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EinBlick: Familie und Jugend in Kriegs- und Nachkriegsjahren
EinBlick: Familie und Jugend in Kriegs- und Nachkriegsjahren
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eBook116 Seiten1 Stunde

EinBlick: Familie und Jugend in Kriegs- und Nachkriegsjahren

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Über dieses E-Book

Die Gespräche spannen einen Bogen durch die erste Hälfte des 20ten Jahrhundert. Aufgewachsen in der großbürgerlichen Tradition Hamburgs, eingebunden in ein intensives Familienleben, erzählt Jürgen Westphal von den Umbrüchen in seiner Kindheit und Jugend. Angeregt und geleitet durch die Fragen seiner Tochter Juliane Westphal, beschreibt er, wie die politischen Ereignisse, Nationalsozialismus und Krieg in seiner Familie gelebt wurden. Der spätere Politiker und Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins gibt damit einen ganz persönlichen Einblick in den Prozess seines Erwachsenwerdens und Erwachens in der jungen Bundesrepublik.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Nov. 2017
ISBN9783746051345
EinBlick: Familie und Jugend in Kriegs- und Nachkriegsjahren
Autor

Jürgen Westphal

Dr. Jürgen Westphal wurde 1927 als fünfter Sohn des Ehepaares Heinrich A. Westphal und Margarete Westphal, geb. Semler in Hamburg geboren. Die Schulzeit wurde unterbrochen durch zwei Jahre als Luftwaffenhelfer, Arbeits- und Militärdienst. Nach dem Jurastudium und einem Studienaufenthalt am Europäischen Kolleg der Universität Nancy, Hochzeit mit Daniela Westphal, geb. Reichow, und die Geburt von vier Kindern. Berufliche Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent, Chefsyndikus der Blohm& Voss Werft, Rechtsanwalt, Sprecher des Vorstandes der HADAG und Mitglied in der Hamburger Bürgerschaft; später als Minister des Landes Schleswig Holstein, nach 13 Jahren Rückkehr in der Anwaltsberuf, Berater, Aufsichtsratstätigkeit und Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts; Mitwirkung in der Daniela und Jürgen Westphal Stiftung für Studenten an privaten Universitäten.

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    Buchvorschau

    EinBlick - Jürgen Westphal

    Vorwort

    Auf einer Autofahrt von Berlin nach Hamburg im Jahre 2003 erzählte mein Vater mir von seiner Mutter, davon, dass es ihn weiterhin beschäftigt, wie eine Frau mit derart humanistischen Einstellungen überzeugt die NSDAP unterstützen konnte. Ein Widerspruch, den er sich nicht erklären konnte. Etwas darüber schreiben wollte er, aber es war ihm noch nicht gelungen.

    Ein wenig müde von den bekannten Geschichten dachte ich, was passiert eigentlich, wenn ich ganz spezifische Fragen stelle, die mit dem mir gegenwärtigen Narrativ noch nicht beantwortet sind? Wie hat meine Großmutter eigentlich mit ihren Schwestern, die stark gegen die Nazis eingestellt waren, gesprochen? Wie genau hat sich mein Vater, der zum Ende des Krieges 17 war, von seinem Leben als Jungvolkführer, Soldat und Flakhelfer verabschiedet? Wie ist er zu neuen Haltungen gekommen? Sprünge in den Geschichten, die ich schon kannte, begannen mich zu interessieren.

    Mein Vater war erfreut, als wir uns zu einem Interview verabredeten. Es fällt ihm leichter, sich verbal auszudrücken als zu schreiben, und der Dialog war eine Hilfe, am Thema dranzubleiben. Es wurden vier Interviews daraus, am 3. Juni 2003, 18. November 2003, 31. Dezember 2003 und am 10. März 2004. Trotz der konzentrierten Atmosphäre während der Gespräche fanden sich – schon allein auf Grund der zeitlichen Abstände, mit denen sie stattfanden – eine Reihe von Wiederholungen in den Transkripten.

