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über dem Abgrund beginnt das Fliegen
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eBook165 Seiten1 Stunde

über dem Abgrund beginnt das Fliegen

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Über dieses E-Book

Wenn Prosa, Märchen, Poesie, Wissenschaft, Sichtbares und Unsichtbares, Reales und Mystisches, Wärme und Kälte zusammenkommen, dann sind wir mitten im Leben. Da hinein stürzen wir uns, bis wir fliegen...

... über dem Abgrund unseres Selbst, dem des Mit- und Gegeneinander, dem der täglichen Improvisation.

Sprache ist der geflügelte Bote, einzutauchen in unsere Wirrnisse. Sie wandelt sich unablässig, wird Musik. Und Wir? Folgen wir ihr? Bleiben wir beweglich? Uns und unser Umfeld zu entdecken?

Lebendige Sprache nimmt uns mit in eine zauberhafte Welt...

... von Charakteren, die aufeinandertreffen, um zu wachsen. Dialoge durchziehen den gelebten Raum, offenbaren Inneres und Äußeres... bis wir uns kennen... bis wir fliegen...
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum21. Dez. 2018
ISBN9783961426119
über dem Abgrund beginnt das Fliegen

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    Buchvorschau

    über dem Abgrund beginnt das Fliegen - Branko Stahl

    Branko Stahl

    wORT+Bild Atelier

    über dem Abgrund beginnt das Fliegen

    Inhalt

    über dem Abgrund beginnt das Fliegen

    Impressum

    „Sag mal, was ist Einsamkeit?"

    Nico betrachtete seine Hände. Sie lagen vor ihm auf dem Tisch: wie Fremde, die ihn auf seinem Leben begleiteten.

    „Vertrautheit, antwortete er klar heraus. „In der Vertrautheit lebt man nebeneinander her.

    Marco nickte: „Pia ist gestorben."

    Nico war kalt. Es wurde still in ihm. Er versank. Ohnmacht holte ihn ein. Lebendige Erinnerung stieg auf und schob den Tag beiseite... die leere Zeit blieb leer.

    „Der Pflegedienst war bei ihr. Sie hatten sie geweckt. Beim Aufstehen versagte der Kreislauf, ihr Herz."

    Nico schwieg: sah Pia in ihrem Zimmer: wie sie sich aus ihrem Bett erhebt, in täglicher Mühe, auf ihre Arme gestützt: wie der Tod sie erfasst: wie sie aufschaut. Er begegnet ihrem Blick: überrascht, mit leicht geöffnetem Mund, schwebt sie zwischen Kommen und Gehen.

    „Also doch mitten aus dem Leben gerissen... nach all dem Ringen... mit dieser... kalten Krankheit... dreißig Jahre zog sie ihren Griff zusammen... sie war ein Sterben in Zeitlupe: Stück für Stück... wir waren machtlos... gegen die Kälte des Zerfalls... wenigstens war sie nicht allein... nicht verschwunden in einer dieser ewig einsamen Nächte... nicht einfach ausgeknipst... so wie andere..."

    „Pia war fünfzig."

    „Wir haben uns nicht verabschiedet."

    „Pia hat sich nie beklagt. Sie war immer positiv."

    „Sie hatte Lebensfreudegefühl. Wir haben immer gelacht. 'Mittaaaagspause' hat sie ins Telefon gerufen, wenn sie mich anrief. 'Alla hopp', wenn sie auflegte."

    „Sie hat zu wenig von uns verlangt. Sie war mit allem zufrieden. Stunden, Tage, Jahre hat sie in ihren Schmerzen ausgeharrt. Und wenn wir kamen, war sie fröhlich."

    „Pia war eine Persönlichkeit."

    „Sie hatte den siebten Sinn. Sie sah den Menschen im Menschen. Ihr Blick ging hinter die Kulissen. Ihre Beobachtung traf. - Sie hatte einen Namen für jeden, auch für die Krankheit... Mona Lisa hat sie zu ihr gesagt..."

    „Mit ihr war man gemeinsam auf der Welt. Glücklich und traurig. Da war nichts dazwischen."

    Marcos Nicken löste sich langsam auf.

    „Glaubst du an Abschied?"

    „Nein... Dinge sind im Fluss. Wir auch. Es hat einen Sinn. Es gibt nichts zu verabschieden. Wir kommen. Wir gehen."

    Marco lächelte.

    „Möchtest du sie nochmal sehen?"

    „Ich sehe sie ja... solange ich lebe. Das hört nie auf."

    „Deine Hände zittern."

    Marco legte seine darüber.

    „Das Leben geht weiter."

    „Kennen wir uns?"

    „Müssen wir das?"

    Morgendämmerung setzte ein. Ein Schimmer von Tageshelligkeit lag im Raum. „Die Straßenbeleuchtung geht gleich aus", ging es Nico durch den Kopf.

    Stille füllte ein Stück Leben.

