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Sissy Band 12 - Csardas und Zigeunergeigen
Sissy Band 12 - Csardas und Zigeunergeigen
Sissy Band 12 - Csardas und Zigeunergeigen
eBook242 Seiten3 Stunden

Sissy Band 12 - Csardas und Zigeunergeigen

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Über dieses E-Book

Franz Joseph, der einsame Monarch in der Hofburg, erwartet den Besuch des Thronfolgers Franz Ferdinand.
Er hofft, dass das jugendliche, aufbrausende Temperament seines Neffen diesmal keine Missstimmung zwischen ihnen aufkommen lassen wird.
Die Vorzeichen stehen schlecht, denn auch diesmal steht ein konfliktreiches Thema an, die Heirat des Thronfolgers …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. Nov. 2016
ISBN9783700444428
Sissy Band 12 - Csardas und Zigeunergeigen

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    Buchvorschau

    Sissy Band 12 - Csardas und Zigeunergeigen - Marieluise von Ingenheim

    Thronfolgers...

    Der unglückliche Bräutigam

    Der Atlantik bot um diese Jahreszeit keinen einladenden Anblick. Es war Winter, das Meer schäumte dunkel und drohend an den menschenleeren Stränden, die Hotels lagen wie ausgestorben, und die Kronen der Palmen zerzauste ein unfreundlicher, nasskalter Wind.

    Die Kaiserin war eben von einem ihrer langen Spaziergänge ins Hotel zurückgekehrt. Die Gräfin Festetics, die sie begleitet hatte, war bis auf die Knochen durchfroren. Nur die nimmermüde Sissy schritt leichtfüßig über die Teppiche in der Hotelhalle zum Fahrstuhl, der sie und ihre Hofdame nach oben in ihr Appartement bringen sollte.

    Als der Page die Lifttür geschlossen hatte, konnte sich Marie nicht enthalten, erleichtert aufzuatmen. Sissy warf ihr einen spöttischen Blick zu.

    „Es ist ja durchgestanden. Nun können Sie sich an den Kamin setzen, sich aufwärmen und mir die Post vorlesen."

    „Vor zwanzig Jahren fielen mir solche Spaziergänge leichter, seufzte die Gräfin. „Aber ich bin eben nicht mehr die Jüngste, und wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf - der Arzt hat auch schon den Kopf geschüttelt.

    „Soll das heißen, dass Sie mir Ihren Dienst aufkündigen und in Pension gehen wollen?" fragte Sissy stirnrunzelnd, als der Lift eben den ersten Stock erreichte und mit einem Ruck hielt, worauf der Page diensteifrig die Tür öffnete.

    „Wie können Majestät nur so etwas von mir denken, wehrte die treue Gräfin ab. „Nein, natürlich nicht! Ich bleibe bei Euer Majestät, solange mich meine Beine tragen.

    „Danke, Marie, sagte Sissy weich, „das habe ich nicht anders erwartet. Ich brauche Sie. Ich brauche jemand, der ehrlich zu mir hält und auf den ich mich verlassen kann.

    Solche Worte rührten die Gräfin wie immer zutiefst. Sie wäre für ihre Kaiserin durchs Feuer gegangen, wenn Sissy es verlangt hätte, obwohl ihr der Dienst als Hofdame schon reichlich schwer fiel. Dazu kam noch, dass Sissy noch immer fast drei Viertel des Jahres über ruhelos unterwegs war.

    Auch heuer wieder, im Jänner des Jahres 1898, war man am Golf von Biskaya, und es sollte im Frühjahr in die Schweiz gehen. Vorher war aber noch eine Reise nach Frankreich und vielleicht auch nach Deutschland geplant. Sissy hatte verlauten lassen, sie wolle ihre bayrische Heimat wieder besuchen.

    Es gab keine fixen Reisepläne mehr, so wie einst, als jedes derartige Unternehmen im Voraus genau geplant wurde. Jetzt musste oft auf eine recht konfuse Art improvisiert werden, denn die Launen der Kaiserin waren stets für Überraschungen gut. Das führte zu Spannungen nicht nur innerhalb der Suite von Sissy. Vor allem in Wien, im Sekretariat und in der k. u. k. Hofkanzlei, war man über diese improvisierten Reisen mehr als beunruhigt. Auch Franz Joseph drängte immer wieder, dass Sissy endlich ihre ruhelosen Wanderungen aufgäbe. Doch es half nichts. Nicht einmal die Hermesvilla, die letzten Endes Franzl nur deshalb erbauen ließ, um Sissy in Wien zu halten.

