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Die Quelle des Lebens
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eBook350 Seiten4 Stunden

Die Quelle des Lebens

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Über dieses E-Book

Seit undenklichen Zeiten gibt es den „Rosenkrieg" zwischen Riesen und Zwergen, die eher lustige als gefährliche Jagd nach der Kristallrose. Einmal im Jahr muss diese, aus einer Rose und den Tränen der Liebesgöttin entstandene Kostbarkeit, in der Quelle des Lebens gebadet werden. Und das ist der Zeitpunkt, zu dem sie von den Riesen oder Zwergen gestohlen oder erobert werden kann, um für ein Jahr entweder den Kristalldom von Chrysalio zu erleuchten oder in Othenios, der Felsenburg der Riesen, ihren Platz zu finden.

Mit Interesse verfolgt Wokat, der Gott des Verrats, die Jagd der Riesen und Zwerge durch den Delyssiolina, den Wald der Mysterien, in dem alle Arten von mystischen Zaubergeschöpfen aus allen Gedankenwelten ihre Freistatt haben. Es gelingt dem tückischen Gott des Jhinnischtan, die Kristallrose zu stehlen und in die dunklen Gelasse zu bringen, um Riesen und Zwergen die Zerstörung der Rose zu verkünden, wenn sie nicht ihre besten Schmiede hinunter ins Höhlenlabyrinth unter den Vulkanen schicken, um dort als Sklaven der grausamen Götter ihr Leben zu frönen.

Während Sina, die Katze von Salassar, den Weg hinab in die Höhlenwelt wagt, um die Kristallrose zu stehlen, versucht Prinz Ferrol mit dem Magier Churasis und den Kreaturen des Mysterienwaldes die Quelle des Lebens vor den Angriffen einer Horde Trolle zu schützen, deren Anführer Wokat ist. Denn wenn er die Quelle des Lebens in seiner Gewalt hat, dann ist der Gott des Verrats Herr über alle anderen Götter. Und so stehen die Elben zur Verteidigung der Quelle gegen die Trolle bereit und ein blutiges und tödliches Ringen scheint unvermeidlich ...

Ein neues Abenteuer um Sina von Salassar.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum24. Okt. 2016
ISBN9783960680499
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    Buchvorschau

    Die Quelle des Lebens - Rolf Michael

    Drei Schwerter für Salassar

    Die Quelle des Lebens

    Band 6

    von

    Rolf Michael

    Fantasy

    Mondschein Corona – Verlag

    Bei uns fühlen sich alle Genres zu Hause.

    Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    1. Auflage

    Erstauflage Oktober 2016

    © 2016 für die Ausgabe Mondschein Corona

    Verlag, Plochingen

    Alle Rechte vorbehalten

    Autor: Rolf Michael

    Lektorat/Korrektorat: Mia Koch

    Grafikdesigner: Finisia Moschiano

    Buchgestaltung: Finisia Moschiano

    Umschlaggestaltung: Finisia Moschiano

    ISBN: 978-3-96068-049-9

    © Die Rechte des Textes liegen beim

    Autor und Verlag

    Mondschein Corona Verlag

    Finisia Moschiano und Michael Kruschina GbR

    Teckstraße 26

    73207 Plochingen

    www.mondschein-corona.de

    Zwergenlist und Riesenkraft

    »Wir müssen die Grenze von Delyssiolina erreichen! Nur im Wunderwald haben wir eine Chance, zu entkommen!«, vernahm Silas die Stimme seines Bruders Pyctus durch den Wind, der ihnen um die Ohren pfiff.

    Die beiden Rennkaninchen, auf denen die Zwerge ritten, streckten sich und gaben alles, was sie hatten. Diese Tiere schienen zu wissen, dass es nicht nur ihren Reitern übel erging, wenn die Verfolger sie erwischten. Denn Kaninchenfleisch ist für Riesen eine wahre Delikatesse.

    Unter ihren Pfoten spürten die Kaninchen, wie die Erde leicht unter den Tritten der beiden Riesen dicht hinter ihnen zitterte. Im Laufschritt mit weiträumigen Sprüngen gelang es ihnen, den Abstand zu den beiden Zwergen immer mehr zu verkürzen. Auf die Dauer hatte ein Kaninchen keine Chance zu entkommen. Und schon gar nicht, wenn noch ein Zwerg auf seinem Rücken saß.

