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Der Weg der Drachen-Priesterin
Der Weg der Drachen-Priesterin
Der Weg der Drachen-Priesterin
eBook284 Seiten3 Stunden

Der Weg der Drachen-Priesterin

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Über dieses E-Book

Die Tage von Rasako, dem Drachenlord, sind gezählt. Er geht dem Tod entgegen, der neues Leben für ihn bedeuten kann, wenn – ja, wenn es Eglyseya, der Drachenpriesterin, rechtzeitig gelingt, das Drachenschloss Coriella zu erreichen. Doch wer diese geheimnisvolle Priesterin ist und wie sie aussieht, das wissen die dunklen Götter des Jhardischtan nicht, deren Pläne durchkreuzt werden, wenn der Drachenlord in ein neues Leben gehen kann.

Wer ist das kleine Mädchen Shara, das dort in den Gassen von Salassar seinen Weg sucht, und von den Schergen des Oberherrn verfolgt wird? Wegen des Geheimnisses, das sie umgibt, bittet Sina, die Katze von Salassar, den abenteuerlustigen Prinzen Ferrol, das Mädchen auf ihrem gefahrvollen Weg zu begleiten. Auch Churasis, der seltsame Magier, schließt sich ihnen an – denn Wulo, der Schrat, scheint das Mädchen bereits zu kennen.

Mit allen Mitteln, gewaltsam und listenreich, versuchen die Götter des Jhinnischtan, die kleine Shara daran zu hindern, ihr Ziel zu erreichen. Doch Sina, Ferrol und Churasis finden mit Hilfe des Schrats stets einen Ausweg. Auch die Götter der Kristallwelt greifen ein, um die Pläne ihrer dunklen Brüder und Schwestern der unteren Welt zu vereiteln.

Doch unmittelbar vor dem Ziel wird Shara von den Feuern eines ausbrechenden Vulkans umhüllt und die Schatten der toten Seelen stürzen sich auf Sina, Ferrol und Churasis. Langsam senkt sich die Waage des Schicksals herab ...

In der hier vorgelegten Neubearbeitung des ersten Taschenbuches, finden sich auch die ersten Verbindungen zu der neuen Fantasy-Saga „Visionia – Welt der Träume", die ihre Wurzeln im Zyklus der Adamanten-Welt hat und von weiteren Abenteuern von Sina, Ferrol und Churasis berichten wird.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Okt. 2016
ISBN9783960680475
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    Buchvorschau

    Der Weg der Drachen-Priesterin - Rolf Michael

    Drei Schwerter für Salassar

    Der Weg der Drachen-Priesterin

    Band 5

    von

    Rolf Michael

    Fantasy

    Mondschein Corona – Verlag

    Bei uns fühlen sich alle Genres zu Hause.

    Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    1. Auflage

    Neuauflage Oktober 2016

    © 2016 für die Ausgabe Mondschein Corona

    Verlag, Plochingen

    Alle Rechte vorbehalten

    Autor: Rolf Michael

    Lektorat/Korrektorat: Mia Koch

    Grafikdesigner: Finisia Moschiano

    Buchgestaltung: Finisia Moschiano

    Umschlaggestaltung: Finisia Moschiano

    ISBN: 978-3-96068-047-5

    © Die Rechte des Textes liegen beim

    Autor und Verlag

    Mondschein Corona Verlag

    Finisia Moschiano und Michael Kruschina GbR

    Teckstraße 26

    73207 Plochingen

    www.mondschein-corona.de

    Inhaltsverzeichnis

    Was die Maske verhüllt ...

    Markttag in Salassar

    Betrogene Betrüger

    Der Weg aus der Zitadelle

    Sharas Geheimnis

    Die Insel der drei Tempel

    Wokats tückische Pläne

    Die Göttin des Unverstandes

    Der Weg durch den Wunderwald

    Das Antlitz des Drachenlords

    Was die Maske verhüllt ...

