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Die CIA Marionette: Thriller
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eBook481 Seiten6 Stunden

Die CIA Marionette: Thriller

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Über dieses E-Book

Um dem bevorstehenden Zugriff der Justiz zu entgehen, flieht Sandor Varga, ein gefühlskalter Einzelgänger, in die Vereinigten Staaten von Amerika. Schnell baut er sich als Zuhälter und Nachtclub-Besitzer eine neue Existenz auf und kommt so zu Wohlstand und Reichtum. Sein Traum scheint sich zu erfüllen, bis eines Tages der amerikanische Geheimdienst an ihn herantritt und ihn zur Teilnahme an CIA-Aktivitäten zwingt. Aus Sandor Varga wird der Agent Ruffbone. Basierend auf einer wahren Begebenheit.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum2. Okt. 2016
ISBN9783903092709
Die CIA Marionette: Thriller

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    Buchvorschau

    Die CIA Marionette - Ingo Blisse

    ich.

    Prolog

    Die wuchtigen Schritte ihrer Lederstiefel mit dem Stahlkappenbesatz hallten von den modrigen Gefängnismauern wider. Er wusste, dass sie kommen würden. Es war ihm seit dem Moment klar, als er das Gesicht des Aufsehers mit dem Plastikbecher beworfen hatte, den er zuvor voll gepisst hatte.

    Ein Schlüssel wurde in die Tür seiner Zelle geschoben, und der Riegel gab mit einem dumpfen Schlag nach. Obwohl die Dunkelheit der letzten Tage seinen Blick getrübt hatte, erwartete er die »Turtles«, die organisierte Schlägertruppe des FCI Oxford Jails, mit Freude. Er war kampfbereit, auch wenn ihm bewusst war, dass er keine Chance haben würde. Seine Muskeln spannten sich, als das grelle Licht des Flures durch den schmalen Spalt der Zellentür drang.

    Brutal wurde die Tür aufgestoßen, und die Turtles stürmten herein. Sie sahen nicht wie menschliche Wesen aus. Ihre Polsterung ähnelte denen der Rugbyspieler. Ihre Gesichter waren hinter Helmen mit Plexiglasscheiben versteckt. Sie kamen zu zwölft. Es waren immer zwölf.

    Er packte den ersten und schleuderte ihn gegen die Wand seiner Zelle. Bevor er sich auf den nächsten Turtle werfen konnte, spürte er den brennenden Schmerz des Pfeffersprays in seinen Augen. Er konnte nichts mehr sehen.

    Unkontrolliert schlug er mit den Armen um sich, aber er bekam keinen der Angreifer zu fassen. Immer wieder trafen ihn die erbarmungslosen Schläge der Gummiknüppel. Das Atmen fiel ihm schwer. Zwei Rippen waren gebrochen und drückten auf die Lunge.

    »Ist das alles, was ihr zu bieten habt?«, brüllte er.

    Ein Schlag traf ihn in der Kniekehle, und er sackte zusammen. Wie wilde Tiere fielen sie über ihn her. Seine Lippen platzten auf, als die Tritte seinen Kopf trafen, aber er kämpfte weiter. Sein Hass ließ ihn die Schmerzen vergessen. Den linken Arm konnte er kaum noch bewegen. Die Schulter war ausgekugelt.

    »Kommt, ihr feigen Schweine. Kommt her!«

    Wieder schlug ein Turtle den Knüppel in sein Gesicht. Das Nasenbein splitterte. Sein Bewusstsein schwand. Er versuchte, weitere Flüche auszustoßen, aber seine Zunge gehorchte nicht mehr.

    Ein kurzer, heftiger Schmerz schoss ihm durch den Hals. Instinktiv wusste er, dass sie die Betäubungsmunition eingesetzt hatten.

    Die Stimmen wurden leiser, und die Tritte warfen seinen Körper widerstandslos hin und her. Er war am Ende einer Reise angekommen, die er nie hatte antreten wollen.

    Einer der Turtles beugte sich über ihn und öffnete sein Visier. Schweißperlen rannen über seine fetten Wangen.

    »Du wirst sterben, du mieses Arschloch! Finde dich damit ab, dass du diese Zelle nicht lebend verlassen wirst.«

    Noch einmal sauste der Gummiknüppel auf sein blutüberströmtes Gesicht nieder.

    Kapitel 1

    Die ersten Sonnenstrahlen brachen verheißungsvoll durch die beschlagene Scheibe der Boing 747. Fast geräuschlos schwebte das Flugzeug langsam auf Orlando zu. Varga blickte kurz aus dem Fenster und lehnte sich entspannt zurück. Zehn Minuten, vielleicht fünfzehn, dann würden sie landen, und sein neues Leben könnte beginnen.

    Er hatte alles zurückgelassen. Die schemenhaften Erinnerungen brachten zusammenhanglose Bruchstücke der Vergangenheit zurück. Varga verwarf sie und öffnete wieder die Augen. Es war richtig, dass er gegangen war. Es wäre nicht mehr lange gut gegangen. Zu viele Geschäfte waren offenkundig geworden. Zu eng hatten sich die Fäden der Ermittler um ihn gezogen. Früher oder später hätten sie ihn erwischt. Sie hätten ihn aus dem Verkehr gezogen und für lange Zeit weggesperrt. Einer wie Varga galt nach ihren Vorstellungen als Gefahr für die Gesellschaft. Er lächelte.

    Am Flughafen waren zu dieser Stunde nur wenige Menschen unterwegs. Varga trug lediglich Handgepäck bei sich und konnte so auf das leidige Warten am Kofferband verzichten. Die gelangweilten Beamten der Immigrations-Behörde prüften sein Visum und ließen ihn passieren. Die letzte Hürde hatte er problemlos bewältigt. Grußlos stieg er in eines der vor der Ankunftshalle wartenden Taxis.

