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Das Tal Irminsul - Die Rückkehr
Das Tal Irminsul - Die Rückkehr
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eBook294 Seiten3 Stunden

Das Tal Irminsul - Die Rückkehr

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Über dieses E-Book

Gerade als sich Gregor Bold mit seiner Frau Jenny auf die bevorstehende Geburt seines ersten Kindes vorbereitet, wird er auf mysteriöse Weise von seiner Frau getrennt.

Gregor Bold wird von Zwergen bewusstlos in einer Höhle gefunden. Es stellt sich heraus, daß er auf einer völlig fremden Welt gestrandet ist. Mit Hilfe der Zwerge versucht er zu klären, was mit ihm geschehen ist.

Gregor Bold begibt sich auf eine lange und gefährliche Suche. Er muss viele und gefährliche Abenteuer bestehen und es ist völlig offen, ob er seine Frau jemals wieder sieht.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Juli 2017
ISBN9783744807302
Das Tal Irminsul - Die Rückkehr
Autor

Martin Welsch

Martin Welsch ist ein Pseudonym des Autors Roland Reiner. Roland Reiner, Jahrgang 1956 ist in Bayern wohnhaft. Von ihm stammt die Kriminalreihe um Samuel Dreher. Davon sind bisher neun Romane erschienen. Die Reihe um das Tal Irminsul umfasst aktuell vier Erzählungen.

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    Buchvorschau

    Das Tal Irminsul - Die Rückkehr - Martin Welsch

    Jenny?

    1

    „Jenny?"

    Gregor Bolds griff automatisch neben sich, als er langsam, abgeschlagen und benommen wieder zu sich kam. Suchend griff er eine Weile umher. Da war aber nicht wie erwartet die zarte Hand seiner Gefährtin, sondern nur … harter … Stein! Bold öffnete die müden und erschöpften Augenlider. Er war tatsächlich allein … und er lag auf Tierfellen … die auf blankem Felsboden ausgebreitet waren. Sein Körper war bedeckt mit gewebten Decken die fremdartige Muster aufwiesen. Es war dämmrig, nur einige flackernde Lichter, Kerzen oder Fackeln sorgten für etwas Sicht. Außerdem roch es stark nach … Hühnerbrühe. Wo in aller Welt war er jetzt wieder gestrandet?

    Nur langsam, fast schon widerwillig, kehrten die Lebensgeister von Gregor Bold zurück. Sein Schädel brummte wie ein nervöser aufgescheuchter Bienenschwarm. Dazu hatte er das Gefühl, als hätte er am ganzen Körper heftige Tritte und Schläge erhalten. Erschöpft schloss Bold seine brennenden Augen. Vielleicht sollte er seinem Körper einfach noch etwas Ruhe und Schlaf gönnen? Wenn er dann erneut erwachte, würde die Welt hoffentlich wieder im Lot sein und ihren gewohnten Gang gehen. Und Jenny würde neben ihm liegen - alles würde wieder gut sein.

    Ohne seine Augen erneut zu öffnen tastete Gregor Bold nach einer Weile, behutsam und sehr vorsichtig, abermals seine Umgebung ab. Stein – Fels! Es hatte sich also nichts verändert! Und er wusste: Es würde sich nichts mehr ändern! Wunschvorstellungen! Bold biss sich auf seine Lippen bis es schmerzte. Kein Schlaf! Nicht bevor er wusste was geschehen war und vor allem wie er hierhergekommen war … und wo er war. Er musste sich jetzt wohl oder übel endlich der Wirklichkeit stellen.

    Mühsam und unter stechenden Schmerzen richtete er sich auf. Sofort wurde es ihm schwindlig und übel. Bolds Augen benötigten eine Weile, bis sie sich der ungewöhnlichen Umgebung angepasst hatten. Anscheinend befand er sich in einem Keller oder Verlies. Wie hatte es ihn nur hierher verschlagen? Es war düster und irgendwie sehr fremdartig. Gregor Bolds Blick fiel auf sein Lager. Nachdenklich betrachtete er die Decken. Obwohl er keine Ahnung von Stoffen hatte, erkannte er, dass es sich um Meisterwerke der Webkunst handelte. Die dargestellten Symbole waren ihm nicht bekannt. Sie sahen aber aus wie alte Zeichen - Runen?

