Wittenberger Lesebuch
Von Elke Bannach
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Buchvorschau
Wittenberger Lesebuch - Elke Bannach
Lesebuch
Impressum
eBook: 9783962551070
Erstauflage 2017
© 2017, Elba,
www.elkebannach.com
Elke Bannach
Extertaler Ring 14
06792 Sandersdorf-Brehna
E-Mail: e_bannach@yahoo.de
Bild: © Klaus W. Hoffmann
Für die Texte sind ausschließlich die einzelnen Autorinnen und Autoren verantwortlich.
Alle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jeglicher Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem und sonstigem Wege sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung der Herausgeberin erfolgen.
Vorwort
Ein Wittenberger Lesebuch, das im 500. Jubiläumsjahr der Reformation erscheint, ist ohne Martin Luther undenkbar. Heinrich und Niklas Peuckmann haben ihn in den Mittelpunkt ihrer Texte gestellt.
Zur Reformationszeit gehört auch die Gewalt gegen Sachen, den Heiligenbildern und -figuren in den Kirchen, aber auch die Gewalt gegen Menschen, die sich angeblich mit dem Teufel verbündet und Schadzauber angerichtet hatten. Klaus W. Hoffmann erzählt von solchen Menschen, die 1540 während einer Dürrezeit der Hexerei bezichtigt, gefoltert und öffentlich verbrannt wurden.
Aber Wittenberg ist nicht nur die Reformationsstadt. Es wurde vor allem vom Kurfürsten Friedrich III. vor der Reformationszeit geprägt. Er gründete seine Residenz und die Universität, sodass Wittenberg zum geistigen Zentrum des Humanismus und als Wirkungsstätte Martin Luthers aufsteigen konnte.
Im Jahr 1542/1543 war es auch wieder ein Kurfürst, nämlich Johann Friedrich der Großmütige, der nach der Erschließung eines Quellgebietes ein Röhrwassersystem zur Trinkwasserversorgung bauen ließ. Dieses System wurde im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer mehr verbessert. Ich habe das recherchiert und darüber einen Text für diese Anthologie beigesteuert. Über die Geschichte der Trinkwasserversorgung und dem Leben in der Stadt, vom 14. bis 16. Jahrhundert, erzählt auch die Wittenberger Historikerin Elke Strauchenbruch.
Was wäre Wittenberg ohne die Elbe und das mit dem Fluss verbundene Biosphärenreservat? Um manches ärmer! Der Fluss lädt zu Kanufahrten durch unberührte Natur ein. Und wenn man Glück hat, kann man Kraniche oder Seeadler beobachten.
Der Fluss trat aber auch immer wieder über die Ufer und flutete nicht nur die Uferbereiche, sondern auch die Stadt.
Die Elbe steht im Mittelpunkt der Geschichten und lyrischen Texte von Klaus Krupa, Antje Penk und Katharina Düwel.
In unserem Lesebuch darf natürlich die Geschichte eines bekannten, erfolgreichen und mit Wittenberg eng verbundenen Unternehmens nicht fehlen: Wikana. Die Entstehung und Entwicklung dieser Keks- und Nahrungsmittelfabrik hat Sylke Schaufler in ihrem Text dargestellt.
Vier Autorinnen, vier Autoren und ich als Herausgeberin, haben zu unterschiedlichen Themen Texte geschrieben und so ein abwechslungsreiches Wittenberger Lesebuch gestaltet.
Elke Bannach
Inhalt
Post aus Wittenberg
Heinrich Peukmann
Wohin schippert das Schiff Reformation?
Überlegungen anhand der evangelischen Predigt
Niklas Peuckmann
Der Freispruch
Klaus W. Hoffmann
Die Wittenberger trinken den Faulbach und Frischbach, das ist Wittenbergisch Bier
Elke Strauchenbruch
Eine kleine Geschichte der Wittenberger Wasserversorgung
Elke Bannach
Fließe Strom
Klaus Krupa
Leben am Fluss
Kathartischer Morgen
Paar in Sepia
Gesicheltes
Waldsee im Sommer
Wasser und Mensch
Katharina Düwel
Azurblau
Die Boten
Antje Penk
Wikana - Kekse und Nahrungsmittel aus Wittenberg
Sylke Scheufler
Post aus Wittenberg
Heinrich Peuckmann
Ob der unbekannte Mönch Martin Luther, Professor an der hiesigen Universität, sich in der Nacht zu Allerheiligen 1517 wirklich durch die Straßen von Wittenberg geschlichen hat, um seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu nageln, ob seine Hammerschläge wirklich in den Gässchen der Stadt widerhallten, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Wen hätte diese Aktion auch interessieren sollen? Die Bewohner der Stadt nicht, denn was er geschrieben hatte, war auf Latein abgefasst. Und Latein verstanden nur seine Universitätskollegen, wenn überhaupt. Von den übrigen Bewohnern konnten die meisten nicht einmal lesen, egal ob es deutsche oder lateinische Texte waren. Also, wen sollte dieses Professorengeschwätz interessieren?
