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Schwarz oder Weiß
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eBook212 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Dr. iur. Stefan B. ist der Sohn eines wohlhabenden, erfolgreichen Kieler Anwaltes, dessen Kanzlei er vor kurzem übernommen hat. Er ist verheiratet mit seiner aller ersten Freundin Marie und lebt das Leben, dass ihm vorgegeben ist. Dieses geregelte Leben wird dann allerdings durch den Brief von Claudia N., einer Bekannten aus seiner Studentenzeit, durchbrochen.
Damals wohnte und studierte Stefan zusammen mit Marie in Hamburg. Damals allerdings hatte er, endlich losgelöst von Eltern und Milieu, frei sein wollen. Diese Freiheit bedeutete jedoch auch die geistige Trennung von Marie. Als seine Eskapaden zur Folge haben, dass Marie sich von ihm trennt, zieht Stefan bei Claudia ein. Claudia wird seine neue Familie, die er so nie gekannt hat. Sein eigenes Leben bekommt Gestalt. Auch entwickelt sich sein Liebesleben und er hat eine neue Freundin. Dann steht jedoch eines morgens sein Vater im Zimmer. Stefan wird sofort in sein altes Leben zurückgeworfen. Er soll in Kiel, unter den Fittichen seines Vaters, studieren. Er ist unfähig, sich zu wehren. Erst in Kiel gewinnt er schließlich Maries Vertrauen zurück und steht dann gesellschaftlich seinen Mann - bis Claudia ihm schreibt, dass sie bald sterben wird.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum7. Juli 2017
ISBN9783745000306
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    Buchvorschau

    Schwarz oder Weiß - Henning Plähn

    Auszug aus dem Tagebuch von Dr. iur. Stefan B.:

    Samstag, 18. März 2017, 14.00 Uhr

    Bevor ich nun anfange, meine letzten Tage hier aufzuschreiben, will ich noch kurz den Gedanken loswerden, den ich hatte, als ich dieses Tagebuch seit langer Zeit wieder aufschlug. Es ist ja ohnehin kein Buch in dem Sinne, sondern, wie es heutzutage im Zuge der Zeit nun mal so ist, halt nur diese Datei in meinem Heimcomputer.

    Als ich meinen Ordner Privates öffnete, musste ich wieder daran denken, was ich mir bei dessen Erstellung alles vorgenommen hatte. Neben meiner Arbeit im Büro hatte ich zu Hause für meine wissenschaftliche Laufbahn arbeiten wollen. Ich war halt noch ein junger Absolvent, der nur so vor Tatendrang und Selbstbewusstsein strotze. Neben dieser Ambition, mir durch wissenschaftliche Aufsätze einen Namen zu machen, von dem ich schon als Kind immer geträumt habe, hatte ich mir aber auch vorgenommen, meiner künstlerischen Seite durch dieses Tagebuch einen Platz in meinem Leben einzuräumen. Leider ist Privates aber natürlich bis auf die Tagebuchdatei leer geblieben.

    Das Tagebuch war jedoch kennwortgeschützt. Ich hatte die Aufzeichnungen offensichtlich als zu privat angesehen, um sie ungeschützt zu lassen, konnte mich jedoch nicht wirklich daran erinnern, wann ich zuletzt eine Eintragung gemacht hatte. Um so mehr stieg meine Spannung auf das, was mich alles erwarten würde. Ich versuchte mich an die letzte Eintragung zu erinnern, auch um die Erinnerung an das Kennwort wiederzuerlangen. Was würde ich da wohl über mich lesen? Meine eigene Vergangenheit, über die ich auch jetzt wieder so Unglaubliches berichten wollte, wurde ein richtiges Geheimnis für mich, da ich nicht mehr wusste, was ich über mich selbst geschrieben hatte. Was würde ich da über mich lesen? Zu alle dem war mir jedoch das Tor verschlossen, weil ich mich nicht mehr des Kennwortes entsinnen konnte.