    Nachtwolken zogen wie eine dahinrasende Herde schwarzer Rosse über Coriella. Der silberne Schein des Mondes ließ die letzten Tropfen des vorangegangenen Regens wie runde, hell glitzernde Edelsteine erscheinen. Um die Zinnen und Türme des hochragenden Gemäuers wirkte das Licht wie ein silberweißer Schleier, den die Feen des Wunderwaldes gewoben hatten.

    Die mächtige Burg hoch oben im Norden jener Welt, die von den Menschen Chrysalitas, oder auch die »Adamanten-Welt«, genannt wurde, glich einem funkelnden Juwel inmitten einer trostlosen Landschaft aus scharf gezacktem, hoch in den Himmel hinein ragendem Felsgestein.

    Feierliche Stille, die nicht einmal der Laut eines Nachtvogels zerriss, lag über der hochaufgetürmten Feste, die in grauer Vorzeit von den Riesen für das Geschlecht der Drachen errichtet worden war. Hier konnten die gewaltigen Herren der Lüfte rasten und hier wurden sie beherbergt, wenn sie nach ihren langen Flügen über Chrysalitas auf der Suche nach der Erkenntnis rasteten.

    Coriella, die Hochgetürmte, war ihr Heim. Die Drachenburg am Ende der Welt.

    Doch die großen Drachen, die heute anwesend waren, hatten sich in der großen Halle auf mächtigen Polstern zusammengerollt, um in sich zu lauschen. Und die Menschen, die auf Coriella lebten und ihr Leben dem Dienst an den Drachen geweiht hatten, waren bereits zu Bett gegangen.

    Die Natur selbst schien sich bereits zur Ruhe gelegt zu haben.

    Und dennoch lebte die Stille durch das leise Säuseln des Nachtwindes. Und der Wind trug eine eigenartige, schwermütige Melodie mit sich, welche die ganze Burg erfüllte.

    Leise und doch im Klang des vollen Akkordes wurde eine kräftige, doch tief in das Innere der Seele dringende Stimme, von einer Harfe begleitet.

    Das Zentrum der Melodie war der oberste Söller von Coriella. Hier stand der Sänger in der allen irdischen Vorstellungen Hohn sprechenden Gestalt eines Fabelwesens. Das Mondlicht ließ seine Gestalt noch fantastischer erscheinen, als sie durch die seltsame Kleidung bereits wirkte.

    Denn die hochragende Gestalt, die dort auf dem Söller ihr Lied in die Nacht hinein sang, war mir ihrem ganzen Körper in einer bizarr geformten Rüstung verborgen. Das dunkle Gold des Metalls zerfloss fast mit den Schatten der Nacht. Und nur, wenn die Hände über die Saiten der Harfe strichen, war zu erkennen, dass es sich nicht um ein Standbild eines Gottes handelte.

    Rasako, der hohe Drachenlord und Herr von Coriella, sang eine Ballade zum Ruhme des Drachengeschlechts.

    Seine Rüstung war wie der stilisierte Panzer eines Drachen geschmiedet. Angedeutete Schuppen ließen den Drachenlord wie die Mischung aus Tier und Gott erscheinen. Der Helm war mit zackigen, schuppenartigen Verzierungen geschmückt. Stets war das Visier geschlossen und nur das Augenpaar glitzerte durch die kleinen Sehschlitze hindurch. Allein der Panzer, der direkt die Brust schütze, war einfacher geschmiedet.

    Der mächtige, wallende Umhang über seinen Schultern bestand innen aus kostbarsten Pelzen, während der äußere Stoff mit kleinen Metallplättchen belegt war, die ebenfalls Drachenschuppen symbolisierten.

    Obwohl auch die Hände von der Panzerung geschützt waren, strichen sie mit unglaublicher Leichtigkeit über die Saiten einer schön geschnitzten Harfe, der unzählige in das Holz eingearbeitete Edelsteine den Schimmer eines Regenbogens gaben.

