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Willkommenskultur in rechtspopulistischen Zeiten: Nur wer Wutbürger versteht, kann deren Einfluss begrenzen
Willkommenskultur in rechtspopulistischen Zeiten: Nur wer Wutbürger versteht, kann deren Einfluss begrenzen
Willkommenskultur in rechtspopulistischen Zeiten: Nur wer Wutbürger versteht, kann deren Einfluss begrenzen
eBook427 Seiten4 Stunden

Willkommenskultur in rechtspopulistischen Zeiten: Nur wer Wutbürger versteht, kann deren Einfluss begrenzen

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Über dieses E-Book

Corona hat vieles ans Licht gebracht, was früher auch schon da war, aber manches auch verschärft. Anti-Corona-Demonstrationen sind zum Hotspot geworden, an dem sich Verschwörungsgläubige, Fake-News-Infizierte und Rechtspopulisten vereinen, um "die Wahrheit" zu verkünden – gegen den Rest der Welt und mit zunehmender Aggressivität. Die Gräben laufen oft sogar innerhalb der Familien, beenden langjährige Freundschaften.
Warum machen Flüchtlinge so vielen so viel Angst, der Klimawandel jedoch nicht? Wann entsteht aus Angst Wut? Oder ist es nicht Angst, sondern Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit über die scheinbar immer größer werdende Kluft zwischen Volksvertreter*innen und dem Volk, die bei einigen den Kragen platzen lässt? Der Schweizer Psychotherapeut und Fachautor Jürg Kollbrunner beschreibt in seinem neuen Werk ein psychologisches Grundmuster des Rechtspopulismus und liefert eine Analyse der Krankheit unseres Systems, nämlich der scheinbaren Unfähigkeit der politischen und wirtschaftlichen Eliten, zu tun, was getan werden muss. Mit Fakten und schlüssigen Argumenten beschreibt er den Zusammenhang zwischen verheerenden politischen Entwicklungen und dem Erstarken des Rechtspopulismus. Nur wer Wutbürger und Hassprediger versteht, kann deren Einfluss begrenzen.

"Das Buch ist eine Fundgrube, sehr solid dokumentiert und umfassend; ich bin begeistert. Jürg Kollbrunner ist ein echter Aufklärer."
p. m.
SpracheDeutsch
HerausgeberHirnkost
Erscheinungsdatum30. Okt. 2020
ISBN9783948675325
Willkommenskultur in rechtspopulistischen Zeiten: Nur wer Wutbürger versteht, kann deren Einfluss begrenzen

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    Buchvorschau

    Willkommenskultur in rechtspopulistischen Zeiten - Jürg Kollbrunner

    Danksagung

    Einleitung

    Wer sich in Europa von der Not von Flüchtlingen berühren lässt, Asylsuchenden entgegenkommen will und sich vorbereitet, viele von ihnen im eigenen Land wohlwollend aufzunehmen, spricht vom Schaffen einer „Willkommenskultur". Bürger*innen, die sich aber von Flüchtlingen aus anderen Kulturen verdrängt oder sogar bedroht fühlen, Überfremdung, Arbeitsplatzverlust und Verlust ihrer kulturellen und nationalen Identität befürchten, fühlen sich im eigenen Land unverstanden und immer weniger heimisch. Angesichts der vielen nationalen Probleme ist für sie Willkommenskultur für Flüchtlinge ein Hohn. Sie meinen, bevor man sich um Menschen aus weit entfernten Ländern kümmern kann, muss man doch zuerst fürs eigene Volk sorgen und die von unfähigen oder egoistischen einheimischen Politiker*innen verursachten Missstände korrigieren.