    Runen!

    Mannaz, Dagaz, Ansur, Gyfu, Thurisaz und wie sie alle geheißen hatten! Bilder dieser alten Schriftzeichen tauchten vor Gregor Bolds innerem Auge auf. Übergangslos befand er sich wieder im Tal Irminsul. Es war auch fantastisch gewesen was er dort¹ in den letzten Monaten zusammen mit Clark Branigan und Jenny alles erlebt hatte: Die Bekanntschaft mit Abnoba² und Heimdall³. Den aufregenden und gefährlichen Begegnungen mit den Asen⁴ und den Thursen⁵…

    Ausgerechnet er, Gregor Bold, ein einfacher Naturfotograf, hatte quasi im Alleingang die Eroberung Midgards⁶ durch die Thursen verhindert und damit auch die Unterwerfung der Menschheit. Er hatte lediglich seinen linken Fuß dafür geopfert! Wenn man Erfolg und Einsatz gegeneinander abwog, ein zwar äußerst schmerzhaftes, aber im Grunde bescheidenes Opfer. Gregor Bold hätte auch sein Leben gegeben, wenn er dafür seiner geliebten Jenny die geistige Versklavung durch die Thursen ersparen konnte. Die Flashbacks⁷ waren jetzt so stark, dass er sein heftig blutendes Bein wieder vor sich sah. Sein abgetrennter, in Utgard⁸ verbliebener Fuß, schmerzte höllisch⁹.

    Jenny!

    Sie wollte zur Entbindung ihres ersten Kindes unbedingt nach Ecuador. Gregor Bold hatte nicht verstanden was das sollte und welcher wahre Grund hinter dem merkwürdigen Wunsch seiner Frau steckte. Denn, das war ihm klargeworden, irgendetwas sehr Wichtiges musste es schon sein, damit Jenny in ihrem Zustand eine solche weite und strapaziöse Reise auf sich nahm. Kaum waren sie beide in Guayaquil¹⁰ gelandet, waren sie mit einem Jeep in ein dichtes Waldgebiet in der Nähe einer Gebirgskette gefahren.

    Die Erinnerungsfetzen verwehten. Gregor Bold öffnete erneut seine Augen und blickte umher. „Wo zum Teufel nochmal bin ich hier bloß?", murmelte er halblaut vor sich hin und schob die trotz ihrer Dichte erstaunlich leichten Decken beiseite, damit er sich aufrichten konnte. Überrascht stellte er fest, dass er vollkommen nackt war! Warum …?

    „Du bist in meiner Höhle."

    Bold fuhr erschrocken zusammen, als er plötzlich die tiefe Stimme hörte. Rasch zog er die Decken über seinen Körper und starrte auf den Mann der aus der Dunkelheit auf ihn zuschritt. Der Fremde war auffallend klein und sehr eigenartig gewandet. Er hatte einen langen grauschwarzen Bart der mit zahlreichen Bartringen geschmückt war und trug eine knallrote Bandana¹¹ auf seinem Kopf.

    „Man nennt mich Hanarr¹²", der Mann zog einen kleinen hölzernen Hocker mit sich, den er neben Bolds Lager stellte und sich daraufsetzte. Eine Weile herrschte Schweigen. Die beiden ungleichen Wesen musterten sich.

    „Wo bin ich, fragte Gregor Bold abermals und fügte ratlos hinzu, „was ist eigentlich los? Was ist mit mir geschehen?