    In Sissys Zimmern angekommen, wartete bereits Dr. Kromar mit der Post.

    „Ein Brief von Seiner Majestät und einer von Seiner Kaiserlichen Hoheit, Erzherzog Franz Ferdinand", meldete er, um sich danach diskret zu entfernen.

    Sissy legte Hut und Mantel ab und übergab beides der Gräfin.

    „Benötigen mich Majestät noch?" erkundigte sich die Festetics.

    „Nein, danke, Marie", antwortete Sissy, brachte kurz vor einem Spiegel ihr vom Wind zerzaustes Haar in Ordnung und gab der Hofdame das Entlassungszeichen. Die atmete heimlich erleichtert auf, denn sie spürte nach diesem Spaziergang ein dringendes Bedürfnis nach Glühwein.

    Der Kaiser schrieb Sissy täglich mit schöner Regelmäßigkeit und erzählte ihr auch heute wieder von seinen Sorgen und seiner Arbeit. Der Brief begann wie stets mit „Mein geliebter Engel und endete auch diesmal mit „Dein armer, einsamer Franzl. Er hatte Sehnsucht nach ihr, und wie immer war Sissy darüber gerührt. Dabei empfand sie auch den Wunsch, bei ihm zu sein, und wusste doch zugleich, dass sie es in Wien ja doch nicht aushalten würde.

    Der zweite Brief kam aus Konopischt. Der „ewige Bräutigam Franz Ferdinand war in Bezug auf seine geplante Heirat mit der Komtesse Sophie Chotek wieder einmal am Ende seiner Geduld. Er und die sympathische böhmische Grafentochter fanden in dem Habsburger Hausgesetz ein scheinbar unüberwindbares Hindernis für die geplante Eheschließung. Die Choteks waren zwar alter, böhmischer Adel und um die Monarchie verdient, doch keine der privilegierten Familien, die Anspruch auf Thron und Regentschaft hatten. Und der Thronfolger sollte daher seiner Liebe entsagen und eine für ihn „standesgemäße Ehe eingehen.

    Doch Franz Ferdinand dachte nicht daran. Er wollte weder auf den Thron, den er dem Erbfolgerecht nach beanspruchen konnte, noch auf die Frau, die er liebte, verzichten. Sein Kampf währte nun schon Jahre. Sophie wartete ergeben, er voller Zorn und Ungeduld. Überall witterte er Intrigen gegen seine Person und Hoffnung. Nur Sissy vertraute er, von ihr erwartete er Hilfe.

    „...Ich kann es meiner geliebten Sophie nicht länger antun, auch wenn ich mich zu ihr bekenne. Ich dürfte dies ja gar nicht ohne das väterliche Einverständnis. Es ist ein unmöglicher Zustand in den Augen der Öffentlichkeit, ein Schatten, der auf Sophies Ehre und Ansehen fällt. Auf die Ehre und das Ansehen der Frau, die ich zu der meinen machen will und werde, allem zum Trotz. Verehrte Tante, ich weiß mir keinen Rat. Zumal sich in Sachen der Rechtsgutachter wieder einmal nichts weiterzubewegen und alles zu unserem Nachteil zum Stillstand zu kommen scheint . . ."

    Seufzend und stirnrunzelnd legte Sissy den Brief zur Seite. Die Rechtsgutachter, von denen Franz Ferdinand schrieb, sollten auf seinen und des Kaisers Wunsch einen Ausweg aus dem Dilemma finden. Doch Sissy wusste nur zu gut, dass Franzl ihnen keine besondere Eile befohlen hatte. Er hoffte wohl insgeheim, dass das Liebespaar vielleicht eines Tages doch aufgeben würde. Denn er sah im Falle einer solchen Heirat große Probleme: In der ungarischen Reichshälfte wäre Sophie der Verfassung nach Königin, während sie diesseits der Leitha bloß den Rang einer Hofdame einnehmen würde. Warum, um alles in der Welt, musste sich der Thronfolger ausgerechnet auf diese Heirat versteifen!

    Das, was der sachlich denkende Franzl nicht akzeptieren wollte, hatte bei Sissy eindeutig Vorrang: Es war das Herz, das hier sprach und nach seinem Recht verlangte. Dabei hatten doch Franzl und Sissy einst auch aus Liebe geheiratet. Und wer weiß, ob Franzl nicht auch seinen Willen durchgesetzt hätte, wäre Sissy keine „ebenbürtige Partie", keine Wittelsbacher Prinzessin gewesen . . .

