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Der Garten von Madame Scimand
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eBook178 Seiten2 Stunden

Der Garten von Madame Scimand

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Über dieses E-Book

„Unsere schöne Insel Algot beherbergt seit jeher vier große Markstädte: Lufond, Duyten, Ratos und Begera. In deren Mitte liegt Reylo, die Königsstadt.“

Mit diesen Worten beginnt der Erzähler stets seine Geschichte, die von einem Feuerberg und Drachen handelt. Die Kinder aus dem Elender-Quert, die ihn umringen, hören aufmerksam zu. Darunter befinden sich auch Andras Söhne Rodu, Cort, Heif und Bans. Bis zu jenem furchtbaren Tag, als ihr jüngster Bruder Kelo geboren wird und sich alles ändert ...

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum20. Juli 2023
ISBN9783755447344
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    Buchvorschau

    Der Garten von Madame Scimand - Uta Pfützner

    Prolog

    Es gab eine Zeit, in der mystische Wesen mitten unter uns lebten. Nicht alle waren guten Sinnes, und ihre Geheimnisse blieben zumeist unentdeckt. Oft rankten sich Sagen und Legenden um die Fähigkeiten der Hexen und Heiler, der Kräuterweiber, der Feen oder der großen Drachen. Man fürchtete sie für ihre Gaben, und vor allem für die Magie, die sie umgab. Besonders die geflügelten Geschöpfe versetzten das Volk in Angst und Schrecken. So geschah es auch auf Algot, einem kleinen, fruchtbaren Eiland, das einstmals vor der Westküste Europas gelegen haben soll ...

    Der Erzähler

    „Unsere schöne Insel Algot beherbergt seit jeher vier große Markstädte: Lufond, Duyten, Ratos und Begera. In deren Mitte liegt Reylo, die Königsstadt. Es gibt dort einen hohen Turm, der von den klugen Gelehrten des Landes bewohnt wird, wie ihr ja sicher wisst. Als man diese Stadt rings um den Turm herum baute, erhielt sie ihren Namen nach dem damaligen König, der Algot regierte.

    Lange Zeit konnte sich sein Volk frei auf der Insel bewegen. Die Menschen lebten in Frieden und Eintracht miteinander, reisten oft zwischen den Markstädten hin und her, tauschten untereinander Waren aus und ernährten sich rechtschaffen von ihrer Hände Arbeit. Doch es kam der Tag, an dem diese Unbeschwertheit ein jähes Ende fand.

    Man schrieb den zehnten Monat im Jahr des Blutmondes, als sich am westlichen Rand der Insel ein riesiger Feuerberg aus dem Meer erhob. Er überzog einen großen Teil des Landes mit Strömen aus Lava und Asche, sodass sich die dort lebenden Bauern nicht mehr in der Lage sahen, ihrem Tagwerk nachzugehen.

    Viele Menschen flüchteten deswegen in den Osten, wo die Markstädte lagen, und baten bei den Stadtmeistern um Asyl. Böse Gerüchte wanderten von Mund zu Mund, nach denen sich ein schrecklicher Drache in der Nähe des Feuerberges niedergelassen hatte.

    Als die Nachrichten auch den jungen König erreichten, ließ er einen massiven Wall aus Erde und Steinen in der Mitte der Insel errichten. Doch das grässliche Untier hatte Flügel und überwand die Barriere. Demnach baute man zusätzlich große Mauern mit Wachtürmen um die Städte, von denen aus die Soldaten nach dem Feind Ausschau hielten.

    Trotz aller Mühen verschwanden immer wieder Menschen aus seinem Volk spurlos. Das geschah meist dann, wenn sie sich auf Reisen begaben. Reylo fürchtete zu Recht, dass der Drache mit der Zeit alle Untertanen töten könnte. Er erließ deshalb neue Gesetze, die dazu dienten, die Einwohner der Insel zu schützen.

    Fortan erhielt jeder Bürger ein Brandmal auf den rechten Arm, sobald er das Alter von siebzehn Jahren erreicht hatte. Die sogenannte Naht bestand aus dem Anfangsbuchstaben der Stadt, in der er lebte.

    Darüber hinaus wurde ihm als Wahlfähigen erlaubt, einmalig seine Heimatstadt zu verlassen und eine der anderen Markstädte aufzusuchen, wo er sich einmieten konnte. Dort aber musste er, nachdem ihm der Bader die zweite Naht verabreicht hatte, auch endgültig bleiben.

    Auf den breiten Handelswegen zwischen den Städten hatten sich ausschließlich die Kaufleute mit ihren Karawanen und die berittenen Soldaten des Königs aufzuhalten. Dies wurde nur bei Tageslicht gestattet, weil es während der Nacht aufgrund des Drachens zu gefährlich war.