    Warum machen Flüchtlinge so vielen so viel Angst? Wann entsteht aus Angst Wut? Oder ist es nicht Angst, sondern Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit über die scheinbar immer größer werdende Kluft zwischen Volksvertreter*innen und dem Volk, die bei einigen den Kragen platzen lässt? Ist es der Zorn, der in jenen aufsteigt, die sich immer stärker von anderen, zum Beispiel durch die „Lügenpresse" oder eine geheime Macht, manipuliert fühlen? Wenn Antworten auf solche Fragen zu finden sind, kann Hoffnung aufkeimen, dass neue, befriedigendere Wege der Verbindung zwischen Volk und Volksvertreter*innen errichtet werden können.

    In diesem Buch

    …werden Sorgen und Befürchtungen vieler Bürger*innen, die sich von der Politik nicht verstanden und schlecht vertreten fühlen, zunächst in einfachen, kurzen und markigen Worten dokumentiert, so etwa, wie sie in Umkleideräumen oder an Stammtischen gehört werden können.

    …Im Informationsteil werden Hintergrundinformationen zu den gleichen Themen in 18 Problemfeldern sachlich, aber auch mit einigen subjektiven, manchmal emotionalen Stellungnahmen des Autors dargestellt.

    …Dann folgt der Versuch, zu erklären, warum es der politischen und wirtschaftlichen Elite oft so schlecht gelingt, die beunruhigenden oder ängstigenden Probleme, in denen die Welt verstrickt ist, gezielt anzupacken und wenigstens teilweise zu lösen.

    …Eine Reise durch sozialpsychologische Erkenntnisse liefert die Grundlage, besser zu verstehen, wie Bürger*innen ticken, insbesondere, warum sie sich bei der Wahl von Politiker*innen immer wieder von falschen Versprechungen verführen lassen.

    …Schließlich werden viele Wege aufgezeigt, auf denen jeder und jede Einzelne mit kleinsten, kleinen und größeren Schritten gezielt zum eigenen Wohl, jenem der Nächsten und zur nachhaltigen Weiterentwicklung demokratischer, menschenwürdiger und umweltverträglicher Strukturen beitragen kann.

    Der Text ist eine persönliche Gesamtschau von mehreren Dutzend Themen und vielen ihrer Zusammenhänge. Das bedeutet, dass es dem Autor nicht möglich war, so kompetent über alle Details zu berichten, wie dies jeweilige Spezialisten tun könnten. Die Leser*innen werden deshalb während des Lesens des Informationsteils immer wieder aufgefordert, zu entscheiden, ob sie die angebotene Information als glaubwürdig empfinden oder eine Überprüfung (durch sie selbst oder durch Fachpersonen) als notwendig erachten. Eine Erläuterung dieses besonderen Vorgehens beim Entwerfen und Ausarbeiten des Textes ist im Anhang unter dem Titel „Wie dieses Buch entstanden ist" nachzulesen.

    Der modulare Aufbau des Textes erlaubt es, das Buch quer zu lesen. Starten Sie gerne auf der Seite, die Ihnen aufgrund der Stichworte im Inhaltsverzeichnis am spannendsten erscheint, und lassen Sie sich überraschen, an welche Stellen das Interesse Sie dann weiterführt.

    I. Unzufriedenheit, Wut und Sorgen

    Die Problembereiche, in denen die Ängste und der Ärger vieler Bürger*innen westlicher Staaten bezüglich des Handelns ihrer Politiker*innen besonders deutlich zum Ausdruck kommen, werden hier zunächst mit einfachen, plakativen Worten, wie sie auf der Straße, im Wirtshaus und unter Freunden verwendet werden, dargestellt.

    Ängste, Ärger, Wut

    1.„Flüchtlinge überfluten Europa": Nehmen sie uns Arbeitsplätze weg? Belästigen sie unsere Frauen? Wie viele von ihnen sind kriminell? Kosten sie den Staat so viel, dass es für große Teile der Bevölkerung, wie Alleinerziehende, in Billigjobs Tätige, Rentner*innen, einheimische Arbeitslose und andere Randständige, finanziell nicht mehr reicht, um ihnen ein würdevolles Leben zu ermöglichen? Das sind Fragen und Ängste, die verständlich sind.