    „Und dann ist überall Streit. Wo man hinschaut reiben sich Menschen aneinander. Es ist wie eine Sucht."

    „So ist das Leben..."

    „Suchen wir Reibung? Ich meine: um der Einsamkeit zu entkommen?"

    „Vielleicht. Ego und Gegenego spüren darin Erfüllung. Sich aufzureiben ist ihre Natur. Darin sind sie sich selbst genug. Streiten ist ihre Kultur, ihr Wesen... ihr Glück."

    „Ich meine Reibung ins Gemeinsame hinein... in eine lebendige Vertrautheit, in ein Lächeln."

    „Ja, in die Erinnerung..."

    „Abseits vom Tod."

    „Abseits vom Leben."

    Marco und Nico schauten auf ihre Hände. Sie lagen noch immer zusammen auf dem Tisch. Sie hatten sich beruhigt: gegenseitig miteinander.

    „Einsamkeit drängt sich zwischen uns Menschen. Blind und taub macht sie uns: farblos und leer."

    „Es sei denn, ein Kuss berührte sie..."

    Marco lächelte unwillkürlich. Er schaute Nico an. Flüchtig hielt er sich in der Sinnlichkeit des Augenblicks. Er dachte an Helen Keller.

    „Schweigen ist die schönste Berührung der Welt."

    Nico stand auf. Er stützte sich auf die Stuhllehne.

    „Weißt du, wir selbst sind die Worte, die die Stille füllen."

    Marco nickte: „Wir sind Literatur."

    „Eine Installation in den Weiten des Kosmos."

    „Zwischen Milliarden Jahren."

    „In der Mitte der Endlosigkeit."

    „Ob man die Welt als Kunstobjekt verkaufen kann?"

    „Es muss jemand dreist genug sein, sie zu signieren."

    „Vielleicht muss man sie fälschen, damit wir ihren Wert erkennen."

    „Sind wir nicht die Fälschung unserer selbst?"

    „Na ja, merkt ja keiner."

    Nico lachte.

    „Ist Kreativität die einzige Freiheit, die wir haben?"

    Marco schaute ins Leere.

    „Was ist mit Liebe?"

    „Jemand schrieb mal: die Liebe ist größer als alles in der Welt, aber Zärtlichkeit ist noch größer als sie."

    „Da ist was Wahres dran."

    „Wenn du mich fragst, ist Liebe nur ein Scheinriese, eine Fata Morgana, ein Götze. Eine heroische Vorstellung von sich selbst. - Wenn du Liebe sagst, sprichst du von deinen Elementargefühlen. Das ist alles."

    „Elementargefühle?"

    „Ja... es sind zehn an der Zahl... ein ganzes Spiel..."

    „Und Vertrautheit? Was ist mit Vertrautheit?"

    „Vertrautheit ist nur die Bühne, der Raum, in dem wir uns bewegen. In ihrer Tiefe entfaltet sich unsere Würde."

    „Ja: unantastbar in der Leere dieser Bretter, die die Welt bedeuten... so unberührbar wie die Fremde."

    „Du kannst es drehen wie du willst: unsere Freiheit entzieht sich der Betrachtung. Gespielt wird hinter den Kulissen. Die Theaterbühne bleibt leer."

    „Minimalistisch?"

    „Ja."

    „Ist das der Grund, warum sie zum Ladenhüter geworden ist? Niemand geht mehr ins Theater."

    „Heute ist jeder seine eigene Bühne, sein eigenes Theater. Wir haben das Drama mitten im Leben. Und Zuschauer gibt es auch genug."

    „Nur die Gage macht Stress. Wie eh und je."

    „Aufmerksamkeit war schon immer ein Geizhals."

    „Sag mal: sollen wir das Geistige bleiben lassen?"

    „Genauso gut kannst du die Luft anhalten, dich tot stellen. – Vergiss nicht: für uns ist es Leben."

    „Wir sind isoliert."

    „Die Evolution hat uns hervorgebracht. Also muss es einen Vorteil für die Menschheit haben."

    „Und für uns?"

    „Dass wir frei sind."

    „Und allein."

    „Ein Same wächst nicht überall. Geistige Räume sind Geschenke, die sich nicht verschenken lassen."

    „Also nur der kalte Gang der Evolution um uns herum? Ich meine: ein Wuchern auf verfügbaren Ressourcen."

    „Vergiss nicht: menschliches Wuchern!"

    „Mysterium des Lebens."

    „Na klar: schwarze Katze, weißer Kater."

    „Ist das Geistige der Moder der Nacht?"

    „Ohne die Nacht würde sich das Leben erschöpfen. Es käme aus seinem unermüdlichen Müssen nicht heraus."

    „Die Nacht ist also ein Notaus."

    „Ihre Reizarmut bringt Klärung, sänftigt, lässt vergessen, ist ein biologisch erzwungenes Innehalten. Nicht alles, was sich zur Ruhe legt, erwacht auch am Morgen."

    „Du hast recht: Leben ist die schönste Art zu begraben..."