    Das Schwert, das neben Rasako lehnte, war fast so groß wie er selbst. Der Griff war so gearbeitet, dass man es mit einer Hand führen oder mit beiden Händen schwingen vermochte. Unterhalb des Griffes wies die Klinge zackige Verzierungen auf, die mit der Rüstung des Drachenlords eine fremdartige Einheit bildeten.

    Kylonis, der Wetterschlag, wurde dieses geheimnisvolle Schwert genannt. Nur der Drachenlord selbst war imstande, dieses gigantische Machtschwert im Kampfe zu schwingen.

    Lange sang Rasako sein Lied. Das Hochlied der Drachen.

    Von Dhasor, dem Welten-Vater und Thuolla, der Herrin der Tiefe, erklang sein Sang. Denn sie gaben nicht nur den Göttern auf der kristallenen Höhe des Jhinnischtan oder in der tiefen Höhlenwelt des Jhardischtan das Leben und ihre Bestimmung, sondern sie schufen auch jene Welt, die sie regieren sollten - Chrysalitas, die Adamanten-Welt.

    Und die Götter schufen Dhaytor, den ersten Drachen.

    Dhaytor, den Drachenvater.

    Doch an dem Tag, an dem sie gemeinsam den ersten Drachen schufen, endete die Einheit der Götter. Zwischen dem Schloss auf dem Kristallberg und dem unterirdischen Reich herrschte fortan Feindschaft ...

    Die Stimme des Sängers ließ bleiernen Schlaf über die Gemüter der Menschen fallen. Nur die Drachen, die jetzt auf Coriella anwesend waren, wiegten ihre Schädel und gaben sich ganz dem Zauber der Melodie hin.

    Erst als die Ballade trauriger wurde und vom Tode Dhaytors, des Drachenvaters, in den Höhlen des Jhardischtan erzählte, begannen die Schädel der Drachen nach unten zu sinken. Das grünlich schillernde Sekret, das aus den lidlosen Augen der Drachen perlte, glich den Tränen eines Menschen. Und mit dem Gedanken an den mächtigen Ahnherrn ihres Geschlechts, der seine letzte Reise zur Toteninsel Saronai angetreten hatte, senkte sich der Schlaf über sie. Ihre Augen verdrehten sich nach innen, und ihr Bewusstsein erlosch.

    Langsam verhallte nach Rasakos letzten Worten die Stimme seiner Harfe.

    »Nun schlafen sie!«, sagte der Drachenlord mit leiser Stimme. »Ihr Bewusstsein ruht, bis Solmani, Herr über Licht und Dunkelheit, die Schatten der Nacht dem neuen Tage weichen lässt. Nur ich finde keinen Schlaf.

    Denn die Drachen wissen nichts von den Dingen, die mir offenbar sind.

    Mögen sie ruhen. Denn mein Geist und meine Augen wachen über Dhaytors Kinder und ihre Heimstatt. Ich wache, solange es mir noch vergönnt ist.

    Denn die Zeit naht heran, wo sich die »Schicksalshafte« zeigen muss. Ich weiß es - und sie weiß es auch. Sie kennt den Tag und die Stunde, wann sie hier auf Coriella eintreffen muss, sehr genau.

    Versäumt sie diese Zeit, dann wird die Prophezeiung erfüllt. Dann wird der Drachenlord dahingehen und niemals wieder entstehen. Und die Drachen werden dann führerlos sein. Besinnen werden sie sich auf ihre Kraft und ihre Stärke. Und auf den Zauber, den sie wirken können.

    Gegen die Menschen werden sie ziehen und sie jagen, die Lande der Trolle und der Riesen verheeren, ihre Feuerstrahlen in die Höhlen der Zwerge fauchen und gegen die Elfen zu Felde ziehen - wenn es ihnen die Macht des Drachenlords nicht mehr verwehren kann. Daher darf es nicht geschehen, dass die »Schicksalshafte« an dem Tage fernbleibt, an dem sich meine Gestalt wandelt ...!«

    »... seine Gestalt wandelt!«, flüsterte eine leise Stimme.

