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Lebendige Vergangenheit: Erinnerungen von 1927-2017
Lebendige Vergangenheit: Erinnerungen von 1927-2017
Lebendige Vergangenheit: Erinnerungen von 1927-2017
eBook177 Seiten1 Stunde

Lebendige Vergangenheit: Erinnerungen von 1927-2017

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Über dieses E-Book

Die Autobiografie von Dr. Wolfgang Retting stellt die ebenso
beeindruckende wie auch ergreifende Lebensgeschichte des
Autors dar- mit allen Facetten, die das Leben zu bieten hat, angefangen von der Grausamkeit und den Schrecken des Zweiten Weltkrieges über das Physikstudium und die anschließende Promotion, gefolgt von Eheschließung und Kindersegen bis hin zu zahlreichen interessanten Aufenthalten und Reisen in die nahe und ferne Welt. Dabei zeigen sich in jeder Lebensphase der ausnehmende Optimismus und das imponierende Durchhaltevermögen des heute Neunzigjährigen - komme, was da wolle!

Eine ganz und gar lesenswerte Lektüre für Jung und Alt!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum14. Mai 2018
ISBN9783837221350
Lebendige Vergangenheit: Erinnerungen von 1927-2017

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    Buchvorschau

    Lebendige Vergangenheit - Dr. Wolfgang Retting

    Paul

    Vorwort

    Im September 2008 sind meine Frau Heede und ich zu unserer Tochter und unserem Schwiegersohn ins Saarland gezogen, unserer vermeintlich letzten Station. Beide haben uns liebevoll aufgenommen. Trotzdem haben wir unseren Wohnort noch einmal gewechselt, weil wir uns zu sehr in unserer Selbstständigkeit eingeschränkt fühlten.

    Wir wohnen jetzt wieder nach fast 20 Jahren in Eisenberg in der Pfalz in einer Wohnung mit betreutem Wohnen in einem Seniorenheim.

    Ich war 83, als ich zu schreiben begann. Grund genug, um mich mit meinem Leben auseinanderzusetzen. Als Junge habe ich den Nationalsozialismus erlebt und war von dieser „Idee überzeugt, besonders nach vier Jahren als „Jungmann einer „Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (abgekürzt NPEA und salopp „Napola genannt). Andererseits entsprach ich zwar äußerlich dem damaligen nordischen Menschenvorbild, doch in meinem Wesen kaum. Ich war kein kämpferischer, sportlich begabter Junge und bin auch jetzt als erwachsener Mensch nicht anders. Damals habe ich darunter gelitten. Mit 17 Jahren machte ich als Einziger das Abitur an meiner Schule, der Napola. Danach war ich noch zu jung, um eingezogen zu werden, obgleich ich mich, wie es damals selbstverständlich war, „freiwillig zur Kriegsmarine gemeldet hatte. Nach einem Gastsemester als Physikstudent an der Universität Posen wurde ich zuerst – nicht freiwillig – für sechs Wochen zum „Reichsarbeitsdienst eingezogen.

    Im Herbst 1944 kam ich, immer noch 17-jährig, endlich als Offiziersanwärter auf die Schwedenschanze nach Stralsund.

    Leider brach bei mir wie auch bei anderen Kameraden, die mit mir zusammen im Arbeitsdienst waren, eine Gelbsucht (Hepatitis A) aus, die ich im Marinelazarett Stralsund auskurieren musste.

    Danach hatte ich die Grundausbildung auf dem Dänholm zu wiederholen. Der Krieg näherte sich seinem Ende und ich wurde mit vielen anderen zur Infanterie abkommandiert. Was dann folgte, war ein Albtraum! Ich erlebte mit knapp 18 das Ende des Krieges in einer sehr schlimmen Form. Anders kann ich es nicht sagen: Ich bin dadurch traumatisiert für mein Leben. So berichte ich hier als Zeitzeuge über meine Kindheit im Baltikum und über meine Jugend als „Nazi", über meine Nachkriegszeit-Erlebnisse am Ende des Krieges, meine weitere Jugend in einem Zustand der Orientierungslosigkeit und über mein späteres Leben als Erwachsener.

    1. Meine Kindheit in Estland

    Meine Eltern haben 1924 in Lettland geheiratet und am 25. Januar 1927 wurde ich in Riga geboren. Die Fotos unten zeigen unsere Familie 1929 (rechts) und mich vorher als Kleinkind (links).

