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Gertrud Ihne. Kurt und Trudy. Die Reise Leben.: Aufgezeichnet von Helmuth Santler
Gertrud Ihne. Kurt und Trudy. Die Reise Leben.: Aufgezeichnet von Helmuth Santler
Gertrud Ihne. Kurt und Trudy. Die Reise Leben.: Aufgezeichnet von Helmuth Santler
eBook597 Seiten7 Stunden

Gertrud Ihne. Kurt und Trudy. Die Reise Leben.: Aufgezeichnet von Helmuth Santler

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Über dieses E-Book

Sie kennen Gertrud Ihne nicht? So geht es fast allen. Doch nur weil jemand nicht prominent ist, heißt das noch lange nicht, dass er nichts zu sagen hat. Nach drei Weltreisen, Dutzenden Jobs und einem Leben voller unerschütterlichem Optimismus gibt es sogar sehr viel zu sagen.

Erzählt wird die wahre Lebens- und Liebesgeschichte von Trudy aus Villach in Kärnten, die Anfang der 60er-Jahre ohne die geringsten Englischkenntnisse in die USA auswanderte und auf der Schiffsreise der Liebe ihres Lebens begegnete: Kurt, ein weltgewandter Deutschamerikaner, Ex-US-Marine und in der Raumfahrt-Zulieferindustrie tätig. Gemeinsam erfanden die beiden ihr abenteuerliches, extrem reiselustiges Leben mehrere Male neu: Ihre Liebe gab ihnen einen unverrückbaren Anker, dank dem die vielen Wendungen erst möglich wurden.

Eine Romanbiografie im Gewand einer Autobiografie, eine berührende Liebesgeschichte, viel Erstaunliches, aber auch Alltag und Arbeitstrott – ein "ganzes" Leben als Buch. So einzigartig wie jeder neue Tag.
SpracheDeutsch
HerausgeberTextmaker
Erscheinungsdatum26. Aug. 2013
ISBN9783843500524
Gertrud Ihne. Kurt und Trudy. Die Reise Leben.: Aufgezeichnet von Helmuth Santler

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    Buchvorschau

    Gertrud Ihne. Kurt und Trudy. Die Reise Leben. - Helmuth Santler

    Rot.

    Helmuth Santler

    Gertrud Ihne. Kurt & Trudy.

    Die Reise Leben.

    Ein E-Book vom Textmaker

    Juni 2011

    www.textmaker.at

    © Helmuth Santler, Gertrud Ihne

    Titel: Helmuth Santler: Gertrud Ihne. Kurt und Trudy. Die Reise Leben.

    Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise Verwertungen bleiben vorbehalten.

    Covergestaltung: www.leoladesign.net

    © Fotos: Gertrud Ihne (Backcover), Gabriele Heidegger (Portrait des Autors), Erika69 (Wikipedia – Statue of Liberty; bearb.), Quistnix CC-BY-SA (Holland-America-Line), Makemake CC-BY-SA (Bora-Bora), Thomas Schoch CC-BY-SA (Uluru)

    Satz: www.textmaker.at

    E-Book erzeugt mit calibre 0.8.6

    ISBN 978 385 391 2997 (Printversion)