    Was soll ich Franz Ferdinand bloß antworten, fragte sich Sissy. Welchen Rat soll ich ihm geben? Er möchte den Grafen Chotek um Sophies Hand bitten. Tut er das, handelt er nicht nur gegen das Hausgesetz, sondern auch gegen Franzls ausdrücklichen Befehl. Das könnte üble Folgen haben. Franzl lässt in diesem Punkt nicht mit sich spaßen . . . Andererseits verstehe ich Franz Ferdinand sehr gut: Es ist eine unmögliche Situation. Immerhin ist Sophie längst volljährig - selbst wenn es auch in ihren Kreisen üblich ist, nicht ohne das väterliche Einverständnis vor den Altar zu treten. Und was passiert, wenn kein rechtlicher Weg gefunden wird, diese Eheschließung zu ermöglichen? Eine sitzengelassene Braut wie meine arme Schwester Charlotte, als König Ludwig sich entschloss, lieber Junggeselle zu bleiben . . .

    Sissy beantwortete Franzls tägliche Briefe nicht immer. Doch diesmal entschloss sie sich, ihm sofort zu schreiben. Dabei erwähnte sie Franz Ferdinands Brief mit keinem Wort, sondern tat so, als mache sie sich selbst Gedanken um ihn und seine Heiratspläne, und fragte, ob die Rechtsexperten endlich einen Ausweg gefunden hätten. Abschließend bemerkte sie noch, dass sie Schmerzen in den Schultern und im Kreuz hätte und daher den Doktor Metzker in Paris zu konsultieren wünsche.

    Bevor sie Franzls Antwort erhalten hatte, wollte sie auf Franz Ferdinands Brief nicht antworten. Sie fühlte sich ein wenig unbehaglich, denn einerseits wollte sie Franz Ferdinand helfen, doch andererseits wusste sie nur zu gut, dass ihre Hilfe Konflikte mit ihrem Franzl auslösen konnte.

    „Da laufe ich doch lieber durch Sturm und Regen, murmelte sie ärgerlich, „als in diesem Sumpf zu ersticken . . . Der Sumpf rund um den Thron wird ihn eines Tages noch verschlingen!

    Ob Sophie überhaupt an Franz Ferdinands Seite glücklich würde? Doch es war merkwürdig; aber in Sophies Gesellschaft war er ein ganz anderer, sie schien ihn zu verwandeln, ihr Einfluss auf ihn war höchst positiv. Und schließlich hatte er es ihr zu verdanken, dass er von dem ererbten Lungenleiden genas.

    Sissy lächelte versonnen, als sie an das Paar dachte. Sie konnte nicht anders. Trotz aller Einwände Franzls wünschte sie den beiden Glück.

    Das Kaiserforum

    Wie jeden Morgen hatte sich der Kaiser um vier Uhr früh von seinem Kammerdiener Ketterl wecken lassen. Draußen war es noch tiefe Nacht, und im Schlafzimmer schien die Luft zu gefrieren. Das Schloss wurde während der Wintermonate nie richtig warm.

    „Haben Majestät gut geruht?" erkundigte der Kammerdiener sich wie jeden Morgen in stereotypem Tonfall und erhielt wie immer die gleiche Antwort:

    „Dank' schön, Ketterl, es geht. - Wie ist denn das Wetter heute?"

    „Schneeregen, Majestät. Äußerst unfreundlich!"

    „Oje, das auch noch. Na, ich spür's ja ohnehin schon seit ein paar Tagen in den Knochen." Franzl erhob sich seufzend aus seinem Eisenbett, mit dem es an Komfort jede Schlafgelegenheit aus einer Mannschaftskaserne aufgenommen hätte.

    Der „Badewaschl" war wieder einmal nicht ganz nüchtern. Die Diener, die die eiserne Sitzwanne hereinschleppten und in diese Wasser aus Krügen gössen, warfen sich vielsagende Blicke zu. Wotruba hatte einen über den Durst getrunken. Unter heftigem Bemühen, sein verdächtiges Rülpsen zu unterdrücken, tat er so, als wollte er Franzl in die Wanne helfen. Dabei stützte er sich mehr an ihn, als dieser sich an Wotruba. Franzl grinste bloß — die Alkoholfahne, die ihn umwehte, sagte mehr als genug.