    Hinter einem Mauervorsprung verborgen, kauerte die zierliche Gestalt eines jungen Mädchens. Trotz der langen, in dunklem Blau gehaltenen Kleidung war ihr zierlicher Körperbau zu erkennen. Dunkles Haar floss wie ein nachtfarbener Wasserfall bis hinab auf ihre Schultern. Ihr Gesicht glich im Mondlicht den Zügen einer Statue, die von einem Künstler in weißem Marmor geschaffen wurde. In ihren dunklen Augen spiegelten sich die Sterne wie Diamanten.

    Desidera, eine der zahlreichen Dienerinnen auf Coriella, hatte dem Lied des Drachenlords gelauscht und war so fasziniert davon, dass sich kein Schlaf über ihre Augen legte.

    »Seine Gestalt!«, sagte Desidera zu sich selbst. »Keiner der Menschen, die hier auf Coriella hausen, hat jemals sein Gesicht gesehen. Stets zeigt sich Rasako im Schutz seiner Rüstung.

    Wie man sich erzählt, vermögen nur die Drachen den Anblick ihres Herrschers zu ertragen. Nur Drachen dürfen das Gesicht sehen, wenn er das Helm-Gatter öffnet. Und nur der kleine Samyacundas, der jetzt Drachenvater ist, vermag ihn längere Zeit zu betrachten. Auch die Drachen, sagt man, können sein Gesicht nur eine kurze Weile ansehen.

    Noch niemals hat Rasako es einem Menschen gestattet, von seinem eigentlichen Körper mehr als die Augen durch die Öffnungen im Helm zu sehen. Auch ich habe nur seine Augen gesehen, die wie zwei Sonnen aus dem Helm heraus strahlten.

    Und die Sonnen dieser Augen haben sich tief in meine Seele gebrannt. Sie lassen mich nicht mehr los. Immer, wenn ich daran denke, entbrennt das Verlangen erneut.

    Ich will es erschauen - das Antlitz des Drachenlords ...!«

    ***

    Desidera, die Dienerin auf der Drachenburg, huschte auf Zehenspitzen durch die Gänge. Das leise Patschen ihrer bloßen Füße auf dem Steinfußboden war kaum zu vernehmen.

    Wächter gab es in dieser Zeit nicht auf Coriella. Niemand war so verwegen, hier einzudringen, weil kein Mensch die Drachen wirklich kannte. In der Adamanten-Welt waren die absonderlichsten Gerüchte über sie im Umlauf. Man erzählte sich, dass Drachen niemals Schlaf fänden und dass sie ständig die Schätze bewachten, die sie hier auf ihrer Burg jenseits des Wunderwaldes von Delyssiolina gehortet hatten.

    Desidera war bereits auf Coriella geboren und wusste es besser. Auch ein Drache benötigte Schlaf, und wenn es ums Essen ging, dann waren Drachen ausgesprochene Feinschmecker. Auch in anderen Dingen unterschieden sie sich nicht allzu sehr von den Menschen.

    Sie hatten allerdings einen anderen Sinn für Schönheit und einen viel komplizierteren Ehrbegriff als ein Emir von Mohairedsch oder ein Than von Cabachas. Ihrer Stärke zwar voll bewusst, vermieden sie doch die tätliche Auseinandersetzung mit allen Lebewesen.

    Desidera wusste, dass die Drachen im Allgemeinen pflanzliche Nahrung bevorzugten. Drachen, die Menschenopfer forderten oder im Sturzflug heran schossen, um einen Bauern hinter dem Pflug wegzufangen, um ihn zu verspeisen, waren ein Märchen, die sich die Menschen in den großen Städten erzählten.

    Tonnenweise wurde auf Coriella ein süßer Brei aus verschiedenen Getreidesorten mit Milch und Honig angerührt und gekocht. Ein Brei, den das Drachengeschlecht jeder anderen Speise vorzog.