    Obwohl ich unbedingt von mir behaupte, ein gutes Gedächtnis zu haben, stieß ich wieder an eine Grenze. Gerade das empfinde ich als besonders prickelnd. Ich musste erst eine Barriere durchdringen, um meine diesbezüglichen Gedanken freizulegen. Ich suchte nach einem Ansatz, und der war, wie es wohl allgemein bei den meisten Problemlösungen der Fall ist, in der Entstehung zu finden. Wie war das noch, als du damals die Datei anlegtest? Hast du da schon die Datei geschützt oder erst später? Ich erinnerte mich, dass ich damals vorgehabt hatte, nicht nur meine alltäglichen Erlebnisse aufzuschreiben, sondern auch Vergangenes, das noch in meinem Kopf rumschwirrte. Anstatt meine Abende damit zu verbringen, die Erinnerungen anderer in Romanen oder sonstiger Literatur zu lesen, von denen ich doch im Grunde nichts habe, außer Zeit totgeschlagen, wollte ich mich selbst daran versuchen. Darin bestand wohl der eigentliche Anreiz, die Tagebuchdatei zu erstellen. Ich wollte meine eigenen Erinnerungen aufschreiben. Und schon hatte ich das Kennwort: Erinnerungen.

    Als ich dann jedoch meine geistigen Ergüsse las, war es fast beschämend. Statt einem Tagebuch fand ich einen nachträglich geführten Terminkalender, ein Aufenthaltsprotokoll. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, waren es natürlich schon Ereignisse, die wichtig oder einschneidend für mich waren. Ich habe sie nur einfach schlecht erzählt. Wahrscheinlich habe ich mir einfach nicht die nötige Zeit dafür genommen. Ich hatte mich wahrscheinlich schon vor der Eintragung so weit mit dem Thema befasst und mich so lange damit auseinandergesetzt, dass es für mich geistig schon abgehakt war, und nichts besonderes mehr darstellte, als ich die Ereignisse endlich im Tagebuch verewigte. Und dementsprechend kurz und durchdacht sind die Eintragungen dann eben auch. Vielleicht sollte ich es jetzt daher besser machen und mir die Zeit nehmen, um weiter auszuholen, obwohl ich eigentlich auch jetzt schon wieder meine Gedanken in den letzten Tagen geordnet habe.

    Ich sollte wohl mit dem Brief beginnen, den ich erhielt. Es war Anfang des Jahres. Er war von Claudia N. und warf mich ganz schön aus der Bahn. Schließlich lag fast mein ganzes jetziges Leben zwischen unserer letzten Begegnung und ihrem plötzlichen Brief. Und dann noch der Inhalt! Ich werde ihn jetzt hier einfach wörtlich abschreiben:

    Berlin, 15.01.2017

    Hallo Stefan,

    ich hoffe, Du weißt noch, wer ich bin, schließlich ist es schon eine Ewigkeit her und es erscheint mir schon etwas eigenartig, dass ich jetzt wieder auf Dich zurückkomme.

    Ich will nicht lange rumreden. Ich bin todkrank. Seit einigen Wochen weiß ich, dass ich einen Tumor im Gehirn habe, den man auch nicht mehr behandeln kann. Das hört sich jetzt bestimmt für Dich trocken und gleichgültig an, wenn ich es einfach so schreibe, aber es ist halt so und ich habe mich mittlerweile an den Gedanken gewöhnt. Natürlich war es auch für mich eine harte Nuss, als ich es erfuhr, das kannst Du Dir ja denken. Aber mit der Zeit wird die Krankheit dann doch alltäglich und andere Sachen werden wieder wichtiger.

    Tja, und wenn ich jetzt darüber nachdenke, was mein Leben so gebracht hat, ist da nicht viel. Den allergrößten Teil nimmt Jochen ein. Er ist schon länger tot. Du weißt, was für ein Kindskopf er war, und so ist er auch gestorben. Er ist von einem Baum gefallen, den er besoffen, wie er war, unbedingt erklettern wollte, als wäre er noch ein Kind. Wahrscheinlich war er es, und wahrscheinlich habe ich ihn deshalb so geliebt.

