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Alles nur ein Zirkus: Fehltritte unter Mächtigen
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eBook297 Seiten4 Stunden

Alles nur ein Zirkus: Fehltritte unter Mächtigen

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Über dieses E-Book

Basierend auf persönlichen Erfah- rungen, gesammelt im Laufe seiner weltweiten Beratungstätigkeit für staatliche Institutionen während zwei Jahrzehnten, vermittelt der Autor auf Schauplätzen von Washington über Moskau und Peking bis Dubai und Luanda einen scharfen, bittersüssen Blick hinter die Kulissen der Macht.

Er führt ein in die verschlossene und absurde Welt der Mächtigen und ent- hüllt mit viel Humor ihre rechtfertigenden Verrenkungen für eigennützige und skrupellose Handlungen.
SpracheDeutsch
HerausgeberElster Verlag
Erscheinungsdatum2. März 2018
ISBN9783906903927
Alles nur ein Zirkus: Fehltritte unter Mächtigen

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    Buchvorschau

    Alles nur ein Zirkus - Daniel Levin

    gehen.

    Erster Teil

    Bezaubert in Big Sandy

    Kurz nachdem ich mich aus Mark Grants Umklammerung befreit hatte, wagte ich den Sprung und eröffnete mit meinem Freund Gregg unsere eigene Anwaltskanzlei auf der Westseite der Stadt mit einem fabelhaften Blick auf den nachts hell beleuchteten Broadway. Mit etwas Glück konnten wir aus vollen Zügen loslegen und hatten schon innert weniger Tage mehr Arbeit, als wir erledigen konnten. Aber so dankbar ich auch war für all die Mandate, handelte es sich doch ausschließlich um amerikanische Geschäfte. Was mir wirklich am Herzen lag, war interessante Arbeit in Afrika.

    Nur zwei Wochen nach dem Start unserer Kanzlei – wir steckten gerade mitten in der Planung unserer Eröffnungsparty für Familien, Freunde und Klienten – schien es, als wären meine Gebete erhört worden.

    «Da ist ein Mr. Muture am Telefon für dich», sagte meine Sekretärin. «Schwerer Akzent, nicht amerikanisch.»

    Ich war gespannt zu hören, was diese Person wollte, und nahm das Gespräch sofort an.

    «Guten Morgen», sagte der Mann mit einer tiefen, angenehmen Stimme. «Mein Name ist Richard Muture. Ich habe Ihre Kontaktdaten von einem gemeinsamen Freund in Südafrika erhalten, Dr. Eli Long.»

    Sein Akzent klang nach Sambia, vielleicht auch Botswana oder Zimbabwe. Seit dem katastrophalen Seminar mit Mark Grant und seinen Partnern in Südafrika hatte ich keinen Kontakt mit Eli Long und beschloss, ihn bald wieder anzurufen.

    «Oh ja, der gute Eli», erwiderte ich. «Wie geht es meinem Freund?»

    «Eli geht es hervorragend. Er ist aus der Regierung ausgestiegen und arbeitet jetzt für die größte Versicherungsgesellschaft des Landes. Ein Juwel, der Mann!»

    «In der Tat, das ist er», sagte ich. «Was kann ich für Sie tun, Mr. Muture?»

    «Bitte, Daniel, nennen Sie mich Richard.»

    «Gut, also Richard, wie kann ich helfen?»

    «Nun, Daniel, wir haben da eine interessante Situation, die ich gerne mit Ihnen erörtern würde, wenn Sie nichts dagegen haben.»

    «Nur zu», sagte ich, «ich bin ganz Ohr.»

    «Haben Sie schon einmal von der Ambassador Universität oder dem Ambassador College gehört?», fragte Richard.

    «Ich fürchte, nein», antwortete ich.

    «Die Ambassador Universität ist … Naja, lassen Sie mich am Anfang beginnen, wenn es recht ist», sagte Richard.