    Für die Arbeiten in der Küche und die anderen Dienste, für die ein Drache aufgrund seiner Körperform nicht geeignet ist, lebten Menschen im Inneren der Drachenburg. Die meisten von ihnen waren wie Desidera hier geboren und konnten sich ein Leben außerhalb dieser Mauern gar nicht vorstellen. Hier waren sie sicher und hatten von dem, was man zum Leben benötigt, den Überfluss. Wagte es ein Mensch, in Coriella einzudringen, durfte er die Burg nicht mehr verlassen. Bis zum Ende seiner Tage stand er im Dienste der Drachen - oder er musste sterben. Noch niemandem war es gelungen, aus der Drachenburg zu entfliehen.

    Für Desidera war dieses Gesetz in seiner Notwendigkeit vollkommen klar erkennbar. Sie kannte die Kammern, Zimmer und Säle, in denen Gold und Juwelen im Überfluss aufgehäuft waren. Seit unzähligen Jahren horteten die Drachen hier edle Metalle und kostbare Steine, die ihre scharfen Augen auf ihren Flügen über die ganze Adamanten-Welt entdeckten. Für einen der geringsten Steine würde ein Mensch von außerhalb Coriellas seine Seele den Dämonen des Jhardischtan verkaufen.

    Daher hatte schon ein Hoher Drachenlord lange vor Rasako das Gesetz erlassen, dass kein Mensch, der einmal diese Herrlichkeit geschaut hatte, sich je wieder von Coriella entfernen durfte. Zu leicht hätte sich ein Haufen Abenteurer gefunden, der es wagte, in die Burg einzudringen, um dort zu plündern.

    Rasako wusste um den Charakter der Menschen und er kannte die Drachen. Die Menschen würden für den Besitz der Edelsteine und des Goldes kein Leben schonen. Er, der Drachenlord, musste dann den Drachen und den Menschen in der Burg befehlen, die Eindringlinge anzugreifen, um die Burg zu schützen.

    Wenn aber die Drachen erst einmal im Kampf waren und den süßlichen Geruch des Blutes in den Nüstern verspürten, würden sie sich nicht einfach zurückhalten lassen. Schnell konnte es geschehen, dass sie außer Kontrolle gerieten und eine der Städte angriffen, in denen Menschen lebten.

    Den mächtigen Leibern der Drachen, ihren gehörnten Schuppenpanzern und ihrem lohenden Feueratem hatten die Menschen von Chrysalitas nichts entgegenzusetzen.

    Durch sein hartes, aber gerechtes Gesetz eines Drachenlords der Vorzeit hatte Rasako diese Katastrophe bis jetzt vermieden.

    Desidera bewunderte dieses Wesen in der dunkelgoldenen Rüstung, das wie eine Verschmelzung zwischen Mensch und Drache aussah. Seit den Tagen ihrer Kindheit hatte das Mädchen diese kraftvolle Erscheinung bewundert.

    Als kleines Kind war Rasako in ihren Träumen stets als Retter erschienen, der sie aus der Gewalt von Unholden befreite. Bestien, die sie zwar nie gesehen, deren Aussehen ihr die Mutter aber in dunkelsten Farben gemalt hatte.

    Aus der Bewunderung für den Drachenlord wurde, je älter Desidera wurde, Schwärmerei. Die jungen Burschen, die ebenfalls auf Coriella geboren waren und dort Dienst taten und sich für sie interessierten, ließen sie vollständig kalt. Sie waren einfach und gewöhnlich - und damit für Desidera langweilig.

    Immer mehr zog sie die geheimnisvolle Mystik des Drachenlords in ihren Bann. Obwohl sie mit zunehmendem Alter immer öfters zu Rasakos Diensten eingeteilt wurde, hatte sie ihn niemals anders als in vollständig geschlossener Rüstung gesehen. Zog er sich einmal in seine Schlafgemächer zurück, dann wurden die Türen nach einem komplizierten System verschlossen.