    Aber ich will jetzt nicht davon anfangen, wie sehr er mir fehlt und wie viel ich gelitten habe. Obwohl, vielleicht liegt darin der Grund für meine Krankheit. Ich habe nicht mehr nach vorne geschaut, sondern mich an die Erinnerungen geklammert, anstatt zu sehen, was mir noch alles geblieben ist, so wie ich es jetzt versuche. Und ich denke außer Jochen bist Du wohl einer der wenigen, der in meinem Leben eine größere Rolle gespielt hat. Gerade die letzten Tage musste ich viel an unsere gemeinsame Zeit denken. Es ist zwar im Grunde ähnlich wie bei Jochen und ich kralle mich wieder an die Vergangenheit, anstatt in die Zukunft zu schauen, aber so rosig sieht die ja nun auch nicht mehr aus.

    Wie geht es Dir? Was ist aus Dir geworden? Wie verlief Dein Leben, nachdem Du wieder nach Kiel gezogen bist? Vielleicht erscheinen Dir meine Fragen jetzt aufdringlich und indiskret, aber bitte verstehe. Ich bin so alleine. Ich brauche etwas, um zu sehen, dass ich nicht umsonst gelebt habe, dass es jemanden gibt, der um mich trauert, wenn ich nicht mehr da bin. Sicherlich überfahre ich Dich, erpresse Dich vielleicht sogar, und es ist alles für Dich sehr überraschend, zumal wir so lange nichts voneinander gehört haben. Wahrscheinlich bist Du mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Aber mir reicht ja schon, wenn Du Dir die Zeit nimmst, mir kurz zu schreiben, damit ich weiß, was aus Dir geworden ist. Ein paar Zeilen würden mir schon reichen, nur zu wissen, wie es Dir geht.

    Ich bin so allein. Ich habe schon lange nicht mehr die Kraft, mein Leben (selbst das bisschen, das mir noch bleibt) in die Hand zu nehmen. Wie oft überlege ich mir, mich noch mal aufzuraffen und etwas zu machen, dass ich bisher noch nicht getan habe. Irgend etwas Verrücktes. Du weißt doch, was ich meine. So wie früher einfach den Tag auf sich wirken zu lassen und ihn zu genießen, ohne an Morgen zu denken. Was wäre nicht alles möglich, jetzt, da es für mich kaum noch ein Morgen gibt. Aber ich kann es nicht mehr. Alles, was ich mache, ist irgendwie nur noch ein Ausleben von Erinnerungen. Auch werden die Schmerzen zunehmend unerträglicher. Ich traue mich kaum noch, das Zimmer zu verlassen, weil ich Angst vor einer Schmerzattacke oder einem Anfall habe, und liege den ganzen Tag nur nutzlos im Bett herum. Aber da habe ich eine Welt der Träume. Es ist eine schöne Welt. Und vielleicht ist sie ja gar nicht so unwirklich, wie mir in wachen Minuten mein Wirklichkeitssinn immer einbläut. Schließlich bin ich doch eigentlich eine Realistin. Weißt Du noch, wie stolz ich damals darauf war und wie ich auf Dich eingeredet habe, dass Träumereien Dich nicht weiterbringen werden zu Deinen Zielen. Hoffentlich hat es was genützt und Du bist glücklich mit dem, was Du so alles erreicht hast. In meinen Träumen sehe ich Dich immer als erfolgreichen Staranwalt. So mit Robe und allem drum und dran. Es würde mich nicht wundern, wenn es wirklich so ist.

    Bitte schreib doch mal.

    Claudia

    So weit der Brief. Jetzt beim Tippen ist mir vielleicht zum ersten Mal wirklich bewusst geworden, was Claudia eigentlich alles von mir erhofft hatte. Und ich muss gestehen, dass ich schon etwas stolz darauf bin, dass ich dann tatsächlich den Kontakt zu ihr wieder hergestellt habe. Auch erscheint es mir jetzt als Beweis meiner Trauer, dass ich nun versuche, unsere Geschichte hier im Tagebuch festzuhalten. Allerdings muss ich einsehen, dass meine Anfangseuphorie verflogen ist. Mir tun schon die Hände weh vom Tippen. Vielleicht hätte ich den Brief lieber mit dem Scanner einlesen sollen. Das wäre weniger aufwendig gewesen und es hätte sogar ihre Handschrift hier festgehalten. Zwar habe ich den Brief jetzt hier liegen und werden ihn wohl auch unmöglich jemals wegwerfen. Aber dennoch weiß ich noch nicht, wo ich ihn hinlegen soll. Ich habe für so etwas oder ähnliches eigentlich keinen Platz in meinem Schreibtisch vorgesehen. Es ist daher gut möglich, dass ich ihn verlege. Somit wäre der Originalbrief an dieser Stelle bestimmt sinnvoll gewesen.