    „Wotruba, alter Säufer, brummte er gutmütig, „den Rücken recht fest, bitt' schön!

    „Jawohl - hicks —, Majestät", antwortete Wotruba und tastete nach dem Schwamm.

    Während Franzl der Rücken geschrubbt wurde - das eher lauwarme Wasser machte ihn ein wenig munterer -, wanderten seine Gedanken nach Biarritz. Er hatte Sissys Brief erhalten. Sie war nicht so schlau, wie sie wohl dachte, sein Engel! Franzl hatte in all den Dienstjahren am Steuer seines Riesenreiches Österreich-Ungarn ein großes Maß an Menschenkenntnis erworben. Er erkannte aus Sissys Brief unschwer, dass dieser von einem Schreiben Franz Ferdinands inspiriert war, der zudem noch für heute zu einer Audienz angesagt war.

    Wotruba nibbelte, schnaufte und rülpste.

    „Dank' schön, es ist genug, erlöste ihn Franzl. „Geben S' den Schwamm her, das übrige mach' ich selbst.

    „Bitte sehr, Majestät", keuchte Wotruba, reichte Franzl den Schwamm und wankte erleichtert hinaus. Den strafenden Blick Ketterls erwiderte er kaum.

    Nach diesem kurzen Morgenbad kam der Friseur in das kaiserliche Schlafgemach. Im Schein einer Petroleumlampe schliff er sein Rasiermesser an einem Lederriemen, der an einem Nagel hing, den er selbst vor etwa 30 Jahren an einer unauffälligen Stelle in den weißgoldenen Türrahmen gehämmert hatte.

    Wie alle Friseure wusste er stets von Neuigkeiten zu berichten. Herrn Schindlers Geplapper machte Franzl zwar vollends wach, doch er hörte nur mit halbem Ohr hin. Das von Sissy wieder aufs Tapet gebrachte Eheproblem des Thronfolgers beschäftigte auch ihn. Und um genau zu sein: Es beschäftigte ihn mehr, als ihm lieb war. Dabei war er bei weitem nicht der einzige, der sich damit auseinandersetzte. Die Affäre war längst kein Geheimnis mehr, denn erstaunlicherweise interessierten sich die in Wien akkreditierten ausländischen Diplomaten für den Fortgang der Dinge. Der Klerus - er war seinerzeit sogar eingeschaltet gewesen, um Sophie zur Aufgabe ihres Verlöbnisses zu überreden - glaubte, sich das Wohlwollen des Mannes verscherzt zu haben, der eines Tages auf dem Thron sitzen würde. Das konnte prekäre Folgen haben, selbst für eine Macht wie die Kirche.

    Während Schinderl ungeniert dahinplauderte, dass sich die Wiener darüber aufregten, die Ringstraße würde wohl bis zum Jahr 1900 eine permanente Baustelle darstellen, überlegte Franzl, wie er die kurze Zeitspanne, die ihm für das Gespräch mit Franz Ferdinand zur Verfügung stand, nützen könne. Die Einteilung des „Zeremonialprotokolls war Sache seines Generaladjutanten. Der war um acht Uhr fünfzehn zum Vortrag bestellt. Vielleicht ließ sich dann hinsichtlich des „Protokolls noch etwas machen, um die vorgesehene Zeitspanne für die Unterredung mit seinem Neffen doch zu verlängern.

    Schinderl schabte, kratzte und stutzte mit voller Hingabe an den nun schon faltigen und geröteten Wangen und am Backenbart. Endlich zeigte er sich befriedigt, das Bestäuben mit einem lindernden Puder war seine letzte Tat, ein Vorgang, den Franzl geradezu hasste.

    „Ich bin kein Frauenzimmer", pflegte er zu knurren. Schinderl grinste wie immer unverschämt.

    „Es gehört dazu, Majestät, versicherte er. „Majestät wirken dadurch sehr gepflegt. Und dafür bin ich schließlich verantwortlich!

    Danach hörte Franzl um fünf Uhr früh die Messe in der Schlosskapelle. Dann ging er wieder auf sein Zimmer, um dort sein Frühstück - ein Glas heißer Milch und ein Kipferl mit Butter - einzunehmen. Mit Wehmut dachte er dabei an den Kaffee und den Rosinengugelhupf bei der Kathi, den er sonst um diese Stunde in der Villa in der Gloriettegasse genossen hatte. Doch damit war es seit dem Krach mit ihr vorbei. Sie hatte auch immer alle Tageszeitungen für ihn vorbereitet, und er konnte lesen, was ihm beliebte. Nicht nur jene ausgeschnittenen Artikel, die ihm in der Hofburg zur Lektüre vorgelegt wurden, so dass er immer nur das erfuhr, was er nach den Vorstellungen gewisser Leute erfahren sollte.