    Oft schon hatte Desidera versucht, hinter ihm durch die Tür zu huschen, um sein Geheimnis zu lüften. Doch niemals war es ihr gelungen. Sie spürte nur stets, dass Rasakos Blick am nächsten Tag besonders intensiv auf ihr ruhte, wenn sie hinter ihm an der Türe lauschte und das leise Klirren hörte, das entstand, wenn er die Rüstung ablegte.

    Aus der Schwärmerei Desideras wurde echte Liebe. Sie fühlte sich zu dieser Gestalt hingezogen, die stets einsam war. Immer unnahbar auf dem mächtigen Thron, hinter dem sich die kunstvolle Steinfigur eines Drachen aufbäumte, der mit gespreizten Flügeln eine hoheitsvolle Pose einnahm.

    Immer mehr wurde es für sie zu einer fixen Idee, das wahre Gesicht des Drachenlords zu erschauen.

    Die Menschen auf Coriella hatten die absonderlichsten Vorstellungen davon. Die meisten glaubten, dass der Drachenlord eine Verbindung zwischen einem Menschen und einem Drachen sei. Genaues wusste jedoch niemand. Und die Drachen waren zu stolz, um überhaupt mit den Menschen zu reden, die auf Coriella Dienst taten.

    Nur Samy, der kleinste der Drachen, hatte für Desideras Kummer Verständnis. Doch als er vernahm, was sie schauen wollte, zog ein Schatten über sein sonst so lustiges Drachengesicht, das entfernt an ein Seepferdchen erinnerte. In seiner Stimme lag plötzlich die Arroganz eines großen Drachen.

    »Törichte Närrin!«, stieß Samy hervor. »Denkt ihr Menschen denn, dass euch alle Geheimnisse offenbart werden dürfen? Respektiert die Dinge, über die Dhasor seinen Schleier gewoben hat!«

    »Aber Samy!«, stieß Desidera hervor. »Er ist doch so einsam. Ich will ihm doch nur helfen, sein schweres Los zu tragen und seine Aufgabe zu meistern!«

    »Rasako ist stark. Sein Geschick lässt es nicht zu, dass sich Menschen ihm nähern können, wie es unter Menschen üblich ist. Diene ihm mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen, wenn du ihn so magst, wie ich ihn gern habe!« Samys Stimme war wieder sanft geworden.

    »Aber ich ... ich liebe ihn doch!«, stieß Desidera hervor.

    »Dann verbanne deine Liebe in dein Herz und verschließe es mit den stählernen Reifen des Willens!«, sagte der kleine Drache sehr ernst. »Die Drachen kennen Rasakos Angesicht und ich selbst habe es lange geschaut, als er mir die Worte nannte, die unser Volk zwingen.

    Kein Mensch, Desidera, erträgt seinen Anblick. Er ist kein Drache, wie viele Menschen hier auf Coriella erzählen ... aber auch kein richtiger Mensch. Er ist einfach ... es gibt in keiner mir bekannten Sprache ein Wort dafür.

    Versuche, Rasako zu vergessen. Wenn du jemanden lieb haben willst, dann hab doch ganz einfach mich lieb - und bring mir eine Schüssel von dem süßen Brei, dessen Wohlgeruch eben aus der Küche in meine Nüstern zieht!«

    »Er ist kein Mensch und kein Drache!«, wiederholte Desidera flüsternd. »Und in der heutigen Nacht will ich erschauen, was er wirklich ist - auch wenn mich sein Zorn trifft. Ich will sein Angesicht sehen - und wenn ich diesen Augenblick mit allem bezahlen muss, was ich besitze!«

    Ihre kleinen Finger klammerten sich um einen länglichen, seltsam geformten Gegenstand, den sie vor einigen Tagen in der Schmiede herstellen ließ. Der Schmied wusste nicht, was er nach dem Abdruck im Wachs tatsächlich aus Metall formte. Er ahnte nicht, dass es Desidera gelungen war, mit dem Wachs einen Abdruck des Schlosses zu schaffen, das Rasakos Schlafgemächer für fremde Eindringlinge sperrte.