    Für Kurt

    Eine biografische Reise

    Inhalt

    1.Kapitel: Wie alles begann

    2. Kapitel: Jahre in Villach

    3.Kapitel: Im Internat

    4. Kapitel: Erwachsen werden

    5. Kapitel: Ein neues Leben

    6. Kapitel: S. S. Maasdam

    7. Kapitel: New York City

    8. Kapitel: San Francisco, California

    9. Kapitel: Wurzeln schlagen

    10. Kapitel: Sündhaft schön

    11. Kapitel: Arbeitsschritte

    12. Kapitel: Auf nach Panama

    13. Kapitel: Multikulti im Großraumbüro

    14. Kapitel: Bedingungen

    15. Kapitel: Heimatgefühle und ein erster Streit

    16. Kapitel: Gunmen, Love, Peace & Happiness

    17. Kapitel: Honeymoon

    18. Kapitel: Across the Country

    19. Kapitel: Hello, (Lady) Liberty

    20. Kapitel: Die alte Welt

    21. Kapitel: Back and There Again

    22. Kapitel: Recross the Country

    23. Kapitel: Eine Menge Arbeit

    24. Kapitel: Sesshaft werden

    25. Kapitel: 25241 Campo Rojo, El Toro, California

    26. Kapitel: Goin’ North

    27. Kapitel: Besuch aus der Heimat

    28. Kapitel: Von Schulbänken und Schiffsbänken

    29. Kapitel: Reise um die Welt

    30. Kapitel: Rückkehr ins gelobte Land

    31. Kapitel: Besuch aus der Heimat II

    32. Kapitel: The Administrator

    33. Kapitel: Down Under in die 80er

    34. Kapitel: Viel Arbeit und ein Stück vom Paradies

    35. Kapitel: Weltreise nach Kärnten

    36. Kapitel: Feste, Freude, Fahnenfetzen

    37. Kapitel: Die Enterprise-Episode

    38. Kapitel: Eine Runde durch Europa

    39. Kapitel: Die Nomaden-Episode

    40. Kapitel: Kimberley Mobile Home Estates

    41. Kapitel: Das Ende der Reise

    Epilog

    1. Kapitel: Wie alles begann

    „Warte, Brigitte!"

    Meine Begleiterin auf der großen Reise, die gerade im Begriff war, die Schiffstreppe zu den Decks der S. .S. Maasdam zu betreten, drehte sich um und sah mich fragend an. „Was ist denn, Trudy?"

    Ich blickte zurück und ließ den Sturm an Gefühlen, der in mir tobte, in meine Augen gelangen. Die wurden prompt feucht, aber das war mir völlig egal. Der Moment war tatsächlich gekommen! Genau in dieser Sekunde, einen Schritt vor dem Verlassen des europäischen Festlands, wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, dass nichts mehr so sein würde, wie es einmal war. Mein Leben in der Form, wie ich es kannte, ging in diesem Augenblick zu Ende, und ich erinnerte mich …

    *****

    Meine Geschichte begann am 11. September 1942 in Villach in Kärnten. An diesem Tag, einem sonnigen Freitag, brachte mich meine Mutter, Aloisia Pöheim, kurz vor der Mittagsstunde in meinem Elternhaus zur Welt. Obwohl ich ein sonniges Wesen für meinen Lebensweg in die Wiege gelegt bekam, war die Geburt selbst für meine Mutter eine schwere Prüfung. Sie erlitt einen Blutsturz, und nur das beherzte Eingreifen einer Nachbarin bewahrte sie vor dem Schlimmsten. Die war glücklicherweise auf die Idee gekommen, die „Loisi", wie meine Mutter von meinem Vater gerufen wurde, kurzerhand auf den Kopf zu stellen, um ein Verbluten zu verhindern. Dann kam auch schon mein Papa angerannt; ein anderer Nachbar hatte ihn von seinem Dienst als Heizer bei der Österreichischen Bundesbahn, die damals ein Teil der Deutschen Reichsbahn war, geholt. Viel konnte er aber natürlich auch nicht ausrichten. Zum Glück hatte dann endlich die Hebamme Erfolg und kam mit einem Arzt zurück, der die Sache in die Hand nahm, sodass sich alles zum Guten wendete.

    Ich wusste nichts von der schwierigen Lage, in der sich die Welt befand, und von den Schmerzen, die ich meiner Mutter bereitet hatte. Schon am Tag meiner Geburt strahlten meine Augen frech und lebenslustig; so hat es mir zumindest mein Papa, der Schuhmachermeister Rupert „Pertl" Pöheim, erzählt. Vielleicht hat sich auch nur sein Strahlen in mir gespiegelt, denn nach zwei Söhnen (Pertl jun. war damals 9, der kleine Willi 5 Jahre alt) hatte er sich sehnlichst ein Töchterchen gewünscht.