    «Sehr gerne.» Ich war nicht sicher, was ich von diesem seltsamen Typ halten sollte. Etwas an seiner Übervertrautheit kam mir ein bisschen merkwürdig und abstoßend vor. Aber da ich Eli, über den der Kontakt zustande gekommen war, sehr schätzte, beschloss ich, sein Anliegen anzuhören.

    «Danke, Daniel. Unser Freund Eli sagte mir, dass Sie ein ausgezeichneter Anwalt sind, der an Finanzbildung und Kapazitätsaufbau in Afrika interessiert ist. Ist das richtig?», fragte Richard.

    «Ja, im Großen und Ganzen ist das richtig», antwortete ich. «Zumindest, was mein Interesse an Afrika betrifft.»

    «Schön, in diesem Fall kommt mir unser Gespräch sehr gelegen. Meine Gruppe und ich wollen junge afrikanische Fachleute zur Ausbildung nach Amerika holen. Wir denken an ein Halbjahresprogramm. Die Ausbildung soll an der Ambassador Universität in der östlichen Hälfte von Texas stattfinden. Wir sind gerade daran, diese zu erwerben – die Universität, nicht die östliche Hälfte von Texas, versteht sich», fügte er mit herzlichem Lachen hinzu.

    «Das ist sehr interessant, Richard», sagte ich. «Wie passe ich da hinein?»

    «Daniel, mein Herzenswunsch wäre es, wenn Sie und Ihre Firma das Ausbildungsprogramm übernehmen könnten, diese jungen Leute trainieren und auf zukünftigen Führungspositionen vorbereiten würden. Wir wollen mit einer Gruppe von fünfzehn Leuten aus meiner Heimat Zimbabwe loslegen. Ich habe langfristige Zielsetzungen, denke neben dieser ersten Gruppe auch an die kommenden Jahrzehnte und zukünftige Generationen. Ein solches Projekt könnte wirklich eine Wende für Afrika und vielleicht auch über die Grenzen des Kontinents hinaus bedeuten. Was meinen Sie, Daniel, wollen Sie daran teilhaben; wollen Sie helfen, diese Wende herbeizuführen? Sind Sie interessiert?»

    Ich war wie betäubt. Hätte mich jemand gebeten, das ideale Szenario für unsere Kanzlei zu skizzieren, wäre Richard Mutures Vorschlag dieser Beschreibung unheimlich nahegekommen. Er enthielt alles, worauf ich hätte hoffen können – eine nachhaltige Ausbildungsplattform, die Gelegenheit, eine junge Generation in zukünftige Führungspersönlichkeiten zu prägen, eine engagierte akademische Institution, und das alles mit einem afrikanischen Schwerpunkt. Ich musste mir meine Antwort nicht lange überlegen.

    «Ich bin ausgesprochen interessiert, Richard», sagte ich. «Das klingt nach einem ausgezeichneten Vorhaben. Aber ich habe ein paar Fragen. Wenn diese Sache erfolgreich sein soll, müssen alle an einem Strang ziehen.»

    «Sie haben absolut recht, Daniel», erwiderte Richard. «Ich kann Ihnen versichern, dass eine sehr motivierte Gruppe hinter uns steht, eine Gruppe mit einer nahezu prophetischen, heiligen Vision, wenn ich das so sagen darf. Sie müssen jeden Einzelnen treffen. Der Zeitfaktor ist von größter Wichtigkeit. Wir wollen sobald wie möglich anfangen. Wie schnell könnten Sie in Dallas, Texas, sein?»

    «Lassen Sie mich mit meinem Partner Gregg reden, dann komme ich wieder auf Sie zu», antwortete ich.

    «Selbstverständlich», sagte Richard. «Aber warten Sie nicht zu lange. Wir sehen uns auch nach anderen Firmen um. Sie wären meine erste Wahl. Doch den Luxus einer langen Wartezeit können wir uns nicht leisten.»

    «Verstehe», sagte ich. «Sie werden sehr bald von mir hören.»