    Weißpfote und Graufell waren die besten Rennkaninchen, die man jemals in den Steppen von Cabachas aufgezogen hatte. Augerich, der König unter dem Berg, hatte goldene Ringe geben müssen, um diese beiden Kaninchen für Pyctus und Silas zu kaufen. Denn anders als die meisten Zwerge hatten diese beiden Brüder das Handwerk des Kriegers gewählt. Normalerweise gehen Zwerge lieber im Berg dem Schürfen des Erzes nach oder vermögen Metalle kunstvoll zu schmieden und kostbare Juwelen zu schleifen. Pyctus und Silas verspürten jedoch schon sehr früh ein gewisses Abenteuerblut in ihren Adern.

    Die Meister in den Werkstätten ließen sie dann auch lieber die Erzeugnisse der Werkstätten ausliefern, was oft genug lange Reise bedeutete und nicht nur in die Städte der Menschen, sondern auch an die Höfe der Herrscher und Fürsten führte. So wurden die beiden ungleichen Brüder dann auch mit Botschaften des Zwergenkönigs losgeschickt und sie genossen sein volles Vertrauen.

    Heute waren Pyctus und Silas die Paladine König Augerichs und im ganzen Zwergenvolk geachtet und bewundert. Kein Wunder, dass es sich der Herrscher unter dem Berge etwas kosten ließ, als die beiden Rennkaninchen, welche die Brüder bis dahin geritten hatten, in das »letzte Kleefeld« geführt wurden. Bei den Zwergen bedeutet dies das Gnadenbrot für die Tiere, die ihnen treu gedient hatten.

    Und nur der Schnelligkeit, der Ausdauer und der Gewandtheit ihrer Rennkaninchen von der Größe eines Ponys hatten es Pyctus und Silas zu verdanken, dass sie noch nicht in den Fäusten der Riesen zappelten.

    Nun aber waren die beiden Ritter des Königs Augerich in höchster Bedrängnis. Am Wutgebrüll der beiden Riesen war zu erkennen, dass sie keinen Spaß mehr verstanden. Denn die beiden Zwerge hatten das größte Heiligtum der Riesen gestohlen, das sie nun im Wunderwald in Sicherheit bringen wollten.

    Die Kristallrose!

    Eine Rose aus einer durchscheinenden Substanz, die zart und zerbrechlich war wie dünnes Glas. Trotz des wilden Hoppeltempos seines Rennkaninchens balancierte Pyctus die Kristallrose wie ein rohes Ei.

    Entamos und Thumolas waren von König Ghoroc mit dem Amt als Wächter der Kristallrose betraut worden. Für die beiden Riesen war es die größte Schmach einzugestehen, dass es den Zwergen gelungen war, die Kristallrose zu stehlen.

    »Vorwärts, Graufell!«, feuerte Silas sein Kaninchen an. »Es ist in deinem eigenen Interesse, wenn du dich anstrengst. Was die beiden Riesen mit mir machen, wenn sie mich kriegen, weiß ich nicht. Aber du wirst bei ihnen garantiert am Bratspieß schmurgeln!«

    Als hätte das Rennkaninchen seine Worte verstanden, streckte sich Graufell und wurde noch schneller. Eigentlich war er wesentlich behäbiger und bewegte sich nur, wenn es nicht anders ging. Jetzt aber schien es die Worte seines Reiters sehr gut zu verstehen.

    Silas, der jüngere der beiden Brüder, war für einen Zwerg sehr zartgliedrig gebaut, hatte ein hübsches Gesicht und verzichtete darauf, sich den für Zwerge typischen Bart stehen zu lassen. Wie sein Bruder Pyctus trug er derbe Kleidung aus braunem Leder und dunkelgrünem Lodenstoff. Er hatte hohe Stiefel und einen breiten Gürtel, an dem verschiedene Taschen hingen. In einer Scheide steckte ein unterarmlanger Dolch. Als Waffe führte Silas einen Säbelspieß, den er vorzüglich zu gebrauchen wusste.

