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Professor MacAllister, Edinburgh - Kaiser Hadrian, Rom: Eine historische Erzählung mit kriminalistischen Elementen
Professor MacAllister, Edinburgh - Kaiser Hadrian, Rom: Eine historische Erzählung mit kriminalistischen Elementen
Professor MacAllister, Edinburgh - Kaiser Hadrian, Rom: Eine historische Erzählung mit kriminalistischen Elementen
eBook264 Seiten3 Stunden

Professor MacAllister, Edinburgh - Kaiser Hadrian, Rom: Eine historische Erzählung mit kriminalistischen Elementen

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Über dieses E-Book

Schottland, 1924.
Der schottische Prof. MacAllister staunt nicht schlecht, als er seine neue, äußerst eigenwillige und junge Assistentin aus Island kennenlernt. Ein mysteriöser Fund am Hadrianswall und die komplexe Beziehungssituation des Professors, schicken beide auf eine turbulente Reise in die Antike und quer durch Großbritannien.

Zeit des Kaiser Hadrians
Vom Verlust seines Geliebten betrübt, setzt Hadrian seine Reise durch das Römische Reich fort, stets auf der Suche nach Antworten. Zur Seite steht ihm Nireus, ein tapferer Schönling. Dieses Unterfangen gerät jedoch außer Kontrolle, als Persephone und die Kaiserin auf den Plan treten.

Im Verlauf der Erzählung verschwimmen beide Geschichten zunehmend miteinander.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum17. März 2017
ISBN9783743127609
Professor MacAllister, Edinburgh - Kaiser Hadrian, Rom: Eine historische Erzählung mit kriminalistischen Elementen
Autor

Anouk Stonewood

Anouk Stonewood ist eine begeisterte Autorin, die sich in Schottland und in die Antike verliebt hat. Neben zahlreichen Kurzgeschichten ist dies ihr zweiter Roman. Zurzeit arbeitet sie intensiv am dritten Band der Serie. Sie hofft mit ihrem Werk viele Leser zu begeistern und ihnen die Antike und den Charme Schottlands näher zu bringen.

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    Buchvorschau

    Professor MacAllister, Edinburgh - Kaiser Hadrian, Rom - Anouk Stonewood

    Hadrian.

    Kapitel 1

    Von allen Orten

    unaufhörlich wieder aufgebrochen

    und doch

    mit immer neuen Fragen

    unterwegs

    (Enna Pertim) 

    Anfang März 1924

    Edinburgh

    Lang nach Mitternacht legte Professor Malcolm MacAllister die kleine, runde Nickelbrille neben einige Tonscherben, die ihm seine Assistentin Brynja gestern Abend auf den Schreibtisch gelegt hatte. Er nahm noch einen letzten Schluck Oban direkt aus der Flasche, löschte das Licht der kleinen grünen Schreibtischlampe und schlurfte Whisky trunken hinter den Vorhang zu seinem Feldbett.

    „Guten Morgen, Professor! Aufstehen! Zehn Uhr, gleich kommt ein Kurier mit weiteren Artefakten vom Hadrianswall. Wie lange haben sie noch gearbeitet?"

    Brynja zog die schweren, staubigen Vorhänge zur Seite, öffnete beide Fenster und stellte eine Tasse Tee mit Milch und Zucker zwischen einige von Erde gereinigte Tonscherben, handbeschriebene Blätter, Bücher und sonstige Utensilien auf den Schreibtisch.

    MacAllister mochte die junge Frau aus Island. Ihn faszinierte ihr Selbstbewusstsein, das sie ihren Studienplatz der Psychologie in Kopenhagen gekostet hatte. Das Studium der Archäologie hatte sie dort abgeschlossen, allerdings ohne Aussicht auf eine Doktorandenstelle.

    Mit den Kollegen in Dänemark sympathisierte auch er nicht besonders.

    Das ausführliche, offene Bewerbungsschreiben Brynjas, das ihn vor einigen Tagen aus Kopenhagen erreicht hatte, weckte seine Neugier. In einem kurzen Schreiben sagte er umgehend zu, bot der jungen Frau ein kostenloses Zimmer im verwaisten Cottage seiner beiden verstorbenen Tanten in Portobello an und bat die junge Frau, bald möglichst anzureisen.