    Wir lebten damals in einer kleinen Wohnung in Neulandskron bei Villach. Im Keller des Hauses hatte sich mein Vater seine Schuhmacherwerkstätte eingerichtet, aber die Not der Zeit hatte es Mitte der 1930er Jahre notwendig gemacht, diesen Beruf an den Nagel zu hängen. 1935 waren die Geldsorgen meiner Eltern so drückend geworden, dass es aussah, als müssten sie den Weihnachtsabend ohne Christbaum, ohne Weihnachtsessen und ohne ein Geschenk für den zweijährigen Rupert verbringen. Dann kam um die Mittagszeit ein Kunde, um seine Schulden zu bezahlen, und so marschierte die junge Familie in die Stadt und kaufte einen Weihnachtsbaum, ein Geschenk für den Kleinen und Fleisch für den Weihnachtsteller. Es wurde eines der schönsten Weihnachtsfeste, die meine Eltern je erleben durften; da niemand Geld hatte, kam es schon einem Wunder gleich, wenn überhaupt jemand seine Schuhe bezahlte, und dass dieses seltene Ereignis ausgerechnet im Augenblick der schlimmsten Not wenige Stunden vor dem Heiligen Abend eintraf, war nichts anderes als ein Gottesgeschenk.

    Mit solch einzigartigen Geschenken konnte man freilich keine Familie ernähren. Arbeit hätte es mehr als genug gegeben, schließlich wurde gutes Schuhwerk zu allen Zeiten gebraucht, aber meinem Vater wurden nicht mehr als 3,5 kg Sohlenleder pro Monat zugestanden. Er hatte sich stets geweigert, sich irgendeiner Partei anzuschließen, und bezahlte jetzt die Rechnung für seinen Wunsch nach Unabhängigkeit. Mit Sohlenleder allein konnte er natürlich keine Schuhe herstellen und war daher gezwungen, sich als reiner Flickschuster zu betätigen. Das wäre an sich vielleicht noch gar nicht so schlimm gewesen: ein Paar neuer Schuhe kostete damals mehr als 30 Schilling, eine Summe, von der ein Mensch gut einen Monat leben konnte. Daher waren neue Schuhe ein Luxus, den sich so gut wie niemand leisten konnte, und die Reparaturen meines Vaters waren äußerst gefragt. Nur kam er mit dem wenigen Sohlenleder nie aus. Dennoch: Hätten die vielen Kunden bei Abholung gleich oder wenigstens irgendwann überhaupt ihre Schulden bezahlt, wäre die Rechnung vielleicht aufgegangen, aber so war es einfach nicht. Also schloss Rupert Pöheim eines Tages seine Werkstätte und verdingte sich fortan als Heizer bei der Bahn. Eine schwere Arbeit, der er 60, 70 Stunden in der Woche nachging, aber immerhin wurde er jetzt vom Staat bezahlt, und das Geld trudelte regelmäßig ein: etwa 100 Schilling im Monat reichten aus, um die mittlerweile vierköpfige Familie (1937 war mein Bruder Willi zur Welt gekommen) durchzubringen.

    Bis zu meiner Geburt war aber alles noch viel schlimmer geworden. Mit dem Anschluss an das Deutsche Reich kam die Reichsmark und verdrängte den „Alpendollar", wie der Schilling wegen seiner enormen Stabilität genannt wurde. Der Wechselkurs betrug 1,50 Schilling für eine Reichsmark, womit den frisch angeschlossenen Ostmärkern ein ziemlich schlechtes Geschäft aufgezwungen wurde. Das wenige Geld war mit einem Schlag noch weniger wert geworden.

    Wenigstens ging mein Vater als Heizer einem kriegswichtigen Beruf nach – und hatte immer Zugang zu Kohle, was sich in den kälter und kälter werdenden Kriegswintern als wahrer Segen entpuppte. Auch gab es noch den Bauernhof meiner Großmutter mütterlicherseits in Feffernitz im Drautal, knapp 20 km nordwestlich von Villach.