    „Nun, brummte Hanarr mit tiefen Bass, „das ist fürwahr eine gute Frage. Ich weiß es nicht. Wir hatten gehofft, dass du uns dies erklären kannst. Wir haben dich besinnungslos und ziemlich übel zugerichtet in der Nähe eines Durchgangs nach Midgard gefunden. Wir denken deshalb, dass du …

    „Wer ist wir?", unterbrach Gregor Bold fragend.

    „Na … die Horde von Sigr", antwortete der kleine Mann, als würde das alles erklären. Nachdenklich strich er dabei über seinen Bart und spielte kurz mit einem der Bartringe. „Du hast anscheinend tatsächlich wenig

    Ahnung von dieser Welt hier Fremder. Du kannst deinen Göttern dankbar sein, dass wir dich gefunden haben und nicht Trolle¹³ oder schlimmeres Getier." Der Mann stand auf und breitete seine Hände aus. „Du bist hier im Berg Suck. Die Horde von Sigr hat diese Höhlen über Generationen in mühevoller Arbeit geschaffen. Die Horde von Sigr ist meine Familie, meine Sippe. Man sah dem Mann den Stolz auf seine Abstammung an. Er setzte sich wieder und sprach weiter: „Sigr ist unser König. Er führt seinen Stammbaum im Übrigen bis auf Modsognir¹⁴ zurück, dem mächtigsten aller Zwerge.

    „Zwerge?", wiederholte Gregor Bold und griff sich nachdenklich an seinen Kopf. Das erklärte zumindest die Größe seines Gegenübers. Warum dieser allerdings eine Bandana statt einer Mütze trug blieb noch ein Geheimnis. Gregor Bold spürte Stoff unter seinen Fingern und tastete suchend umher. Es fühlte sich an als wäre sein gesamter Schädel bandagiert.

    „Ja Zwerge, Hanarr beantwortete Bolds Frage und deutete auf sich. „Ich bin ein Zwerg. Hanarr aus der Horde von Sigr. Aber wer bist du Fremder?

    „Man nennt mich Gregor Bold, ich komme von …", Gregor Bold zögerte, was sollte er jetzt nur sagen?

    „Nun, ich schätze du kommst von Midgard. Schließlich fanden wir dich in der Nähe eines der Übergänge. Und deshalb wirst du wahrscheinlich ein Mensch sein. Mich würde aber interessieren, wie alt du bist eigentlich?"

    „Ich?, Gregor Bold war irritiert, was sollte diese Frage bedeuten. „Warum?

    „Wie - alt - bist - du?", wiederholte Hanarr hartnäckig.

    „32 – warum?"

    Der Zwerg griff sich erneut an einen seiner Bartringe, „ungewöhnlich, murmelte er, „sehr eigenartig, dann fügte er hinzu, „verzeih die Frage Gregor Bold, aber ich habe dich während deiner langen Ohnmacht gewaschen und gepflegt. Mir ist aufgefallen, dass das Alter deines Körpers mit deiner Haarfarbe nicht übereinstimmt. Du hast den Leib eines Jünglings und gleichzeitig die Haare und den Bart eines Greises."

    „Ach das", Gregor Bold griff sich zunächst automatisch an den Kopf und dann ins Gesicht. Er trug tatsächlich einen Vollbart, dabei hatte er sich doch erst heute früh rasiert!

    „Wie … wie lange bin ich schon hier?"

    „Einige deiner Tage Mensch. Wir haben hier eine etwas andere Zeitmessung als auf Midgard."

    „Als ich, Gregor Bold zögerte, „… als wir aufgebrochen sind, hatte ich noch keinen Bart.

    „Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, woher deine weiße Haarfarbe kommt. Das ist wirklich sehr ungewöhnlich. Sie zeugt normalerweise von großem Alter, Klugheit, Erfahrung oder Weisheit."