    Nicht nur auf Grund des mageren Assistentengehalts der Universität mangelte es an akzeptablen Interessenten.

    MacAllister selber übernachtete meist auf der Pritsche im Büro, die gut versteckt hinter einem schmuddeligen Vorhang aus dem letzten Jahrhundert stand, der augenscheinlich aus Resten Edinburgher Tartans zusammengestückelt worden war.

    Sein Hab und Gut bewahrte er in alten Whisky Kisten unter der Liege auf. Einige Kleidungsstücke hingen am einzigen, nur noch von einem Nagel gehaltenen Wandhaken, Strümpfe und Unterwäsche verdeckten den kostbaren Holzboden aus Mahagoni.

    Die Isländerin hatte sich den schottischen Professor völlig anders vorgestellt.

    Gepflegt, ordentlich, zeitgemäß gekleidet, von außergewöhnlichem Verstand und feinsinnigem Gemüt.

    Seine Veröffentlichungen über die römische Geschichte und den aktuellen Forschungsstand am Hadrianswall waren scharfsinnig formuliert und genauestens recherchiert. Er selber bezeichnete sich als „antiker Kriminalist", was durchaus doppeldeutig zu verstehen war.

    Das gefiel ihr.

    Einige Abhandlungen glichen in ihrem Aufbau jedoch eher Abenteuerromanen, was in der akademischen Welt nicht gerne gesehen und vor allem von den dänischen Kollegen belächelt wurde.

    Brynja erreichte den Hafen von Aberdeen nach einer unruhigen Überfahrt mit dem Frachter „Hope" an einem stürmischen März Abend 1924.

    MacAllister erkannte sie sofort. Sie war so erfrischend anders als die aristokratischen Damen, mit denen er es meist zu tun hatte. Die Haare lang, etwas rötlich und von einem Stirnband gehalten. Genau wie er trug sie Knickerbocker, einen Hand gestrickten Wollpullover und den Oxford Halbschuh. Gummistiefel und Seesack hielt sie in den Händen; den schweren Rucksack nahm er ihr gleich ab.

    Sie hatte Charisma.

    Nachdem alles einigermaßen in der Tin Lizzy, die er sich von seinem Freund MacIntosh ausgeliehen hatte, verstaut war, machten sie sich auf den 130 Meilen langen Weg nach Portobello.

    Er selber fuhr ein betagtes, ziemlich verbeultes Motorrad der Marke Douglas, Modell 348 cc, aus dem Jahr 1914.

    Brynja erzählte während der Fahrt fast ohne Luft zu holen von ihrer Heimat, ihrer Zeit in Kopenhagen, dem Psychologie Dozenten, der sie wegen angeblich ungebührlichen Verhaltens exmatrikuliert hatte.

    MacAllister hörte schweigend und schwitzend zu. Der schwarze Ford überforderte seine fahrerischen Qualitäten.

    Zusammen tranken sie an diesem ersten Abend noch einen Darjeeling, verzehrten die restlichen Sandwiches aus Brynjas Rucksack und sprachen über die römische Adoptivkaiserzeit und die Arbeiten am Wall.

    „Wie gehen sie dort vor, Professor?

    Ich habe mich zuletzt mit Hadrians zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigt …"

    MacAllister schaute sie erstaunt an …

    „Demnach interessiert sie genauso wie mich der Grieche Antinoos, die große Liebe eines noch größeren, rätselhaften Kaisers?"

    „Kann man so sagen … nur leider gibt es wenig Biographisches über Antinoos` Leben. Ich hoffe, hier mehr über ihn zu erfahren. Mit ihrer Hilfe natürlich. Ich habe viel vor …

    Die Bibliothek durcharbeiten, Vorträge besuchen, gegenseitiger Gedankenaustausch. Später gerne mal an den Wall zu den Feldarchäologen, wenn sie das zulassen.