    Ein Wahlfähiger durfte sich, sofern er in eine andere Stadt wollte, den fahrenden Händlern anschließen, da deren Tross stets von mehreren Wachsoldaten begleitet wurde. Auf dem gleichen Weg wurde es sogar Bauern und Holzfällern wieder erlaubt, sich zwischen Wall und Stadtmauer zu begeben, um die einzig verbliebenen Felder und Wälder zu bestellen und Einnahmen zu erzielen.

    Die jeweiligen Stadtmeister ließen in höchster Eile am äußersten Stadtring Notsiedlungen errichten, deren Häuschen meist nur aus einfachen Brettern bestanden. Sie hatten alle Hände voll zu tun, den vielen Flüchtenden gerecht zu werden, die sich in langgezogenen Strömen vor den Mauern der Markstädte einfanden. Oftmals befanden sich Kinder unter ihnen, die auf dem Weg ihre Eltern verloren hatten. Auf sie wartete das städtische Waisenhaus oder, als das nicht mehr genügte, eine Unterkunft in einem der Krähennester.

    Zwar befahl König Reylo, dass die Kinder vorerst den nächsten Verwandten anheimgegeben werden sollten, um die gebeutelten Kassen zu schonen, doch nicht immer fanden sich solche. Und nicht immer waren diese Angehörigen glücklich darüber, neben dem eigenen Nachwuchs noch eine zusätzliche Schar Kinder verköstigen und betreuen zu müssen. Es hatten doch alle Familien wahrlich genug damit zu tun, sich selbst durchzubringen.

    Also bot er den Betroffenen einen erheblichen Nachlass bei den alljährlichen Abgaben und ein angemessenes Zubrot aus seiner eigenen Kämmerei an. Damit gedachte er, die Stadtmeister ein wenig entlasten zu können und darüber hinaus den bedauernswerten Kleinen ein Leben im Waisenhaus zu ersparen. Mit Hilfe seiner Herolde ließ er sowohl die Depeschen als auch die entsprechenden Summen in den Städten verteilen.

    Mehr schlecht als recht gestaltete sich demnach das tägliche Leben auf der einst wunderschönen Insel Algot. Jedoch die Zeit schritt voran, und mit jeder neuen Generation gewöhnte man sich ein wenig mehr an die strengen Bestimmungen. Abseits aller menschlicher Augen vermehrten sich die Drachen über Jahrhunderte hinweg. Ihre Blutgier wurde zum festen Bestandteil des Daseins.

    Während des Tages sah man sie fast nie, aber in der Nacht hörten die postierten Wachen häufig ihren Flügelschlag und ihre fürchterlichen Schreie. Da die Bürger jedoch mit dem Einbruch der Dunkelheit ihre Häuser nicht mehr verlassen durften, waren auch innerhalb der Markstädte immer weniger Todesopfer zu beklagen. Nur die dazwischen gelegenen Handelsstraßen blieben nach wie vor höchst unsicher.

    Inzwischen stellte sich heraus, dass es die Drachen wohl hauptsächlich auf jüngere Männer abgesehen hatten. Als das bekannt wurde, wies der König an, dass die Kaufmänner keine Mitreisenden mehr aufnahmen, die gerade erst wahlfähig waren. Die vormals so beliebten Wanderbriefe wurden nur noch spärlich oder, wie hier in Lufond, gleich gar nicht mehr ausgestellt.

    Außerdem ließ Reylo darauf achten, dass die Händler selbst wie auch die Männer der begleitenden Truppen mindestens fünfunddreißig Jahre zählten. Er wollte unter gar keinen Umständen dafür verantwortlich sein, dass die Mütter ihre Söhne verloren, kaum dass ihnen ein Bartflaum gewachsen war. In vielen Briefen, die der König aus den Markstädten erhielt, standen wiederholt dringende Bitten und Beschwerden seiner Landsleute. Man flehte Reylo an, wenigstens die Bauersfrauen auszusparen und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, die eigentliche Arbeit ihrer Männer draußen auf den Feldern zu verrichten. Gleiches galt für die wahlfähigen jungen Mädchen, die häufig eine Stelle als Hausmagd oder Zofe in einer anderen Stadt antraten. Sie hätte man sicher reisen lassen können, oder nicht?

    Indes erteilte man im herrschaftlichen Schloss jedem dieser Anliegen eine Abfuhr. So geschah es, dass über viele Jahre hinweg kein Einwohner Algots mehr den Tod fand. Bis zu Reylos Ableben und darüber hinaus rühmte man ihn als den Herrscher, der die Insel wieder zu einem sicheren Hort des Daseins machte.

    Mit der Zeit wurden die Drachen zum Mythos. In der Ödnis, die der Feuerberg nach seinem infernalischen Ausbruch hinterließ, begannen wieder Bäume und Büsche zu wachsen. Dichter Wald stand jetzt dort, wo vormals die verbrannte Erde ihr schwarzes Gesicht zum Himmel reckte. Die Älteren erzählten sich wohl hinter vorgehaltener Hand noch schaurige Geschichten über die grausamen Kreaturen, doch selbst von ihnen hatte keiner jemals einen leibhaftigen Drachen zu Gesicht bekommen.