    „Nun Klugheit und Weisheit mit Sicherheit nicht, abwehrend schüttelte Gregor Bold seinen Kopf, unwillkürlich musste er grinsen „dann wäre ich nämlich nicht hier. Ich hätte mich niemals auf so ein Abenteuer einlassen sollen. Aber Jenny kann so überzeugend sein. Die ganze Reise war sehr unklug, ein Unding, völlig unvernünftig und dumm gewesen … vor allem in ihrem Zustand. Gregor Bold zögerte, er hatte die Frage des Zwergs immer noch nicht beantwortet. Er wusste allerdings auch nicht in welchem Umfang er diesem vertrauen konnte. Sie kannten sich noch viel zu wenig. Auch wenn ihn dieser angeblich gepflegt hatte. Aber er wollte auch nicht unhöflich sein, immerhin hatte ihn Hanarr bei sich aufgenommen. „Ich habe vor einiger Zeit einen furchtbaren Unfall erlitten. Als ich … wieder zurückkam war mein Haar weiß."

    „Ungewöhnlich, Hanarr spielte nachdenklich mit seinen Bartringen, „aber davon habe ich schon gehört. Es muss ein sehr einschneidendes Erlebnis in deinem Leben gewesen sein Mensch Gregor Bold. Aber das erklärt immer noch nicht dein Hiersein im Berg Suck.

    Hanarr schwieg und musterte sein Gegenüber eine Weile. „Nun vielleicht sollten wir es für heute mit der Fragerei belassen. Immerhin bist du nach Tagen des Hin- und Hergleitens zwischen Leben und Tod wieder endgültig zu den Atmenden zurückgekehrt."

    „Es tut mir leid, Gregor Bold seufzte, „ich bin in der Tat etwas durcheinander. Aber ich habe wirklich keine Ahnung was geschehen ist Hanarr. Bold zögerte und schluckte ein paarmal. „Eine Frage: War ich allein, oder befand sich eine Frau bei mir?"

    „Du meinst diese Jenny?", Hanarr blickte Bold aus seinen großen dunklen Augen an. Erneut griff er nach seinem Bart und spielte mit dem Bartschmuck. Große glänzende Ringe die mit allerlei Zeichen reich verziert waren.

    Runen?

    „Ja genau, Jenny – wo ist sie?", voller Hoffnung sah Gregor Bold sein Gegenüber an.

    „Ich weiß es nicht, Hanarr schüttelte bedauernd seinen Kopf. „Du hast diesen Namen während deines Schlafs ein paarmal laut gerufen. Wir haben aber nur dich gefunden und sind deshalb davon ausgegangen, dass du allein den Übergang benutzt hast … oder, dass du und diese Jenny beim Übertritt getrennt worden seid.

    Gregor Bold seufzte, er hatte also seine Frau verloren …und sein ungeborenes Kind. Was war denn nur geschehen? Warum war er allein hier? Er musste sich unbedingt genauer an die letzten Tage erinnern. „Warum ist eigentlich mein Kopf verbunden?"

    „Als wir dich gefunden haben, hattest du dort eine ziemlich schwere Wunde. Vielleicht warst du in einen Kampf verwickelt? Ich hatte gehofft, dass du uns mehr darüber sagen kannst. Wir haben dich wegen deiner Verletzung zunächst zu Ginnar gebracht. Unser Heiler hat dich gereinigt und mit heilenden Salben eingerieben. Deine Wunde am Kopf hat er mehrmals mit einem heilenden Pilzsud gegen Infektionen bestrichen. Nach einigen Tagen warst du soweit hergestellt, dass man dich transportieren konnte. Sigr hat anschließend befohlen, dass man dich zunächst zu mir bringen sollte. Wenn du wieder ganz genesen bist, wird man über dein weiteres Schicksal entscheiden."

    „Sigr?"

    „Ja, unser König, erwiderte Hanarr geduldig, „das sagte ich aber bereits.

    Gregor Bold nickte und murmelte nachdenklich, „ja richtig, ich erinnere mich. Anscheinend fehlt mir ein Teil meines Gedächtnisses." Erschöpft fuhr er sich einige Male über sein Gesicht und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Irgendwie war er immer noch total neben der Spur. Wo in drei Teufelsnamen war Jenny? Warum war er allein gewesen? Gregor Bold lehnte sich zurück und schloss seine Augen. Angestrengt versuchte er sich zu erinnern.

