DREI STROPHEN: Gedichte - Ukrainisch und Deutsch
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Über dieses E-Book
Die vorliegende Ausgabe präsentiert Pavlytschkos DREI STROPHEN erstmals komplett in deutscher Sprache. Den Übersetzern Irena Katschaniuk-Spiech und Joseph Spiech ist es gelungen, den Inhalt getreu wiederzugeben und den Stil und das Versmaß beizubehalten. So spürt der deutsche Leser hautnah den Geist des ukrainischen Originals.
Dmytro Pavlytschko
Dmytro Pavlytschko, Jahrgang 1929, ist in der Ukraine ein großer Dichter und Übersetzer, Schriftsteller und Staatsmann. Er lebt seit 1963 in Kiew und engagiert sich seit seiner Studentenzeit auch publizistisch und politisch. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wirkte Pavlytschko als Mitverfasser des Unabhängigkeitsaktes der Ukraine vom 24. August 1991. Er war Abgeordneter im ukrainischen Parlament Verchovna Rada und Botschafter der Ukraine in der Slowakischen Republik und in Polen. Zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit gehören zahlreiche Artikel über literarische, politische und wissenschaftliche Themen sowie Drehbücher zu verschiedenen Filmen. Doch seine wahre Berufung ist die Poesie, was man an den vielen hervorragenden Gedichtsammlungen ablesen kann, die in den vergangenen Jahrzehnten erschienen sind. Als begnadeter Übersetzer hat Pavlytschko zudem zahlreiche Werke der Weltliteratur, so etwa die berühmten Sonette von William Shakespeare, ins Ukrainische übertragen. Nicht wenige seiner Gedichte wurden vertont und haben als wahre Volkslieder Eingang in die ukrainische Kultur gefunden.
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Buchvorschau
DREI STROPHEN - Dmytro Pavlytschko
Mit einem Vorwort von
Leonid Rudnytzky
Nachdichtung aus dem Ukrainischen von
Irena Katschaniuk-Spiech und Joseph Spiech
Ukrainische Freie Universität
München 2018
Inhalt
Vorwort
Drei Strophen
Das dichterische Werk als Spiegel der Zeit
Glossar
Danksagung
Biographien
Bibliographische Angaben
Titelverzeichnis
Vorwort
Die Pflicht des Dichters nach Dmytro Pavlytschko, ist „dafür Sorge zu tragen, dass die traditionellen künstlerischen Errungenschaften des Volkes erhalten und gepflegt werden, dass die Muttersprache in ihrer Reinheit, Lebensfähigkeit und Blüte hochgehalten wird und dass ein fruchtbarer Boden geschaffen wird, damit, wie junge Bäume, neue beflügelte Talente aufwachsen und das geistige Leben des Landes gedeihen kann".
Dieses war und ist das Grundprinzip seiner literarischen Tätigkeit und, man kann getrost behaupten, seines Lebens in den verschiedenen Rollen als Dichter, Denker, Schriftsteller, Übersetzer und, in der Ära der unabhängigen Ukraine, als Diplomat und Staatsmann. Diesem Prinzip, oder besser gesagt, diesen selbstauferlegten edlen Aufgaben, ist er sein Leben lang treu geblieben.
