Denkmale - Statuten - Zeitzeugen: Facetten Rostocker Universitätsgeschichtsschreibung (2)
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Buchvorschau
Denkmale - Statuten - Zeitzeugen - Books on Demand
Inhalt
Vorbemerkung
Marian Füssel
Öffentlichkeit und Geheimnis an der Universität der Frühen Neuzeit
Werner Buchholz
Von der Stände- und Finanzgeschichte zur Historischen Demografie. Ein Rückblick zum 75. Geburtstag von Kersten Krüger
Susi-Hilde Michael
Das Universitätskonzil anhand der ältesten Statuten
Ernst Münch
Tycho de Brahe oder: Das falsche Denkmal am richtigen Platz
Angela Hartwig
Archiv und Kustodie auf dem Weg zum 600. Geburtstag der Universität Rostock
Matthias Glasow
Kollektivbiographisches Erinnern – Der Catalogus Professorum Hamburgensium
Steffen Eggebrecht
Zeitzeugen im Gespräch: Die Verwaltung der Universität Rostock
Günther Wildenhain
Reminiszenz an die Wendezeit. Kersten Krüger – ein motivierender Gesprächspartner
Über die Autoren
Vorbemerkung
Der Arbeitskreis Rostocker Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte traf sich im Herbst des letzten Jahres in der besonderen Form eines zweitägigen Symposiums. Anlass dazu gab uns der 75. Geburtstag von Herrn Professor Kersten Krüger, den der Jubilar im Sommer 2014 feiern konnte. Herr Krüger zählt zu den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises. Er hat sich an der Gestaltung unserer Sitzung immer sehr aktiv beteiligt. Was uns darüber hinaus und in ganz hervorgehobener Weise dazu bewogen hat, ihm unsere Tagung zu widmen, das war die Tatsache, dass Herr Krüger vor 10 Jahren vom damaligen Rektor Herrn Professor Hans Jürgen Wendel die Aufgabe übernahm, sich nach seiner Emeritierung der Vorbereitung des Universitätsjubiläums zu widmen, das wir 2019 begehen werden.
Nachdem uns am Abend des 7. November 2014 durch den Vortrag von Professor Marian Füssel aus Göttingen die Geheimnisse der europäischen Universität in der Frühen Neuzeit nahegebracht worden waren, widmeten wir uns am 8. November ganz den Projekten, die Herr Krüger initiiert und auf den Weg gebracht hat.
Den Anfang machte, nachdem der Rektor eine Würdigung von Herrn Krügers bisheriger universitätshistorischer Arbeit vorgenommen hatte, Herr Kollege Werner Buchholz, Pommerscher Landeshistoriker an der Greifswalder Universität. In einem Überblick über die Forschungsfelder des Jubilars jenseits von Universitäts- und Bildungsgeschichte sollte damit der von uns gewählten Art der Veranstaltung Genüge getan und eine Laudatio gehalten werden.
Ziel der dann auf dem Symposium folgenden Beiträge, deren chronologische Abfolge wir in dieser Veröffentlichung beibehalten haben, war es, ein vorläufiges Fazit und eine Bilanz zu ziehen, was die universitätshistorischen Aktivitäten von Herrn Krüger angeht. Neben der Einrichtung einer Kommission, zu der auch wir Herausgeber gehörten – das Präteritum scheint uns hier durchaus angebracht, arbeitet diese Gruppe doch nicht mehr – hat sich Herr Krüger, wie er damals völlig zu Recht und sachgemäß feststellte, die Aufgabe zu eigen gemacht, Projekte der Grundlagenforschung zur Rostocker Universitätsgeschichtsschreibung zu ersinnen und umzusetzen. Von ihm sind dazu einige grundlegende Unternehmungen ins Leben gerufen worden, die nicht nur hier an unserer Universität Aufmerksamkeit erhalten haben, sondern auch maßstabsetzend für andere Universitätsstandorte wurden und bundesweit Beachtung fanden. Die Aufgabe unseres Symposiums war es, an diese von Herrn Krüger erbrachte Leistung für die Erschließung wichtiger Quellen der Universitätsgeschichte zu erinnern.