    Sie hatten den Eingeborenenstamm aufgesucht von dem Jenny vor einiger Zeit ein großes Stück Land für die OEF - Stiftung¹⁵ erworben hatte. Die Sprecherin des Stammes, einen hochbetagten Indio hatte sie empfangen und bei sich in ihrer Hütte aufgenommen. Nach einigen Tagen der Ruhe und Erholung bestand Jenny ungeduldig darauf mit ihm zu den heiligen Wassern des Stammes aufzubrechen. Erneut tauchten Flashbacks auf. Es hatte eine heftige Diskussion zwischen Jenny und ihm gegeben. Seine Frau war nicht von dem irrwitzigen Gedanken abzubringen gewesen ihr Kind im Tal Irminsul auf die Welt zu bringen. „Das ist unglaublich wichtig Gregor! Eine einmalige Chance für unser Kind. Abnoba hat es mir selbst gesagt¹⁶, argumentierte Jenny, „Stell dir vor: Kinder von Menschen die im Tal Irminsul geboren werden sind Halbgötter und werden ein sehr langes Leben vor sich haben. Jenny hatte sich nicht

    mehr umstimmen lassen! So waren sie schließlich trotz ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft zu den heiligen Wassern des Stammes aufgebrochen. Allein – ohne Begleitung der Indios, die mehrmals ihre Hilfe angeboten hatten!

    Die alte Indiofrau hatte ihn vor ihrer Abreise kurz umarmt und zugeflüstert, „pass gut auf sie auf. Sie ist zwar legitimiert¹⁷, aber sie ist momentan nicht frei von fehlgeleiteten Gedanken. Ihr Hormonhaushalt ist durcheinander. Ich fürchte fast, sie begeht ..., die alte Frau zögerte kurz, „eine Dummheit.

    Das gleiche dachte Gregor Bold insgeheim auch schon seit einigen Tagen. Er hatte das Thema immer wieder angesprochen, aber Jenny war nicht mehr von ihrem eingeschlagenen Weg abzubringen. Das einzige was Gregor Bold schließlich machen konnte, war seine Frau nicht aus den Augen zu lassen, um im Fall des Falles helfend eingreifen zu können.

    Jenny hatte es letzten Endes geschafft, mit ihm in das heilige Wasser zu steigen und unterzutauchen. Er hatte ihre Hand gehalten und … dann war es plötzlich unglaublich hell geworden. Grell und plötzlich wie bei

    einem Blitzeinschlag. Gregor Bold verspürte selbst jetzt in der Erinnerung daran noch einen starken heftigen Schmerz … dann … plötzlich waren die Flashbacks vorbei …

    Qualvoll verzog Gregor Bold sein Gesicht. In seinem Kopf hämmerte es heftig, aber da war nichts mehr. Keine weitere Erinnerung tauchte vor seinem geistigen Auge auf!

    „Es reicht Mensch - ruh dich jetzt aus. Mit Gewalt erreicht man in solchen Fällen nämlich nichts, Hanarr stand entschlossen auf, „ich bin gleich wieder da. Der Zwerg verschwand im Dämmerlicht. Er kam aber bereits nach kurzer Zeit wieder zurück und hielt eine dampfende Henkeltasse in der Hand. „Hier trink das Gregor Bold. Diese Suppe stärkt Körper und Geist. Ginnar hat sie eigens für dich zubereiten lassen."

    Gregor Bold roch an der Tasse, er hatte sich vorhin also nicht getäuscht: Hühnersuppe! Hielten Zwerge tatsächlich Hühner? Er hatte noch nie davon gehört. Aber er hatte bisher auch noch nie etwas von der Lebensweise von Zwerge gewusst. Im Grunde hatte er dieses Volk, diese Art bis vor wenigen Monaten noch in den Bereich der Hirngespinste, Märchen und Mythen angesiedelt.