    2.„Multikulti bedroht unsere Heimat und unsere Identität": Können Menschen, die aus fremden Kulturen stammen, sich unserer Kultur genügend anpassen? Oder werden sie uns zwingen, uns ihrer Kultur anzupassen? Werden christliche Bräuche und Traditionen bald aus „Rücksicht" auf die Fremden verboten? Werden religiöse Konflikte zunehmen, besonders zwischen Christen und Muslimen? Bringen Flüchtlinge den Terror nach Europa? Wie werden Einflüsse anderer fremder Kulturen, zum Beispiel durch Menschen, die aus Ländern mit wenig entwickelten Sozialstrukturen stammen, unsere Kultur verändern?

    3.„Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung stehlen Arbeitsplätze": Die Konkurrenz aus Billiglohnländern führt zu Arbeitsplatzverlusten hierzulande, zu überlangen, umweltschädigenden Transportwegen von Waren und zum Zwang, sich immer besser auszubilden, besser, als es vielen Einheimischen finanziell oder intellektuell möglich ist. „Global Players" führen mit Standardwaren zur Einebnung des Reichtums unterschiedlicher Kulturen sowie zu Monokulturen und Massentierhaltung in der Landwirtschaft. Die Akteure der internationalen Finanzwirtschaft sind untereinander so stark verflochten, dass eine regionale oder branchenspezifische Störung die globale Wirtschaft in eine Krise stürzen kann. Zudem wird es in der Überflutung durch Informationen aus aller Welt immer schwieriger, zu entscheiden, was wichtig ist, und das Wichtige zu verstehen. Dies kann hilflos und mutlos machen.

    4.„Die übertriebene Sorge um die Umwelt nervt": Viele angebliche Alarmzeichen zum Umgang mit unserer Umwelt sind zu Reizworten geworden: „Klimawandel durch Erderwärmung, „Elektrosmog oder die Verschmutzung unserer Meere durch Mikroplastik. Es wird behauptet, die Umwelt werde durch Abholzung von Wäldern zur Produktion von Fleisch, Soja, Palmöl und Holzkohle zerstört. Energie- und Wasserknappheit, Bodenerosion, Ausbeutung von Bodenschätzen und Artensterben von Pflanzen und Tieren seien die Folgen. Das alles ernst zu nehmen überfordert. Und auf die Erholungskraft der Natur ist doch Verlass. Greta Thunberg ist nur eine manipulierte Marionette. Von wem manipuliert?

    5.„Die Fake News der Lügenpresse sind unausstehlich": Die Wahrheit wird mit Füßen getreten. Journalisten schreiben, was sie wollen oder was ihnen von den Mächtigen eingetrichtert wird. Eine Verschwörung? Wem soll man noch glauben? Wohl am besten der Gruppe, in der man sich irgendwie geborgen fühlt, Menschen, die ähnlich denken, wie man selbst. Am besten gibt man Journalisten keine Antwort mehr, denn sie drehen einem die Worte im Mund herum. Da muss man eben mal auch eine Kamera ein wenig unsanft zur Seite schieben.

    6.„Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer": Einkommens- und Besitzstandsunterschiede vergrößern sich. CEOs und Verwaltungsratspräsidenten großer Konzerne verdienen monatlich mehr als 100.000 Euro, einfache Arbeiter nur zwei bis drei Tausender, sagen die finanziell schlecht Gestellten. „Wir haben genug von den ewigen Neidern, sagen die Wohlhabenden: „Der Wohlstand der Bürger ist gerecht verteilt, denn die Fleißigen werden belohnt, die Faulen eben nicht.

    7.„Das Gejammer um die Benachteiligung von Frauen geht auf den Keks": In einigen Bereichen sind Frauen zwar benachteiligt. Aber das hat auch natürliche Gründe. Sie haben weniger Kraft als Männer und weniger intellektuelles Potenzial. Sie denken und handeln immer gleich emotional. Können sich nicht durchsetzen, haben Angst vor Verantwortung und machen deshalb keine Karriere. Die Frauen haben in den vergangenen Jahren schon viel erreicht. Sie könnten auch mal zufrieden sein. In Wirklichkeit werden sie sogar heute schon überall bevorzugt und wollen uns unsere Männlichkeit nehmen.

