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Allein unter Feinden?: Was der Staat für unsere Sicherheit tut – und was nicht
Allein unter Feinden?: Was der Staat für unsere Sicherheit tut – und was nicht
Allein unter Feinden?: Was der Staat für unsere Sicherheit tut – und was nicht
eBook318 Seiten3 Stunden

Allein unter Feinden?: Was der Staat für unsere Sicherheit tut – und was nicht

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Über dieses E-Book

Die Welt wird immer unsicherer. Nicht nur in Afrika, Syrien oder der Türkei, sondern mehr denn je bei uns - direkt vor der Haustür. Direkt in unserem Leben, in Berlin, München oder Chemnitz, in Wien oder Zürich.
Die Zeichen sind beängstigend: Immer mehr Einbrüche, verübt durch aggressive Banden; immer mehr gewaltsame Übergriffe wie in Köln und andernorts; wachsende Terrorgefahren; steigende Zahlen bei der Internetkriminalität; eine beispiellose Sprachverrohung in Netz und Öffentlichkeit: Nicht zu Unrecht fühlen wir uns zunehmend "allein unter Feinden" und vom Staat verlassen.
Thomas Sigmund, Jurist und preisgekrönter Journalist, geht den Ursachen dieser besorgniserregenden Entwicklung auf dem Grund. Er schaut auf eine überlastete und unzureichend ausgestattete Polizei, auf eine überforderte Justiz und Verwaltung, auf Bürgerwehren, die das Gesetz des Handelns in die eigene Hände nehmen, auf den maroden Zustand des Militärs, das eigentlich auch Sicherheitsaufgaben im Innern hat, auf unkoordiniert arbeitende Geheimnetze. Sein Fazit: Mehr denn je leben wir in einem unsicheren Gemeinwesen. Und das darf so nicht bleiben. Sigmund macht daher auch umfassende Vorschläge, wie der Rechtsstaat wieder wehrhaft wird und unsere Sicherheit im Innern endlich wieder vollumfänglich gewährleistet.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum2. März 2017
ISBN9783451811135
Allein unter Feinden?: Was der Staat für unsere Sicherheit tut – und was nicht

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    Buchvorschau

    Allein unter Feinden? - Thomas Sigmund

    Thomas Sigmund

    Allein unter Feinden?

    Was der Staat für unsere

    Sicherheit tut – und was nicht

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    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2017

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal

    Umschlagmotiv: © tulpahn/Cube29 – shutterstock

    Autorenfoto: © Mark-Steffen Unger

    E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern

    ISBN (E-Book) 978-3-451-81113-5

    ISBN (Buch) 978-3-451-37814-0

    Inhalt

    Einleitung: Innere Unsicherheit – mehr als ein Gefühl

    Kapitel 1: Mehr Übergriffe, mehr Hass

    Silvester in Köln: 1200 Anzeigen und eine Handvoll Urteile

    Rechtsextremismus: eine Gefahr nicht nur, aber vor allem in Ostdeutschland

    Wie sich die Flüchtlinge in Sicherheit bringen müssen

    Erdogans langer Arm in Deutschland: Angriffe auf Anhänger des Predigers Gülen

    Hasspostings und eine hilflose Politik gegen Facebook & Co.

    Verarmung und Verrohung der Sprache: Die Politik als Vorbild?

    Stinkefinger: Wie der Hass auf die Politiker immer mehr zunimmt

    Kapitel 2: Mehr Gewalt

    Berlin, Rigaer Straße 94. Eine Stadt ergibt sich den Linksextremisten

    Wie Familienclans die Städte beherrschen

    Friedensrichter und Scharia

    Kinderehen und Zwangsheirat

    Rocker – keine Kleingärtner und Motorradfahrer

    Gewalt auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen

    Wem gehört die Straße?

    Kapitel 3: Mehr Einbrüche

    Aufbrechen, Ausräumen, Abhauen. Einbruch halt.

    Kapitulation vor Taschendieben

    My home is my castle – sicheres Privateigentum

    Hilft dir nicht der Staat, dann hilf dir selbst: Zulauf bei den Bürgerwehren

    Kaputt gesparte Polizei

    Chronisch unterbesetzte Justiz

    Abschiebung – teures Versagen?