    »Lonboat Key«, befahl er.

    Der Fahrer, ein ungepflegter Student Anfang Zwanzig, sah respektvoll auf den Zweihundertachtzig-Pfund Koloss auf seinem Rücksitz.

    »Machen Sie Urlaub in Florida?«

    Desinteressiert starrte Varga aus dem Fenster. Langsam erwachte das Leben auf den Straßen. Die ersten Jogger trabten unter den Palmen. Varga konnte nicht verstehen, was sie dazu trieb, ihre Zeit auf diese Art zu vergeuden. Gedankenverloren spielte er an seinem unförmigen Goldring, der mit einem ovalen Rubelliten besetzt war.

    »Wird ein schöner Tag heute, nicht wahr?«, bemerkte der geschwätzige Fahrer.

    Varga reagierte nicht. Er hasste Menschen, die zu viel redeten. Er hasste Studenten. Sie waren verabscheuungswürdige, mutlose Parasiten, die unfähig waren, sich von der Schulbank zu befreien.

    Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Das Meer breitete sich vor ihm aus wie ein tiefblauer, endlos weiter Teppich. Varga ignorierte den Ausblick und drückte dem Fahrer das Geld passend in die Hand. Er griff seine braune Ledertasche und verließ eilig das Fahrzeug.

    Sein luxuriöses Appartement lag im fünften Stock eines neu errichteten Wohnhauses. Er kannte es von Fotos, auf denen die Räume nur im unfertigen Zustand zu sehen waren. Er trat ein und stellte seine Tasche ab. Varga ließ den Blick durch die Wohnung schweifen und war zufrieden. Die Böden waren ausnahmslos weiß gekachelt, die Wände in einem matten Ockerton gestrichen. Man hatte ihm einige spartanische Möbelstücke zur Verfügung gestellt – einen Kleiderschrank, einen massiven Esstisch mit zwei Stühlen, einen in die Wand eingelassenen Plasma-Fernseher mit Satellitenempfang und ein Bett in Übergröße. Die vier weiteren Zimmer waren leer und wiesen außer einer indirekten Bodenbeleuchtung keinerlei Ausstattung auf. Alles entsprach den Vereinbarungen. Auf dem Tisch stand eine Flasche Dom Perignon, an der ein kleines Kärtchen hing.

    Herzlich willkommen in Ihrem neuen zu Hause wünscht Ihnen die Ackermann Properties Immobilienverwaltung.

    Varga nahm die Flasche und warf sie in den Müll. Champagner war in seinen Augen nur für einen Zweck gut: um Frauen das Spreizen der Schenkel zu erleichtern. Er verfügte über andere Mittel.

    Varga ließ sich auf das Bett fallen. Obwohl es neu war, ächzte es unter seinem Gewicht. Zufrieden verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und schloss die Augen. Er hatte es geschafft! Er hatte abgeschlossen mit dem muffigen, kleinbürgerlichen Deutschland, und eine goldene Zukunft lag vor ihm.

    Alles war perfekt organisiert. Er hatte gut investiert, und das Geld war sicher auf ein Konto auf den Cayman Islands transferiert worden. Der Rest würde mehr Routine als Abenteuer sein. Varga wusste, dass die Geschäfte funktionieren würden. Sie funktionierten immer, denn er hatte das zugrunde liegende Prinzip verstanden. Man konnte jedes Problem lösen. Es war nur eine Frage des Preises.

    Die Müdigkeit übermannte ihn. Er schlief beinahe vier Stunden und erwachte durch die grellen Sonnenstrahlen, die durch das geöffnete Fenster auf sein Gesicht schienen. Verschwitzte Strähnen seines langen Haares klebten in seinem Bart. Er wischte sie beiseite und richtete sich auf. Mit trübem Blick sah er, dass während seines Schlafs zwei Briefe durch den kleinen Schlitz seiner Eingangstür geworfen worden waren. Behäbig stiefelte er durch die Wohnung und hob sie auf. Im ersten Umschlag fand er eine aufwändig gestaltete Werbung der republikanischen Partei, die um Spenden für ihren Wahlkampf warb. Varga zerriss den Brief und öffnete den zweiten Umschlag.

    Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Da war sie, die Ausnahmegenehmigung des Staates Florida. Es war die Bestätigung, dass er seinen Club unbegrenzt geöffnet haben dürfte, sich also nicht der nutzlosen Sperrstundenregelung unterwerfen musste. Bei den gängigen Schließzeiten anderer Lokale war dieser Bescheid die Garantie für geschäftlichen Erfolg. Die achttausend Dollar, die er dem zögerlichen Beamten zugeschoben hatte, waren eine Banalität im Vergleich zu dem, was sie Varga einbringen würden. Sein Mobiltelefon klingelte.

    »Ja?«

    »Hey Sandor, hier ist G.C. Ich habe hier was, was dich interessieren dürfte.«

    »Steck dir den Finger in den Arsch«, erwiderte Varga und beendete das Telefonat. Er musste schnellstmöglich ein amerikanisches Telefon besorgen. Seine deutschen Kontakte hatten keinen Wert mehr. Für ihn waren sie seit einigen Stunden tot, ebenso wie seine Vergangenheit. Er legte das Telefon auf den Esstisch. Es genügte ein Schlag seiner mächtigen Faust, und das Gerät zerbarst in kleine Stücke.

    Varga sah auf seine Uhr. Es war eine unförmige Pattek Phillip, die er von einem Geschäftspartner erhalten hatte, dem er eine Gefälligkeit erwiesen hatte. Es war halb fünf, genug Zeit, um den einzigen Termin dieses Tages wahrzunehmen.