    Pyctus dagegen hatte die stämmige, untersetzte Gestalt, wie sie den meisten Zwergen eigen ist. Sein schwarzer Bart war kurz geschoren und das halblange Haar war unter einer einfachen, braunen Lederkappe verborgen. Wie der Bruder hatte Pyctus eisgraue Augen, in denen jedoch die Umsicht eines erfahrenen Kriegers steckte. Silas dagegen war immer ein Draufgänger, der vor allem eine Schwäche für das weibliche Geschlecht jedweden Volkes der Adamanten-Welt hatte.

    Als Waffe bevorzugte Pyctus eine mächtige Axt mit doppeltem Blatt und langem Schaft, die ihm Werkzeug und Waffe zugleich war. Sein Rennkaninchen war pechschwarz mit einer weißen Pfote, der es seinen Namen verdankte. Im Gegensatz zu Graufell war Weißpfote ein richtiges Kampfkaninchen. In Bedrängnis kämpfte es an der Seite seines Herrn genauso wie die Pferde in der Kavallerie des Mardonios von Cabachas, die ihre Reiter in der Schlacht durch Auskeilen mit den Hufen und durch Beißen unterstützten.

    Vor zwei Tagen war es den beiden Zwergenbrüdern gelungen, sich in Orthenios, der gigantischen Felsenburg der Riesen, einzuschleichen und dort die Kristallrose zu stehlen. Es hatte lange gedauert, bis die Wächter der Riesen ihre Spur aufgenommen hatten. Doch nun waren sie da.

    Pyctus verwünschte insgeheim, dass sie für ihre Flucht die Kaninchen genommen hatten. Schwarzschwinge und Himmelsschatten, ihre beiden Krähen, hätten sie, für Riesen unerreichbar, durch die Lüfte erst in den Wunderwald und dann nach Chrysalio, der Stadt unter dem Berge, getragen. Hatten sie mit der Kristallrose dann den Palast des König Augerich erreicht, waren sie in Sicherheit.

    So aber hatten sie nach den Regeln des Rosenkrieges nur die Chance, nach Delyssiolina zu fliehen und dort in der Tiefe des geheimnisvollen Wunderwaldes die Quelle von Castalia zu finden. Denn nach den Regeln des »Rosenkrieges« muss die Kristallrose vom Wasser der Quelle benetzt werden, um für die Zeit eines Mondumlaufs den Zwergen zu gehören, wenn es ihnen nicht gelang, sie vorher in die Stadt unter dem Berg zu schaffen. Doch den Weg dorthin hatten ihnen mehrere Riesen abgeschnitten. Und zwei von ihnen hatten sich auf ihre Fährte gesetzt und verfolgten sie wie Jagdhunde das Edelwild.

    Erst, wenn die Kristallrose vom Wasser der Quelle von Castalia benetzt war, hatte die Jagd ein Ende. Dann konnten Pyctus und Silas sie ungefährdet durch die Reihen der Riesen nach Chrysalio tragen und niemand würde sie jagen oder gar versuchen, ihnen die Rose abzunehmen.

    Das große Volk der Gebirge wusste, dass sie einen Mondumlauf später die Kristallrose zurückgewinnen konnten. Denn weil die Riesen mit ihrer Größe keine Chance haben, in das geheimnisvolle, unterirdische Reich des kleinen Volkes einzudringen und dort die Rose für sich zurückzuerobern, wollen es die Regeln, dass die Kostbarkeit nach einem Monat von dort wieder zur Quelle gebracht wird, um dort erneut gebadet zu werden.

    Und zwar auf dem Landweg – die Krähen dürfen von den Zwergen dann erst auf dem Rückweg genutzt werden. Und so gelingt es denn auch immer wieder den Riesen, die Kristallrose im Triumph nach Othenios zu bringen, damit sich auch das raue Geschlecht der Riesen an ihrer Schönheit erfreuen kann.

    Diesen Rosenkrieg zwischen Riesen und Zwergen gibt es in Chrysalitas seit ewigen Zeiten. Denn es ist eigentlich kein Krieg, sondern eher ein sportlicher Wettkampf. Werden die Diebe gefasst, kostete es zwar nicht das Leben - aber das Gelächter der Jäger ist eine schlimmere Kränkung als eine gehörige Tracht Prügel, die man meistens noch dazu erhält.

    Außerdem ging seit allen Zeiten stets das Eigentum der gefangenen Diebe in den Besitz der Jäger über. Und die Verlierer konnten von Glück sagen, wenn man ihnen wenigstens das Notwendigste an Kleidung und Waffen ließ.