Die Wertschätzung seiner Initiativen und Projekte wurde auch aus dem Munde einiger derjenigen vorgetragen, die ihm Mitstreiter bei diesen Unternehmungen waren und sind und die bereit waren, seine Arbeit zu würdigen. So wurden beispielsweise aus Sicht der Beteiligten die von Herrn Krüger in mehreren Semestern durchgeführten Zeitzeugeninterviews vorgestellt. Sicherlich könnte man einwerfen, dass diese bemerkenswerten Versuche, oral history für die Universitätshistoriographie zu nutzen, bereits gedruckt vorliegen. Trotzdem haben wir uns entschlossen, zwei Vertreter der beteiligten Parteien, Altrektor Professor Günther Wildenhain als Befragten und Herrn Engelbrecht als teilnehmenden Beobachter und studentischen Fragenden zu Wort kommen zu lassen. Beide hatten sich vorgenommen, über die Erinnerung hinaus, die nicht alltägliche Dynamik, die sich in diesen Gesprächen ergab, vorzustellen. Sie sprachen also von Dingen und Wahrnehmungen, die nicht unbedingt in die gedruckten Dokumente eingegangen sind. Herr Glasow aus Hamburg berichtete, wie das Rostocker Projekt des Professorenkatalogs, an dem er in Rostock mitgearbeitet hat, in Hamburg aufgenommen und weiterentwickelt werden konnte. Zwei Vorträge schenkten den historisch gewachsenen Sammlungen unserer Hochschule und ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung – auch eine Initiative, die Herr Krüger mit angeregt und unterstützt hat – ihre Aufmerksamkeit. Schließlich wurden in drei Beiträgen Themen vorgestellt, die dem üblichen Charakter unserer Arbeitskreissitzungen entsprachen: dem Vorstellen neuer Forschungen und Überlegungen zur Rostocker Universitätshistoriographie. Dass sie den Anlass der Tagung jedoch nicht ganz aus dem Auge verloren, verstand sich von selbst.
Rostock, im Oktober 2015 Gisela Boeck und Hans-Uwe Lammel
Marian Füssel
Öffentlichkeit und Geheimnis an der Universität
der Frühen Neuzeit
*
Wenn wir uns hier an diesem Wochenende versammeln, um die Verdienste Kersten Krügers für die Geschichte der Universität Rostock wie für die Universitätsgeschichte allgemein zu würdigen, so tun wir dies in einem feierlichen öffentlichen Rahmen und in einem zentralen Lehr- und Repräsentationsraum der Universität: der Aula. Wir stehen damit in einer langen Tradition akademischer Festkultur. In der Sprache des Mittelalters und der Frühen Neuzeit begehen wir einen actus publicus solemniter celebrandus.¹ Darunter fasste man die unterschiedlichen Formen von öffentlichen Feierlichkeiten wie Universitätseinweihungen, Promotionsfeiern, Vizerektoratswechseln, Begräbnissen oder Jubiläen zusammen.² „Solemniter bedeutete laut zeitgenössischen Lexika „alljährlich, feyerlich, herrlich, desgleichen gebräuchlich, rechtmäßig, ordentlich, mit grossem Gepränge, oder mit vielen und besondern Ceremonien
.³ Und damit sind wir in mehrfacher Hinsicht bereits mitten im Thema. Von der öffentlich inszenierten akademischen Festkultur bis zur geheimen Senats-bzw. in Rostock Konzilssitzung⁴ war die vormoderne Universität durch verschiedene Grade von Öffentlichkeit und Geheimnis bzw. Öffentlichkeit und Privatheit geprägt.⁵ Ganz gleich, ob öffentliche Vorlesungen oder private Tischgesellschaften, Professoren in Freimaurerlogen oder Studenten in Orden, akademische Sammlungen oder öffentliche Bibliotheken, überall markierten Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit wissenschaftliche wie soziale Grenzen. Um die Begriffe etwas zu schärfen, kann die soziologische Unterscheidung zwischen „heimlich und „geheim
hilfreich sein. Im einen Fall wird das Wahrnehmungsfeld der Akteure begrenzt, im anderen vollständig auf Kommunikation verzichtet. Der Soziologe Alois Hahn unterscheidet entsprechend Heimlichkeit als „Differenz zwischen Bewußtsein und Kommunikation, also der Begrenzung der Wahrnehmung des Einzelnen und Geheimnis als „Zugangssperre zwischen Systemen der Kommunikation
