eine Kerze starrte. Das hatte er schon getan, als er noch ganz klein war. Minutenlang konnte er reglos in die Flamme schauen. Und es war ihr immer schon ... Verdammt noch mal, warum darf einem das eigene Kind eigentlich nicht unheimlich sein? Sie hasste all diese Mütter mit ihrem „Ach, mein Sohn geht ja jetzt zum Tennis und „Ach, meine Tochter ist ja so begabt am Klavier und „Ach, mein Kind bringt ja nur gute Noten nach Hause". Florian tat in der Schule nur das Nötigste, und ansonsten war er verstockt, unzugänglich – und starrte in Kerzenflammen. Cäcilia Wassermann riss sich zusammen.

    „Lasst uns etwas unternehmen", schlug sie vor.

    Vater und Sohn blickten genervt hoch.

    „Wir fahren ins Museum in die Stadt, das ist mit dem Auto nur eine Viertelstunde."

    Werner Wassermann faltete seine Zeitung zusammen. Er wusste, dass Proteste jetzt nur Nerven kosteten und letzten Endes zwecklos waren.

    Florian blickte in die Kerzenflamme. Er wäre gerne wieder in den Süden gefahren. Er dachte an Südfrankreich, an den großen Waldbrand im vergangenen Jahr. Der ganze Berg hatte in Flammen gestanden. Fast hätte es ihn selber erwischt, als er das Feuer in dem trockenen Gebüsch entzündet hatte und dann auf einmal ringsum ihm die Flammen emporgeschossen waren. Mit Mühe und Not war er noch rausgekommen. Aber es hatte sich gelohnt. Drei Tage lang brannte der Wald, die Feuerwehr war machtlos. Das war schon etwas anderes als ein brennendes Haus. Aber auch das hatte natürlich seinen Reiz: das knisternde Gebälk, die schreienden Menschen, die Panik. Das hatte er schon dutzendfach erlebt. Und das würde er sicher noch öfter erleben. Florian dachte an das Heu im Schlafraum. Und er dachte an ein Wort, das er mal im Biologie-Unterricht gehört hatte, und das sich in seinem Gehirn festgefressen hatte: Der Fuchs jagt nie vor dem eigenen Bau. Aber er würde schon etwas finden. Sie waren auf dem Land hier, und da würde es bestimmt auch anderswo Heu geben.

    „Ich komme nicht mit, sagte er. Seine Mutter sah ihn fragend an. Doch bevor sie zu einem Vortrag anheben konnte, meinte Florian: „Ich habe da draußen Pferde und Ziegen gesehen. Ich würde sie gerne füttern. Vielleicht kann man sie sogar streicheln.

    Cäcilia Wassermann dachte einen Moment nach. „Gut, sagte sie dann. „Aber geh’ nicht vom Haus fort. Du könntest dich verlaufen. Vielleicht hatte der Psychologe ja doch Recht, vielleicht war es ja doch die Landluft, die der Junge brauchte. Wiesenduft, Tiere, das friedliche Grün der Hügel ringsum.

    Die Sonne stand hoch am Himmel. Karl Bärmann geizte sorgfältig die Nebentriebe der Tomatenpflanzen aus. Er war stolz auf seinen Garten, den er in zwanzig Jahren dem trockenen Felshang abgetrotzt hatte. Ein Geräusch ließ ihn aufblicken. Ein verschwitzter, blonder Junge stand vor ihm, ordentlich gekleidet, aber ziemlich matt aussehend.

    „Haben Sie vielleicht einen Schluck Wasser?", fragte der Junge. Bärmann sah ihn an. Er mochte vielleicht elf Jahre alt sein.

    „Komm näher, sagte er freundlich. „Natürlich kannst du etwas zu trinken haben.

    Der alte Bärmann mochte Kinder. Er mochte Kinder sogar sehr. Ja, man kann sagen, dass Bärmann nichts auf der Welt lieber mochte als Kinder – nicht einmal Rhabarbergrütze oder gefüllte Klöße. Bärmann musterte den Jungen. Etwa 30 Kilo, schätzte er. Ein zartes Schenkelchen für sofort, und der Rest käme in die Kühltruhe. Schnell versuchte er, den Gedanken wieder fortzuwischen. Kein Fuchs jagt vor dem eigenen Bau, sagte er sich, und daran hatte er sich bisher immer gehalten. Allerdings: In den nächsten Stunden würde es ein kräftiges Gewitter geben, und dann würden nicht einmal die Polizeihunde noch eine Spur von dem Jungen finden.

    „Du bist nicht von hier?", fragte Bärmann, als er dem Jungen eine Wasserflasche reichte.

    „Nein, sagte Florian. „Ich bin mit meinen Eltern hier in Urlaub. In Dreieichen.

    „Dann bist du ja ein ganz schönes Stück gelaufen, meinte Bärmann. „Deine Eltern werden dich schon vermissen.

    „Sie kommen erst heute Nachmittag wieder, erwiderte Florian. „Sie wollten ins Museum und sich dann noch in der Stadt umschauen.

    „Ich wollte mir gerade ein Feuerchen machen und was grillen, sagte Bärmann. „Wenn du willst, kannst du mitessen.

    Florian schaute sich um. „Schön haben Sie es hier", sagte er und deutete auf das Holzhaus, an das eine kleine Scheune angebaut war. Sie hatte unter dem Dach eine Luke und schien bis oben hin mit Heu gefüllt zu sein. Unwillkürlich griff Florian in seine Hosentasche. Aber da war kein Feuerzeug.

    Bärmann folgte dem Blick des Jungen. „Da oben ist ein Heuboden, sagte er. „Ich hab ein paar Ziegen, die sind jetzt auf der Weide. Im Winter kriegen sie das Heu. Jetzt im Sommer mache ich da oben immer meinen Mittagsschlaf. Es gibt nichts Schöneres, als sich nach dem Essen ins Heu zu legen und ein Nickerchen zu machen. Geh ruhig mal hoch und schau es dir an. Hinter der Schuppentür ist eine Leiter. Ich mache uns in der Zwischenzeit ein Feuer zum Grillen. Und während er sprach, drängte sich in seinen Kopf das Bild eines saftigen Oberschenkels.

    Florian blickte zur Schuppentür. Daneben lagen verrostete landwirtschaftliche Geräte und zwischen allerlei Unrat blitzten ein paar Glasscherben. Florian sah nach oben. In einigen Stunden würde die Sonne genau

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