    8.„Zu wenig Polizei, zu viel Kuscheljustiz": Kriminalität, besonders sexuelle Übergriffe und Gewalt von nicht europäisch-stämmigen Tätern, nehmen zu. Aber auch die organisierte Kriminalität, der internationale Terrorismus, Amokläufe und die wachsende Internetkriminalität sind besorgniserregend. Die Polizei scheint personell unterbesetzt und nicht hinreichend ausgerüstet. Zudem dauern die Strafverfahren oft viel zu lang und die Strafen, insbesondere für Gewalt- und Sexualstraftäter, sind zu milde. Und die Politik zwingt Polizei und Justiz bei manchen Tätergruppen (Ausländern, Linken) offenbar, „wegzusehen".

    9.„Banken und Börsen sind übermächtig": Das Vermögen europäischer Banken übersteigt das Bruttoinlandsprodukt ihrer Länder um mehr als das Dreifache. Der durch Banken und Börsen ermöglichte Handel mit Aktien, Rohstoffen und Devisen erlaubt es Wohlhabenden, durch Spekulation innerhalb kurzer Zeit große Geldgewinne zu erzielen. Weniger Wohlhabende können an dieser Wertschöpfung wegen der Risiken, die Spekulation immer auch beinhaltet, kaum teilhaben. Von Banken angebotene Kleinkredite führen oft in die Schuldenfalle.

    10.„Die Energiekrise ist eher eine Steuerkrise": Wenn der Staat auf den Einkaufspreis von Heizöl 38 % und auf jenen von Benzin gar 60 % Steuern erhebt, ist das eine Frechheit gegenüber allen Eigenheimbesitzern und Autofahrern. Die Erdölreserven gehen noch lange nicht zur Neige, und mit neuen Verfahren wie Fracking können weitere Mengen an Gas und Öl gefördert werden. Mit Atomkraftwerken könnte gar unsere gesamte elektrische Energieversorgung gesichert werden, wenn das nicht durch Besserwisser blockiert würde.

    11.„Die Politiker vertreten nicht das einfache Volk und sind unehrlich": Politiker*innen versprechen, sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen, für preisgünstige Wohnungen, umweltfreundliche Nahrungsmittelproduktion und vernünftige Medizin einzusetzen, zeigen in ihrem Handeln dann aber bald, dass sie – angeblich wegen Sachzwängen – doch eher jener Wirtschaft dienen, von der sie persönlich profitieren. Der Schutz der Familie wird nicht mehr großgeschrieben; Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle sollen Familien ersetzen; in Krippen, Kindergärten und Schulen werden Frühsexualisierung und „Kompetenzen gefördert statt Wissen vermittelt. Nicht mal mehr sprechen, wie einem der Schnabel gewachsen ist, darf man: Der Mohrenkopf muss jetzt „Schokokuss genannt werden. Steuergelder werden verschleudert. Politiker*innen verdienen gut, unehrliche noch besser.

    „Ein Politiker ist wie eine Taube, ist sie unten, frisst sie dir aus der Hand, ist sie oben, so scheißt sie dir auf den Kopf!"

    12.„Die EU macht alles noch schlimmer und entmündigt uns": EU-Parlament und -Kommission sind ein Milliarden verschlingender Apparat mit über 40.000 Mitarbeiter*innen, die von etwa 30.000 Lobbyist*innen, vorwiegend aus der Wirtschaft, beraten werden. Die von ihnen erlassenen Gesetze und Verordnungen – bis hin zum Krümmungsgrad von Gurken – entmündigen uns, untergraben die Souveränität unseres Landes und schränken die Freiheit aller EU-Bürger*innen ein. Besonders ärgerlich sind die Milliarden, die die EU als Finanzhilfen auch an jene EU-Staaten und -Beitrittskandidaten liefert, in denen die für die Demokratie unerlässliche Gewaltentrennung nicht respektiert wird und Korruption weit verbreitet ist.