    *

    Sorgsam rückte der Verkäufer des exquisiten Autohauses seine Krawatte zurecht. Im spiegelnden Glas der Vitrine für Autoradios, deren Preis bei fünfhundert Dollar begann, überprüfte er den Sitz seines Anzugs und glättete seine pomadigen Haare mit sorgsamen Handbewegungen. Es war ein ruhiger Tag, und so kurz vor Feierabend erwartete er keine Kunden mehr.

    Das sanfte Drei-Ton-Klingeln der Eingangstür ließ ihn hochschrecken. Ein kräftiger Mann, höchstens dreißig Jahre alt, betrat das Geschäft. Er war mit einer verwaschenen Jeans und einem verschwitzten T-Shirt bekleidet. Seine fettigen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden, und er kaute mit offenem Mund Kaugummi. Sein Vollbart sah ungepflegt und strähnig aus. Der Verkäufer rollte mit den Augen, ging dann aber widerwillig auf den Kunden zu.

    »Darf ich behilflich sein, Sir?«

    Erst jetzt sah er die unpassenden, augenscheinlich teuren Ringe an den fleischigen Fingern des Fremden. Die geschmackvolle Uhr stach ihm ins Auge.

    »Ich wollte mein Auto abholen. Den da!«, antwortete der Kunde mit leichtem Akzent.

    Der Verkäufer fragte höhnisch: »Den Cadillac? Verzeihen Sie, aber der ist schon reserviert.«

    »Ja, für mich, du Dummschwätzer.«

    Der Verkäufer schluckte. »Jawohl, Sir. Dürfte ich Ihren Namen erfahren?«

    »Varga. Sandor Varga.«

    Das Geschäft ging schnell vonstatten. Varga übergab das Geld in bar und konnte dabei das unverständige, gierige Funkeln in den Augen seines Gegenübers sehen. Er drückte ihm fünfhundert Dollar in die Hand, nicht um ihn für den guten Service zu belohnen, sondern um ihn zu demütigen.

    Unaufgefordert folgte ihm der Verkäufer bis zu seinem neuen Fahrzeug und öffnete die Tür. Wäre Varga nicht in einer enthusiastischen Stimmung gewesen, hätte er ihm einen Schlag in sein grinsendes Gesicht verpasst.

    Fast geräuschlos glitt der Cadillac über den Gulfgate Drive. Aus dem Radio tönte monotone Rap-Musik. Varga schaltete ab. Er genoss den warmen Fahrtwind, der durch das geöffnete Seitenfenster in sein Gesicht wehte. Er kannte sein Ziel. Es war nicht mehr weit.

    Sanft brachte er seinen Wagen zum Stehen. Varga stieg aus und spielte pfeifend mit dem Schlüsselbund, als er die Fassade seiner neuen Bar betrachtete, dem »Sarasota Bottle Club«.

    Die beauftragten Firmen hatten ihre Arbeiten wie abgesprochen erledigt. Neue Schilder prangten über den eingetrübten Fenstern. Es war ein unschöner Flachbau, dessen Innenraum Varga für 120.000 US-Dollar erstanden hatte. Das äußere Bild des Gebäudes war ihm egal. Innen, und nur dort, entschied sich die Qualität einer Bar. Varga öffnete die Tür und der über Jahre eingefressene Gestank kalten Rauchs und verschütteten Biers empfing ihn. Varga wusste, dass viele Strapazen auf ihn warteten. Es wäre ein Einfaches gewesen, Fachunternehmen mit der Durchführung zu beauftragen, aber er freute sich auf diese Arbeit.

    Ein Baby muss man selbst zeugen, sonst entgeht einem der Spaß, dachte er und räumte einen Barhocker aus dem Weg.

    Der Sarasota Bottle Club war mit maroden Holzleisten vertäfelt, und die verstaubten Fotografien vergessener Country-Stars schmückten die Wände. Die Lautsprecher, die der Vorbesitzer an der Decke hatte hängen lassen, konnten modernen Ansprüchen nicht genügen. Varga stellte sich vor, wie sie bei den ersten Tönen aus Lemmys heiserer Kehle zerplatzten, wenn er Born to raise Hell anstimmte. Er hatte bereits eine Fünfzehntausend-Dollar-Anlage von Harman/Kardon bestellt, die in den nächsten Tagen geliefert werden sollte. Das war ein angemessener Preis für all das, was Motörhead, Black Sabbath und viele andere Bands geleistet hatten.

    Die folgenden Wochen verbrachte Varga mit dem Einrichten seines Clubs. Er stand nicht unter Zeitdruck. Die Bar erhielt mehr und mehr ihr Gesicht. Countryhelden wichen Fotografien von Frauen. Varga stellte zwei Billardtische auf und brachte mehrere Dart-Scheiben nahe der Damentoilette an, ein alter Trick, der das Kennenlernen mit Frauen garantierte, die vom Toilettengang erleichtert ihren Weg durch die Pfeile werfenden Männer suchen würden. Die Piratenfahnen, die Varga gleichmäßig in der Bar verteilte, waren ihm wichtig, auch wenn niemand deren wirkliche Bedeutung verstehen würde.

    Vor seinem inneren Auge sah Varga seine Bar bereits überflutet von Gästen. Es würden die gleichen sein wie immer: Dealer, Rausschmeißer, Nutten. Ein Todeskommando für Polizisten, die ein Bier nach Beendigung ihres nutzlosen Arbeitstages trinken wollten. Ja, es sollte sein wie immer!

    Die Fotografie von Buck Owens flog in den großen, schwarzen Müllsack. Das Bild einer unbekannten Mexikanerin mit blankem Busen und einem Mund, der nach einer fleischigen Füllung schrie, übernahm den Platz des verstorbenen Sängers.