    Die Antike ist so spannend! Und die Archäologie hat nichts von einer trockenen Wissenschaft! Leider habe ich meine bisherigen Kenntnisse nur aus der Literatur. Ich hatte nie die Möglichkeit, aktiv an einer Ausgrabung teilzunehmen, aber ich habe erst vor kurzem das „Handbuch der Archäologie, das Heinrich Bulle 1913 herausgab, genauestens studiert.

    „Wie würden sie demnach bei einer Ausgrabung vorgehen, Brynja? Lassen sie hören …!"

    „Wird das ein Verhör? Egal … also – zunächst wird der Fundort vermessen, dann Erdschicht für Erdschicht abgetragen, wobei immer neue Zeichnungen angefertigt werden. Die Fundstücke werden mit diversen Werkzeugen wie Spaten und Schaufeln freigelegt, dann mit Pinseln gesäubert. Zum Schluss bekommen alle Stücke kleine Zettel mit den erforderlichen Angaben."

    „Richtig. Oft wird die Erde aber auch noch gesiebt, damit auch die kleinsten Teile nicht übersehen werden. Übrigens habe ich meinem ganzen Team Tagebücher mitgegeben, in die sie sämtliche Einzelheiten ihres Grabungsalltags nieder schreiben müssen. Je genauer sie vorgehen, umso besser für die jetzige und auch noch spätere Forschung. Man kann immer wieder darauf zurückgreifen."

    „Noch Tee, Professor?"

    „Nein, lieber einen Single Malt. Da steht noch Tante Bettys Karaffe im Schrank.

    Bei nächster Gelegenheit werde ich einige Flaschen Oban hier deponieren. Vermutlich bin ich ja nun öfter hier draußen…"

    Brynja räumte schnell auf, bevor sie völlig übermüdet in Tante Bettys Schlafzimmer verschwand.

    MacAllister gönnte sich zwei weitere Gläser seines Lieblingsgetränks und schlief in voller Montur direkt auf dem Sofa ein.

    Kapitel 2

    Tempus fugit,

    amor manet 

    Die Zeit vergeht,

    die Liebe bleibt 

    Abend des 30.Oktober 130n.Chr.

    Antinoopolis (Ruinen von Besa)

    Sehnsüchtig gedachte der Kaiser seines toten Geliebten. Keinen Sinn sah er mehr in all seinem Handeln, in seinem Leben. Hatten zuvor die Aufenthalte in Griechenland seine Lebensgeister immer wieder aufs Neue geweckt, so war es nun ein Teil der Pflicht als Kaiser, der er nachkommen musste. Gerade ihm, den seine Zeitgenossen „Graeculus" nannten, lag so viel an der griechischen Kultur, Lebensweise und den Gelehrten. Nichts war davon geblieben. Die Sprache zu sprechen machte ihn müde. Die Mysterien von Eleusis, in die er sich zuvor hatte einweihen lassen, erinnerten ihn nur an Antinoos. Schließlich war er es, der damals an seiner Seite gestanden hatte, als er in die Kultgemeinschaft aufgenommen wurde.

    Die Gelehrten konnten mit neuen Erkenntnissen und Theorien sein Interesse nicht für sich gewinnen. Nicht einmal die griechische Gesellschaft, in der er sich befand, konnte ihn erheitern. Er starrte ins Leere. Er fühlte sich ausgebrannt. Dort, wo einst Antinoos einen Platz in seinem Herzen gehabt hatte, herrschte eine gähnende, alles in sich verschlingende Leere.