    13.„Populismus ist die Stimme des Volkes": Wenn Politiker nicht hören wollen, muss man ihnen mit Gleichgesinnten in klaren Worten und lauter Stimme sagen, was Sache ist. Wir sind das Volk und lassen uns nicht mehr für dumm verkaufen.

    14.„Der Glaube an die Demokratie schwindet": In größeren Wahlkreisen haben nur jene Kandidat*innen eine Chance, gewählt zu werden, die reich sind oder im Wahlkampf von oft Unbekannten finanziell massiv unterstützt werden. Zudem beginnen Wahlkämpfe immer früher, sodass einmal Gewählte fast mehr Zeit für die Wiederwahl in die nächste Legislaturperiode als für die Parlaments- oder Regierungsarbeit verwenden. Unterschiede sind in den Parteiprogrammen eh nicht mehr zu erkennen, warum sollen wir dann überhaupt noch wählen? Zumal die danach sowieso machen, was sie wollen. Deutsche Staatsbürger*innen können ja anders als Schweizer*innen in Sachentscheiden auch nicht direkt mitbestimmen. Das erleichtert es den Politikern, Dinge zu versprechen, die sie dann nicht einhalten müssen.

    „Wer glaubt, dass Volksvertreter das Volk vertreten, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten."

    Unbequeme Tatsachen

    15.Hunger, Wasserknappheit und extreme Armut: Weltweit leiden 800 Millionen Menschen an Hunger und zwei Milliarden an Mangelernährung. Alle zehn Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger, obwohl es auf der Welt genug Nahrung für alle gäbe. 28 % der Weltbevölkerung hat keinen direkten Zugang zu sauberem Trinkwasser. 4,5 Milliarden fehlt der Zugang zu einer Toilette. Eine Milliarde Menschen in 90 Entwicklungsländern leben in extremer Armut. 80 % der älteren Personen besitzen keine Sozialversicherung.

    16.Verletzung der Menschenrechte: Die gewaltsame Bekämpfung politischer Gegner*innen durch Regierungen sowie die Diskriminierung, Verfolgung, Vertreibung oder gar Vernichtung von ethnischen oder religiösen Minderheiten ist in der Welt weit verbreitet. Folter wird vielerorts noch heute regelmäßig angewendet. Selbst der 2006 gegründete UN-Menschenrechtsrat scheint kaum Einfluss auf die massiven Menschenrechtsverletzungen in vielen Ländern dieser Erde zu haben.

    17.Kriege und Bürgerkriege: Zurzeit herrschen weltweit etwa 20 Kriege und 200 gewaltsam ausgetragene Konflikte. 25 Millionen Menschen sind nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Kriegen gestorben, und das Verhältnis zwischen Zivilopfern und getöteten Soldaten hat sich von 1:8 im Ersten Weltkrieg auf 8:1 am Ende des 20. Jahrhunderts verdreht. Weitere Millionen von Kriegsopfern sind Verletzte, schwer traumatisierte Kriegsveteranen, Angehörige aller Kriegsteilnehmer*innen, zur Flucht Gezwungene und die Leidenden der durch Kriege verursachten Hungersnöte.

    18.Weltweite Überbevölkerung: Die Weltbevölkerung von heute 7,6 Milliarden Menschen könnte bis ins Jahr 2100 auf elf Milliarden wachsen. Wird die Erde all diese Menschen ernähren können?