    Im selben Jahr 1927 zogen wir nach Reval (heute Tallinn) in Estland. Der ältere Bruder meiner Mutter, mein Onkel Oskar, hatte dort eine Vertretung einer technischen Gummiwaren-Fabrik gegründet und legte auf die Mitarbeit meines Vaters als seinen Vertreter großen Wert. Onkel Oskar war für uns mehr als ein Verwandter und auch mein Patenonkel, daher habe ich meinen zweiten Vornamen „Oskar". Am 10. Oktober 1928 wurde mein Bruder Hans-Walter in Reval geboren. Er hieß Walter nach einem Bruder meines Vaters, der nach seiner Auswanderung nach Amerika als Elektriker von seinem Hauswirt erschossen wurde, weil er im Hof des Grundstücks eine Sicherung auswechseln wollte. Das gab es schon damals!

    Wir haben zuerst in Reval in mehreren Mietwohnungen gewohnt. 1933 ließen meine Eltern in Baltischport, westlich von Reval gelegen, ein kleines Sommerhaus bauen. Unser Vater hatte die Möbel dieses Hauses auf dem Dachboden eines Miethauses angefertigt. Er war ein geschickter Handwerker und hat auch für uns Kinder wunderbares Spielzeug gebaut. Baltischport war eine verträumte kleine Stadt an der Ostsee in einer Umgebung mit typischer Kalkstein-Vegetation: Viel Wacholder und noch mehr Thymian, ein Duft der Kindheit! Wir hatten ein sehr großes Grundstück mit vielen Kalksteinen, mit denen wir herrlich spielen konnten. Zum Beispiel legten wir mit diesen Steinen die Konturen eines Schiffs, das zu verlassen unweigerlich unseren Tod durch Ertrinken bewirkt hätte! Unsere Eltern unternahmen oft Ausflüge mit ihren Fahrrädern und nahmen uns Kinder auf ihren Gepäckträgern mit. Unsere Mutter hatte uns rote Strandanzüge genäht. Einmal gerieten wir in eine Rinderherde, die von einem Stier angeführt wurde. Unsere Mutter hatte schreckliche Angst, der Stier würde uns Kinder für Toreros halten.

    Anfang 1935 ließen meine Eltern ein Wohnhaus in Nömme bei Reval bauen. 1936 zogen wir ein. Unser Grundstück hatte zuerst reinen Sandboden und unsere Eltern ließen viele Kubikmeter gute Erde anfahren, um einen schönen Garten mit Beerensträuchern und Obstbäumen zu schaffen. Ein schon vorhandenes kleines Kiefernwäldchen blieb besonders für uns Kinder erhalten. Dort spielten wir gerne Indianer. – In unserem Hause in einer kleinen Dachwohnung wohnte eine estnische Frau mit einer Tochter in unserem Alter. Sie war sehr hübsch, was wir aber noch nicht bemerkten. Sie kam uns aber als Indianersquaw gerade recht. Sie hieß Öie, was auf Estnisch „Blüte bedeutet. – Viele Jahre später haben wir, meine Frau und ich, nach einer Tagung in Helsinki meine alte Heimat und auch „unser Haus in Nömme besucht. Wir konnten sogar in unsere alte Wohnung, weil die jetzigen Bewohner verreist waren und ein sehr gut Deutsch sprechendes Mädchen die Wohnung hütete. Wir waren schon dabei, das Grundstück zu verlassen, als eine Frau aus dem Hause kam, in dem noch ihre Mutter wohnte, und uns ansprach: „Ich war Schneeflocke! Bist du Wolfgang?" Es war Oie, die durchaus nicht mehr das ehemalige schlanke Mädchen war. Aber das war bald vergessen und wir sprachen über die schönen alten Zeiten.

    Schon in Reval hatte ich die ersten Klassen einer deutschen Vorschule besucht. In Estland hatten wir im Einverständnis mit der estnischen Regierung mehrere deutsche Schulen, sogenannte Vorschulen, ein Gymnasium, ein Mädchen-Lyzeum und eine Oberrealschule, in der ich später die Quarta und die Quinta besuchte. In den höheren Schulen war allerdings Estnisch unsere erste „Fremdsprache. – Als wir nach Nömme umzogen, wechselte ich für die letzte Klasse zur dortigen Vorschule. Dort hatte unsere Klasse in den Pausen ein Lieblingsspiel: Der abessinische Negus – das war der Größte und Stärkste von uns – wurde von allen anderen – außer von mir – regelmäßig als „Italiener verprügelt. Es war die Zeit, als Mussolini Abessinien als Kolonie in Besitz nahm. Dazu muss man wissen, dass die Baltendeutschen, wie die meisten Auslanddeutschen, Hitler und Mussolini noch als Befreier sahen. Das änderte sich später für die Älteren nach unserer Umsiedlung unter der Losung „Heim ins Reich".

    Mit zehn Jahren besuchte ich, wie gesagt, die ersten Klassen der deutschen Oberrealschule.

    Dort war, außer Estnisch, Englisch die zweite obligatorische Fremdsprache.

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