    Wie ein Gerücht, das von niemandem mehr weitergetragen wurde, schienen sie für immer von Algot verschwunden zu sein. Aber waren sie das tatsächlich? Oder schliefen sie nur, zusammen mit dem Vulkan, der sich nun schon so lange in tiefes Schweigen hüllte?

    Vor etwa vierzig Jahren behauptete ein Wachmann in Duyten, er hätte direkt über der Stadtmauer einen besonders großen Drachen erblickt und ihn mit einem gezielten Schuss aus seiner Armbrust verletzt. Man fand Blutspuren neben und hinter der Mauer, dunkelblau wie Schreibertinte. Doch traute sich niemand, nach dem verwundeten Geschöpf zu suchen. Viel zu groß war die Angst, es könnte noch am Leben sein und jemanden fressen.

    Seit damals hat sich kein Drache mehr in unseren Städten blickenlassen. Nicht einmal in der Nähe des Walls waren sie zu finden. Trotzdem blieben die Gesetze von König Reylo bis heute bestehen und die Menschen tun gut daran, sie einzuhalten. Das gilt besonders für euch, Kinder!

    Denkt immer daran, dass es die Drachen gibt und dass sie unvermindert auf Rache sinnen. Ihr mögt sie vielleicht nicht sehen noch hören. Das heißt noch lange nicht, dass ihr euch darauf verlassen könnt. Glaubt mir ruhig, diese Wesen sind mächtiger denn je, und sie leben sehr lange!"

    Der Erzähler nahm einen guten Schluck aus seiner Wasserflasche und wollte soeben fortfahren, doch wurde er durch eine Frage unterbrochen.

    „Aber du trägst ja alle vier Nähte, und dazu sogar die große Krone für die Königsstadt Reylo!", rief ein keckes Mädchen dazwischen.

    Die Kleine war wirklich clever und hatte offensichtlich gut aufgepasst, als er trank und sich der Saum des Ärmels verschob.

    „Ja, das ist richtig, ich habe alle Nähte von Algot. Werin, der jetzige König, erlaubte es mir, weil ich nun mal der Erzähler bin. Deshalb darf ich auch in jede Markstadt fahren, so wie die Kaufmänner, die königlichen Boten und die Soldaten", antwortete er dem Kind.

    Dessen Neugier war noch nicht gestillt. „Mein Vater hat mir gesagt, es gab früher noch eine fünfte Markstadt im Westen, die Tolkane hieß. Weißt du vielleicht etwas darüber?", fragte es weiter.

    „Nein, mein Kind, denn diese Stadt ist dem Feuerberg zum Opfer gefallen, als er das erste Mal ausbrach. Viele Einwohner kamen dabei ums Leben, und andere mussten flüchten. Jetzt liegt Tolkane tief vergraben unter Steinen und Asche. Deshalb, so denke ich, wird die Stadt diesertage nicht mehr in den Karten verzeichnet. Sie war auch nicht sehr groß. Die Gelehrten sind sich bis heute uneins, ob Tolkane überhaupt als Markstadt zu werten sei. Im Grunde lebten dort nur die Holzhändler und ein paar Ackerbauern."

    Es war dem Erzähler sichtlich unangenehm, den vorwitzigen Einwurf der Kleinen zu beantworten. Daher erschien es ihm klüger, ihr keine genaue Auskunft über die sogenannte Drachenstadt zu erteilen. Nicht wenige Leute glaubten daran, dass sich die mordlüsternen Kreaturen nämlich genau da niederließen, nachdem sie die Einwohner von Tolkane aus ihrer Stadt vertrieben oder getötet hatten. Auch der Erzähler selbst teilte die Meinung, dass es in den zerstörten Häusern Tolkanes nicht mit rechten Dingen zuging.

    „Sieht es eigentlich in den anderen Städten genauso aus wie hier?", wollte das Mädchen noch wissen.

    „Nun, ein paar Dinge gibt es, worin sie sich unterscheiden. Ratos ist als Hafenstadt viel größer als Lufond. Die großen Handelsschiffe fahren von da aus zum Festland und wieder zurück. Von Duyten weiß ich, dass sich die gut Betuchten ihre Häuser inmitten wunderschöner Gärten gebaut haben. Nie in meinem Leben sah ich so eine Pracht!

    In Begera, der kleinsten Markstadt, leben hingegen nicht so viele Menschen. Dennoch ist auch Begera vom Aufbau her in vier Querts unterteilt. Im inneren Quert wohnen die hohen Herren, die Ärzte und der Stadtmeister. Dann kommen die Händler und die Handwerker. Im dritten Quert hausen neben den Bauern und Gärtnern hauptsächlich die Fischer. Ihr wisst ja, Begera liegt recht nah am dunklen Meer. Und dann …"

    Er unterbrach seinen Satz, um kurz

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