    Jetzt hielt das Mädchen eine ziemlich genaue Kopie des Schlüssels in ihrer Hand, und sie hatte am Tage schon festgestellt, dass dieser Schlüssel passte und sich die Tür zum privaten Refugium des Drachenlords problemlos damit öffnen ließ.

    »Ich werde es schauen!«, flüsterte Desidera zu sich selbst, um sich Mut zu machen. »Heute Nacht sehe ich das wahre Gesicht des Drachenlords ...!«

    ***

    Desidera war am Ziel. Hinter dieser mächtigen, mit Eisenplatten beschlagenen Tür aus schwerem, schwarzem Holz hatte der Drachenlord die Gemächer, in die er sich zum Schlaf zurückzog.

    Die Dienerin von Coriella hörte, wie er gerade den Schlüssel drehte und die Tür für Unbefugte versperrte. Dann vernahm ihr scharfes Ohr das leise Klirren der Rüstung, als Rasako quer durch den Raum zu seiner Lagerstatt ging. Diesen Augenblick musste sie ausnutzen.

    Geräuschlos steckte sie den Schlüssel in die Öffnung. Behutsam drehte sie ihn so, dass sich das Schloss ohne einen Laut öffnete.

    Auf Zehenspitzen schob sich Desidera wie ein Schatten ins Zimmer. Der Drachenlord bemerkte sie nicht. Am leisen Klirren des Metalls spürte das Mädchen, wie Rasako das Visier des Helmes anhob.

    »Ich werde es sehen!«, pochte es wie rasend in Desideras Innerem. »Ich werde Rasakos wahres Gesicht erblicken!« Drei rasche Schritte und sie stand direkt hinter der hochgewachsenen Gestalt in der dunkelgoldenen Rüstung.

    In diesem Moment geschah es!

    Abrupt wandte der Drachenlord sich um. Seine rechte Hand riss das Visier empor, das sein Gesicht verdeckte.

    »Büße, Frevler ... !«, fauchte seine Stimme aus dem Helm heraus. Dann erkannte er Desidera und brach abrupt ab. Er wollte versuchen, das Visier des Helmes herunterzureißen.

    Aber es war zu spät. Das Unheil hatte schon seinen Lauf genommen.

    Aus dem geöffneten Helm sah das Mädchen einen Glanz wie bei einer überirdischen Erscheinung. Die Helligkeit blendete sie, ohne in den Augen zu schmerzen. Ein Licht, heller als tausend Sonnen, und doch so mild, dass man wünschte, eins zu werden mit diesem Licht.

    In überwältigender Majestät erkannte Desidera das Antlitz des Drachenlords.

    War es das Gesicht eines Menschen? Das Antlitz eines Elfen? Oder waren es die Züge eines Gottes, die Desidera im Licht erschaute?

    Alles mochte zutreffen und nichts der gelebten Realität entsprechen. Denn der Anblick, der sich hier der Dienerin von Coriella darbot, war mit nichts vergleichbar, was auch die kühnsten Fantasien dem Menschen vorgaukeln können und was das Auge aufnehmen kann. Das, was aus dem geöffneten Visier des Helmes hervordrang, ging über das, was ein normaler Sterblicher erkennen und ertragen kann, hinaus.

    Ist auch das Auge geblendet – sieht es doch die Seele. Und wie Freude die Zeichen des Leides, die Tränen, hervorbringen kann, so vermag auch die Seele im Übermaß der Gefühle sich den Weg in die Freiheit zu bahnen, um dorthin zu gelangen, wo sie sich mit dem, was sie sehnlichst erstrebt, vereinigen kann.

    Was Desidera schaute, ging über ihre körperlichen wie die seelischen Kräfte ihres einfachen Gemüts.

    Menschen ertragen viel und können vieles mit ansehen. Einige durchrasen die Schlachtfelder und sehen Schrecknisse, die einem Menschen, der sein ganzes Leben unter dem sanften Schleier des Friedens gelebt hat, den Verstand rauben. Jene rauen Gesellen des Mamertus geben den Tod, um ihn

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