In ihrem Aufsatz Das dichterische Werk als Spiegel der Zeit, worauf wir hier hinweisen, bietet uns Irena Spiech eine kurze und dennoch ausführliche Biographie des Dichters. Wahrlich, der Lebenslauf von Dmytro Pavlytschko spiegelt sich in seinem Jugend- wie auch in seinem Alterswerk wider. In den Zeiten der Sowjetunion, als die intensive Russifizierung der ukrainischen Sprache und Kultur ihr Unwesen trieb und die präskriptive staatliche Zensur viele dichterische Werke entweder verunstaltete oder total vernichtete, wurde die Literatur für ihn zum Schlachtfeld der Ideen, auf dem er, unter bedrohlichen Umständen, seiner inneren selbsterrungenen Freiheit innerhalb des vom Staat auferlegten Zwangs folgte und sich für das Wahre und Schöne, für die Reinheit des poetischen Wortes und eines eleganten erhabenen Stils besonders in der Poesie einsetzte, wobei er oft gegen die Diktate des damals herrschenden Dogmas des Sozialistischen Realismus verstieß. Beim Lesen seiner Gedichte und Schriften denkt man unwillkürlich an das Goethesche Diktum, „Alle meine Werke sind Bruchstücke einer großen Konfession", das auch auf den Ukrainer anwendbar ist. Pavlytschko ist am 28. September 1929 in Stoptschatiw, einem in den Vorkarpaten gelegenen Dorf (heute Oblast Iwano-Frankiwsk) in einer Bauernfamilie geboren worden. Als Schüler ging er in die polnischsprachige Schule in Jabluniw, wo er schon früh in seinem Leben schlechte Erfahrungen – Diskriminierung wegen seiner Muttersprache erleben musste. Als junger Mann war Pavlytschko 1945 einige Monate in der Ukrainischen Aufständischen Armee aktiv, wofür er später mit einer fast einjährigen Haft büßen musste. Er durfte nicht promovieren, sein Buch Die Wahrheit ruft (1958) wurde verboten und die Auflage vernichtet. Diese Erlebnisse wären eine Mahnung für jeden jungen Mann gewesen, extreme Vorsicht im öffentlichen Leben eines totalitären Staates walten zu lassen, doch dies galt nicht für Dmytro Pavlytschko. Zwar weist sein literarisches Schaffen jener Zeit Werke auf, in welchen er im Dienste des sozialistischen Staates stand, aber als Dichter von Gottes Gnaden (wie sich über ihn einst sein älterer Zeitgenosse, der Schriftsteller Oles’ Hontschar äußerte), dessen Gedichte vertont oft im Volksmund ihren Widerhall fanden, war es ihm unmöglich, seine innersten Gefühle und Überzeugungen ständig zu verbergen und damit sich selbst untreu zu werden. Der Verfasser dieses Vorwortes war selbst mehrere Male Augenzeuge, wie Pavlytschko ohne jegliche Hemmung als engagierter ukrainischer Patriot unter für ihn gefährlichen Umständen tapfer, ja sogar tollkühn auftrat.
Der erste solcher Auftritte war 1962 in Helsinki im Rahmen eines von der Sowjetunion organisierten Internationalen Kongresses der Sozialistischen Jugend, wo Pavlytschko mehrere Male an politischen und literarischen Diskussionen teilnahm. In Anwesenheit von sowjetischen Ideologen, Parteifunktionären und Dichtern (unter den letzten führte der berühmte russische Dichter Jewgenij Jewtuschenko das große Wort), hielt Pavlytschko, im Gegensatz zu anderen ukrainischen Kongressteilnehmern (wie Vitalij Korotytsch, der sich immer sehr zurückhaltend und vorsichtig ausdrückte) mehrere feurige Reden und Gespräche über den nationalen Inhalt der ukrainischen Literatur und die Notwendigkeit, sie in der Welt bekannt zu machen. Dabei betonte er die Selbstständigkeit dieser Literatur im Rahmen der Weltliteratur, was mir damals ein wenig gewagt erschien. An dieser Stelle muss, meiner Meinung nach, auf noch eine sehr wichtige charakteristische Eigenschaft unseres Dichters hingewiesen werden. Zu den verschiedenen oben aufgezählten Rollen, die er in seinem Leben gespielt hat und immer noch tatkräftig verfolgt, soll die des Orators, des öffentlichen Redners, hinzugefügt werden. Sein rhetorisches Talent ist wahrlich außerordentlich. Beim Reden kommt seine scheinbar unerschöpfliche, nie nachlassende