    Der wurde für meine Familie in den letzten Kriegsjahren sehr wichtig, nachdem sich 1943 folgende Szene abgespielt hatte:

    Mein Vater öffnet auf ein Klopfen hin die Tür. Draußen steht ein Parteigänger der NSDAP.

    „Rupert Pöheim, Lokomotivheizer bei der Deutschen Reichsbahn?" fragt der.

    Mein Vater nickt und schaut den Mann misstrauisch an.

    „Ihr ältester Sohn ist dito ein Rupert Pöheim, geboren 1933?"

    Mein Vater nickt erneut und sagt noch immer nichts.

    „Herr Pöheim, Ihr Sohn ist jetzt alt genug, um dem Deutschen Jungvolk in der Hitler-Jugend beizutreten. Ich habe Ihnen das notwendige Formular gleich mitgebracht. Bitte füllen Sie es aus und lassen Sie es von Ihrem Sohn unterschreiben. Wenn er hier ist, warte ich gerne ein paar Minuten."

    Mein Vater nimmt den braunen Zettel entgegen und starrt auf die „Eintrittserklärung: „Hierdurch erkläre ich meinen Eintritt in die Hitler-Jugend. Ich bin deutscher Abstammung und verspreche durch eigenhändige Unterschrift, die Bewegung als aufrichtiger Deutscher entsprechend der nationalsozialistischen Weltanschauung … liest er und merkt erst, nachdem er aufgehört hat, dass er laut gelesen hat.

    Er sieht dem Nazi fest in die Augen und reicht ihm den Zettel zurück. „Ich halte nichts davon, sagt er, und der stramme Parteisoldat reißt völlig überrascht die Augen auf. „Ich habe meinen Sohn bisher auf meine eigene Weise erzogen und gedenke dies auch weiterhin zu tun.

    Der Blick des Mannes hat jede Spur von Freundlichkeit verloren. „Sie, Pöheim, sagt er drohend, „werden sich noch wundern. Sie haben 24 Stunden Zeit, um zur Besinnung zu kommen. Andernfalls müssen Sie die Konsequenzen tragen. Damit macht er schneidig auf dem Absatz kehrt und stapft davon.

    Mein Vater hat sich natürlich nichts anders überlegt; immerhin war es auch nicht verpflichtend gewesen, dem der Hitler-Jugend angegliederten Jungvolk der 10- bis 14-Jährigen beizutreten, anders als bei der eigentlichen Hitler-Jugend der 15- bis 18-Jährigen. Aber auch der Nazi hatte keine leeren Drohungen ausgesprochen: Statt meines Bruders geriet mein Vater selbst in die Fänge der Braunhemden. Bald nach dem Vorfall kam der Einberufungsbefehl, und am 1.1.1944 rückte Rupert Pöheim sen. in Lienz ein, von wo aus er an die Front in der Normandie geschickt wurde. Da half ihm auch nicht mehr, dass der Führer höchstpersönlich ihm einmal die Hand geschüttelt hatte. Hitler hatte damals den Zug, in dem mein Vater als Heizer gefahren war, am Semmering anhalten lassen. Dann war er zur Lok gegangen und hatte den beiden „Helden der Arbeit, dem Lokführer und dem völlig verrußten Heizer, seine Aufwartung gemacht. Von propagandistisch wirksamen Auftritten verstand er wirklich etwas – und davon, wie man die Hand an den Puls des „gesunden deutschen Volkskörpers legte. Meinen Vater hat die Begegnung aber nicht von seiner Skepsis gegenüber allen Parteien und ganz besonders den Nazis befreit; wahrscheinlich ist es sein Glück gewesen, dass Hitler unter dem ganzen Dreck seinen Gesichtsausdruck nicht so richtig erkennen konnte.