    *

    Kip Canton, der Barkeeper, arbeitete wie ein Tier. Nicht nur aufgrund seiner jahrelangen Routine hinter dem Tresen leistete er Außergewöhnliches. Er schob die Budweiser-Flaschen den Gästen in einer Geschwindigkeit zu, als würde er nach deren Stückzahl bezahlt. Varga schüttete zufrieden den sechzehn Jahre alten Whiskey in sein Glas und stellte die Flasche zurück auf den Tisch, der nahe bei den Billard spielenden Gästen stand. Dieser Platz war ausschließlich für ihn reserviert. Er nahm einen Schluck und der Bowmore Malt Whiskey brannte einen Moment in seiner Kehle.

    Er beobachtete Julia und Mercedes. Sie spielten oft Billard, stundenlang. Varga vermutete, dass ihnen das Spiel keinen Spaß bereitete, denn sonst hätten sie in all den Monaten etwas dazugelernt. Aber sie genossen die Blicke der Männer, die verstohlen und gierig in ihre tief ausgeschnittenen, hautengen Tops blickten, in denen ihre Rundungen nach geilen Händen riefen. Ihre kurzen Röcke rutschten bei jedem Vorbeugen so weit hinauf, dass ihre Slips sichtbar waren. Varga genoss den Anblick immer und immer wieder.

    Er behandelte Julia und Mercedes gut, seit sie in seinem »Begleitservice« arbeiteten. Sie bekamen 40 Prozent ihrer Einnahmen, und sie durften Aufträge ablehnen, die ihnen zuwider waren.

    Der Club füllte sich zusehends. Es war zwei Uhr nachts, und die Bars der Umgebung hatten bereits geschlossen. Ihre Türsteher standen lachend am Tresen und tranken. Sie verhielten sich ruhig. Varga hatte sich einen Ruf als kompromissloser Inhaber geschaffen. Seine Kunden wussten, dass sie unter ihresgleichen waren und mit der uneingeschränkten Loyalität des Inhabers rechnen konnten, so lange sie nur soffen, zahlten und keinen Streit anzettelten.

    Es dauerte nicht lange, bis die ersten Geschäfte an Vargas Tisch abgewickelt wurden. Es war nichts Großes, aber es zog die Unterwelt Miamis wie magisch in den Sarasota Bottle Club. Es ging um den Handel mit Handfeuerwaffen, nicht größer als eine Ruger, ein paar Verkäufe von Prostituierten oder einfach nur einige Schlägeraufträge, bei denen Varga den Kontakt herstellte. Alles in allem liefen die Geschäfte blendend, und ein durchschnittlicher Gewinn von zwanzigtausend US-Dollar schlug jeden Monat zu Buche.

    Kapitel 2

    Zehn Monate waren vergangen, und der Sarasota Bottle Club hatte sich zu einem Geld produzierendem Selbstläufer entwickelt. Die Tage dienten dem Schlaf, und obwohl alles reibungslos funktionierte, fühlte Varga sich zunehmend wie ein Vampir. Er mied das Sonnenlicht so, als ob es ihn zu Staub zerfallen lassen könnte. Obwohl er ausgiebig schlief, bildeten sich blutrote Ränder unter den Augen als stumme Zeugen eines Lebens in der Dunkelheit der Nacht.

    Nicht einmal der herrliche Anblick von Julias und Mercedes Brüsten konnten ihn in dieser schwülwarmen Nacht in seiner Bar halten. Er beschloss in sein Appartement zu fahren und sich schlafen zu legen. Müde stieg er in seinen Cadillac. Die Lichter der entgegenkommenden Fahrzeuge blendeten ihn. Varga kniff die Augen zusammen. Plötzlich scherte eine viertürige Mercedes-Limousine vor ihm ein. Geistesgegenwärtig riss Varga sein Lenkrad herum und trat mit voller Kraft auf die Bremse. Welcher Wahnsinnige wollte sich mit ihm einlassen?

    Für einen Moment verharrte Varga in seinem Fahrzeug und überlegte, ob er eine seiner im Kofferraum befindlichen Waffen hervorholen sollte, um diesen Irren in seine Schranken zu weisen. Er verzichtete darauf. Noch Jahre später sollte er bereuen, dass er nicht seinem Instinkt gefolgt war und dem wahnsinnigen Fahrer des anderen Fahrzeuges den Schädel weggeschossen hatte.

    Er kurbelte die Scheibe herunter, während der Fremde langsam auf seinen Wagen zukam. Sein abgemagertes, hageres und hohlwangiges Gesicht war von tiefen Pockennarben durchzogen, die seine spitze Nase umrahmten. Es wirkte, als wäre seine gesamte, hässliche Visage von ausgehungerten Termiten zerfressen worden. Die Brille des Mannes mit ihrer breiten Fassung und den dicken Gläsern war verrutscht, und er rückte sie eilig zurecht.

    Seine Stimme klang verraucht und unsicher.

    »Entschuldigen Sie, habe ich es mit Mister Varga zu tun?«

    »Was willst du von mir?«

    »Mein Name ist Kent. Ich arbeite für die amerikanische Zollbehörde.«

    Ungefragt öffnete er sein Portemonnaie. Neben einem Dutzend verschiedener Kreditkarten war sein Ausweis zu sehen, der ihn als Reinold Kent, S.A.C., Leiter der Zollbehörde, auswies.

    »Und?«, knurrte Varga wütend und unbeeindruckt.

    »Nun ja«, erwiderte Kent, »Sie haben seit neun Monaten keine Steuern gezahlt. Für einen Ausländer kann das, wie soll ich sagen, ziemlich unangenehme Folgen nach sich ziehen.«

    Varga dachte einen Moment nach. Natürlich hatte dieser Zollbeamte, dieser Kent, Recht. Aber Steuern waren ein nutzloses Übel, ein böses Geschwür im Körper eines jeden Staates.