Seinen Dienstherrn Albrecht, Erzbischof von Magdeburg, Kurfürst und Kardinal von Mainz, Erzkanzler des Heiligen römischen Reiches, sowieso nicht. Albrecht interessierte sich für Kunst und ein bisschen für Politik, aber hauptsächlich, um an Geld ranzukommen. Wann sollte er in seinen bisher 27 Lebensjahren Zeit gefunden haben, sich mit Theologie zu beschäftigen? Nein, auch von jemandem wie ihm durfte man nichts Unmögliches verlangen.
Und doch tat es jemand. Ja, jemand zwang ihn, sich mit Theologie zu beschäftigen, obwohl er doch so viel Wichtigeres zu erledigen hatte. Sich zum Beispiel mit Kunst zu beschäftigen und vor allem mit den neuen Gedanken des Humanismus. Hatte er nicht deshalb, um sie zu fördern, Ulrich Hutten an die Moritzburg von Halle geholt? Dorthin, wo er sich am liebsten aufhielt. Aber jetzt saß er hier in Mainz, in der Martinsburg direkt am Rhein, von dem aus die Herbstkälte zu ihm hochstieg und ihn an den Füßen frieren ließ.
Da war, zu allem Überfluss, auch noch diese Post gekommen, die verbürgt ist, anders als der Thesenanschlag. Post von dem Mönch aus Wittenberg, dessen Namen er noch nie gehört hatte und den er auch nicht hören wollte. Konnte man diesen Leuten nicht sagen, dass sie nicht lästig werden sollten? Nein, das konnte man nicht, denn sie wollten einfach nicht hören.
Genau in dem Moment, als er seine kalten Füße behaglich in Richtung Kaminfeuer gestreckt hatte, war sein Sekretär Valentin Thomasius ins Zimmer getreten.
„Eminenz, da ist ein Brief für Euch gekommen."
„Ist er wichtig?"
„Er hat sämtliche Ämter Ihrer Verwaltung durchlaufen, alle haben ihn weitergeleitet. Also sind sie der Meinung gewesen, dass Ihr ihn lesen müsst."
Albrecht seufzte auf, reckte sich ein wenig vor und kam für einen Moment mit den Füßen den Flammen zu nahe. Erschrocken zuckte er zurück.
„Also gut, Valentin, um Himmels Willen, dann lies vor."
„Der Brief ist aus Wittenberg, geschrieben von einem Mönch, der an der dortigen Universität unterrichtet und sich Martin Luther nennt."
„Was bedeutet es, dass er sich Martin Luther nennt? Heißt er denn nicht so?"
„Es bedeutet, dass er sich unbenannt hat, wohl zum ersten Mal in diesem Brief. Bis vor kurzem hieß er noch Martin Luder."
„Umbenannt, nur um mir zu schreiben?"
„Vielleicht nicht nur deshalb. Womöglich hatte er das Gefühl, dass für ihn ein neuer Lebensabschnitt beginnt und er das äußerlich dokumentieren müsste."
Albrecht winkte ab. „Ist gut, egal ob Luder oder Luther, was interessiert mich der Name. Morgen werde ich ihn sowieso vergessen haben. Worum geht es also?"
Thomasius räusperte sich und begann zu lesen. „Dem hochwürdigen Vater in Christo und durchlauchtigsten Herrn", begann er, „Erzbischof der Kirchen zu Magdeburg und Mainz, Primas, Markgraf zu Brandenburg seinem Herrn und Hirten in Christo, geachtet in Ehrerbietung und Liebe! Gnade und Barmherzigkeit Gottes und alles, was er vermag und ist!
Verzeiht mir, ehrwürdigster Vater in Christo, durchlauchtigster Kurfürst, dass ich, der geringste unter den Menschen, so unbesonnen und vermessen bin und es wage, an Eure höchste Erhabenheit einen Brief zu richten."
„Schon gut, schon gut, unterbrach ihn Albrecht, „langweile mich nicht. Fasse zusammen! Worum es geht?
„Es geht um den Ablass, werter Herr."
„Den ich erlassen habe."
„Genau um den."
„Was schreibt er dazu?"
„Dass Ihr ihn abschaffen sollt."
Jetzt stand Albrecht doch auf. Die ersten Schritte