    Darknet: Marktplatz des Verbotenen

    Der klassische Bankraub stirbt aus

    Internetkriminalität und Datenklau

    Cyberangriff: Der Überfall der etwas anderen Art

    Kapitel 4: Mehr Terror

    Der Staat und der Terror – Freiheit versus Sicherheit

    Würzburg, Ansbach, Chemnitz, Berlin: Wie der Islamische Staat den Terror nach Deutschland trägt

    Statistiken gegen Angst und Unsicherheit

    Der globale Krieg gegen den Terror. Wie sich Großbritannien, Frankreich, die USA oder Israel wehren

    Bundeswehreinsatz im Innern: Die Engstirnigkeit von Gewerkschaftsfunktionären der Polizei

    Kapitel 5: Wie der Staat wieder wehrhaft wird – Sicherheit in Zeiten von Migrationsströmen, Globalisierung und Digitalisierung

    Mehr Polizisten, Richter und Staatsanwälte einstellen

    Mehr Respekt vor den Ordnungshütern forcieren

    Schneller und entschiedener abschieben

    Null-Toleranz gegen Kriminelle praktizieren

    Videoüberwachung sofort auf den Weg bringen

    Konsequente Abwehr von Cyberattacken ermöglichen

    Geheimdienstarbeit international vernetzen

    Europäisches Anti-Terror-Zentrum zügig aufbauen

    Der »Terror-Akquise« und den Hasspredigern in den Hinterhofmoscheen Einhalt gebieten

    Grenzen europäisch sichern – und wenn das nicht funktioniert, dann national

    Behörden auch durch ein Zuwanderungsgesetz entlasten

    Burka verbieten

    Zum Abschluss: Ende der inneren ­Unsicherheit – die 15 Reformvorschläge auf einen Blick

    Anmerkungen

    Weiterführende Literatur

    Dank

    Über den Autor

    Einleitung

    Innere Unsicherheit – mehr als ein Gefühl

    Der Staat tut viel für die Sicherheit. Doch immer mehr Bürger sind davon überzeugt: Es reicht nicht. Brutale Gewalt in S-Bahnen, islamistischer Terror, Einbrecherbanden aus Georgien, Familienclans in Berlin, Hass und Hetze in den sozialen Medien. Die Vorfälle zeigen wie ein Thermometer die steigende Fieberkurve in der Gesellschaft an.

    »Ich habe lange Jahre in Ländern gelebt, wo Rechtsstaatlichkeit ein Fremdwort ist. Ich habe es immer hoch geschätzt, dass der Staat in Deutschland diese Aufgabe bislang erfüllt hat. Doch nach der Silvesternacht 2015 in Köln, den weiteren Übergriffen in etlichen Städten, der laxen Handhabe des Rechts gegenüber straffällig gewordenen Flüchtlingen, zweifele ich zunehmend an meinem Staat, an meiner Regierung«, schrieb mir eine Leserin entsetzt.

    Ein anderer Leser schilderte, wie er auf einer Dienstreise im ICE bestohlen wurde. Portemonnaie, Handy, Schlüssel. Alles weg. Er erhoffte sich Hilfe von der Polizei. Doch die habe nur hilflos mit den Achseln gezuckt. Die Täter dingfest zu machen, das Diebesgut wiederzubekommen? ­Seine Frage könne doch nicht ernst gemeint sein, meinte ein Polizist zu ihm.

    Zwei erschreckende Reaktionen, die man einfach als gewohnten Alltag in Deutschland abtun könnte. Aber warum greifen Recht und Ordnung nicht? Viele Bürger fragen sich inzwischen, ob sie allein unter Feinden in diesem Staat wohnen. Immer öfter zweifeln sie an einem Staat, der sie, das ist unbestritten, zwar weiterhin schützt, bei dem sie aber auch sein fortgesetztes Versagen erleben. Darum soll es in diesem Buch gehen.

    Enttäuschtes Versprechen

    Wir wollen einen starken Rechtsstaat, aber keinen starken rechten Staat. Es gibt keinen Bedarf an einer »Alternative für Deutschland« (AfD), die vor allem Angst schüren möchte. Wir brauchen keine neuen Parteien, sondern eine neue Sicht der Dinge. Dieses Buch ist daher auch keine Generalabrechnung mit Polizei und Justiz, die mit knappen personellen und finanziellen Mitteln versuchen, ihren Dienst zu tun. In Gesprächen mit Polizisten, Politikern, Richtern, Staatsanwälten, mit IT-Experten und Lobbyisten von Facebook und Google zeigt sich, wo es an allen Ecken und Enden hakt. Der Frust in der Praxis, also bei Polizei und in den Gerichtssälen, ist riesig. In kleinen Gesprächsrunden mit Ministern oder den Präsidenten unserer Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste spürt man, mit wie viel Einsatz und Engagement diese Menschen sich um die Sicherheit in unserem Land bemühen. Defizite und Sicherheitslücken werden offen angesprochen. Warum aber wird keine breite Debatte in der Öffentlichkeit angestoßen, warum werden uns Bürgern diese Informationen nicht zugemutet?