    Varga bezeichnete Geld als Vergnügungsscheine. Mit Geld konnte man sich jedes nur denkbare Vergnügen auf dieser Welt kaufen. Dafür leben und arbeiten die Menschen. Dafür starben sie. Steuern passten nicht in dieses Vergnügungskonzept. Sie waren unnötige Erfindungen der gierigen Regierungen. Nein, er hatte sie nie gezahlt, und dieser abgemagerte Zollagent unternahm nun offenbar den Versuch, ihn deswegen zu belangen.

    »Was willst du von mir?«

    »Ich will Ihnen einen Vorschlag machen.«

    Mit einem widerwilligen Gesichtsausdruck erwiderte Varga: »Was willst du von mir?«

    »Wie ich das sehe, haben Sie zwei Möglichkeiten.« Unruhig zündete Kent sich eine Zigarette an. »Die erste ist, wir klagen Sie wegen Steuerhinterziehung an, und Sie werden eine ordentliche Strafe zahlen. Darüber hinaus würden Sie Ihre Lizenz verlieren. Das ist der einfache Weg – für uns.«

    »Und?«

    »Da wir den Gästen unseres Landes keine Unannehmlichkeiten bereiten wollen, folgt hier mein Angebot: Sie machen weiter wie bisher und kooperieren mit uns.«

    »Kooperieren?« Varga fühlte sich bei diesem Wort auf eine merkwürdige Art unwohl.

    »Ja, kooperieren. Sie unterstützen uns dabei, die eine oder andere Überwachung in ihrem Club durchzuführen.«

    »Was meinst du damit?«

    »Wir würden im Falle Ihrer Zusage einige Überwachungsinstrumente in Ihrer Bar installieren. Es würde niemand etwas merken, und, seien wir doch ehrlich, es würde auch niemanden stören, nicht wahr?« Kent nagte an seiner Unterlippe.

    Varga war bewusst, worauf dieser Kerl hinaus wollte: Die Unterwelt Floridas verkehrte in seiner Bar. Autokennzeichen, Gesichter und Gespräche könnten einen immensen Wert für die Verbrechensbekämpfung haben. Und für die Regierung. Er spuckte aus dem geöffneten Seitenfenster.

    »Wieviel Bedenkzeit hab ich?«

    »Ich fürchte keine!«

    Varga startete den Motor. »Komm morgen gegen sechs Uhr am Abend in meine Bar«, zischte er Kent zu.

    Der zückte seine Visitenkarte und schnippte sie gekonnt auf den Beifahrersitz des Cadillacs. Varga trat aufs Gaspedal und sah im Rückspiegel, wie Kent ihm aus einer aufgewirbelten Staubwolke hinterher blickte.

    *

    Zehn Minuten verspätet erschien Kent zum vereinbarten Termin. Er klopfte heftig gegen die Tür des Sarasota Bottle Clubs. Varga rieb sich die Müdigkeit aus den Augen und hob behäbig seine Cowboystiefel vom Tisch. Er öffnete die Tür, und das Licht der Abendsonne blendete ihn. Wortlos trat Kent ein und stolzierte durch die Bar. Hin und wieder blieb er stehen und überprüfte Bilder, Lautsprecher und Teile der Wand. Zufrieden ging er auf Varga zu und setzte sich unaufgefordert an dessen Tisch.

    »Was ist das für eine Tür?«

    »Welche?«

    Kent beugte sich über den Tisch, und Varga konnte seinem nikotingetränkten, stinkenden Atem nicht entkommen. »Versuchen Sie nicht, mich zu irritieren, Varga. Ich habe keine Lust, mit Abschaum wie Ihnen mehr Zeit als nötig zu verbringen.« Er lehnte sich wieder zurück, bevor er eindringlich fortfuhr. »Glauben Sie mir: Wir bekommen immer, was wir wollen.«

    Es wäre ein leichtes für Varga gewesen, diesen Kerl über den Tisch zu ziehen und ihn mit bloßen Händen zu erledigen. Aber er hielt sich zurück. Kent saß ihm nicht als Privatperson gegenüber. Es stand eine staatliche Organisation hinter ihm, und diese könnte Varga viele ungewollte Schwierigkeiten bereiten.

    »Ich weiß absolut nicht, welche Tür du meinst.«

    »Die Tür links vom Piranhabecken.«

    »Das ist unser Fickzimmer!«

    »Ihr Fickzimmer?« Kents Stimme hob sich überrascht.

    »Yep.«

    »Ich will es sehen!«

    Varga hatte die Tür zu dem versteckten Raum mit dem gleichen Holz verkleiden lassen, das auch an den umliegenden Wänden verarbeitet worden war. Bei oberflächlichem Hinsehen war sie nur schwer zu erkennen. Das Bassin mit den zwei Piranhas hatte er bewusst dort platziert, um ungewollte Blicke neugieriger Gäste abzulenken. Aber Kent hatte den Zugang entdeckt. Der hintere, abgetrennte Teil der Bar barg einen Raum, der nur für Pokerspiele mit hohen Einsätzen bestimmt war. Varga betrat ihn ausschließlich mit Gästen, denen er uneingeschränkt vertrauen konnte und deren Brieftaschen garantierten, dass jede Schuld in der gleichen Nacht beglichen werden konnte. Varga selbst war ein leidenschaftlicher Spieler.

    Der Raum selbst war nur sparsam eingerichtet. Ein Tisch, einige Stühle, ein mittelgroßer Kühlschrank und ein Spielautomat waren die einzigen Utensilien für lange Nächte.