    Pyctus und Silas wussten genau, dass es sie wenigstens die kostbaren Rennkaninchen kostete, wenn Entamos und Thumolas erfolgreich waren. Denn das Fleisch von Kaninchen ist für Riesen eine wahre Delikatesse, für die sie sogar Pfannkuchen mit Sirup stehen lassen.

    Weit vorgebeugt, den Kaninchen die Last so weit wie möglich erleichternd, saßen die beiden Zwerge im Sattel. Wie der Wind fegten die Tiere über die Steppe, die sich nordwärts von Bareas ausdehnt. Dünne Staubfahnen stoben hinter ihren wirbelnden Hinterläufen auf.

    Staubfahnen, die verräterisch waren, weil sie von den Riesen auf weite Entfernung gesehen wurden.

    Immer näher kam der grüne Streif am fernen Horizont. Die uralten Bäume und das Dickicht des Wunderwaldes. Nur dort konnte für die beiden Zwerge und ihre Kaninchen Rettung sein. Im dichten Unterholz gab es genug Verstecke.

    Für die Riesen war es weit schwieriger, durch Hecken und Gestrüpp zu kommen als für ein Kaninchen. Selbst wenn noch ein Zwerg auf seinem Rücken hockte. Hier in der weiten, grasbewachsenen Ebene waren die Riesen mit ihren mächtigen Schritten im Vorteil.

    Außerdem hofften die Zwerge, dass ihnen einige der sonderbaren Wesen dort in der Tiefe des Waldes helfen würden.

    Andere dieser eigenartigen Waldbewohner mochten jedoch auch auf der Seite der Riesen sein.

    »Achte darauf, dass der Rose nichts geschieht!«, rief Silas dem Bruder zu. So unglaublich zerbrechlich die Kristallrose war - bis zu diesem Tag hatte sie bei den abenteuerlichsten Diebereien und den wildesten Verfolgungsjagden niemals Schaden erlitten.

    Die Rose unversehrt zu erhalten war das oberste Gebot des »Rosenkrieges«.

    Wenn die Kristallrose zerstört war, dann trauerten Riesen und Zwerge gemeinsam. Und nach der Trauer bestand die Gefahr, dass sie sich wieder wie in den Tagen finsterer Vergangenheit ernsthaft bekämpften.

    Der Diebstahl und die Flucht mit der Kristallrose war also in jeder Hinsicht ein gefährliches Abenteuer. Und gleichzeitig für jeden Riesen oder Zwerg auch die größte Herausforderung. Gelang es den beiden Zwergen, die geheimnisvolle Rose zum König unter dem Berg ins unterirdische Reich von Chrysalia zu bringen oder sie im Wunderwald mit dem Wasser aus der Quelle von Castalia zu benetzen, dann gehörte sie für die Dauer eines Mondumlaufs den Zwergen.

    Die Quelle von Castalia, die man auch die »Quelle des Lebens« oder die »Quelle des Seins« nennt, liegt im Zentrum des Wunderwaldes.

    Im Herzen von Delyssiolina, wie dieser Wald seit den Tagen der Älteren genannt wird.

    Die Rose wird dann im Kristalldom aufgestellt und die Zwerge erfreuen sich an ihrer Schönheit. Hat aber der Mond gewechselt, muss sie sorgsam bewacht und die Reise zum Wunderwald in aller Heimlichkeit durch eines der zahlreichen Tore des Reiches unter dem Berge angetreten werden. Denn dann haben die Riesen das Recht, die Kristallrose wieder zu stehlen. Und lauern dann bereits vor den geheimen Ein- und Ausgängen zum Höhlengewirr, wo König Augerichs kleines Volk haust.

    Aber bei der Rückeroberung der Rose dürfen sie im »Kampf« gegen die Zwerge nicht von ihren gewaltigen Körperkräften Gebrauch machen. Genau wie das kleine Volk müssen sie mit List und Tücke vorgehen.

    Denn der Rosenkrieg ist ein Wettstreit der Geschicklichkeit - nicht des blutigen Kampfes.