    II. Sachinformationen

    Die im ersten Kapitel beschriebenen emotionalen Reaktionen auf festgestellte oder empfundene Missstände der gesellschaftlichen Situation in westlichen Ländern sind wertvolle Hinweise für die Gestaltung persönlicher und gesellschaftlicher Entwicklung sowie unerlässliche Motoren, um sich an dieser Entwicklung zu beteiligen. Angst, Wut und Behauptungen verzerren aber oft die Suche nach objektiven Informationen, ohne die kaum hilfreiche Lösungsansätze persönlicher oder gesellschaftlicher Probleme gefunden werden können. Deshalb werden in diesem Kapitel einige solcher Sachinformationen zu jedem der erwähnten Problemfelder unterbreitet.

    Wegen der Vielzahl und Komplexität dieser Themen ist es jedoch kaum möglich, mit naturgemäß eingeschränktem Sachverstand (der Autor versteht von einigen Problemfeldern einiges und von manchen kaum etwas) in überschaubarer Zeit die Wissensbestände zu allen Komplexen auf dem neuesten Stand zu präsentieren. Wie wir aktuell beim Thema Corona gesehen haben, entwickelt auch die Wissenschaft fortlaufend neue und komplexere Erkenntnisse und revidiert frühere Thesen. Deshalb werden die Leser*innen, die einigen Zahlen oder Erklärungen in den folgenden Ausführungen nicht trauen, ermutigt, selbst nach anderen Sachinformationen oder Sichtweisen zu suchen. Als Merkhilfe werden zum Ende jeder der nun folgenden Detailinformationen zwei Icons platziert, die Ihnen ermöglichen, selbst anzumerken, ob Sie die vermittelte Information als größtenteils glaubwürdig erachten oder meinen, sie müsste überprüft werden.

    Zum besseren Verständnis dieses besonderen Umgangs mit der Korrektheit von Informationen dient das Kapitel „Wie dieses Buch entstanden ist" im Anhang dieses Buches.

    Ängste, Ärger, Wut

    Info zu 1: Flüchtlinge in Europa

    Über 250 Millionen Menschen leben weltweit als Flüchtlinge in einem fremden Land oder Landesteil. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Migrant*innen um 85 Millionen gestiegen. Es sind Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlinge. Wobei „Wirtschaftsflüchtlinge" das falsche Wort ist, denn sie flüchten nicht vor ihrer Wirtschaft, sondern vor miserablen Lebensbedingungen, weil in ihrem Land die Wirtschaft meist wegen Despotismus und massiver Korruption zusammengebrochen ist. Wenn wir die Menschenrechte ernst nehmen wollen, müssen wir diese Flüchtlinge an unserem Wohlstand teilhaben lassen; schließlich beruht unser Reichtum zu einem guten Teil auf unserer Ausbeutung der Bodenschätze ihrer Heimatländer. Selbstverständlich ist dies für die Aufnahmeländer eine große Herausforderung, besonders seit der europäischen Flüchtlingskrise von 2015. In den Jahren 2014–2017 wurden in Europa fast vier Millionen Asylanträge gestellt, 1,6 Millionen allein in Deutschland. Allerdings muss diese Belastung im zeitlichen Verlauf relativiert werden. In Deutschland sank die hohe Zahl von 746.000 Asylbewerber*innen im Jahr 2016 im folgenden Jahr auf 222.000 und 2019 auf 166.000. Sie war damit nicht mehr viel höher als die durchschnittliche Zahl der Asylanträge in den 20 Jahren vor der Krise (Abb. 1).

    Abb. 1: Asylantragszahlen 1990 – 2019 in Deutschland

    [Quellen für diese und die weiteren Abbildungen finden Sie im Anhang.]