.⁶ Eine Senats- oder Konzilssitzung ist in diesem Sinn ‚heimlich‘, da jeder wissen kann, dass sie stattfindet, aber nur die Mitglieder des Gremiums zugangsberechtigt sind.⁷ So bestimmen bereits die ältesten Rostocker Universitätsstatuten, dass die „in den Konzilien besprochenen Angelegenheiten [...] von jedem Mitglied des Konzils, gemäß den gegebenen Versprechen, geheim zu halten sind.⁸ „Allein der Rektor beschließt, was öffentlich bekannt zu geben ist. Die Geheimhaltung hat der Rektor oder ein anderer, der bei einem abzuhaltenden Konzil den Vorsitz hat […] genau anzuordnen
heißt es weiter.
Die Existenz einer Geheimgesellschaft wie dem Illuminatenorden war bis zu seiner Aufdeckung hingegen ‚geheim‘, da seine Existenz Außenstehenden unbekannt war. Fälle wie der letztere sind der Universitätsgeschichte zwar nicht unbekannt, der Regelfall an der vormodernen Universität war jedoch eher das Geheime im Sinne des Heimlichen. Durch entsprechende kommunikative Barrieren gelingt es Institutionen, Grenzen zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern sowie unterschiedlichen Berechtigungsstufen ihrer Mitglieder zu ziehen und damit institutionelle Autonomie geltend zu machen.⁹
Die in der Mittelalter- und Frühneuzeitforschung gebräuchlichere Gegenüberstellung ist trotz ihres semantischen Anachronismus jene zwischen ‚öffentlich‘ und ‚privat‘.¹⁰ Mit den Worten von Peter von Moos:
„Das Öffentliche ist demnach das allgemein und unbegrenzt Erfahrbare, Zugängliche, Verbindliche oder Nützliche; das Private ist das nur begrenzt oder eingeschränkt Erfahrbare, Zugängliche, Verbindliche oder Nützliche. Überall müssen Geheimnisse, exklusive Räume, Befugnisse oder Zweckbestimmungen und deren Gegenteil in irgendeiner Form differenziert werden."¹¹
Eine Feststellung, die insbesondere auch für die Räume der vormodernen Universitäten gilt.
Ein Jenaer Stammbuch aus den 1730er Jahren zeigt, wie öffentliche und private Sphären zeitgenössisch in einem Bild zusammengedacht werden konnten.¹² Oben rechts wird eine feierliche, öffentliche Prozession der Professoren über den Jenaer Markt präsentiert, oben links Studenten beim nächtlichen Musizieren. Unten rechts findet sich ein verschuldeter Student in Verhandlung mit seinem potentiellen Kreditgeber, und unten links die mögliche Ursache der Verschuldung, eine Szene von Studenten beim offiziell verbotenen Glücksspiel.¹³ Das Bild mit seinen vier Szenen ist typisch einerseits für den synoptischen Darstellungsmodus von Stammbuchbildern, die oft so viel wie möglich auf einmal präsentieren, zum anderen für die nicht minder typische Doppelbödigkeit der Stammbuchbilder, die Offizielles und Privates, Erlaubtes und Verbotenes, Verpöntes und Ersehntes gern parallelisierten.¹⁴
Im Folgenden soll es jedoch nicht um Stammbuchbilder gehen, sondern um einen kulturhistorischen Streifzug durch die frühneuzeitliche Universitätsgeschichte entlang der Kategorien Öffentlichkeit und Geheimnis bzw. dem Offenen und dem Verborgenen, dem Offiziösen und dem Privaten. Meine Ausgangshypothese ist dabei, dass die Frage der Öffentlichkeit in grundlegender Weise dazu angetan ist, die weit größere Frage „Was ist eigentlich eine Universität?" mit Antworten zu versehen. Erkenntnisziel ist es damit, eine radikale Historisierung der Universität in ihren sozialen und rechtlichen wie in ihren wissenschaftlichen und materiellen Dimensionen zu ermöglichen. Ich gehe im Folgenden in drei Schritten vor und diskutiere zunächst die Verortung des akademischen Personenverbandes und seine materiell-räumlichen Infrastrukturen, dann die Figurationen des akademischen, vor allem professoralen Habitus im Spannungsfeld von Öffentlichkeit und Privatheit, um drittens auf die akademische Geselligkeit im Geheimen zu sprechen zu kommen.