    Ich legte auf und ging gleich in Greggs Büro. Wir steckten beide bis zum Hals tief in der Arbeit, und die anliegenden Geschäftsabschlüsse ließen eine längere Abwesenheit vom Büro nicht zu. Andererseits war Richard Mutures Vorschlag zu verlockend, um ihn entgehen zu lassen. Gregg war der gleichen Meinung. Da ich in der folgenden Woche ins Ausland fliegen musste, kam als einzige Möglichkeit, diese Gruppe zu treffen, nur der nächste Tag infrage. Ich war mir der Gefahr bewusst, dass dies einen übereifrigen Eindruck erwecken konnte, aber ich hoffte, Richard würde es als Ausdruck unserer Begeisterung und unserer Bereitschaft ansehen, seinem dringlichen Anliegen entgegenzukommen.

    Ich rief Richard an und teilte ihm mit, dass Gregg und ich am nächsten Morgen nach Texas fliegen könnten, um den Tag mit ihm und seinen Kollegen zu verbringen. Richard war hocherfreut und klang richtig aufgeregt, als er uns den genauen Ort gleich außerhalb des Flughafenterminals beschrieb, wo er und sein Partner uns abholen würden.

    Wir fanden einen Flieger, der morgens kurz nach sechs in Newark starten und gegen neun Uhr dreißig in Dallas landen sollte. Gregg und mir war klar, was das bedeutete: Wir mussten die Nacht durcharbeiten, dann schnell nach Hause, duschen, umziehen und gegen vier Uhr in der Früh zum Flughafen aufbrechen. Aber wir waren zu aufgeregt über diese fantastische Gelegenheit, um an unseren Schlaf zu denken.

    Wir landeten in Dallas kurz vor zehn und verließen eilig das Flugzeug. Sobald wir aus dem Terminalgebäude heraustraten, erkannte ich Richard und seinen Partner auf den ersten Blick; sie standen vor einem grünen Minivan und waren schwer zu übersehen – Richard klein und drahtig, gekleidet in einen braunen Nadelstreifenanzug mit blassrosa Hemd und glänzend grüner Krawatte, sein Partner ein riesiger Koloss in Jeans, Cowboystiefeln, kurzärmeligem Hemd und mit einem großen weißen Stetson. Ein zierlicher Afrikaner neben einem gigantischen Redneck, genau wie Richard es ausgedrückt hatte.

    «Meine Herren, Willkommen in Texas!» rief Richard, als er mit offenen Armen auf uns zukam. «Ich darf Ihnen meinen Partner Kyle vorstellen.»

    Wir schüttelten uns die Hände, und ich machte Richard mit Gregg bekannt.

    «Wollen wir?», sagte Richard und deutete auf den Wagen.

    Gregg nahm vorne auf dem Beifahrersitz neben Kyle Platz, während ich mich mit Richard nach hinten setzte.

    «Wohin fahren wir?», fragte ich Richard, als wir den Flughafen hinter uns ließen.

    «Daniel, gleich werden Sie den Zauber von Big Sandy, Texas, erleben», antwortete Richard.

    «Big Sandy? Wo ist das?», fragte ich.

    «Big Sandy liegt rund zwei Stunden von hier entfernt in Richtung Louisiana. Kommt auf den Verkehr an», sagte Kyle, ohne sich umzudrehen.

    «Was gibt es in Big Sandy?», wollte ich wissen.

    «In Big Sandy befindet sich die Ambassador Universität», antwortete Richard.

    Ich erinnerte mich, dass er die Ambassador Universität bei unserem ersten Telefongespräch erwähnt hatte. Das war mir völlig entfallen, und jetzt bedauerte ich, nicht mehr über diese Institution zu wissen. Ich versuchte, Richard in ein Gespräch über die Universität und das geplante Projekt zu verwickeln, aber er gab mir zu verstehen, dass er darüber erst sprechen wollte, wenn wir unser Ziel erreicht hatten. Mit halbem Ohr lauschte ich dem etwas seltsamen Smalltalk zwischen Gregg und Kyle. Kyle sprach mit schwerem Südstaatenakzent, und ich hatte Mühe, ihn zu verstehen.

    «Also, Gregg», hörte ich Kyle fragen, «womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?»