    Kent lächelte höhnisch: »Das ist also der Fickraum?«

    »Ja.«

    »Ficken Ihre Kunden gern in unerlaubten Spielstätten, Varga?«

    »Leck mich!«

    Sie verließen den Raum. Mit einem Blick auf das Aquarium fragte Kent: »Gibt es hier noch mehr Tiere?«

    »Ja, Studley.«

    »Wer zum Teufel ist Studley?«, fragte Kent und zündete sich eine Zigarette an.

    »Mein Pitbull.«

    Kent legte den Kopf zurück und blies den Rauch aus. »Das ist ein verdammter Zoo hier. Man sollte dem Club die Lizenz entziehen«, murmelte er in einer Lautstärke, dass Varga jedes Wort verstehen musste.

    »Sind wir endlich fertig, Kent?«

    »Nicht ganz. Ich will Ihr Büro sehen.«

    »Was willst du in meinem Büro?«

    »Das geht Sie nicht das Geringste an. Ist es dort?«

    Kent wies auf die Tür hinter den zwei Stufen. Varga nickte.

    Kent warf einen kurzen Blick hinein und drehte sich zu Varga. »Perfekt! Ich glaube, wir sind hier fertig.«

    Selbstzufrieden ging er in Richtung Ausgang, während Varga tief durchatmete und sein brodelndes Inneres mit der Vorstellung beruhigte, wie er den Körper dieses arroganten, widerlichen Mannes mit einer Salve seines Norinco 982-Schrotgewehres über die Wand seiner Bar verteilen würde. Er lächelte, als Kent sich noch einmal umdrehte.

    »Morgen um vier Uhr nachmittags kommt die erste Lieferung. Sie sollten pünktlich sein, damit wir Ihre Eingangstür nicht aufbrechen müssen. Unsere Mitarbeiter werden sich um alles kümmern. Und noch etwas, Deutscher…«

    Vargas Finger gruben sich in das Fleisch seines Handballens, als Kent weiter sprach: »Gewöhnen Sie sich bitte an, guten Freunden einen Drink anzubieten. Wir werden uns ab jetzt öfter sehen.«

    *

    Als Varga am nächsten Tag seinen Wagen vor dem Club parkte, sah er bereits den hellblauen Lieferwagen der »Morgan´s technical equipment company«. Geschäftig stiefelten drei Beamte in einheitlichen Anzügen auf und ab. Zwei von ihnen trugen getönte Sonnenbrillen. Einer telefonierte und gestikulierte dabei wild.

    Varga ging grußlos an ihnen vorüber und schloss die Tür auf. Die Agenten folgten ihm, und wenig später betraten zwei Handwerker in dunkelgrünen, dreckigen Overalls die Bar. Wortlos trank Varga seinen Whiskey, während er beobachten musste, wie die beiden Installateure unter den Kommandos der Drillinge die Verblendungen der Lautsprecher zerschnitten. Sie montierten die kleinen Kameras in die Gehäuse, verlegten die Kabel und brachten die Lautsprecher wieder an der Decke des Clubs an. Gegen zehn Uhr waren die Umbauten beendet. Varga reinigte den Boden, und als Kip erschien, erinnerte nichts an die Umbauten der vergangenen Stunden.

    Die folgenden zwei Wochen verliefen ähnlich, bis endgültig alle Geräte installiert waren. Nichts, was Varga mühsam dekoriert hatte, befand sich noch in seinem ursprünglichen Zustand. Alles war verkabelt, verwanzt, mit Kameras überwacht und ausspioniert. Sein Büro glich einer militärischen Kommandozentrale. Hier befanden sich alle Monitore und Aufzeichnungsgeräte. Die Handwerker hinterließen nach Abschluss ihrer Arbeit eine Rechnung von vierzigtausend Dollar. Varga zahlte den Betrag, denn niemand in der Zollbehörde erklärte sich bereit, die Kosten zu übernehmen. Zu seiner Überraschung bemerkte keiner der Gäste eine Veränderung.

    Einer der Stammgäste, Alessandro Rosselli, ein raffinierter Mafioso, der neben weitreichendem politischen Einfluss, einer Vielzahl europäischer Luxuskarossen und einer Armee perfekt gebauter Inlandsnutten eine gehörige Portion Humor besaß, genoss das seltene Privileg, sich unaufgefordert an Vargas Tisch setzen zu dürfen. Varga mochte ihn und beschloss, sein verhasstes Geheimnis mit Rosselli bei einem kurzen Spaziergang auf der schwach beleuchteten Straße zu teilen.

    Rosselli lachte nur und sagte: »Diese amerikanischen Bastarde. Gib mir eine Stunde und diese Hillary zieht diese miesen Schnüffler wieder von deinem Laden ab. Ein Wort von dir, und ich ruf sie an.«

    Varga dachte nach. Plötzlich begann auch er zu lachen und stellte sich vor, wie Rosselli Hillary Clinton, die Präsidentengattin, anrief, um ihr die Hölle heiß zu machen.

    »Hör zu, Sandor.« Rosselli legte die Hand auf seine mächtige Schulter. »Lass uns einfach Spaß haben und dafür deine neuen Spielereien nutzen.«

    Varga nickte, und sie kehrten zurück in den Sarasota Bottle Club, als hätte das Gespräch niemals stattgefunden.

    In den folgenden Tagen beobachtete Varga mit Vergnügen, wie Rosselli einige der Gäste in dubiose und immer abstrusere Geschäfte verwickelte.

    Die Wanzen verrichteten ihre Arbeit erbarmungslos. Bald wurde in jedem Winkel der Bar über Geschäfte verhandelt, die niemals stattfinden würden. Die abhörenden Agenten konnten aus all den konfusen Aufzeichnungen kaum noch brauchbare Erkenntnisse ziehen. Varga fühlte sich unangreifbar.