    ***

    »Vorwärts, Graufell! Gleich haben wir es geschafft!«, hörte Pyctus den Bruder rufen. »Mach jetzt bloß nicht schlapp so kurz vor dem Ziel. Sieh mal, da vorn sind schon die Pfähle mit den eingeschnitzten Dämonenfratzen. Das ist die Grenze des Wunderwaldes. Und dort sind wir in Sicherheit!«

    Mit seinen feinen Ohren hörte Pyctus den keuchenden Atem des Kaninchens, das den Bruder trug. Sein Maul war weit geöffnet, und die rosafarbene Zunge hechelte nach Kühlung. Kein Zweifel. Graufell war erledigt.

    »Reite, Bruder!«, vernahm Pyctus die Stimme des jüngeren Bruders. »Bring die Rose in Sicherheit. Das Kaninchen kann nicht mehr. Ich werde anhalten und mich den Riesen stellen, damit sich Graufell in den Wald retten kann. Mögen mich die Riesen ruhig auslachen, wenn sie mich fassen. Aber dem Kaninchen darf nichts geschehen!«

    »Unsinn! Wir werden beide den Wunderwald erreichen!«, Pyctus legte sich im Sattel zurück. Gehorsam bremste Weißpfote seinen Lauf.

    Mit der Haselgerte dirigierte Pyctus sein Kaninchen zurück an die Seite des Bruders.

    »Hier! Nimm die Rose und halt sie so, dass man sie von weitem nicht sehen kann!«, befahl er. »Ich lenke die Verfolger ab! Wir treffen uns im Wunderwald. Möglichst an der Quelle des Seins!«

    »Und was willst du tun?«, fragte Silas. »So dumm sind Riesen nicht, dass sie sich so leicht ablenken lassen. Die haben gesehen, dass du die Rose hast!«

    »Ich nehme das hier und halte es hoch!« Mit fliegenden Fingern zog Pyctus ein faustgroßes Juwel aus einer der Taschen, die an seinem Gürtel befestigt waren. Der Edelstein schimmerte in allen Farben des Regenbogens und konnte auf die Entfernung tatsächlich für die Kristallrose gehalten werden. Pyctus benutzte dieses große Juwel in der Welt der Menschen immer als Zahlungsmittel, indem er kleine Splitter davon abschlug und an Juwelenhändler verkaufte. Steine wie diese fand man im Reich unter dem Berge, wie man an der Oberwelt die Bachkiesel findet.

    »Und was ist, wenn sie dich fassen?«, fragte Silas und zögerte, die Rose anzunehmen.

    »Dann werde ich dir bei unserem nächsten Zusammentreffen einen Teil der Prügel abgeben, die ich von den Riesen bekomme!«, erklärte Pyctus mit grimmigem Lachen. »Aber keine Sorge. Weißpfote hat noch genügend Kraft für ein kleines Läufchen und schlägt schneller Haken, als die Riesen gucken können!«

    »Viel Glück, Bruder!«, rief ihm Silas zu, nachdem er vorsichtig die Kristallrose in seine Hand genommen hatte. Die wenigen Augenblicke des gemäßigten Tempos hatten Graufells Kräfte wieder wachsen lassen. »Möge Mano, der Gott aller Diebe, dir gnädig sein!« Damit trieb er das grauweiße Rennkaninchen an.

    »Und jetzt, Weißpfote, werden wir mal sehen, was die Riesen sagen, wenn wir sie angreifen, statt vor ihnen davonzulaufen!«, bemerkte Pyctus entschlossen und wandte sein Rennkaninchen den anstürmenden Verfolgern zu ...

    ***

    »Die müssen vollkommen verrückt geworden sein!«, stieß Entamos hervor und bremste seinen Lauf ab. »Sie trennen sich, bevor sie den rettenden Wald erreicht haben!«

    »Noch verrückter!«, grunzte Thumolas. »Sieh nur. Dieser Narr auf dem schwarzen Karnickel reitet genau auf uns zu. Was soll der Blödsinn?«

    Die beiden Riesen blieben schwer atmend stehen und versuchten, mit dieser veränderten Situation erst einmal fertig zu werden. Riesen sind zwar nicht dumm, aber ihr Verstand arbeitet doch etwas schwerfällig.

    Pyctus hätte am liebsten triumphierend aufgeschrien, als er die Riesen so unschlüssig stehen sah. Silas hatte also genügend Zeit, sich mit seinem erschöpften Kaninchen im Dickicht des Waldes in Sicherheit zu bringen, damit Graufell etwas verschnaufen konnte.