    Vorsichtig löffelte er die heiße Brühe. Er musste unwillkürlich an seine Großmutter denken. Auch die hatte bei Grippe und Erkältungen als Allheilmittel Hühnersuppe verabreicht. Und - es hatte stets gewirkt!

    „Danke Hanarr, Gregor Bold reichte dem Zwerg die leere Tasse zurück. „Warum hat dein König eigentlich befohlen, dass man mich zu dir bringt? Bist du so eine Art Pfleger?

    „Ich?, Hanarr lachte amüsiert auf. „Nein keineswegs - ich bin ein Schmied.

    „Ein Schmied?, Gregor Bold starrte den Zwerg verblüfft an, „ich verstehe nicht. Verzeih mir, nichts gegen dich und deinen Beruf, aber warum soll mich ausgerechnet ein Schmied pflegen?

    „Ich bin wie jeder Zwergenschmied auch ein Kunstfertiger und kann aus den Metallen die feinsten Instrumente bauen. Es ist mir möglich Gold oder Silber so klein zu treiben, dass man es anschließend wie Garn verarbeiten kann. Die Wämser¹⁸ aus meinen Metallfäden werden sehr geschätzt."

    „Das glaube ich dir gerne, Gregor Bold merkte an der lautergewordenen Stimme Hanarrs, dass dieser sehr viel auf seinen Beruf hielt. „Ich wollte deine Kunstfertigkeit keinesfalls anzweifeln. Aber ich verstehe wirklich nicht aus welchem Grunde man mich hierhergebracht hat.

    „Deshalb, Hanarr zog mit einer raschen Bewegung die Decken von Gregor Bolds Körper und deutete auf dessen Prothese. „Ein künstlicher Fuß. Eine wirklich hervorragende Arbeit, behutsam, fast schon zärtlich berührte Hanarr die Prothese. „Verrate mir Gregor Bold: Welcher Meister hat dieses Werk geschaffen?"

    „Meister? Ich weiß nicht, Gregor Bold schüttelte bedauernd seinen Kopf, „bei den Menschen fertigen solche Präzisionsprothesen Maschinen an.

    „Tatsächlich? Hmm - ja in der Tat, davon habe ich gehört, Hanarr verzog angewidert sein Gesicht, „hochwertige Rechenmaschinen. Es ist jammerschade, dass keine Menschenhand diesen künstlichen Fuß gefertigt hat. Für jeden Handwerker müsste es doch eine große Freude und Befriedigung sein, solch ein auserlesenes komplexes Werk zu schaffen. Wenn du erlaubst, werde ich solange du der Pflege bedarfst den Mechanismus des künstlichen Fußes studieren. Hanarr hob beruhigend beide Hände, „Du brauchst keine Angst davor zu haben, ich werde ihn mir nur ansehen und nicht berühren."

    „Äh … gerne, Gregor Bold war etwas verwirrt über das Anliegen des Zwerges, „ich bin sehr froh, dass ich diese Prothese habe. Sie ist für mich wie ein Teil meines Beines. Ich spüre oft gar nicht, dass ich sie trage.

    „Aus welchem Material besteht sie?"

    „Hauptsächlich aus Carbon, erwiderte Gregor Bold und fügte erklärend hinzu, „Kohlenstoff.

    „Kohlenstoff, Hanarr nickte lächelnd, „ich weiß. Wir Zwerge waren zwar schon lange nicht mehr auf Midgard, aber wir haben unsere Quellen. Weißt du was, Hanarrs Augen funkelten plötzlich voller Begeisterung, „während du hier ruhst und dich erholst, werde ich den künstlichen Fuß nachbauen. Ich werde selbstverständliche andere Materialien verwenden. Silber, Platinum, hmm Gold, obwohl … ich weiß nicht … Gold ist vielleicht zu weich … hmm, ein kleinwenig Mithril¹⁹. Aber natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast."