    Doch dann erschien Reinold Kent immer häufiger im Club. Varga sah in ihm nichts weiter als den ängstlichen Verwaltungsangestellten einer staatlichen Behörde, der an einem ausgeprägten Alkoholproblem litt. Mit der Zeit hatte Kent sich angewöhnt, Varga wie einen Freund aus vergangenen Schultagen zu begrüßen.

    »Hey Sandor, wie stehen die Aktien?«, war seine standardisierte Begrüßung, wenn er ungebeten auf seinen Tisch zuschritt. Varga erlaubte ihm, sich zu setzen. So sehr Kent ihn auch anwiderte, so sehr spielte Varga dessen Redseligkeit aus. Die ausreichende Menge Tequilla und Bier animierten Kent, Einzelheiten seiner Arbeit zu erzählen. Varga stellte sich vor, wie Kents Kollegen, bewaffnet mit Kopfhörern und Notizblöcken, ihn in einem unauffälligen Lieferwagen über pikante Details seines Jobs plaudern hörten. Kent bezahlte keinen Drink im Sarasota Bottle Club.

    *

    »Hey Sandor, wie stehen die Aktien? Hier ist Reinold. Komm doch gleich in mein Büro. Wir hätten da was zu besprechen.«

    Varga fühlte sich elend, denn es war gerade erst drei Uhr am Nachmittag, und er hatte bis dahin nur wenig Schlaf gefunden.

    »Ich bin müde. Lass mich schlafen!«

    Kent blieb beharrlich: »Sandor, ich muss dich sehen. Es gibt was zu tun.«

    »Zu tun, hah?«, brummte Varga missmutig und setzte sich auf. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen. Es roch nach Schweiß und dem Rauch der letzten Nacht. »Ich komme später vorbei«, sagte er schlecht gelaunt und legte auf.

    Ohne dass seine Müdigkeit gewichen war, legte Varga die sechzig Meilen zur Hauptverwaltung der Zollbehörde zurück. Kent erwartete ihn in seinem Büro.

    »Sandor, du siehst schlimm aus.«

    Varga verzog das Gesicht und ließ sich in den Sessel fallen, der links des Schreibtischs stand.

    »Bevor wir uns unterhalten, müssen wir einige Formalitäten erledigen.«

    Die Skepsis in Vargas Augen blieb Kent nicht verborgen. Er drückte seine Zigarette aus.

    »Was für Formalitäten?«, fragte Varga.

    »Nun ja«, druckste Kent, »wir müssen jeden Mitarbeiter dokumentieren.«

    »Ich bin kein Mitarbeiter.«

    Kent erhob sich und umrundete langsam seinen Schreibtisch. »Weißt du, Sandor, es ist nur eine Formalität. Wir können nicht mit dir arbeiten, wenn du nicht dokumentiert bist.«

    »Dann lasst es einfach!«

    »Ich bin nicht in der Stimmung, mit einem Informanten zu diskutieren, Sandor. Vergiss niemals, dass wir dich schützen. Wir sind es, die den Orkan zurückhalten, der dein Kartenhaus zusammenbrechen lässt. Hast du das verstanden?«

    Varga nickte und fragte: »Was soll ich machen?«

    Die Fingerabdrücke waren schnell genommen. Als die Profilaufnahmen seines Gesichtes geschossen wurden, kam sich Varga wie ein Häftling vor der Inhaftierung vor. Er unterschrieb vier Verträge, ohne sie zu lesen. Zwei uniformierte Beamte geleiteten ihn schweigend zurück zu Kents Büro.

    »Siehst du, so schlimm war es gar nicht.«

    Varga setzte sich und betrachtete die blauen Tintenreste an seinen Fingerkuppen.

    »Wir haben da ein Problem, Sandor.« Kent machte eine ungewöhnlich lange Pause, bevor er fortfuhr. »Das Problem heißt Ron Nice. Er ist Besitzer einer Topless-Bar. Titten und so, du verstehst schon.«

    Gelangweilt zuckte Varga die Schultern.

    »Er ist wiederholt in deiner Bar beobachtet worden.« Wieder warf Kent einen erwartungsvollen Blick auf Varga, aber der lehnte noch immer desinteressiert in seinem Sessel und gähnte.

    »Das Geld, mit dem er seine Drinks bei dir bezahlt, ist durch seine Bar säuberlich gewaschen. Es stammt aus dem Handel mit Kokain!«

    »Was hab ich damit zu tun?«

    Varga ödete die Unterhaltung an. Er war kein großer Freund von Drogengeschäften, aber sie waren nun einmal Teil des Business.

    »Ich will, dass du Beweise lieferst!«

    »Ich bin nicht dein verdammter Spitzel.«

    Kent zog seinen Mundwinkel auseinander. »Es geht um mehr, Sandor. Lass mich dir jemanden vorstellen.« Er drückte einen Knopf auf seinem Telefon und sprach in das Außenmikrofon: »Er kann reinkommen.«

    Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis die Tür des Büros sich öffnete und ein untersetzter Mann eintrat, der augenscheinlich die hohen Temperaturen Floridas nicht gewohnt war. Trotz der unruhig scheppernden Klimaanlage wischte er sich mit einem knittrigen, blassblauen Taschentuch den Schweiß von der Schläfe. Sein fettes, aufgequollenes Gesicht ließ seine Augen wie zwei dunkle Schlitze erscheinen, und sein übergroßer Kopf ruhte ohne Ansatz eines Halses zwischen den fleischigen Schultern. Unter seinen Armen hatten sich unansehnliche Flecken gebildet. Er atmete schwer, als er Varga seine nasskalte Hand entgegenstreckte. Varga nickte kurz.