    Na ja, jetzt habe ich mir ja schon die Mühe gemacht. Aber für heute reicht es mir und ich mache Schluss. Mit diesem Arbeitspensum werde ich aber wohl nie fertig werden. Vielleicht sollte ich doch mehr zusammenfassen und weniger weit ausholen.

    Sonntag, 19. März 2017, 14.00 Uhr

    Wenn ich bedenke, wie wenig ich gestern doch im Grunde gesagt habe, weiß ich nicht, ob es mir wirklich möglich ist, dieses Tagebuch zu führen, wie es mir gestern vorschwebte. Allein schon die Beerdigung zu beschreiben, wie es eigentlich meine Absicht war, würde sicherlich viele Stunden in Anspruch nehmen. Auch bezweifle ich, dass ich überhaupt dazu imstande bin. Schon banale Dinge, wie ich sie gestern beschreiben wollte, sind irgendwie doch schlecht getroffen.

    Als ich eben meine Aufzeichnungen noch mal las, war ich fast geneigt, noch mal anzufangen. Aber dann könnte ich die ganze Sache gleich vergessen, weil ich wohl nie fertig werden würde. Es ist eben doch eine Kunst, aufzuschreiben, was in Menschen so vorgeht, auch wenn es sich um sich selbst handelt. Und ich bin eben kein Schriftsteller sondern Jurist. Der Unterschied zwischen ihnen liegt für mich offensichtlich darin, dass ich beim beruflichen Schreiben Gedanken, die ich zuvor schon abgeschlossen habe, nur noch formell zu Papier bringe, während es hier eine vergleichbare Vorüberlegung nicht gibt. Die Gedanken entwickeln sich erst beim Schreiben oder besser gesagt, das Schreiben setzt den Ausgangspunkt für die Gedanken, die man dann wiederum aufschreibt. Ein Wort ergibt praktisch das andere und alles, was man dabei so denkt, fließt ungeordnet aufs Papier.

    Allerdings auch nur, wenn man wie ich ohne wirkliches Konzept an die Sache herangeht. Folglich muss ich mir also Zwischenziele setzen, um mit kleinen Schritten ans Ziel zu kommen, so wie ich es gestern beschlossen habe.

    Ich werde mir also jeweils ein Thema setzen, das ich abzuhandeln versuche. Wie ich jedoch gestern schon feststelle, bin ich gewohnt, Sachverhalte und Zusammenhänge kurz und präzise zu formulieren. Es ist aber wohl kaum der Sinn dieses Tagebuches, meine Geschichte mit Claudia einfach so abzutun.

    Sicherlich ist auch das kreative Schreiben, wie wohl alles im Leben, eine reine Übungssache und ich muss nur hart genug daran arbeiten, um schließlich doch mein Inneres, das zweifellos da ist, das ich nur noch nicht befriedigend zu Papier bringen kann, beim Schreiben freizulegen und darzustellen.

    Aber woher nehme ich die Zeit, die das in Anspruch nehmen würde? Allein schon mit den anspruchslosen Seiten von gestern war ich etliche Stunden beschäftigt. Und wie lange ich heute am Tagebuch arbeite, bis mich meine Lust verlässt, ist schwer zu sagen. Im Moment geht es recht gut von der Hand, aber ich werde wohl auch erst morgen darüber reflektieren können, was ich hier zusammenreime. Über das Eigentliche, das ist mir jetzt schon klar, habe ich noch kein Wort verloren.