    Der Kaiser war einsam. Allein in mitten all der Menschen, die ihn ständig umgaben und die er nicht mehr wahr nahm. Direkt nach dem Tod hatte Hadrian alle Hebel in Bewegung gesetzt. Ein Grab Bau wurde in diesen Tagen errichtet, in dem der Geliebte beigesetzt werden sollte. Antinoos sollten Spiele gewidmet werden. Eine Stadt sollte am Ufer des Nils, nahe der Unglücksstelle errichtet und nach ihm benannt werden. Antinoos sollte unter die Götter erhoben werden. Die Priester in Ägypten wurden umgehend beauftragt, den Geliebten des Kaisers zu verehren und das Wort vom neuen Kult zu verbreiten. Schon bald würden Gesandtschaften der einzelnen Poleis an den Kaiser herantreten. Auf deren Bitten hin, würde er seine Erlaubnis für die Einrichtung eines Antinoos-Kultes in deren Polis geben. Dies würde sie gegenüber den anderen Poleis hervorheben und ihnen in Form von Steuernachlässen, neuen Bauten und Vergünstigungen zu Gute kommen. Waren die Poleis doch bedacht in ihrem ständigen Konkurrenzstreben untereinander, sich unter den vielen Stadtstaaten Griechenlands hervorzuheben.

    Die Verehrung Antinoos als eine Gottheit war ein Schritt, den Hadrian für seinen Geliebten gehen würde.

    Blickte er in dieser Stunde auf die zukünftige Stadt, Antinoopolis. Gegründet auf den Ruinen von Besa und seinem Geliebten geweiht, trug sie seinen Namen. Sollte für alle sichtbar, an jener Stelle, an der er in den Tod stürzte, an ihn erinnern. Zwar würde es noch Jahre dauern, bis diese Stadt nicht nur vor seinem inneren Auge, sondern auch für alle Bewohner des Römischen Reiches sichtbar werden sollte. Doch das war nicht wichtig. Was waren schon ein paar Jahre im Vergleich zu der Ewigkeit. So lange sollte man Antinoos gedenken, so dass auch noch in Tausend Jahren die Menschen den Jüngling ehrten, der Kaiser Hadrians Leben erst lebenswert gemacht hatte.

    „Kaiser. Euer Gemach ist bereit. Ihr könnte euch nun zur Ruhe begeben."

    Er nickte der griechischen Heilerin Persephone zu, ohne ihr auch nur in die Augen zu sehen.

    „Des Weiteren lässt die Kaiserin sich entschuldigen. Sie wird euer Schlafgemach nicht mit euch teilen."

    „Ist das schon wieder so?" fragte er mit knirschenden Zähnen.

    „Ich befürchte, es ist so."

    „Nun gut. Die Kaiserin wird ihre Gründe haben."

    Nun war es die junge Frau, die ihm schüchtern zunickte. Auf keinen Fall wollte sie seinen Zorn auf sich ziehen. Seit jener schicksalhaften Nacht musste sich ein jeder vor ihm, vor seinen Launen in Acht nehmen. Der Tod seines Geliebten hatte ihn gezeichnet. Seine Züge waren ernst. Der Ausdruck in seinen Augen verzweifelt. Die lange spitze Nase und die hoch erhobenen Wangenknochen ließen ihn von Zeit zu Zeit anmutig erscheinen. Auffälliger als jene Nase war seine Haartracht. Die Haare zu kleinen Locken gedreht. Ein Kunstwerk des Sklaven, dessen einzige Tätigkeit darin bestand, die kaiserliche Frisur herzurichten. Dieser musste Ewigkeiten mit dem Brenneisen die Haarpracht bearbeitet haben, um aus dem Kaiser jenen griechisch anmutenden Mann werden zu lassen. Römische Männer, römische Bürger und besonders römische Kaiser waren stets glattrasiert. Man tuschelte immer wieder, dass es sich für einen Kaiser des Römischen Reiches nicht schickte, die griechische Mode derart zu verfolgen.

    Persephone zuckte kurz zusammen, als seine Stimme sie aus ihren Gedanken riss.

    „Habt ihr die Amphiole bei euch?"

    Wortlos überreichte sie ihm das gläserne Objekt, eingehüllt in ein wertvolles Stück dunklen Stoffes. Hadrian schaute sich um. Wollte sichergehen, dass niemand sah, was das Tuch im Verborgenen hielt, während er sich selbst einen kurzen Blick zugestand. Zufrieden wickelte er die Amphiole wieder ein.

    „Ihr habt die gesamte Herstellung überwacht?"

    „Ja. Niemand hätte dem Produkt etwas nehmen oder hinzufügen können."

    „Seid ihr euch sicher?"

