Humane Algorithmen
Von York Heinrich
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Über dieses E-Book
Die Jüngeren würden ihre Lebenszeit für neue Aufgaben einsetzen, Aufgaben, die er nicht mehr erledigen wollte. Einige Menschen dachten nur an sich, an das, was sich in ihrer Lebenszeit verwirklichen ließ. Andere bauten etwas auf, versuchten etwas an die nächste Generation weiterzugeben. Ihm war es wichtig, humanen Algorithmen zu folgen und sie zu beschreiben. Aber was war der humane Faktor? Der Mensch war ein vermittelndes Element: Ausgleich zwischen Tag und Nacht, Mittler zwischen Streitenden, Informationsträger der Vergangenheit für die Zukunft, Medium der Natur in einer technisierten Welt. Für diese Vermittlung musste er Instrumente schaffen, die Zeugnis seiner Bemühungen waren und anwendbar blieben.
Aber er sah keine Chance für die Menschheit, wenn sie sich nicht den möglichen Positionen und erreichten Stufen jedes Einzelnen gegenüber offen zeigte, sondern alles unter einer Denkart betrachten wollte und so tat, als ob es nur eine Sorte Mensch gab.
York Heinrich
"Humane Algorithmen" ist die vierte Publikation des Autors York Heinrich. Von ihm erschienen bislang "Auf der Suche nach dem idealen Satz" (2014), "Sauermachers Übergang: Ein Buch für alle, die noch etwas zu geben haben" (2015) sowie "Der große Moment" (2017).
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Buchvorschau
Humane Algorithmen - York Heinrich
Inhalt
Betreff: Brieffreund
Verlaufene Zeit
Tun als ob
Harmonisierung
Die Philosophie vom Anderen
Bekanntsein
Subjekte des Handelns
Peridisziplinäre Atmosphäre
Kurzlebige Antworten
Lokalbewusstsein
Grenzverschiebungen
Kontrollverlust
Universal
Unvernünftige Atmosphäre
Bewohntsein
Humane Atmosphäre
Überbrückung oder Provisorium
Freundbilder
Blutige Veröffentlichung
Entwöhnung
Kompetenter Mensch
Kranksein
Zwischenschritte
Manche Entfernungen erschienen den Menschen so weit, dass sie gar nicht erst versuchten, diese zu verringern. Dabei war oftmals gar keine weite Reise zu unternehmen, eher die Beschäftigung mit Türen, die als verschlossen galten.
Betreff: Brieffreund
Hallo Sauermacher,
mir wurde empfohlen, einen Brieffreund zu suchen. Im Netz erschien bei der Eingabe der Kombination der Suchbegriffe Dialogführung und Neuorientierung der Hinweis auf Ihre Bücher: Sie wären geeignet. Mehr will ich für den Anfang nicht schreiben, das spart Kraft.
Bird
Hallo Bird,
ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft!
Sauermacher
Sauermacher hatte einen kurzen Brief erhalten, einen Brief, über ein Mailprogramm. Das sparte Zeit, die sonst nötig gewesen wäre, eine Handschrift zu entziffern.
Lesbare Schrift, schlechter Arzt! Dieser bekannte Ausspruch wurde in seinem Lebensbereich häufig angewendet. Ein Bonmot, ein schönes Wort, fähig zur geistreichen Konversation, aber Sauermacher hasste diese Art von geregeltem Umgang in bestimmter Gesellschaft, in der die Bindungen den Dialog bereits vorgaben. Er liebte den zwischenmenschlichen Austausch, der alle Beteiligten anregte. Nun störte ihn weniger diese gekünstelte Art des Gesprächs, wenn er nicht hineingezogen wurde. Am meisten nervte es ihn, wenn er selbst Sätze verwandte, die er noch nicht zu Ende gedacht hatte. Er hatte sich immer geärgert, wenn er so unvollkommen zu sein schien.
Jetzt erreichte ihn diese klar formulierte Nachricht. Er wollte dieses Mal genau aufpassen, was er antwortete, wenn er überhaupt erneut Post erhalten würde. Er wollte ein Briefeschreiber sein, der nach seinen Worten leben und handeln konnte. Er hatte doch die meisten Begriffe für sich bearbeitet, als seinen Beitrag aus seinem ständigen Tun, seiner Disziplin, heraus.
Hallo Sauermacher,
Sie haben geantwortet. Das Zitat ist aus dem Film Casablanca. Ich weiß, Ihre Nachricht ist unverbindlich. Jetzt liegt es an mir, Sie zu überzeugen, erneut zu schreiben.