    Viele Bürger sehen sich in dem einfachen, aber großen Versprechen des Staates getäuscht, für Sicherheit zu sorgen. Eine Entwicklung, die vor zwei bis drei Jahren noch als ausgeschlossen galt. In einer der größten Umfragen zur inneren Sicherheit, dem Deutschen Viktimisierungssurvey 2012¹, fühlten sich die Bürger noch relativ angstfrei. Mehr als 80 Prozent der Befragten gaben an, sich nachts in ihrer Wohnumgebung eher sicher oder sehr sicher zu fühlen. Diese veralteten Zahlen führt die Bundesregierung in ihrer aktuellen Studie »Gut leben in Deutschland«, die sie 2016 mit großem Aufwand betrieben hat, stolz an.² Und lügt sich hier in die Tasche. Die Antworten der Umfrageteilnehmer wurden vor den Anschlägen in Paris, Brüssel und Nizza gegeben. Vor Würzburg, Ansbach und Berlin. Auch die unkontrollierte Grenzöffnung mit den Flüchtlingsströmen oder der explosionsartige Anstieg von Diebstählen in den letzten Jahren sind nicht in der Studie berücksichtigt. Während die Berliner Politik eine Wohlfühlatmosphäre im Land erzeugen will, ziehen organisierte Einbrecherbanden durchs Land und etablieren Extremisten eigene Regeln. Haben wir bald eine Situation wie in den USA, wo die Eliten sich immer mehr vom Volk ­entfernen?

    Wachsende Angst

    Denn die Realität heute lautet: Die Ängste der Bürger haben deutlich zugenommen. In einer Umfrage von YouGov, einem Online-Marktforschungsunternehmen, sagen heute fast 70 Prozent der Menschen in Deutschland, die Sicherheitslage im öffentlichen Raum habe sich verschlechtert. 60 Prozent geben an, die Anzahl der Situationen, in denen sie sich gefährdet fühlen, habe sich in den letzten Jahren erhöht.

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    Quelle: In Anlehnung an eine Grafik der ©Seetec GmbH. Die verwendeten Daten basieren auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH.³

    Das Vertrauen stellt sich schon gar nicht mit immer neuen Ankündigungen der Parteien zu immer neuen Sicherheitskonzepten ein. So fühlen sich die Bürger nicht ernst genommen. Sie misstrauen diesen Ankündigungen, die vielleicht in einer neuen Regierungskonstellation das Papier nicht mehr wert sind, auf dem sie stehen. Die Bürger rufen nicht nach politischem Aktionismus. Sie wollen eine echte Auseinandersetzung mit dem Thema der inneren Sicherheit. Schon heute sind die Folgen dieses falschen Handelns zu besichtigen: Die etablierten Parteien verlieren weiter an Glaubwürdigkeit und überlassen dieses so wichtige Feld den Rechtspopulisten.

    Die Fragen der Bürger sind längst grundsätzlicher und sehr persönlicher Natur: Ist unsere liberale Gesellschaftsordnung nicht schlicht zu lasch für die neue Art krimineller Angriffe? Kann der Nationalstaat überhaupt noch mit den international agierenden Verbrechern mithalten? Wer schützt mich davor, dass ich auf einem Weihnachtsmarkt von einem islamistischen Attentäter in die Luft gesprengt oder eine U-Bahn-Treppe hinuntergetreten werde? Ist ein Europa der offenen Grenzen nicht geradezu eine Einladung für Terroristen? Bietet der Staat Schutz vor Cyberkriminellen und international agierenden Einbrecherbanden? Hat er vor einer Paralleljustiz mit den Gesetzen der Scharia kapituliert und »No-Go-Areas« in vielen Großstädten längst akzeptiert?