    So hat sich mein Vater 2015 an die Textversion gesetzt, herausgefiltert, was ihm wichtig war, und es in neuer Reihenfolge zusammengestellt. An dem Wortlaut hat er keine Veränderungen vorgenommen. Es entstand das hier vorliegende Substrat unserer Gespräche.

    Für mich bleibt neben diesem Text die Erinnerung an die intensiven Gespräche und die Suche nach manchmal holperigen und ungewöhnlichen Fragen mit dem Ziel, sich die Familiengeschichte noch einmal zu vergegenwärtigen und sie anders als im alltäglichen Austausch zu strukturieren. Es bleibt auch eine Nähe zwischen uns, die in diesem Prozess ein weiteres Stück gewachsen ist.

    Juliane Westphal

    Wir unterhalten uns über verschiedene Themen, die in früheren Gesprächen zwischen uns schon angesprochen worden oder offengeblieben sind. Womit willst Du anfangen?

    Ich fange ganz gern mit einem Thema an, über das wir früher schon gesprochen haben, nämlich wie die Einstellung meiner Eltern zu der Nazizeit und zu der Weimarer Republik gewesen ist. Ich würde das gern noch etwas vertiefen.

    Inhalt

    Politische und gesellschaftliche Einflüsse in meiner Kindheit

    Lektüre in der Jugendzeit

    Bedeutung von Naziemblemen

    Rückblick auf die Weimarer Republik und Ihren Einfluss für meine Familie

    Politische Diskussionen und politisches Verhalten in der Familie

    Mein Bruder Henning

    Grundlagen meiner Erziehung und wichtige Ereignisse in meiner Kindheit

    Tod meines Vaters und die Folgen

    Rückblick auf das Leben meiner Eltern vor dem Tode meines Vaters

    Meine Mutter nach dem Tode meines Vaters

    Meine Kindheit nach dem Tode meines Vaters

    Eigene Wahrnehmung des nahenden Krieges und seines Ausbruchs

    Tod meines Bruders Geert

    Mein Bruder Hans

    Mein Schicksal in den letzten Jahren des Krieges

    Mein Leben als junger Soldat

    Einschub – Tagebuch

    Gefangenschaft

    Wieder zu Hause – Probleme der Nachkriegszeit

    Erste Schritte im Versuch zur Vergangenheitsbewältigung

    Nachwirkungen in der Familie

    Welchen Beruf soll ich wählen? Theologie, Geschichte, Jurisprudenz?

    Meine finanzielle Lage

    Das juristische Studium

    Erste Reise- und Auslandserfahrungen

    1949: Schweiz

    1950: Italien

    Abschluss des Studiums und des nachfolgenden Referendariats

    Erste eigene politische Gedanken und Schritte

    Politische und gesellschaftliche Einflüsse in meiner

    Kindheit

    Ja, fang einfach an.

    Ich glaube, man muss die Einstellung meiner Eltern zu den bewegenden politischen Fragen der damaligen Zeit vor allem unter dem Gesichtspunkt sehen, woher sie kamen, was sozusagen die Tradition war, aus der heraus sich ihr eigenes politisches Denken gebildet hat. Das ist mir deutlich geworden durch die Lektüre der Tagebücher meines Großvaters, des Senators Otto Westphal, mit dem mein Vater sehr eng verbunden war. Sie waren auch zusammen Gesellschafter in der damals schon über hundert Jahre alten Teefirma Westphal.