Ich lebe quasi in einer zeitlosen Dimension. Mein Leben ist eine Zusammenkunft von Minuten mit Gelegenheiten. Die Dinge, die ich unternehme, dauern eben so lange, wie sie benötigen. Die Zeit ist herausgekürzt.
Bestimmte Bücher sind wie ein langer Brief an bestimmte Menschen. Ich habe Ihre Briefe erhalten, obwohl es scheint, Sie würden nicht an einzelne Menschen schreiben. Interessant, dass Sie einer Handlung so wenig Bedeutung beimessen.
Bird
Sauermacher dachte für einen kurzen Moment, dieser Brief könnte aus seiner Zukunft kommen, sein zukünftiges, erwünschtes Verhalten: ein besseres Tun, ein mit seinem Denken abgestimmtes Handeln.
Nein, es war kein Brief aus der Zukunft, eher aus einer zeitlosen Denkweise, wie dieser Bird schrieb; die Zeit für seine Aufgaben zu nutzen, bis man eine Pause einlegen musste, egal wieviel offizielle Zeit verstrichen war. Die Zeit als Arbeitsgrundlage gedacht, ein Fundament auf dem man seine persönlichen Dinge ablegen konnte.
Hallo Bird,
das ist interessant, dass Sie meinen, ich vermied die Handlung. Mein Leben ist nämlich voller Taten.
Gestern stand ich zum Beispiel auf einem Laufband und tat als ob. Ich bewegte meinen Körper im Rhythmus der Maschine und dachte für einen Moment, ich brächte außer meinem Puls überhaupt gar nichts in Gang. Hätte ich einen Staffelstab oder eine Botschaft für jemanden in der Hand gehalten, ich hätte beides keinen Zentimeter transportiert. Doch hatte ich den gesamten Körper einmal durchbewegt, die Durchblutung angeregt und einen freien Kopf erhalten. Diese Argumente hatte ich mir hinterher zurecht gelegt, aber auch die Frage zugelassen, ob ich den Kopf und die Gedanken nicht auch anders hätte reinigen können. Ich ließ die handlungsbetonte Lösung des Problems zu, eine Botschaft an mich selbst. Wenn ich also in Zukunft mit meinen Gedanken keinen Zentimeter weiter kommen konnte, würde ich zu laufen anfangen, ein praktischer Algorithmus für den Stand der Dinge, mit körperlicher Bewegung auch einen Stillstand der Gedanken zu beheben. Wie sollte ich also derzeit ohne Handlungen auskommen?
Sauermacher
Für Sauermacher war diese Art von Dialog, wenn auch in Briefform, fremd. Er hatte in dieser Weise noch keine Post versandt. Meist schrieb er an keine besondere Adresse, sondern hoffte, dass seine Zeilen – wie bei einer Flaschenpost – irgendwann jemanden erreichen würden, der sich über die Worte freute und ihnen, da auf besondere Weise erhalten, einen besonderen Wert beimessen würde. Nun suchte dieser Bird einen Brieffreund und schien seine Bücher nicht nur gelesen zu haben, darüber hinaus war er ihnen mit seinem Verstand gefolgt. Bird hatte an irgendeinem anderen Ort der Welt die Gedanken aufgegriffen und diese in Sauermachers erwünschter Weise verknüpft.
Lieber Sauermacher,
Sie könnten Ihren Körper von anderen durchbewegen lassen und so den Kontrakturen Ihrer Gedanken einen größeren Spielraum ermöglichen. Es ist wahr, ein Körper muss bewegt werden, aber nur in wenigen Fällen werden die Gedanken beim Laufen erhöht. Meist führt ein erhöhter Erregungszustand zu Problemen!
Da meine Handschrift ihren Zweck verfehlt, würde ich gerne bei der elektonischen Variante bleiben. Ich verspreche alle Kürzel und schlechten Angewohnheiten dieser Form der Kommunikation auszulassen.
Bird
Sauermacher hatte nun keinen Zweifel mehr, dieser Bird würde sich auf das Spiel mit den Begriffen einlassen. Es würde kein Ball hin- und herbewegt, um einen Gewinner auszuwählen.
Nein, beide würden in diesem Spiel belohnt, nicht wissend wie der Spielball beim Return aussehen würde.
Er müsste nun nicht auf Kritiken warten, seine in Zeilen gefassten Gedanken erhielten ihre Weiterführung in einem anderen Kopf.
Verlaufene Zeit
Lieber Bird,