    Also, der Brief kam. Ich hatte ihn abends auf meinem Schreibtisch zusammen mit der anderen Post vorgefunden. Marie, die ich nur kurz begrüßt hatte, um dann gleich im Arbeitszimmer zu verschwinden, hatte erwähnt, dass die Post auf dem Schreibtisch läge. Ich war etwas verwundert, denn sonst ließ mich meine Frau immer kommentarlos abziehen. Vielleicht war ich aber auch gar nicht verwundert, ich weiß es nicht mehr. Ich betrat routinemäßig mein Arbeitszimmer und setze mich an den Schreibtisch. Es war nicht sonderlich viel Post und ich hatte den Brief schnell in der Hand. Gleich der Absender leitete meine Verstimmung ein. Nein, es war keine Verstimmung, es war eher Verwunderung, Erstaunen, Verwirrung. Ich fühlte, was Claudia mir trotz all der Zeit noch bedeutete. Es war, als wären all die Jahre ausgelöscht und ich war wieder der junge Student von damals, der noch nicht so recht mit seinem Leben umzugehen wusste. Es war mir unbegreiflich, was sie wohl veranlasst haben könnte, sich bei mir zu melden. Ich war gespannt. Ich las und begriff erst gar nicht, was Claudia da eigentlich schrieb. Na ja, ich begriff wohl schon, was sie schrieb, aber ich konnte mich in das alles nicht einordnen. Ich war nicht in der Lage, mein Gefühlswirrwarr unter Kontrolle zu bekommen. Ich kann es auch jetzt nicht wirklich nachvollziehen. Das einzig klare Gefühl, das ich hatte, war, dass ich alleine sein wollte. Das war nichts Ungewöhnliches, weil es mir oft so geht, wenn ich mit schweren Problemen befasst bin. Aber anders als bei meiner sonstigen Arbeitsweise war es mir jetzt nicht einmal möglich, das Problem einzugrenzen. Es entzog sich meiner Kontrolle, was mich da beschäftigte. Sicherlich war da die Frage, wie ich antworten sollte. Dass ich es tun musste, war mir im Grunde klar, auch wenn ich daran zweifelte, dass es etwas bringen würde. Ich glaubte nicht, ihr wirklich helfen zu können. Trotzdem wollte ich nicht so roh sein und ihre Bitte einfach ignorieren, auch wenn es mir sehr lieb gewesen wäre. Sie war doch im Grunde nur noch ein Schatten der Vergangenheit, die ich so gründlich hinter mir gelassen hatte. Trotzdem wurde sie jetzt wieder wach. Ich kam gar nicht wirklich zum Nachdenken, sondern war gedanklich und auch gefühlsmäßig in einer ganz andern Welt. All die gemeinsamen Erlebnisse mit Claudia, und was mich sonst noch mit ihr verband, kamen wieder in mein Bewusstsein. Ich träumte mehr, als dass ich dachte. Es muss Stunden gedauert haben, bis ich schließlich zu meiner Frau ins Bett kam. Sie schlief schon.

    Am nächsten Morgen, beim gemeinsamen Frühstück, war ich wohl immer noch gedankenversunken, bis Marie mich fragte, ob es schlechte Nachrichten seien, die Claudia mir mitgeteilt habe. Ich war fast erschrocken. Wie dumm von mir anzunehmen, dass meine Frau, die ja schließlich die Post für mich aussortiert, bevor sie sie auf meinen Schreibtisch legt, Claudias Brief nicht bemerkt haben sollte. Und natürlich wusste sie auch, wer Claudia N. war. Ich war verlegen und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich sah sie nur an. Marie nahm es mit Humor und meinte, dass es ja etwas sehr Schlimmes sein müsse, wenn es mir so zusetze, dass es mir die Sprache verschlage. Ihre gute Laune steckte mich an und ich dachte mir, dass es doch lächerlich von mir war, ihr den Brief vorzuenthalten. Trotzdem behielt ich wohl meine gedankenvolle Miene und meinte, dass sie ihn gerne selbst lesen könne. Ich holte den Brief und gab in ihr. Ihre ersten Worte, nachdem die gelesen hatte, waren:

    »Das ist ja schrecklich.«

    Ich nickte.

    »Und was wirst du tun?«

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