    Aber die Jagd war noch nicht zu Ende. Noch lange nicht.

    Pyctus wusste, dass er gerade in dieser Situation äußerst vorsichtig sein musste. Hoffentlich gelang es ihm, die Riesen lange genug zu bluffen und ihnen zu entwischen, bevor die beiden mächtigen Gesellen begriffen hatten, dass der Zwerg sie an der Nase herumgeführt hatte.

    »Großer Granitblock! Der kleine Wicht reitet genau auf uns zu!«, stellte Entamos inzwischen erschüttert fest. »Wir müssen ihn aufhalten! – Komm mein Freund. Auf zur Hasenjagd! »

    »Du Narr! Das ist eine List!«, knurrte Thumolas und durchschaute fast den Plan der Zwerge. »Er opfert sich und gibt seinem Gefährten die Chance zur Flucht in den Wald!«

    »Aber sieh doch. Da glitzert etwas in seiner Hand!«, schrie Entamos aufgeregt. »Er hat die Kristallrose und will an uns vorbei. Vielleicht hat der Bursche irgendwo seine Flugkrähe verborgen. Wenn er die erreicht, dann ist es zu spät. Dann fliegt er nach Chrysalio und wir haben keine Chance, ihn zu fassen!«

    »Also versuchen wir, ihn zu greifen!«, knurrte Entamos unwillig. »Aber wenn ich Recht habe ...!«

    »Dann muss der andere Zwerg noch den halben Wunderwald durchqueren, um zur Quelle zu kommen. Eher ist er nicht in Sicherheit!«, unterbrach ihn Thumolas. »Und vorher schnappen wir ihn. Das schaffen wir - auch wenn wir den halben Wald umgraben müssen! Los jetzt. Gib acht, dass wir diesen Zwerg zu fassen kriegen!«

    »Hasenbraten! Ich liebe Hasenbraten!«, knurrte Entamos anstelle einer Antwort und leckte sich genießerisch die Lippen.

    »Vergiss das Karnickel! Den Zwerg müssen wir fangen, du Narr!«, grunzte Thumolas. »Da - pass genau auf, was geschieht!«

    Die beiden Riesen bückten sich und versuchten, dem heranhoppelnden Kaninchen den Weg zu versperren. Pyctus sah die mächtigen Hände der Riesen wie unförmige Schaufeln vor sich. Die Riesen haben die dreifache Größe eines erwachsenen Mannes, während Zwerge nur so groß wie ein dreijähriges Kind sind. Dafür haben die Rennkaninchen die Größe von Ponys, auf denen die kleinen Kinder der Menschen reiten.

    »Die Kristallrose! Der Schimmer da in seiner Hand. Der Halunke hat die Kristallrose!«, schrie Thumolas, als er das Glitzern zwischen den Fingern des Zwerges sah. »Sei vorsichtig. Der Rose darf nichts geschehen!«

    »Hasenbraten!«, grunzte Entamos anstelle einer Antwort. Er sah nur den wohlgerundeten Körper des Rennkaninchens und stellte ihn sich schon in gebratener Form vor. Die beiden Riesen waren seit zwei Tagen hinter den Zwergen her und hatten in dieser Zeit nichts Essbares gefunden.

    Pyctus hatte die Worte des Entamos vernommen. Blitzschnell erkannte er seine Chance. Weißpfote war ein echter Kämpfer und würde sich auch von einem Riesen nicht so schnell greifen lassen.

    Mit einem wilden Schrei trieb der Zwerg das Kaninchen noch einmal an und raste mit ihm genau auf die zupackenden Hände los. Doch ein paar Schritte vorher warf er sich mit einem Sprung aus dem Sattel. Kunstgerecht überschlug er sich und stand wieder auf den Füßen. In seiner rechten Hand schimmerte der Kristall.

    Als Thumolas zugreifen wollte, tauchte Pyctus unter seinen Händen hindurch und entwischte durch die Beine des Riesen. Bevor Thumolas begriff, was geschehen war, hatten die scharfen Augen des Zwerges eine Öffnung im Boden entdeckt. Für einen Riesen war es wie für einen Menschen das Loch einer Maus. Für einen Zwerg jedoch groß genug, um darin zu verschwinden.