    Wenn man großzügig annimmt, dass in den kommenden Jahren durchschnittlich 300.000 Asylanträge gestellt und 80 % davon positiv entschieden werden, würde die Bevölkerung in Deutschland mit seinen 83 Millionen Einwohner*innen jährlich um nur 0,3 % wachsen. Diese Entwicklung würde das Land, das seit jeher auch von der Kreativität der aus anderen Kulturen stammenden Menschen profitiert hat, nicht nur ertragen, sondern für die Zukunft ertüchtigen. Weiter muss die Belastung eines Landes durch die Aufnahme von Flüchtlingen auch relativiert betrachtet werden. In der Türkei mit ihren 82 Millionen Einwohner*innen leben zurzeit 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge (also 4,4 % der Gesamtbevölkerung) und im Libanon mit seinen sechs Millionen Einwohner*innen sind es etwa 980.000 syrische und 310.000 palästinensische Flüchtlinge (22 % der Gesamtbevölkerung).

    Vordringlich muss jedoch eine speziell europäische schwerste systematische Menschenrechtsverletzung an Flüchtlingen gestoppt werden: Das bewusste Sterbenlassen von ertrinkenden Flüchtlingen im Mittelmeer.

    Das glaube ich größtenteils überprüfen!

    Info zu 2: Europäischer Multikulturalismus

    In einigen Stadtteilen Deutschlands kann der Eindruck entstehen, die deutschen Eingeborenen seien schon heute gegenüber der großen Anzahl an Menschen aus anderen Kulturen in der Minderheit. Doch dies entspricht keineswegs der nationalen Realität. Zwar umfasst die ausländische Bevölkerung Deutschlands 11 Millionen Personen, aber die meisten stammen aus vorwiegend christlich geprägten Ländern und nur 4 Millionen aus Ländern anderer Kulturen.

    Der Islam wird von vielen Europäer*innen wegen der brutalen Ansichten und Handlungen seiner unter der islamistischen Flagge agierenden extremistischen politischen Gruppierungen als große Bedrohung erlebt. In der Schweiz wurde deshalb durch eine Volksabstimmung der Bau von Minaretten verboten. In Deutschland empfinden viele Unbehagen gegenüber der vermeintlich großen Zahl islamischer Gebetsstätten: Etwa 2.600 zählt man dort bereits (siehe Strack 2018). Aber das sind nicht viele, wenn man diese Zahl einer anderen gegenüberstellt: In Deutschland stehen 45.000 christliche Kirchen. Oft wird dem Islam vorgeworfen, seine Heilige Schrift, der Koran, vertrete eine brutale, bluttriefende religiöse Haltung. In der Bibel der Christen ist nicht weniger Bluttriefendes zu lesen. Das Problem sind also nicht die alten Schriften, sondern ihre Übersetzung in die heutige Zeit. Weltoffenen Christen und Muslimen gelingt diese. Allerdings besteht bei den Muslimen das Problem, dass wichtige islamische Grundhaltungen mit demokratischem Denken und Handeln nicht vereinbar sind. Das bedeutet, dass Muslime, die in westlichen Ländern eine neue Heimat finden möchten, sich in diesen Punkten – das heißt den länderspezifischen Grundgesetzen – anpassen müssen.

    Menschen mit dunkler Hautfarbe, Afrikaner*innen, indigene Bewohner*innen Ozeaniens und Südostasiens, Afroamerikaner*innen, Latinos, Chines*innen und Japaner*innen mahnen weiße Europäer*innen schnell an die Existenz des Fremden (draußen in der Welt und in sich selbst), ganz besonders jene, die kaum je eine reale Erfahrung mit Nicht-Weißen gemacht haben. Tragischerweise sind People of Color in Europa oft Menschen, die in ihrer Heimat Schweres erlebt haben, um ihre Existenz bangen und fliehen mussten, oder in europäischen Staaten geborene Nachfahren solcher schwer geprüften Eltern. Zufall ist dies natürlich nicht, denn der europäische Kolonialismus hat in den vergangenen vier Jahrhunderten die Wirtschafts- und Sozialstrukturen vieler afrikanischer und südamerikanischer Länder zerstört. Vor der Kolonialisierung lebten die Menschen in Afrika und Südamerika zwar einfach, aber mit teilweise höherer sozialer und kultureller Kompetenz als viele Europäer heute. Afrikaner*innen, wie auch Menschen aus der arabischen, chinesischen und südamerikanischen Welt, bringen zudem, wenn sie zu uns kommen, stets auch etwas vom Erbe ihrer Hochkulturen vor einigen Jahrtausenden mit.