Universität und Raum
Auf die Frage „Wo ist die Universität?" reagieren wir heute wie selbstverständlich mit einer Ortsangabe – sei die Antwort nun ein Campus oder weite Teile der Innenstadt.¹⁵ Die Universität als konkreten physischen Ort im Sinne eines Gebäudes zu denken, ist jedoch erst das Ergebnis eines Jahrhunderte andauernden Prozesses des Sesshaftwerdens akademischer Personenverbände. Blicken wir zurück auf die Anfänge der Universitäten in Bologna, Paris, Oxford, Cambridge oder Prag, so haben wir es mit relativ mobilen Gruppen zu tun, die noch über keine feste institutionelle Räumlichkeit verfügten. In Anlehnung an einen Modebegriff unserer Tage: Es war ein Zeitalter, in dem jeder Akademiker einen Migrationshintergrund hatte. Am Beginn steht mit der sogenannten authentica habita Kaiser Friedrichs I. von 1155 ein Privileg, das die räumliche Mobilität der Scholaren sicherte und ihnen rechtliche Immunität garantierte.¹⁶ Aus diesem Privileg entwickelte sich in der Folge ein Ideal „akademischer Freiheit", das auf einem vor Umwelteinflüssen geschützten Rechtsraum basierte. Die universitas der Magister und Scholaren bildete fortan einen privilegierten korporativen Personenverband, der sich in bestimmten Orten einnistete und diese im Zweifelsfall auch zugunsten einer anderen, gastfreundlicheren Stadt – wie z. B. Greifswald oder Leipzig – wieder verlassen konnte.¹⁷
Ein schönes Beispiel für die symbolische Koppelung der Materialität der akademischen Architektur und der öffentlichen performativen Inszenierung des akademischen Personenverbandes bietet folgende Postkarte der Jubiläumsfeierlichkeiten der 100jährigen Zugehörigkeit Erfurts zu Preußen im Jahre 1902. Ein Modell des mittelalterlichen Universitätsgebäudes wird von als Mitgliedern der universitas kostümierten Männern in einem actus publicus durch die Straßen getragen.
Abb.: Historischer Festzug zu Erfurt am 21. August 1902, Ansichtskarte, Privatbesitz von Marian Füssel
Durch seine zeremonielle Ausgestaltung in Form der Choreographie der Handlungen, Kleidung, Musik etc. war der actus publicus räumlich wie zeitlich aus dem universitären Alltag herausgehoben und diente im Wesentlichen der Darstellung von Ordnungsprinzipien der Universität als Institution, d. h. als „symbolische Repräsentanz ihrer Zielsetzung und ‚Verfassung’. Die alltagstranszendierenden Rituale gestalteten sich gleichsam als ein „Prozeß der Selbstcharismatisierung
der akademischen Gemeinschaft als solcher.¹⁸ Eine ihrer Hauptfunktionen bestand insofern in der Herstellung einer „repräsentativen Öffentlichkeit" im Sinne von Jürgen Habermas, die