    Franzl setzte sich an seinen Schreibtisch und schraubte die Leuchte hoch. Die dicken Vorhänge waren zugezogen, denn der Park vor dem Schloss lag noch im Dunkeln. Nachdenklich sortierte er die Akten, die er in die Hofburg mitnehmen wollte und die er am vergangenen Abend vor dem Schlafengehen noch einmal studiert hatte.

    „Dieses Kaiserforum - als ob sie nicht ohnehin schon genug verdienen würden, die Herren Architekten, brummte er. „Ich brauch' das Forum nicht. Aber vielleicht möcht's der Franz Ferdinand?

    Und in diesem Augenblick fiel ihm die Lösung seines Problems ein.

    „Natürlich, ich werd' ihn einfach zu der Modellbeschau mitnehmen. Vorausgesetzt, dass er sich's einrichten kann."

    Denn auch der Thronfolger war ja längst nicht mehr Herr seiner Zeit. Schon gar nicht, seit er im Oberen Belvedere residierte.

    Um Punkt acht Uhr früh rollte die Kutsche des Kaisers zwischen den Obelisken vor dem Schloss Schönbrunn in die Schlossallee und von da über die Mariahilfer Straße dem Stadtzentrum zu. Franzl brauchte von Schönbrunn bis zu seinen Amtsräumen in der Hofburg nur eine Viertelstunde. Der Generaladjutant Grünne wartete bereits in Franzls Arbeitszimmer und ging dort ungeduldig auf und ab. Kaum hatte Franzl das Zimmer betreten, begann Grünne bereits mit seinem Vortrag.

    „Majestät geruhen um acht Uhr fünfundzwanzig den Herrn Feldzeugmeister zu empfangen. Um neun Uhr fünfzehn den Herrn Sektionschef von Kainitz. Um zehn Uhr fünfundzwanzig Seine Kaiserliche Hoheit, Erzherzog Franz Ferdinand. Und um zehn Uhr dreißig erwarten die Herren Architekten Semper und Hasenauer Seine Majestät zwecks Vorführung des Modells eines Kaiserforums im Billardzimmer."

    „Im Billardzimmer?" wunderte sich Franzl.

    „Die Herren haben das Modell auf einem der großen Spieltische aufgebaut, erläuterte der Generaladjutant. „Danach, um elf Uhr fünfundvierzig, nehmen Majestät das Dejeuner ein, um anschließend von zwöfl bis eins gnädigst zu geruhen, dem Maler Kövesy zu seinem Bilde zu sitzen.

    „In der Zeit, in der andere Leut' gemütlich essen dürfen, muss ich mich malen lassen", brummte Franzl ärgerlich.

    „Es war keine andere Einteilung möglich, Majestät", rechtfertigte sich der Generaladjutant.

    „Schon recht, Grünne, Sie können ja nichts dafür, dass ich nicht einmal Zeit zum Schneuzen hab'!"

    „Um ein Uhr ist der Minister des Äußeren zum Vortrag da, Majestät, fuhr Graf Grünne fort, „und um ein Uhr fünfzig der Herr Kabinettssekretär von Schiel. Um ein Uhr fünfundfünfzig Seine Kaiserliche Hoheit, Erzherzog Franz Salvator. Um zwei Uhr fünfzehn der Herr Obersthofmeister Fürst Montenuovo. Von zwei Uhr dreißig bis vier geruhen Majestät, die Audienzwerber zu empfangen.

    „Was - heut nur anderthalb Stunden? zeigte sich Franzl angenehm überrascht. „Und dann darf ich wieder nach Schönbrunn?

    „Glücklicherweise liegen diesmal nicht mehr Anmeldungen vor. Majestät verstehen - es ist Fasching; die Bälle, die Theater ..."

    „Ja, ja, da verschieben die Leut' lieber alles auf die Fastenzeit, nickte Franzl schmunzelnd. „Na, dann komm' ich wenigstens dazu, meinen Berg von Akten aufzuarbeiten, den ich in Schönbrunn liegen hab'.

    Und er ließ den Feldzeugmeister Graf Rannersberg eintreten.

    „Majestät, ich komme mit

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