    Vieles von dem, was er gedacht hat, wird sicherlich auch das Gedankengut meines Vaters gewesen sein, sicherlich noch verstärkt durch die Erlebnisse des Ersten Weltkrieges. Auch meine Mutter kam aus einer großbürgerlichen Tradition, weniger konservativ als die Westphals, mehr liberal geprägt, aber nicht durch die Vorstellung einer parlamentarischen Demokratie wie sie dann ab 1919 als Weimarer Demokratie entstand. Sie kamen beide aus einer Tradition, die sehr stark verknüpft war mit dem Kaiserhaus. Die Flucht des Kaisers nach Holland hat sicherlich einen tiefen Bruch bedeutet, auch eine Enttäuschung über den Kaiser selbst, von dem man wohl erwartet hatte, dass er in Deutschland bliebe und sich gestellt hätte. Sie waren sehr national gesonnen. Deutschland hat vor 1918 als eine spät geborene Nation ganz besonders das Nationale gepflegt. Es hat im Bürgertum wohl wenig Verständnis für eine Demokratie gegeben, die von dem Prinzip der Gleichheit aller Bürger ausging. Das Hamburger Wahlrecht war, wie auch das Preußische, ein Klassenwahlrecht.

    Bis wann war das so?

    Das war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges so. Ich gehe einmal davon aus, dass meine Eltern dies auch für richtig gehalten haben. Ein einschneidendes Ereignis muss für sie der Vertrag von Versailles gewesen sein, der ja zwar letztlich von deutscher Seite unter dem Druck der Verhältnisse angenommen, aber eben niemals innerlich akzeptiert worden ist.

    Dies auch mit guten Gründen, denn die Regelungen dieses Vertrages waren vornehmlich unter dem französischen Einfluss nicht nur hart, sondern auch ungerecht und ein Keim für spätere Auseinandersetzungen. Aus einem Brief meines Vaters, den ich kürzlich gefunden habe, wird deutlich, wie er sich bei einer geschäftlichen Rheinlandreise zwar absetzt von radikalen Parolen, aber sagt, mit welcher Schande er es empfunden habe, dort in einer französischen Besatzungszone zu sein. Das war das Rheinland ja damals. Ein Beispiel nur dafür, wie die „Schmach" des Vertrages von Versailles vornehmlich durch die bürgerliche Seite und sicherlich auch von meinen Eltern empfunden worden ist. Die Demokratie der Weimarer Zeit beginnt mit den Unruhen zu Beginn der 20er Jahre, dann folgt die Inflation. Die Erschütterung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse verbunden mit der Zerstörung der privaten Vermögen, die ja durch die Inflation herbeigeführt wurde, hat sicherlich mit dazu beigetragen, den neuen Staat nicht als attraktiv zu empfinden. Ob dies bei meinen Eltern mit einem Antisemitismus verbunden war, das vermag ich nicht zu beurteilen. Von meinem Vater glaube ich es nicht. Er hat zum Beispiel in Hamburg zu den Gründern des ersten Rotary-Clubs in Deutschland gehört, zusammen mit einer ganzen Reihe von bekannten jüdischen Persönlichkeiten, darunter auch dem Bankier Warburg.

    Bei meinem Großvater finden sich überhaupt keinerlei antisemitische Töne in seinen Tagebüchern. Ich denke also auf der väterlichen Seite, bei Kaufleuten, die mit vielen Kaufleuten in England, in Holland und in der ganzen Welt zu tun hatten, da gab es dieses Gefühl nicht. Meine Mutter muss irgendwo in ihrer Jugend eine antisemitische Tendenz kennengelernt haben. Das habe ich nie so ganz genau ermitteln können.

    Sicherlich kam eine solche Tendenz nicht aus ihrem sehr liberalen Elternhaus. Beide waren als junge Leute Teil der bürgerlichen Gesellschaft Hamburgs. Dort muss es auch eine antisemitische Stimmung schon in den Jahren so um 1910 herum gegeben haben. Jedenfalls fielen bei ihr abfällige Ausdrücke über Juden – sicherlich nicht erst in der Nazizeit – wie etwa: Judenbengel oder Judenschule. Gelegentlich wurde auch erzählt, dass Tante Susi – ihre jüngere

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