    Der Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes (1588–1679) lieferte Ideen für ein staatliches Gewaltmonopol. Demnach sollte die Souveränität des Staates die Gewalt eindämmen und das alleinige Recht dafür, im Gegensatz zu früheren Zeiten, in seinen Händen liegen. In seinem Hauptwerk mit dem Titel »Leviathan« entwickelt Hobbes den Gedanken, dass das Privileg des Waffeneinsatzes allein beim Staat liegen soll. Im Alten Testament ist Leviathan ein schreckliches Ungeheuer. Im Buch Hiob 40,25–41,26 wird das Fabeltier wie folgt beschrieben: »Wer kann ihm sein Kleid aufdecken? Und wer darf es wagen, ihm zwischen die Zähne zu greifen? […] Aus seinem Munde fahren Fackeln, und feurige Funken schießen heraus. Aus seiner Nase geht Rauch wie von heißen Töpfen und Kesseln. Auf seinem Halse wohnt die Stärke, und vor ihm her hüpft die Angst.« Die Hoffnung dieses drakonischen Vergleichs von Hobbes war, dass die Staatsmacht umso weniger gegen Kriminelle einschreiten müsse, je mehr Furcht man vor ihr habe.

    Gefahr in den eigenen Reihen

    Was soll den Tätern heute einen Schrecken einjagen? Mindestens bräuchte es dafür gut ausgestattete Polizisten und einen funktionierenden Justizapparat. Doch die Kriminellen, die Einbrecher etwa, müssen sich nicht sonderlich sorgen, dass sich etwas zu ihren Ungunsten ändern wird. In vielen Bundesländern ist die Polizei nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ein Kommissar Derrick, der von seinem Kollegen Harry den Wagen vorfahren ließ und dann in einer Münchner Nobelbehausung tiefsinnige Gespräche mit dem Täter, meist einem Chefarzt, führte, gehört längst der Vergangenheit an. Für feinsinnige Dialoge zwischen Polizei und Täter bleibt – zumindest den Polizisten – keine Zeit mehr.

    Die Zahl der Polizeikräfte ist zwischen 2005 und 2014 von 302 000 auf 299 000 gesunken. Das hört sich wenig an, quasi nach Stagnation. Aber im gleichen Zeitraum sind die Aufgaben der Polizei explodiert. Einen Stellenaufbau, wie angesichts der Migrationskrise etwa bei der Bundespolizei, gibt es kaum. Und die neuen Beamten müssen ja auch erst ausgebildet werden. Das dauert.

    Stattdessen sieht sich die Polizei etwa mit rechtsradikalen »Reichsbürgern« in den eigenen Reihen konfrontiert und der Verfassungsschutz und die Bundeswehr müssen aufpassen, nicht von Islamisten unterwandert zu werden. Bislang gab es dies zum Glück nur in Einzelfällen. Aber ein Gefühl der Sicherheit stellt sich bei den Bürgern so nicht ein.

    Die Gegenwehr läuft auf vollen Touren – ohne den Staat. Die stark steigende Zahl der Käufe von Waffen, Reizgas und Schreckschusspistolen lässt die Interpretation zu, dass die Bürger immer weniger bereit sind, Unsicherheit zu tolerieren. Sie wollen das Gefühl nicht länger aushalten, dass einem jederzeit etwas zustoßen kann. Es sind Menschen, die ihr Land unter dem Eindruck der plötzlichen Häufung von islamistischen Anschlägen nicht mehr wiedererkennen, deren Sicherheitsgefühl erodiert. Damit sind nicht nur krude »Reichsbürger«, Pegida-Hetzer oder Verwirrte der rechtsradikalen »Identitären Bewegung« gemeint, die in ihrer rechtsextremen Fantasiewelt schnelle und einfache Antworten von der Politik einfordern.

    Verrohung der Sprache

    Die Verrohung der Sprache in der Politik und den sozialen Medien, die bis in die Schulen unserer Kinder ausstrahlt, tut ihr ­Übriges, um dieses Phänomen zu beschleunigen. Die renommierte amerikanische Zeitung New York Times hat genüsslich auf einer Doppelseite die Twitter-Beschimpfungen des US-Präsidenten Donald Trump in seinem Wahlkampf aufgelistet. Der sprachliche Tabubruch war Teil seiner Inszenierung. Und er ist damit durchgekommen. Trump hat Minderheiten beleidigt, Frauen sexuell verunglimpft, die Bundeskanzlerin beschimpft. Damit lieferte er die negative Blaupause für künftige Wahlkämpfe, leider nicht nur in den USA, sondern auch bei uns. Wer gedacht hatte, nach seiner Wahl würde Trump eine Kehrtwende zum Besseren einleiten, sieht sich getäuscht. Per Twitter ließ er mit dem Satz »Annulliert den Auftrag!« den Aktienkurs des US-Flugzeugbauers Boeing abstürzen, weil er mit dem Preis für die zwei neuen Flugzeuge der »Air Force One«, mit denen der Präsident befördert wird, nicht einverstanden war. Auf unsere Welt wartet eine Politik, die der mächtigste Mann der Welt in ein Format von 140 Zeichen presst.