    «Ich bin ein Jurist», antwortete Gregg.

    «Ein was?», fragte Kyle.

    «Ein Jurist, ein Rechtsanwalt», erläuterte Gregg.

    «Aha, Rechtsanwalt», sagte Kyle in übertriebener Erleichterung, als ob ein Anwalt dem Juristen weit vorzuziehen wäre.

    «Und was machen Sie denn so, Kyle, wenn ich fragen darf?», fragte Gregg.

    «Ich arbeite im Ölgeschäft», antwortete Kyle.

    «Was genau ist Ihre Aufgabe im Ölgeschäft?», fragte Gregg.

    «Ich finde Ölquellen», sagte Kyle.

    «Oh, interessant. Und wie finden Sie die?»

    «Gott zeigt mir den Weg.»

    «Tatsächlich?»

    «Ja, tatsächlich. Gott führt mich geradewegs zu den Quellen.»

    Gregg drehte sich um und sah mich mit einem vorwurfsvollen das-darf-doch-wohl-nicht-wahr-sein Blick an. Alles was ich aufbringen konnte, war ein verlegenes Lächeln, und nach einem kurzen Kopfschütteln wandte sich Gregg wieder Kyle zu.

    «Und warum hat Gott gerade Sie auserkoren?», fragte Gregg.

    «Weil er mich liebt, weil er meinen Glauben über alles schätzt, und weil er an unseren guten Pastor Richard glaubt», kam Kyles Antwort.

    Ich sah Richard an. «Sie sind Pastor?»

    «Ich habe meine Herde, ja», sagte Richard mit gedämpfter Stimme. «Aber ich prahle nicht gern. Kyle gehört zu den ergebensten Schafen meiner Herde. Und dafür wurde er reichlich belohnt.»

    Allmählich dämmerte mir, dass sich dieser Tag erheblich anders gestalten würde, als ich es mir vorgestellt hatte. Daran konnte ich im Moment nicht viel ändern; ich saß einfach fest in einem Minivan unterwegs in den abgelegenen Osten von Texas. Also beschloss ich, die Reise so gut es ging zu genießen. Der Verkehr lichtete sich allmählich, und Kyle trat aufs Pedal. Schließlich erreichten wir Big Sandy.

    Unmittelbar unter dem kleinen Schild «Willkommen in Big Sandy» am Ortseingang fand sich das sehr viel größere Schild der Ambassador Universität mit der Überschrift «Weltweite Kirche Gottes». Gregg drehte sich erneut um und sah mich mit einem süffisanten Lächeln an.

    Als wir an das Hauptgebäude heranfuhren, trat ein tief orange-gebräunter Mann in den Vierzigern heraus und kam mit einem breiten Grinsen auf uns zu.

    «Willkommen in der Ambassador Universität! Willkommen in Big Sandy! Es ist mir eine Freude, Sie begrüßen zu dürfen. Ich bin Ned.»

    Richard machte Gregg und mich mit Ned bekannt. «Diese Herren sind den ganzen Weg von New York gekommen, um uns zu helfen.»

    Ehe ich etwas sagen konnte, schloss Ned uns beide kräftig in die Arme. «Vielen, vielen Dank. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie viel euer Besuch uns bedeutet.»

    Gregg würdigte mich mit einem weiteren Blick. Das Lächeln von vorhin war nun verschwunden.

    «Ihr Jungs müsst hungrig sein», sagte Ned. «Lasst uns doch hinein und das Brot brechen. Wir haben eine bescheidene Mahlzeit vorbereitet.»

    Ned führte uns in den Speisesaal, wo der Tisch bereits zum Lunch gedeckt war, und stellte uns seiner Assistentin Savannah vor.

    «Lasset uns beten», sagte Ned und fügte mit Blick auf Richard hinzu: «Reverend, wären Sie so freundlich, das Gebet zu übernehmen?»

    Ehe ich mich versah, hielt Savannah meine linke und Richard meine rechte Hand fest.