    „Gewiss. Doch nehmt nicht alles auf einmal. Die Dosierung, sie ist höher. So wie ihr es gewünscht habt."

    Ein kaum erkennbares, zufriedenes Lächeln huschte für einen Moment über seine Gesichtszüge. Er ließ das gut geschützte Gefäß unter seinem Reisegewand verschwinden. Mit einer kurzen Handbewegung entließ er die Heilerin Persephone und verschwand in seinem Schlafgemach.

    Der Tag hatte sich dem Ende zugeneigt, und das Sonnenlicht war nur noch ein kleiner Streif am Horizont. Das Lager war durch Fackeln erhellt worden. Schatten tobten an den Wänden der Unterkünfte. Doch als er dort lag und dem Gemurmel im Lager lauschte, nahm er die Schatten kaum war. Er hatte mit seinen eigenen Schatten, Ungeheuern und Dämonen zu kämpfen. Der Schlaf wollte, wie so oft in den vergangenen Wochen, einfach nicht kommen. Er griff nach der Amphiole. Der Mohnsaft ließ ihn immer in die Welt der Träume hinabgleiten. Auch, wenn es die Unterwelt der Alpträume war, die ihn weitaus düstere Dinge sehen ließen als den Fährmann Charon und den Cerberus, so konnte der Saft ihm auch verhelfen, den Olymp zu betreten.

    Der Traum machte Vergangenes lebendig. Antinoos und Hadrian hatten sich trotz vieler Bedenken seitens ihrer Begleiter alleine auf den Weg gemacht, die Kreatur zu finden. Seit Wochen schon wartete man auf die Ankunft des Kaisers. Man hoffte, sich auf diese Art und Weise endlich der Bestie entledigen zu können. Jene terrorisierte seit geraumer Zeit die Ansiedlung. Immer wieder waren Bewohner der Provinz Lybia von dem Löwen verletzt, verschleppt oder gefressen worden. Mehrere Versuche, das große Tier zu fangen, waren gescheitert. Ein Versagen, das bereits einige erwachsene Männer mit ihrem Leben bezahlt hatten. So war Hadrian im Rahmen seiner vielen Reisen dem Wunsch der Bewohner nachgekommen und hatte sich in der Provinz eingefunden. Der Empfang, den man ihm bereitete, war dem, eines römischen Kaisers würdig. Von langer Hand hatte man geplant, Statuen des Kaisers zu Ehren des selbigen anfertigen und aufstellen zu lassen. Nachdem der Reisetross versorgt war, lauschte er aufmerksam den Berichten der Bewohner. Der Löwe schien ein außergewöhnlich großes und verfressenes Exemplar seiner Gattung zu sein. Er würde sich in der Dunkelheit in die Nähe der Menschen schleichen und sich nehmen, was er wollte. Der Aufenthaltsort des Löwen war unbekannt. Niemand hatte jemals gesehen, wie er sich zur Ruhe legte. Man kannte das Tier nur aus der Dunkelheit und jene, die es aus der Nähe gesehen hatten, konnten nicht mehr davon berichten.

    Der Sonnenuntergang ließ nun nicht mehr lange auf sich warten. Der warme, spätsommerliche Tag wich einem frischen Wind. In der abendlichen Dämmerung hoffte man, das Biest überraschen und erlegen zu können. Hadrian und Antinoos verließen stark bewaffnet und hoch zu Ross die Ansiedlung. Begleitet wurden sie von einigen tapferen Mitstreitern, die sich nach einem längeren Ritt aufteilten, um dem Kaiser die Flanken zu sichern und das Gebiet besser durchforsten zu können. Noch hatten Hadrian und Antinoos keine Spur des Löwen gefunden, aber es war nur eine Frage der Zeit.

    Selten bot sich die Gelegenheit, dass Hadrian mit seinem Geliebten ungestört, alleine unterwegs war.