    „Nein, was sollte ich dagegen haben?", Gregor Bold gähnte müde. Die Hühnerbrühe wirkte und machte ihn schläfrig.

    „Ruh dich aus Mensch. Die Suppe entfaltet bereits ihre kurierenden Wirkstoffe, Hanarr lächelte, „das wird Ginnar freuen. Hier noch ein weiteres Heilmittel, er reichte Gregor Bold ein gefülltes Glas, „die beste Medizin die ich kenne. Wenn du wieder erwachst wird es dir viel bessergehen."

    Gregor Bold trank das Glas aus. „Kvasir²⁰!" Er lächelte, eine weitere Überraschung. Er hatte nicht angenommen, dass er das Göttergetränk in seinem Leben noch einmal²¹ zum Trinken bekommen würde.

    Erstaunt sah ihn der Zwerg an. Doch bevor er etwas fragen konnte, war Gregor Bold bereits erschöpft eingeschlafen. „Ruhe dich jetzt aus Mensch", fürsorglich deckte ihn Hanarr zu. Nachdenklich betrachtete er Gregor Bold. Diesen Menschenmann umgaben anscheinend sehr viele Geheimnisse.


    ¹ Das Tal Irminsul ISBN 9 783739 220345

    ² Göttin / Muttergöttin

    ³ Schutzgeist / Lichtgeist

    ⁴ Germanisches Göttergeschlecht

    ⁵ Riesen (nicht unbedingt körperlich)

    ⁶ Die innere Welt (die Erde)

    ⁷ Eine nur wenige Sekunden dauernde intensive Erinnerung.

    ⁸ Die äußere Welt / Wohnwelt der Thursen

    ⁹ Phantomschmerz.

    Starke Schmerzwahrnehmung an einem amputierten Körperteil.

    ¹⁰ Santiago de Guayaquil Größte Stadt Ecuadors, bedeutendster Hafen des Landes.

    ¹¹ Bandana Quadratisches Tuch, Kopftuch am Hinterkopf zusammengebunden.

    ¹² Der Kunstfertige

    ¹³ Unnatürliche hässliche verunstaltete primitive und hinterhältige Wesen.

    ¹⁴ Von den Göttern erschaffener erster und mächtigster Zwerg.

    ¹⁵ The Original Earth for the Future.

    Die ursprüngliche Erde für die Zukunft.

    ¹⁶ 978-3-7392-2034-5 / Das Tal Irminsul

    ¹⁷ Jennifer Hahms hatte von der alten Indio einst einen Trapiche Smaragd (Form eines Wagenrads) erhalten, der die Verbindung zwischen den Menschen und den alten Göttern symbolisiert.

    ¹⁸ Einzahl: Wams / Weste

    ¹⁹ Metall / vgl. J.R.R. Tolkien / u.a. Hemd von Frodo

    ²⁰ Göttliches Getränk. Soll Weisheit vermitteln.

    Regeneriert den Körper nach Verletzungen.

    ²¹ Das erste Mal vgl. die Geschehnisse in:

    Das Tal Irminsul ISBN 9 783739 220345

    2

    Die nächsten Tage verbrachte Gregor Bold meistens schlafend, um seinem geschundenen Körper Zeit zur Regeneration zu geben. Wenn er zwischendurch aufwachte, saß fast immer Hanarr an seiner Seite und betrachtete aufmerksam die Prothese die seinen rechten Fuß ersetzte.

    „Wäre es nicht einfacher für dich, wenn ich sie abnehme? Du könntest sie dir dann genauer ansehen."

    „Nein Gregor Bold, das ist nicht nötig, erwiderte der Zwerg, „außer du würdest dich dann wohler fühlen.

    Gregor Bold lachte auf, „ganz ehrlich Hanarr, „ich fühle das Ding zum Glück oft gar nicht mehr. Es ist mir in der Zwischenzeit zu einem zweiten Fuß geworden."

    „Ja, das ist erstaunlich", der Zwerg hielt

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