    Richard sprach: «Segne, Vater, unser Essen; segne, Vater, unser Brot. Und segne diese beiden Männer, die gekommen sind, in unsrer Not. Gekommen sind sie, statt zu ruhn, uns zu helfen, Dein Werk zu tun. Amen.»

    Wie sehr die Erwartungen zwischen der Big Sandy-Gruppe und uns auseinanderklafften, ließ sich an Greggs Gesichtsausdruck ablesen, der sich bestenfalls als verdattert beschreiben ließ. Die Atmosphäre in diesem Speisesaal war befangen und angespannt. Ich beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen.

    «Vielen Dank für den herzlichen Empfang», begann ich vorsichtig. «Bitte verzeihen Sie mir, es tut mir sehr leid, dieser guten Stimmung einen Dämpfer zu versetzen, aber ich kann nicht ganz nachvollziehen, wieso wir heute hier sind. Ich wäre sehr dankbar, und ich glaube, ich spreche auch für Gregg, wenn einer von Ihnen etwas Licht auf den Zweck unseres Treffens werfen könnte.» Ich hatte während der letzten Worte Richard angesehen, der meinem Blick jedoch auswich.

    «Ned, übernimm doch du das Zepter.» sagte Richard.

    «Nur zu gerne», sagte Ned aufgeräumt. «Wie Ihnen Richard sicher berichtet hat, hatte das Ambassador College in den vergangenen Jahren mit einigen Herausforderungen zu kämpfen.»

    «Nein, das hat Richard mir nicht berichtet», warf ich dazwischen.

    «Wie Sie sich sicher vorstellen können», fuhr Ned ungeachtet meines Einwands fort, «war ich hocherfreut zu erfahren, dass Sie und Ihre Klientel den Erwerb des Ambassador Colleges finanzieren können.»

    Ich war verblüfft. «Können Sie das bitte wiederholen?»

    «Ja, natürlich. Wir waren hocherfreut, regelrecht begeistert», führte Ned weiter aus, ohne meine Bestürzung zur Kenntnis zu nehmen.

    «Bitte, Ned», sagte ich etwas lauter. «Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie von Anfang an beginnen könnten. Wer kauft das Ambassador College und wer verkauft es? Ich fürchte, hier fehlen uns einige wesentliche Informationsstücke.»

    «Ja, zum Beispiel was zum Teufel wir hier tun», hörte ich Gregg murmeln.

    «Oh, natürlich, warum haben Sie das nicht gleich gesagt», erwiderte Ned. Er hatte Gregg entweder nicht gehört oder ignorierte ihn absichtlich. «Wo soll ich anfangen?»

    «Beginnen wir mit dem Essentiellen», sagte ich. «Wer verkauft das Ambassador College, wer kauft es, und welche Rolle können wir Ihrer Meinung nach in dieser Sache spielen?»

    «Wie vertraut sind Sie mit der Weltweiten Kirche Gottes?», fragte Ned.

    «Nicht besonders vertraut», erwiderte ich. «Genauer gesagt, mein Wissen beschränkt sich auf das Schild, das ich am Ortseingang gesehen habe.»

    Ned bedachte mich mit einem mitleidigen Blick. Ich tat ihm offenbar leid, weil ich mein Leben bisher in solch bedauernswertem Unwissen verbracht hatte.

    «Tja, Sie in die Kirche Gottes einzuweihen, überlasse ich unserem lieben Pastor Richard», sagte Ned. «Vielleicht kann er Sie später einweihen.»

    «Das wäre nett», sagte ich und sah Richard an, der meinen Blick nach wie vor hartnäckig vermied.

    «Also gut», fuhr Ned fort, «das Ambassador College gehört der Weltweiten Kirche Gottes. Sie besitzt zwei weitere Universitätsgelände, eines in Kalifornien und eines in England. Die Kirche Gottes hat beschlossen, das Gelände in Big Sandy aufzugeben.»

    Ned schwieg plötzlich und sah Richard und Kyle an, als wollte er sie auffordern, sich ins Gespräch einzuschalten. Kyle kaute fleißig, und Richard machte keine Anstalten, auch nur das Geringste zu Neds Ausführungen beizutragen.