    Thumolas sah, wie Pyctus mutig in das Loch sprang. Er reagierte zu spät. In seinen rasch zupackenden Händen blieb nur die Lederkappe des Zwerges zurück. Für den Augenblick war Pyctus in Sicherheit.

    Hätte der Zwerg jedoch geahnt, dass er damit den Schlaf eines Masadras störte, dann hätte er sich lieber von den Riesen greifen lassen. Denn die gigantische Riesenpython, die hier im Sand der Steppe ihre Gänge und Höhlen gräbt, ist ein tödlicher Gegner ...

    ***

    Entamos hatte nur das Kaninchen im Auge.

    »Schwupp! Hase gefangen!«, grölte der Riese triumphierend. Seine mächtigen Pratzen erwischten Weißpfote direkt im Sprung. Für einen Moment war das Kaninchen starr vor Entsetzen.

    »Hasenbraten!« Entamos leckte sich genießerisch die Lippen. Doch der »Hasenbraten« begann, sich zu wehren. Bevor der Riese erkannte, was geschah, wirbelten die hinteren Läufe des Kaninchens durch die Luft. Die stumpfen Krallen rissen tiefe Furchen in die Unterarme des Riesen, als er das Kaninchen hochnehmen wollte. Entamos brüllte auf, als er den Schmerz verspürte, und sah, wie ihm kleine Blutbäche am Handgelenk hinab liefen.

    Bevor er begriff, dass sich sein »Braten« aus der Umklammerung der Hände herausdrehte, erwischte Weißpfote den Daumen des Riesen. Mit aller Kraft biss das Kaninchen hinein.

    Bis auf den Knochen senkten sich die beiden messerscharfen Schneidezähne ins Fleisch. Gleichzeitig rissen die wirbelnden Hinterläufe immer tiefere Wunden in die Hände des Riesen.

    Vor Schmerzen aufschreiend, ließ Entamos seine Beute los. Weißpfote fiel zu Boden, überschlug sich und war sofort wieder auf den Läufen. Ehe der Riese wieder zupacken konnte, rannte das Kaninchen in rasendem Zickzack über die Grasebene.

    So groß der Riese auch war - dieses Kaninchen war für ihn nicht mehr zu fangen ...

    ***

    »Bei allen Basaltbrocken des Nebelgebirges!«, knirschte Thumolas und schleuderte wütend die Lederkappe des Zwerges zu Boden. »Nun heißt es graben, damit mir der kleine Wicht nicht entwischt und vor seinem Volk das Riesengeschlecht zum Gespött macht!« Seine Hand fuhr zum Gürtel, an dem ein Spatenpickel hing.

    An einem Schaft, der einmal ein richtiger Baum gewesen war, befand sich an der oberen Seite ein Pickel und an der unteren Seite eine leicht in sich gewölbte Schaufel. Diese Gerätschaft ist für die Riesen in ihren Gebirgen das wichtigste Werkzeug, um Steine, Felsen öder Wasseradern aufzubrechen.

    Einige schnelle Griffe, dann hatte Thumolas den Spatenpickel vom Gürtel geschnallt. Mit aller Kraft stieß er den Spaten ins Erdreich. Wie ein Besessener begann er zu graben, und auf seinen Ruf hin half ihm Entamos auf der anderen Seite, wo er ein zweites Loch entdeckt hatte. Obwohl Entamos das Blut von der Hand lief, arbeitete der Riese wie ein Wilder. Den Schmerz schien er nicht zu spüren. Die Jagdleidenschaft ließ die beiden Riesen alles andere vergessen.

    Schließlich stieß der Spaten des Entamos auf einen Stein. Einige heftige Hiebe mit dem Pickel auf der anderen Seite, dann gähnte ein höhlenartiger Gang, der groß genug für eine Riesenfaust war.

    Die scharfen Augen des Riesen erkannten trotz der Dunkelheit im Loch, dass der Zwerg in diesem Gang war. Mehr noch. Er schien so dumm zu sein, genau auf diese eben geschaffene Öffnung zuzulaufen. Bestimmt nahm er an, hier einen Ausgang gefunden zu haben, durch den er ungesehen von seinen Verfolgern flüchten konnte.

    Mit höhnischem Lachen streckte Entamos die Hand vor, um den flüchtigen Zwerg zu packen und ihn emporzureißen ...