schöpferische Energie zum Vorschein. Als Orator ist er unter den zeitgenössischen Dichtern unübertroffen und diese, von dem ukrainischen Volke sehr geschätzte Rednerkunst spielt bei Pavlytschko, dem Dichter und Denker, eine sehr wichtige Rolle. Im Aufsatz Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden (ca. 1806) entwickelt der berühmte deutsche Schriftsteller und Dramatiker Heinrich von Kleist eine interessante Theorie, die teilweise den modus operandi von Pavlytschkos Denken und Reden und damit auch sein literarisches Schaffen erklärt. Kleist postuliert zwei Arten des Redens: erstens, nach Aristoteles, das Reden als Übersetzen der fertigen Gedanken in Worte, und zweitens, als Entwicklung und oft auch Formulierung der noch nicht vollständig entwickelten Gedanken. Diese zweite Art und Weise des Sprechens ist von großer Bedeutung für Pavlytschko. Hier ist das auf Pavlytschko anwendbare Kleist’sche Zitat: „Aber weil ich doch irgend eine dunkle Vorstellung habe, die mit dem, was ich suche, von fern her in einiger Verbindung steht, so prägt, wenn ich nur dreist den Anfang mache, das Gemüt, während die Rede fortschreitet, die Notwendigkeit, dem Anfang nun auch ein Ende zu finden, jene verworrene Vorstellung zur völligen Deutlichkeit aus, dergestalt, dass die Erkenntnis, zu meinem Erstaunen, mit der Periode fertig ist." Dieser Kleist’schen Theorie nach ist die Sprache, oder genauer ausgedrückt, der Prozess des Redens, für Pavlytschko ein Weg zur Klarheit des Denkens. Seine Sprache ist keine Fessel, kein Hemmschuh an dem Rad des Geistes, sie wirkt wie ein zweites mit ihm parallel laufendes Rad an einer Achse.
Vier Jahre danach hatte ich wieder die Gelegenheit mit Dmytro Pavlytschko an einer Veranstaltung teilzunehmen. Er und sein jüngerer Kollege, Ivan Dratsch, eine der führenden dichterischen Stimmen der bekannten 60-er Generation ukrainischer sowjetischer Dichter, kamen 1966, in Begleitung verschiedener „Betreuer, auf meine und meines leider schon verstorbenen Kollegen Miroslaw Labunkas Einladung zu einer Konferenz an der La Salle Universität in Philadelphia, USA. Das Treffen mit den Dichtern war eine Sensation. Nicht nur Studenten und Professoren von La Salle und den benachbarten Hochschulen kamen zu dieser Veranstaltung, sondern auch zahlreiche Mitglieder der ukrainischen Bevölkerung der Stadt Philadelphia. Die Organisatoren mussten in letzter Minute einen größeren Hörsaal finden, der ebenfalls bald überfüllt war. Für den jungen Ivan Dratsch war das der erste Amerikabesuch, und er schien ein wenig eingeschüchtert von der Anwesenheit so vieler ukrainisch-kundiger Amerikaner. Er las einige seiner Gedichte vor und überließ es Pavlytschko, auf die meisten der gestellten Fragen zu antworten. Dieser sprach, trotz der markanten Anwesenheit der „Betreuer
, überzeugend und furchtlos. Er äußerte sich zu verschiedenen literarischen Themen, auch über das Volkslied als Faktor für den Erhalt der nationalen Kultur, die Melodie des Leidens in ukrainischen Volksliedern, und sprach sich gegen den Dilettantismus in der Dichtung und für die Notwendigkeit einer soliden geisteswissenschaftlichen Bildung für die Dichter aus. Doch allmählich neigte sich der Gang der Konferenz in die politische Richtung. Es entwickelte sich ein reger und höchst interessanter intellektueller Streit zwischen Pavlytschko und dem Historiker Ivan Lysiak Rudnytsky (1919–1984) über die Russifizierung der ukrainischen Sprache und Kultur, in dessen Verlauf der Dichter auf die Präsenz einer zu jener Zeit sich vollziehenden „Ukrainisierung" der Ukraine hinwies, was der Professor ironisch zu widerlegen versuchte.
Pavlytschko beantwortete zahlreiche Fragen von Professoren und Studenten bis auf eine. Diese wurde von einem Studenten gestellt, dessen Hauptfach Russisch war. An die Frage kann ich mich nicht mehr genau entsinnen, aber an Pavlytschkos Antwort erinnere ich mich ganz genau: