Grauenvolles Anezkovice
Von Florij Dzik
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Über dieses E-Book
Florij Dzik
Florij Dzik ist Hobbyautor aus Leipzig. "Die Wälder von Glenlough" ist das erste Buch und stammt aus dem Jahr 2011.
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Buchvorschau
Grauenvolles Anezkovice - Florij Dzik
Grauenvolles Anezkovice
Grauenvolles Anezkovice
Gerücht oder Wahrheit
Verfall
Kein guter Tag
Ungebetene Gäste
Überleben
Märchenstunde
Zeit für die Wahrheit
Lauf!
Unfassbare Entdeckung
Epilog
Impressum
Grauenvolles Anezkovice
Anezkovice. Sie werden mit bestimmter Sicherheit nicht wissen, wo diese vom Grauen überschattete Stadt liegt und auch ich wusste es vor meinem Besuch nicht. Genau wie Sie hatte ich nie zuvor etwas von Anezkovice gehört, bis ich es leichtsinniger Weise aufsuchte.
Dieses Anezkovice ist eine uralte, verdorbene Stadt und so sieht sie heute auch aus. Alte verfallene Häuser, mit vernagelten Fenstern und Türen. Straßen, zwischen deren Pflastersteinen das Unkraut und sogar Bäume sprießen und Geräusche, deren Ursprünge im Unklaren liegen.
Der Name der Stadt schreibt sich ursprünglich, wie viele Städtenamen in Böhmen, mit einem kleinen Häkchen über dem Z, dessen Bedeutung sich mir allerdings entzieht und weshalb ich es in meinen Schilderungen wegfallen lasse. Geografisch liegt dieses Anezkovice im Gebiet des Grenzübergangs von Polen und der Tschechischen Republik, was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass niemand sich für diese Stadt zuständig fühlt.
Wie ich erfuhr, schotten sich die Bewohner des von Bergen umschlossenen und in einem Tal liegenden Anezkovice bereits seit Jahrhunderten von ihren Nachbarn ab. Die schwer zugängliche Lage erleichtert ihnen die selbst gewählte Isolation.
Niemand außerhalb der Region weiß etwas Genaueres von diesem fürchterlichen Nest und im Umland kursieren die verschiedensten und fantastischsten Gerüchte über das entlegene Anezkovice. Die Spekulationen beginnen damit, ob diese Stadt wirklich existiert, beziehungsweise noch existiert. Sie ziehen sich über die Gerüchte einer Krankheit, welche sich dort bereits vor Jahrhunderten ausbreitete, bis hin zu einem ›Mafiaclan‹, der dort ungestört seinen Geschäften nachgeht. Auch die Behauptung fremdes Blut hätte sich in den vergangenen Jahrhunderten mit dem der Bewohner vermischt hält sich, ließen sich doch im dreizehnten Jahrhundert einige wenige indische Sinti in der Stadt nieder. Doch keiner weiß, warum sie wieder verschwanden oder was mit ihnen geschah.
Gerücht oder Wahrheit
Seit etwa einer Woche war ich, Daniel Doroziak, bereits unterwegs. Mal zu Fuß, mal mit dem Bus oder dem Zug – aber immer so günstig wie möglich. Zwei Monate hatte ich zwischen den Semestern frei und diese Zeit wollte ich nutzen, um nach Opole in Polen zu reisen und Ahnenforschung zu betreiben.
Mein Urgroßvater hatte etwa im selben Alter wie ich zum Zeitpunkt meiner Reise, das selbe Vorhaben unternommen. Er kam, so hatte man mir erzählt, mit einem äußerst detail- und umfangreichen Stammbaum zurück, welcher in eine hölzerne Tafel geschnitzt war.
Dieser Stammbaum war jedoch mittlerweile verschwunden, niemand wusste wo oder wann, und mit ihm war auch die Familiengeschichte immer mehr in die Schatten der Vergangenheit gerückt.
Deswegen machte ich mich auf diese Reise. Aus Interesse zu erfahren, woher meine Familie ursprünglich stammte, ob es bekannte Vorfahren gab oder ob es heute noch Orte gibt, an denen sie gelebt haben, die man besichtigen kann und die vielleicht noch heute von ihnen zeugen.
Im Laufe der ersten Woche hatte ich Sachsen durchquert, die Grenze zur Tschechischen Republik übertreten und war, an der polnisch-tschechischen Grenze entlang, bis Broumov gewandert.
Zwei Tage hatte ich schon in der Stadt zugebracht, hatte mich in ein kleines, billiges Hotel eingemietet und mir die Stadt angeschaut.
Die Besichtigung der winzigen und schlichten Maria Kirche aus Holz und eine Führung im Kloster waren nur wenige meiner getätigten Unternehmungen.
Am Abend machte ich abermals einen Stadtspaziergang und ließ mich danach in dem kleinen und gemütlichen Aufenthaltsraum meines Hotels nieder. Nur wenige Besucher hatten sich eingemietet und so war der Aufenthaltsraum angenehm leer.
Auf einem Sofa mir gegenüber saß ein einsamer tschechischer Reisender, der die Finger über die Tasten seines Laptops tanzen ließ, während ich meine Unterlagen für die Weiterreise studierte.
Ich hatte eben erst die Karten, Karten sein lassen und mein Buch zur Hand genommen, als die Hotelbesitzerin sich an meinen Tisch gesellte und fragte, ob ich etwas trinken mochte.
»Gerne«, antwortete ich, »einen Pfefferminztee, wenn Sie haben.«
»Natürlich, junger Mann, einen Augenblick«, sie lächelte.
Ich erwiderte ihr Lächeln und freute mich, dass sie so gut Deutsch sprach – in Anbetracht der Unzulänglichkeit meiner tschechischen Sprachkenntnis.
Ihre Sprachkompetenz führte sie auf die Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg zurück. Der Großteil der Bevölkerung hatte während dieser Zeit Deutsch lernen müssen und es später ihren Kindern beigebracht. So wie ihre Eltern ihr.
Es vergingen nur wenige Minuten, bis sie die Teetasse vor mir abstellte. Sie warf einen neugierigen Blick auf meine Karten und fragte: »Sie wollen morgen wirklich weiterreisen und nicht noch ein wenig bleiben? Ich bin mir sicher, Sie haben noch nicht alle Sehenswürdigkeiten aufgesucht. Wissen Sie denn, was besonders an Broumov ist?«
Ich sah sie aufmerksam an und schüttelte den Kopf.
»Broumov heißt auf Deutsch Braunau und euer ehemaliger Reichspräsident, Hindenburg, dachte, dass Adolf Hitler, der ja in Braunau am Inn, also in Oberösterreich geboren wurde, aus unserem Braunau stammte.«
Auch wenn es mich sicherlich nicht so beeindruckte wie erhofft, runzelte ich ihr zu Liebe die Stirn und gab einen erstaunten Laut von mir.
»Deswegen nannte er ihn stets den ›böhmischen Gefreiten‹«, ergänzte sie.
»Interessant«, antwortete ich und noch bevor ich näher darauf eingehen konnte, nahm sie ungefragt meine Karte, breitete sie aus und fragte: »Wo wollen Sie eigentlich hin?«
»Nach Opole«, antwortete ich und tippte wiederholt mit dem Finger auf die entsprechende Stelle.
Sie zog mit ihrem Finger eine imaginäre Linie von Broumov nach Opole. »Das ist ja noch ein ganzes Stü…«, dann hielt sie inne. Ihr Finger verharrte auf einem Bereich der Karte, in dem nichts als Wald eingezeichnet war.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte ich mich und sah sie verwundert an.
»Wo wollen Sie denn entlang wandern?«
»Naja«, begann ich zu erklären. »Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade, also wahrscheinlich immer Ihrem Finger nach.« Ich nahm einen Schluck von meinem Tee.
»Nehmen Sie einen anderen Weg«, flüsterte sie.
»Warum?«
»Dieser Wald ist kein guter Ort.«
»Und warum?«, wiederholte ich.
Keine Antwort.
Ich unterstützte meine Frage mit einer ungeduldigen Handbewegung.
Sie zögerte.
Ich blickte ihr daraufhin ernst und mahnend in die braunen Augen. »Sagen Sie schon!«
Schließlich antwortete sie doch noch. Sie erzählte mir, dass es in diesem Wald ein kleines Städtchen gebe, aber die Leute dort seien nicht sonderlich gastfreundlich. Man bliebe dort lieber unter sich. Im Umland munkelte man, es seien dort bereits Menschen verschwunden und tatsächlich seien bei der Polizei diesbezüglich Vermisstenmeldungen eingegangen. Ab und zu waren Beamte daraufhin dort, sie fanden aber nie etwas und gaben die Suche außerdem schnell auf, weil selbst sie nicht länger als nötig dort sein wollten.
Der Name dieser unheilvollen Stadt sei Anezkovice und ist nirgendwo verzeichnet, weil niemand der jemals dort war, je wieder dort hin wollen würde … zudem wäre es für jeden besser, wenn niemand davon wüsste. Man versuche zu vermeiden, das Interesse bei Reisenden zu wecken – zu ihrem eigenen Wohl. Und auch wenn es im Umland ein gewisses Konkurrenzdenken und damit verbundene Meinungsverschiedenheiten gäbe – was Anezkovice betraf, waren sich alle einig.
»Die Bewohner dieser Stadt sollen äußerst ungewöhnlich aussehen«, flüsterte mir die Hotelbesitzerin zu und sah misstrauisch zu dem einzigen weiteren Gast. »Sie sind sehr blass, beziehungsweise aschgrau