    «Okay, und was hat all das mit uns zu tun?», fragte ich, um das unangenehme Schweigen am Tisch zu brechen.

    «Sie, Ihre Partner und Ihre Mandanten werden den Kauf des Ambassador Colleges durch unsere Gruppe finanzieren, so Gott will», sagte Ned mit einem allwissenden Lächeln.

    Ich vermied es Gregg anzusehen, damit wir nicht beide in Gelächter ausbrechen würden.

    «Tut mir leid, da scheint ein kleines Missverständnis vorzuliegen», sagte ich. «Von dieser ganzen Sache höre ich zum ersten Mal. Nur mal aus Neugier, rein hypothetisch gefragt, wie würden wir denn diesen Kauf der Universität durch Ihre Gruppe finanzieren? Und, noch wichtiger, warum sollten wir das tun?»

    «Warum? Weil Sie Gottes Werk tun, genau wie wir», erwiderte Ned. «Richard hat große Pläne für diesen Ort. Wir werden arme Kinder aus Afrika herbringen, werden sie kleiden, ausbilden und in Gottes Wegen unterweisen. Dies ist eine heilige Mission.»

    Ich sah Richard an, und diesmal war ich entschlossen, ihn so lange zu fixieren, bis er reagierte.

    Richard fühlte sich sichtlich unwohl. «Ned spricht für uns alle», murmelte er kleinlaut.

    «Nun denn, Ned, da Sie für alle sprechen», sagte ich, Richards Akzent und Tonlage imitierend, «muss ich Sie leider enttäuschen. Das alles hörte sich ein wenig anders an, als Richard mich gestern anrief.»

    Ned ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. «Das ist Schnee von gestern, Daniel. Lasst uns nicht mit der Vergangenheit hadern, sondern stattdessen in die Zukunft schauen. Lasst uns tun, was immer wir können, um diese armen afrikanischen Seelen zu retten.»

    «Amen», nuschelte Kyle mit vollem Mund.

    «Sehen Sie, Ned», sagte ich. «Ich bin nur ungern der Bote schlechter Nachrichten. Aber diese Geschichte hat überhaupt nichts zu tun mit dem, was Richard und ich am Telefon besprochen haben. Hätte ich gewusst, was Sie von uns erwarten, hätten wir uns den Flug erspart. Wir haben weder die Absicht noch die Mittel, Ihnen bei der Finanzierung dieses Unterfangens zu helfen. Wir sind keine Geschäftsleute, die Universitäten kaufen.»

    «Sagen Sie das nicht, Daniel, Sie sollten nichts überstürzen», erwiderte Ned herablassend. «Überlegen Sie sich die Sache gut. Dies ist Ihre Chance auf Erlösung, Ihre Gelegenheit, Gottes Werk zu tun!»

    «Oh Mann», hörte ich Gregg murmeln.

    «Ich will versuchen, es so freundlich wie möglich zu formulieren, Ned», sagte ich und gab mir dabei große Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren. «Es gibt viele Wege, Gottes Werk zu tun. Dieser ist nicht meine erste Wahl, auch nicht meine zweite oder dritte. Tatsächlich fällt diese Angelegenheit nicht einmal unter meine Top fünfzig.»

    «Sind Sie sicher?», fragte Ned in einem letzten Versuch, meine verlorene Seele zu retten.

    Ich war versucht zu sagen «Verdammt sicher», sagte aber nur «Vollkommen sicher».

    Ned schwieg eine Weile. Nur Kyles Kaugeräusche waren zu hören. Selbst die angespannte Stimmung im Raum konnte diesen großen Jungen nicht von seinem Essen abhalten.

    «Schön und gut, Daniel», sagte Ned schließlich in bester Laune. «Was uns Menschen von den Tieren unterscheidet ist, dass Gott uns die Freiheit der Wahl gegeben hat. Was mich betrifft, so respektiere ich Ihre Wahl.»

    «Zu freundlich.»