    „Aber der Morgen schenkt auch Neuigkeiten."

    „Die Nacht komponiert."

    „Sie schneidert neue Realitäten."

    „Der Zug des Lebens ist nicht nur ein Film."

    „Also doch zurück auf Kreativität."

    „Für uns oder für alle?"

    „Die Menschheit lebt."

    „Wie die Sterne im Himmel."

    Es klopfte leise.

    „Störe ich?"

    „Nein. Keineswegs."

    „Kommen Sie doch herein."

    „Bitte, nehmen Sie Platz."

    „Danke."

    Der Gast legte den Kopf leicht zur Seite.

    „Sie haben etwas vergessen."

    „Wir haben etwas vergessen?"

    „Ja. Haben Sie."

    „Gut... sagen Sie es uns."

    „Ja, zögern Sie nicht. Sprechen Sie frei heraus!"

    „Sie selbst. Sie sprechen nicht sich selbst. Alles was Sie sprechen ist Beobachtung. Es fehlt Ihr Atem in den Dingen, Ihre Verletzlichkeit, Ihr Blut, Ihr existenzielles Schweben."

    Nico und Marco schauten in die Tiefe. Ihre Blicke fielen: sie fielen in einen menschlichen Freiraum ohne Grenzen. Sie tauchten ein. Ruhe überkam sie.

    „Sie haben vergessen, dass Sie leben."

    Nico und Marco blickten sich an. Die Augen des Gastes hafteten auf ihnen.

    Nico drehte sich zur Seite. Er sprach in Richtung des Gastes: „Ihre Augen... Sie haben so klare Augen..."

    Marco ergänzte leise: „Aus welcher Welt schauen Sie? So ganz ohne Gewicht."

    Der Gast lächelte warm.

    „Könnten Sie ein Gewicht tragen? - Schon Ihre eigene Last ist Ihnen zu schwer. Sie haben sich in ihr verloren. Sie ahnen es nicht einmal. Mit Eifer tragen Sie sie. Stumpf sind Sie geworden unter Ihrer Last. Nähme man sie hinweg, würden Sie die Wucht merken. Ob Sie wohl aufschrien aus Ihrer Taubheit?"

    „Wer sind Sie?"

    „Sie möchten wissen wer ich bin?"

    „Ja."

    „Sie wollen das wirklich wissen?"

    „Sprechen Sie!"

    „Ja. Bitte erzählen Sie uns von sich."

    „Ich – bin: die Menschlichkeit."

    Nico und Marco wurden Schweigen. Über der Tiefe des Augenblicks verloren sie jeden Halt.

    „Lassen Sie sich fallen. Zögern Sie nicht. Haben Sie keine Angst."

    Die Besucherin verharrte bewegungslos. Ihr Blick schwebte. Frieden ging von ihr aus. Nico und Marco senkten die Köpfe.

    „Schauen Sie auf. Wir haben allen Grund zur Freude. Entdecken Sie die Leichtigkeit."

    Die Besucherin erhob sich.

    „Danke, meine Herren."

    Lautlos schloss sich die Tür hinter ihr.

    „Gelassenheit täte uns Not", dachte Nico im Stillen.

    „Sind wir zu fanatisch in unserem Denken?", fragte Marco ruhig.

    „Wir suchen den immer neuen geistigen Kick."

    „Währenddessen sedimentiert unser Wissen wie fallender Schnee."

    „Viel zu selten genießen wir den reinen Augenblick, einfach so: ohne Tiefe, ohne die Unruhe über dem Abgrund."

    „Wir haben verlernt, wie Kinder zu sein: hineinzulaufen in den Moment."

    Nico und Marco schwiegen. Sie überließen dem Tag seinen Lauf. Wenn auch nur für einen Augenblick, so erfasste sie die Stille der Zeitlosigkeit.

    „Trotzdem sind wir Gefühle. Fühlen ist der Antrieb allen Denkens. Auch unseres Denkens. Und unser Denken ist dieser Moment. – Wir sind Kinder geblieben..."

    „Unsere Gefühle sind verarmt, ausgeglüht in Jahrzehnten, schwach geworden in unserer Ratlosigkeit..."

    „Trotzdem prägt uns unser Mitgefühl. Wir haben es nicht verlernt. Klar: es ist schwächer geworden. Aber es ist da. Wenn wir leidende Seelen treffen, schauen wir hin, fühlen wir mit. Wir spüren diesen inneren Impuls des Innehaltens, eins zu sein mit dem uns umgebenden Leid: wortlos, gedankenfrei und erfüllt."

    „Und wenn unser Mitgefühl in die Irre führt? Wenn es uns Menschlichkeit nimmt? Den klaren Blick?"

    Nico und Marco saßen versunken in den Stätten ihres Lebens. Die Straßen hatten sich entvölkert. Auf Wandplakatierungen vergilbten Worte. Die Fenster der Häuser blieben geschlossen. Über den Asphalt

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