    Stundenlang hätte er noch mit Antinoos durch die Landschaft reiten können. Seinen jungen Geliebten zu beobachten, wie er erhobenen Hauptes auf dem Pferd saß. Seine zunehmend männlichen Züge, der wohlgeformte Körper und die leuchtenden Augen, in denen er die wahre Schönheit des Antinoos fand. Sein Anblick verzauberte ihn immer wieder aufs Neue, auch wenn Hadrian es sich selbst kaum eingestehen konnte. Hatte er sich vor Antinoos noch mit zahlreichen Knaben umgeben, so verlangte es ihm jetzt nur noch nach diesem einen griechischen Jüngling. Fiel es dem Kaiser doch nun zunehmend schwerer, sich auf die Löwenjagd zu konzentrieren. Der wachsame Blick wanderte immer wieder zurück zu seinem Geliebten, der nun einige Pferdelängen vor ihm ritt. Seine Gedanken kreisten eigentlich immer um ein und dasselbe Thema. Könnte der Löwe nicht noch eine Nacht warten? Sollte er doch einen der Bewohner holen. Dann könnten Antinoos und er …

    Bevor Hadrian sich seinen Phantasien vollständig hingeben konnte, holte ihn ein lautes Wiehern, gefolgt von einem Schrei in die Realität zurück. Hastig drehte er sich zu Antinoos um und sprang aus dem Sattel. Routiniert griff er in der Dunkelheit nach den Zügeln des Pferdes und zog es an sich heran.

    „Antinoos. Sprich zu mir." Mit zitternder Stimme kniete er sich neben den gefallenen Jüngling.

    „Ich bin nicht verletzt. Ich kam zu Fall."

    „Kannst du aufstehen? Warte nimm meine Hand."

    „Sei nicht in Sorge um mich, es geht mir gut.", sprach Antinoos und ergriff die helfende Hand des Hadrian.

    Für einen Moment standen die beiden großgewachsenen Männer einander gegenüber. Versucht waren sie beide, ihren Auftrag für einen Moment zu vergessen, doch Antinoos besann sich eines Besseren. Er ließ sich auf die Knie fallen und griff nach etwas.

    „Ich kam zu Fall, mein Pferd erschrak.", murmelte der Jüngling. Antinoos war auf etwas gefallen und streckte es Hadrian entgegen.

    „Ein Knochen?", fragte dieser verwundert.

    „Ein menschlicher Knochen?" erwiderte Antinoos mit dünner Stimme.

    „Der Form nach zu urteilen muss ich deine These bekräftigen. Komm! Wir scheinen der Bestie näher zu kommen."

    Antinoos‘ Nicken ging in der Dunkelheit unter. Hadrian ergriff die Zügel seines Pferdes und schritt entschlossen voran.

    Im Augenwinkel konnte er einen vorüberstreichenden Schatten erkennen. Lautlos gab er Antinoos zu verstehen, dass er wachsam sein musste. Deutete in die Richtung, in die der Schatten verschwunden war. In dem Zwielicht konnten sie kaum voraussehen, in welche Richtung sich der Schatten als nächsten bewegen würde. Ihre Umgebung war in ein bedrückendes Schweigen verfallen. Hadrian hatte seine Hand an der Waffe, bereit jeden Moment in den Angriff überzugehen.

    Doch was dann kam, hatte er nicht ahnen können. Sein Pferd erschrak, riss sich los und trat die Flucht an. Scheinbar hatte es einen guten Grund. Der Schatten kam auf ihn zu, schnell und gefährlich. Er konnte die riesigen Augen des Biestes aufleuchten sehen, als es zum Sprung ansetzte, und im letzten Moment die Richtung wechselte. Mit einem lauten Knall ging Antinoos zu Boden. Die schiere Masse des Löwen raubte dem Jüngling den Atem. Entsetzt wandte sich Hadrian in die Richtung des Geschehens, während Antinoos verzweifelt versuchte sich zu befreien. Es gelang ihm nicht einmal, nach seiner Waffe zu greifen. Hadrian hingegen brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde. Ohne zu überlegen stieß er mit der Waffe zu. Immer wieder stach er auf die Bestie ein, bis sie sich von seinem Geliebten abwandte. Voller Rage ging der Löwe nun auf Hadrian selbst los, der hastig den Rückzug antrat. War

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