    «Ist doch selbstverständlich», fügte er hinzu, «auch wenn Sie vom richtigen Weg abgekommen sind. Zum Glück verlieh mir, verlieh uns, der Barmherzige gleichzeitig auch die Kraft der Vergebung.»

    Er konnte es einfach nicht lassen. Ich beschloss darüber hinwegzusehen. Zu diesem Zeitpunkt machte ich mir eher Sorgen, ob denn Gregg auch barmherzig genug war, mir zu vergeben.

    Wir verbrachten den Rest der Mahlzeit in trivialer Unterhaltung über Sport – Kyle war ein großer Fan der Dallas Cowboys, Gregg war Anhänger der Detroit Lions – und gegen Ende war die Stimmung so angenehm, als wären wir nur eine Gruppe alter Freunde, die sich zum Lunch trafen. Bevor es zurück nach Dallas ging, bestand Ned auf einer ausgiebigen Tour quer durch den Ambassador College Campus, vielleicht in der Hoffnung, wir könnten es uns anders überlegen, sobald wir den himmlischen Zauber des Ortes erlebten.

    In der nächsten Stunde fuhren wir über einen völlig verlassenen Campus, der sich wie eine Geisterstadt anfühlte. Während der gesamten Tour begegneten wir keiner einzigen Seele. Unsere Gastgeber zeigten uns die Schlafsäle, die Turnhalle, die Bibliothek, das große Auditorium und sogar ein kleines Rollfeld, das von Unkraut überwuchert war.

    «Wozu dient diese Landebahn?», fragte ich.

    «Ausländische Würdenträger besuchten uns hier von Zeit zu Zeit», sagte Ned. «Sie landeten hier und schätzten den direkten Zugang zum Campus. Der letzte prominente Besucher war der Chef von Israels Likud Partei. Haben Sie davon gehört?»

    «Ich denke schon», antwortete ich, «was wollte er hier?»

    «Die Kirche Gottes setzt sich sehr für die israelische Siedlerbewegung in Judäa und Samaria ein», antwortete Ned und benutzte dabei die biblischen Namen der besetzten Gebiete im Westjordanland. «Wir alle sind Kinder Gottes, wie Sie wissen, und Er hat uns alle gleich geschaffen. Aber vielleicht sind einige etwas gleicher als andere, im Sinne von rechtschaffen, verstehen Sie.»

    «Klar», sagte ich, «selbst wenn sie irregeführt sind.»

    Wir fuhren zum Hauptgebäude zurück. Ned und Savannah stiegen aus dem Minivan.

    «Es hat mich sehr gefreut, Sie zu kennenzulernen», sagte Ned. «Kommen Sie gut nach Hause. Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja einmal wieder.»

    «Vielleicht, wer weiß», antwortete ich. «Vielleicht im nächsten Leben.» Ich war mir nicht sicher, wie die Weltweite Kirche Gottes zur Katechese der Seelenwanderung und Wiedergeburt stand.

    Die Rückfahrt nach Dallas verlief ereignislos. Kein Wort über das bizarre Treffen in Big Sandy. Ich sprach Richard nicht darauf an, es wäre zwecklos gewesen. Er hatte mich zu ködern versucht in der Hoffnung, das imposante Ambassador College und die Aussicht auf ewige Belohnung im Himmelreich würde mich dazu bringen, ihm und seinen Freunden zu helfen. Richards Plan war nicht aufgegangen, und seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, fühlte er sich viel schlechter als ich.

    Als wir uns Dallas näherten, drehte sich Kyle um und fragte: «Ich kriege ein bisschen Hunger. Hättet ihr Jungs Lust, irgendwo anzuhalten für ein frühes Abendessen vor eurem Flug?»

    «Nein, danke», platzten Gregg und ich wie aus einem Mund heraus.

    Kyle und Richard setzten uns am Flughafen ab. Gregg und ich stiegen aus dem Wagen und machten uns so schnell wir konnten davon. Im Terminal angelangt, blieben wir stehen und brachen in Gelächter aus.

    Wir fanden eine Bar und bestellten ein paar

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