    Dass dieses Verhalten Erfolg zeigt, erhöht die Verunsicherung der Menschen in den liberalen Gesellschaften. Renate Köcher, die Leiterin des namhaften Instituts für Demoskopie Allensbach⁴ meinte sogar, es habe in Deutschland nur wenige Situationen in der Nachkriegsgeschichte gegeben, in denen die Bevölkerung ähnlich beunruhigt gewesen sei wie nach den Terroranschlägen des Jahres 2016. Dabei habe es immer außergewöhnliche Ereignisse und Entwicklungen gegeben, die Anlass zur Sorge bereitet hätten: den Mauerbau, die Ölkrisen in den 70er- und 80er-Jahren, die Rezession nach dem Einheitsboom, die Flüchtlingswelle vom Balkan, die New Yorker Anschläge 2001 oder die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise 2008.

    Die Demoskopin hätte auch sagen können: Die Welt, in der wir leben, wird immer unübersichtlicher. Schon vor mehr als 30 Jahren rief der Philosoph Jürgen Habermas die »neue Unübersichtlichkeit« aus. Heute gilt das umso mehr. Die Probleme sind dabei aber nicht nur beim Thema innere Sicherheit komplexer geworden. Die Bürger erleben gleich auf mehreren Ebenen einen Vertrauensverlust in ihre gewohnten Sicherheiten. Die Finanzkrise etwa hat das Weltbild vieler Bürger auf den Kopf gestellt und der globalisierte Kapitalismus durchläuft seitdem eine Zeitenwende. Die Schulden explodieren. Die weltweite Staatverschuldung betrug 2015 unvorstellbare 136 Billionen Euro. Acht Jahre Niedrigzinsen haben das Finanzsystem zerbrechlich werden lassen. Die Bilanzsummen der Notenbanken wachsen in dem Umfang, wie das Vertrauen in die Richtigkeit ihrer Geldpolitik schwindet. Die Notenbanken drucken ihr eigenes Geld und kaufen verschiedenste Wertpapiere von Unternehmens- bis Staatsanleihen auf, die ihre Bilanzen bis zum Platzen aufblasen. Trotz aller Rettungsaktionen der vergangenen Jahre taumeln Banken. Das ersehnte Wachstum bleibt weiter aus.

    Die Wahrheit ist zumutbar!

    Doch die Welt ist nicht nur finanzpolitisch in Unordnung. Ob es der Krieg in der Ukraine, die autokratische Politik in der Türkei, der weltweite Flüchtlingsstrom, der Krieg in Syrien oder der Veränderungsdruck in Wirtschaft und Arbeit durch Globalisierung und Digitalisierung ist, bei dem manche auf der Strecke bleiben. Das alles beschwört eine nie dagewesene Überforderung herauf. Die Menschen suchen nach einem Anker im 21. Jahrhundert. Wenigstens die eigene Familie, das Heim muss sicher sein. Der Spruch My home is my castle wird oft lustig dahingesagt. Doch die uralte Sehnsucht nach Schutz und Stabilität im vertrauten Umfeld gilt heute mehr als gestern.

    Wenn Menschen sich unsicher und überfordert fühlen, dann beeinträchtigt das ihr Leben und ihre Lebensqualität. Überforderung und Unsicherheit drücken sich auch in einem veränderten Wahlverhalten aus. Die politischen Mehrheitsverhältnisse in den westlichen Demokratien stehen auf einem wackligen Fundament, wie wir beim Brexit und bei der US-Wahl gesehen haben. Trumps Wahlsieg ist das Ergebnis eines großen Vertrauensverlustes. Auch in Deutschland gibt es keine Garantie, dass weiterhin Maß und Mitte in den Parlamenten vorherrschen. Die Menschen wählen anders – oder auch gar nicht mehr. Die Antwort der Verteidiger des liberalen Rechtsstaats kann jetzt nicht darin bestehen, eine vermeintliche Sicherheit vorzugaukeln. Es ist Zeit, die Realität mit allen Problemen und Herausforderungen klar zu benennen. Auch die Medien sollten dem Bürger mehr zutrauen in der Vermittlung von Wirklichkeit. »Die Wahrheit ist dem Bürger zumutbar«, hat Ingeborg Bachmann gesagt. Geschönte Studien gehören nicht dazu.