    »Mein Name«, hechelte er, »ist Martin Longholm.«

    Wieder nickte Varga, und Longholm ließ sich auf den ledernen Dreisitzer fallen, der ein Viertel des Büros vereinnahmte. Noch einmal wischte er sich über das Gesicht.

    »Longholm arbeitet für die IRS«, erklärte Kent und Varga spannte sich an. Hatte Kent ihn ausgeliefert? Er hatte nicht damit gerechnet, jemanden von der IRS, der staatlichen Steuerbehörde, bei Kent zu treffen.

    Longholm war wieder zu Atem gekommen und fuhr fort: »Genauer gesagt bin ich der Leiter einer Sonderkommission für Kriminalfälle in Detroit. Und genau das ist der Grund meines Besuches, Mister Varga.« Er hustete heftig und drückte sein Taschentuch vor den Mund, bevor er weiter sprach: »Ich denke, Kent hat Ihnen von unserem Schützling erzählt.«

    »Ron Nice«, antwortete Varga.

    »Wir wissen, dass er des Öfteren in Ihrem Club auftaucht. Kennen Sie ihn?«

    »Nein.«

    Kent schob Varga eine Fotografie zu. Es war die Aufnahme eines schmächtigen Mannes mit südländischen Gesichtszügen. Seine Haare waren Haare streng zurückgekämmt, und er trug ein exakt geschnittenes Menjoubärtchen, wie es vor Jahrzehnten modern gewesen war.

    Varga hatte ihn zwei oder drei Mal gesehen, aber nie ein Wort mit ihm gewechselt. Der einzige Grund, warum er sich überhaupt an ihn erinnern konnte war, dass Ron Nice sich bei seinem letzten Besuch im Sarasota Bottle Club wie ein Arschloch benommen hatte. Varga hatte überlegt, ihn vor die Bar zu bitten und ihm seine dreckige Visage zu polieren.

    »Ich kenn ihn.«

    »Haben Sie schon mit ihm gesprochen?«, wollte Kent wissen.

    »Nein.«

    »Können Sie Kontakt zu ihm herstellen?« fragte Longholm dazwischen.

    »Was ist so wichtig an dem Scheißkerl? Was hat gerade die Steuerbehörde für ein Interesse an ihm?«

    Varga sah Longholm an, und der ließ seinen Blick fragend zu Kent wandern. Kent nickte, und Longholm begann zu erklären: »Wir arbeiten in diesem Fall eng mit dem FBI zusammen. Das Interesse der Steuerbehörde an der Zielperson ist zugegebenermaßen begrenzt.«

    Varga stutzte. Die Ausführungen verwirrten ihn, doch Longholm erklärte weiter: »Wir beobachten Nice bereits über einen längeren Zeitraum. Wir wissen, dass er einen Kokainring aufgebaut hat, dessen Zentrum Detroit ist. Wir haben mehrmals Zugriffe durchgeführt, kamen aber immer zu spät.«

    »Das ist euer verdammtes Problem, Mann. Haltet mich da raus!«, unterbrach Varga.

    Longholm tupfte sich die feuchte Oberlippe. »Nach den gescheiterten Versuchen wurde es immer klarer, dass Nice Polizisten bezahlt, die ihn mit Informationen zu versorgen.«

    Varga lachte. »Uniformierte Spitzel? DieserVerein schreckt ja vor nichts zurück!«

    Wütend wies Kent ihn zurecht: »Sandor! Die Geschichte ist ernst. Nice arbeitet mit mindestens zwei korrupten Polizisten zusammen. Das FBI reagiert auf solche Dinge ziemlich allergisch.«

    »Und was hat dann dieser fette Kerl von der Steuerbehörde hier verloren?« Varga nickte unwirsch in Richtung Longholm, der die Beleidigung überhörte und in ruhigem Ton erklärte: »Das FBI hat uns um Unterstützung gebeten, da wir, und das wird Sie vielleicht überraschen, mehr Überprüfungs- und Zugriffsrechte besitzen als unsere Kollegen.«

    »Das heißt?«, fragte Varga schulterzuckend.

    »Das heißt, während das FBI oder das CIA noch Beweise sammeln, können wir diesen Dreckskerl bereits aus dem Verkehr ziehen.«

    Kent grinste: »Traut man diesem langweiligen Verein gar nicht zu, was?«

    Longholms Lachen ging in einen heftigen Hustenanfall über. Sein Kopf färbte sich dunkelrot.

    »Warum sollte ich euch helfen?« Varga verzog keine Miene.

    Longholm hatte sich kaum beruhigt, als er mit schwachen Atem hervorbrachte: »Damit die Steuerbehörde sich um Ron Nice kümmern kann, mein Sohn. Ansonsten müssen wir nach anderen schwarzen Schafen suchen, die unser Gesetz mit Füßen treten. Vielleicht kooperieren die eher mit uns, als Sie es tun.«

    Er blickte Varga lange in die Augen und begann dann wieder lauthals zu lachen.

    Gerade als Varga sich erheben wollte, um das vermiefte Büro zu verlassen, sagte Kent: »Du bist jetzt offizieller Informant des amerikanischen Geheimdienstes.«

    »Ich scheiß auf diesen Titel!«

    Kent überhörte den Einwand. »In Ausübung deiner Tätigkeit für den Geheimdienst darf dein ziviler Name keine Rolle mehr spielen. Deswegen wirst du unter einem Decknamen agieren. Wir haben uns für RuffBone entschieden.«

    »Wer hat sich denn einen solchen Scheißnamen ausgedacht?«, wetterte Varga.

    »Der Name entstammt dem Slang, der Hafenarbeitern. Man benutzt den Ausdruck RuffBone für Männer, die…«, versuchte Kent zu erklären, bevor Varga ihm ins Wort

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