    Das glaube ich größtenteils überprüfen!

    Info zu 3: Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung

    Die weltweite Verflechtung von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur bringt uns Menschen der westlichen Welt viele Vorzüge. Wir essen zu jeder Jahreszeit, was wir wollen, weil wir uns Nahrungsmittel aus den entferntesten Ecken der Welt kostengünstig beschaffen können. Wir kleiden uns in Wunschkleider, produziert in Billiglohnländern, reisen mit minimalem Aufwand nicht in 80, sondern in fünf Tagen rund um die Welt, profitieren von Medikamenten, die in globaler wissenschaftlicher Kooperation optimiert wurden, und können uns jederzeit weltweit über jedes mögliche Thema informieren. Aber der Preis der Globalisierung ist hoch, sobald dieser nicht nur in Dollar, Euro und Franken berechnet wird, sondern auch nach dem Wohlergehen der Menschen in den Familien, den Gemeinden, den Regionen, den Ländern und auch nach dem Wohl von Pflanzen und Tieren. Die extensive Globalisierung, wie sie heute existiert, ist ethisch verwerflich, weil sie zum Zweck niedriger Arbeits- und Produktionskosten jahrelang 2,5 Milliarden Billigarbeitskräfte in Indien und China ausgenutzt hat (siehe Bartz 2020).

    Die weltweite industrielle Landwirtschaft vernichtet für ihre großflächigen Monokulturen Wälder, vergiftet Böden und das Grundwasser durch Agrarchemikalien, reduziert die Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen und raubt kleinen und mittelgroßen Landwirtschaftsbetrieben die Existenzgrundlage. Immer mehr Agrarfläche wird für den Anbau von Pflanzen verwendet, die nicht direkt der menschlichen Ernährung dienen (zum Beispiel Mais oder Palmöl für Treibstoff oder Soja als Viehfutter). In der Regel kommen solche Produkte auch nicht den Menschen zugute, die sie anbauen. Die Ernte aus riesigen Sojafeldern in Brasilien geht zum Beispiel zu 80 % nach China. Die Massentierhaltung kann nicht mehr artgerecht erfolgen, wenn den Konsument*innen 100 Gramm Hähnchenfleisch für weniger als 1 Euro angeboten werden. Wenn man dazu noch an die weltweite Gefahr der zunehmenden Verbreitung antibiotikaresistenter Keime denkt und weiß, dass zum Beispiel in der Hähnchenzucht nicht nur gewöhnliche, sondern in einigen Betrieben sogar Reserveantibiotika verwendet werden, also solche, die nur verwendet werden dürfen, wenn alle anderen Antibiotika versagen, kann einem schlecht werden.

    Im weltweiten Handel mit Agrarrohstoffen werden die Preise durch Spekulation so sehr gedrückt, dass die Produzent*innen kaum überleben. So wird jeder Sack Kaffee auf seinem Weg nach Deutschland durchschnittlich 14 Mal und die jährlich verfügbare Weizenmenge sogar fünfzigmal gehandelt. Damit alle Akteure dieser Handelskette noch profitieren können, schrumpft der Lohn der Produzent*innen auf ein Minimum. Wenn zum Beispiel für 1 kg Bananen aus Ecuador in Deutschland nur 2 Euro bezahlt werden, verdienen die Plantagenarbeiter daran keine 14 Cents (Tab. 1).

    Tab. 1: Wer wie viel an Bananen verdient

    Der weltweite Transport von Waren belastet die Umwelt in größtem Ausmaß. Die Weltflotte von etwa 90.000 Containerschiffen, Öltankern und Frachtern verbrennt 300 Millionen Tonnen hochgiftigen Treibstoff (meist Schweröl) pro Jahr

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