    ***

    Das Dunkel des Ganges verwehrte Pyctus für einen Moment die Orientierung. Obwohl die Augen eines Zwerges wie die einer Katze die Dunkelheit durchdringen, benötigte Pyctus doch einen Moment, um sich an die Schwärze zu gewöhnen.

    Eine Schwärze, die lebte ...

    Das tiefe Aufseufzen aus der Dunkelheit ließ dem Zwerg einen Schauer über den Rücken fahren. Er war nicht allein. Was, bei Augerichs Juwelenkrone, mochte hier unten hausen?

    »Wer immer du bist! Ich komme in friedlicher Absicht und erbitte deine Hilfe. Denn ich werde verfolgt!«, wagte Pyctus, in der gemeinsamen Sprache zu sprechen, in der sich die meisten Völker in der Adamanten-Welt verständigen können.

    Die Antwort war ein grässliches Zischen aus der Schwärze des Ganges. Pyctus spürte, wie sich etwas Dünnes und Klebriges um seinen linken Arm legte. Und dann erkannte er das kalte Glitzern von zwei kreisförmigen Augen.

    Noch ehe der Zwerg zurückweichen konnte, ringelte sich das fremde Etwas um seinen Fuß. In engen Windungen drehte es sich höher und hatte ihn einen Herzschlag später bis über die Hüfte eingewickelt.

    Jetzt erst hatten sich die Augen des Zwerges so an die Dunkelheit gewöhnt, dass er den unheimlichen Gegner erkennen konnte. Er erschrak bis ins Mark, als er wahrnahm, welche gnadenlose Bestie er versehentlich im Schlaf gestört hatte.

    Der Masadra hatte seinen mächtigen Körper um ihn geschlungen und ihn mit seinem Schlangenkörper gefesselt. Ein spitzer Schädel pendelte mit weit geöffneten Rachen in der Höhe des Zwergenkopfes.

    Der Riesenpython lebt zwar hauptsächlich in den Felsregionen, doch einige Arten jagen auch in der Steppe und graben sich für den Schlaf am Tage tiefe unterirdische Gänge. Ein Masadra hat nicht nur enorme Körperkräfte, mit denen er die Opfer zerquetschen kann, sondern auch Giftzähne, die innerhalb weniger Herzschläge den Tod herbeiführen.

    Pyctus schrie verzweifelt auf, als er seine ausweglose Lage erkannte. Der Python schien noch nicht richtig erwacht zu sein. Deshalb ließ der tödliche Biss noch auf sich warten. Aber die tödlichen Ringe seines Körpers ließen dem Zwerg keine Chance, sich zu wehren.

    Als Pyctus´ Hand zum Gürtel zuckte, um den Dolch zu ziehen, war es zu spät. Der glatte, ledrige Körper der Schlange hatte ihn bereits bis zur Brust eingeringelt. Es war unmöglich, die Waffe aus der Lederscheide am Gürtel zu ziehen und zu versuchen, mit einem verzweifelten Hieb den Schädel des Untiers vom Rumpf zu trennen.

    »Dhasor, steh mir bei!«, stöhnte Pyctus, als er in den Augen der Schlange sein grausames Schicksal glitzern sah. Der Masadra schien sich seines Opfers vollkommen sicher. Wenn aber Pyctus versuchte, sich aus den ihn umschlingenden Körperringen des Python zu winden, dann verstärkte das Ungeheuer den Druck.

    Die gewaltige Schlange war noch im Halbschlaf und sich noch nicht schlüssig, ob sie den Zwerg erdrücken oder mit Gift töten sollte.

    Das gab Pyctus einige Atemzüge Aufschub. Eine Zeit, die er nutzte.

    Zwar war er bis zur Brust von den Körperringen eingesponnen, doch seine Arme und Hände waren noch frei.

    Pyctus sah den Schädel des Python, den aufgerissenen Rachen und die nadelspitzen Giftzähne, zwischen denen sich eine blaurote, gespaltene Zunge ringelte. Sein Blick fiel auf den schimmernden Kristall in seiner Hand.

    Ob Fels oder Edelstein - in den Händen von Zwergen können Steine zu Werkzeugen und Waffen werden.

    Pyctus wusste, dass er kühles

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