    Wer aber die Menschen nicht ernst nimmt, verstärkt die Ablehnung des Systems. Briten und Amerikaner spötteln gerne über die German Angst, ein abfälliger Kampfbegriff, den amerikanische Konservative prägten, als sich nach 2001 die Deutschen unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht an der törichten Invasion des US-Präsidenten George W. Bush im Irak beteiligen wollten. Doch Angst ist nicht nur eine Hasenfüßigkeit: Im Jahr 2016 ist es die Angst, Opfer des Terrors zu werden. In Zeiten des Terrors kann Angst berechtigt und klug sein. Aber sie soll nicht nötig sein. Aus Angst vor Anschlägen meiden viele Bürger inzwischen öffentliche Veranstaltungen, fürchten sich auf Bahnhöfen oder gehen nicht mehr auf Volksfeste. Darüber darf man sich nicht lustig machen.

    Nicht nur in Deutschland sorgen sich die Bürger, auch in unseren Nachbarländern Österreich oder Schweiz steigt die Terror­angst. In Österreich etwa fürchteten sich 2008 75 Prozent der Bürger vor internationalem Terrorismus, heute machen sich bereits 83 Prozent der Befragten »Terror-Sorgen«, Tendenz wohl weiter steigend.⁵ Ähnliches ist in der Schweiz zu beobachten, wo beispielsweise die Passagierzahlen der TGV-Verbindungen aus der Schweiz nach Frankreich seit den Terroranschlägen im November 2015 regelrecht einbrachen. Trotz einer erheblichen Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen.

    Jetzt auch der Terror

    Wer hätte sich vor zehn Jahren vorstellen können, dass der Terror einen einmal unmittelbar betreffen könnte? Nach den Anschlägen von Ansbach, Würzburg und dem geplanten Attentat eines islamistischen Täters aus Chemnitz ist die Gefahr auf einmal nahe an jeden von uns herangerückt. Der feige Anschlag in Berlin hat uns mit voller Wucht getroffen und die Gefährlichkeit von rund 500 in Deutschland bekannten islamistischen Gefährdern grausam vor Augen geführt. Der Islamische Staat (IS) hat sich nicht ohne Grund einen christlichen Weihnachtsmarkt als Ziel ausgesucht. Zwar wird es dem Islamischen Staat nicht gelingen, aus den westlichen Ländern Kalifate zu machen. Aber der IS will unsere Gesellschaft bis in ihre Grundfeste erschüttern, er will unsere weltoffene und werteorientierte Gesellschaft spalten. Mit seinem Terror möchte der IS einen Generalverdacht gegen alle Flüchtlinge und alle Muslime in Deutschland erzeugen. Die Mehrheit der Bürger soll mit Misstrauen und Argusaugen auf die Muslime schauen. Gesellschaftliche Spannungen sollen durch die Gewalt des IS zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Seit Jahren schon lässt sich dies auch in den Schriften von al-Qaida nachlesen.

    Viele Bürger gewinnen bereits den Eindruck, der IS wohne nebenan. Einige radikalisierte junge Männer haben sich aus unserem Land in Richtung Syrien oder Irak aufgemacht, um sich dem Dschihad anzuschließen. Und wir haben bitter gelernt, dass der IS mit den Flüchtlingsströmen auch Attentäter zu uns schickt und sie sogar ausbildet, die richtigen Antworten im Asylverfahren zu geben.⁶ Das ist nur eine Variante des Schreckens. Die Attentäter von Ansbach und Würzburg sind schon vorher bei uns gewesen und wurden von radikalen Hintermännern des IS per Handy gesteuert. Islamistische Täter in Deutschland finden überdies eine radikale Infrastruktur vor, ob es Hinterhof­moscheen sind oder eingespielte Netzwerke.

    Mehr Bedrohung – weniger Lebensqualität

    Bei allen schwierigen Debatten, die wir jetzt zu führen haben, müssen wir aufpassen, dass wir Maß und Mitte

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