    So oder so, mit der Wende im Kriegsgeschehen 1943 und der sich immer deutlicher abzeichnenden Niederlage Hitlerdeutschlands wurde das Elend in den Krieg führenden Ländern, Deutschland samt der „Ostmark", immer größer; die Versorgung brach zusammen, die Bombenangriffe auf die nationalsozialistischen Kernlande begannen, und der Führer in die Katastrophe mobilisierte die allerletzten Reserven. Mein Vater konnte meinem Bruder den vormilitärischen Drill bei der HJ ersparen, den Preis dafür hätte er wohl in jedem Fall zahlen müssen.

    Meine Mutter beschloss, die Zeit ohne ihren Mann im Haus ihrer Familie zu verbringen – eben bei Oma Christine am Feffernitzer Bauernhof. Dort drängten sich zwar schon alle zusammen, aber in Zeiten der Not schaffte man alles – irgendwie. Von den 7 Kindern war ich das jüngste – ein zwei Jahre alter Sonnenschein, von allen geliebt und verhätschelt. Es war natürlich ein Segen, so jung zu sein – ich bekam von den Schrecknissen der Zeit einfach nichts mit und ließ mir nie die gute Laune verderben (das kam erst später, wenn ich beim „Mensch, ärgere dich nicht!" verlor).

    Der Hof blieb auch tatsächlich verschont; zwar gab es immer wieder Fliegeralarm, bei dem wir dann alle, auch die Nachbarn, in den eigens gebauten Luftschutzkeller flüchteten. Taghell sei die Nacht erleuchtet gewesen, und die Bomben hätten wie fliegende Christbäume ausgesehen, haben mir meine Brüder erzählt. Auch tagsüber fielen die Bomben, sogar Viehweiden wurden in die Luft gesprengt. Dabei ging es wohl um die Vernichtung der Lebensmittelversorgung, wenn sich mal wieder eine Kuh in Fleischfetzen verwandelte. Aber das waren immer die Kühe von jemand anderem; „mein" Bauernhof, mit dem ich so viele glückliche Kindheitserinnerungen verbinde, blieb völlig heil. Und das, obwohl das ganze Drautal von dem Bombardement der alliierten Streitkräfte betroffen war.

    So sehen zumindest meine ersten Erinnerungen aus oder das, was ich dafür halte – schließlich feierte ich in der schlimmsten Zeit gerade erst meinen 2. Geburtstag. Wahrscheinlich waren sämtliche Bomben, die im oberen Drautal niedergingen, einfach Irrläufer, denn im Zentrum der Angriffe stand natürlich Villach. Als strategisch immens wichtiger Verkehrs- und vor allem Eisenbahn-Knotenpunkt, an dem sich die Bahnverbindungen mit Wien, Deutschland, Italien und dem Balkan trafen, stand die Stadt ab 1944 unter Dauerbeschuss. In 39 Angriffswellen warfen die Alliierten über 40.000 Bomben auf Villach und beschädigten fast 90 Prozent der Gebäude. Große Teile der Innenstadt und der Bahnhofsgegend, an die 500 Häuser, wurden vollständig zerstört. In Österreich bekam nur Wr. Neustadt noch mehr Bombenlast ab.

    So war es jedes Mal ein banger Moment, wenn meine Mutter nach Neulandskron fuhr, um in der Wohnung nach dem Rechten zu sehen. Die erste Zeit überstand das Haus aber alle Bombenangriffe unbeschädigt; zum Glück lag Neulandskron doch deutlich außerhalb des Stadtkerns. Ich, das Nesthäkchen, war bei diesen Villach-Fahrten immer dabei. Im Zug trafen wir oft auf Soldaten, und da meine letzte Erinnerung an meinen Vater die an einen Mann in Uniform war, vermutete ich erstmal in jedem Soldaten meinen schmerzlichst vermissten Papa. Ich sprach auch jeden Soldaten mit „Papa!? an; es sollte aber eine Weile dauern, bis endlich einer darauf so reagierte, wie ich es mir vorstellte: Die Kompanie meines Vaters war nach dem Verlust der Normandie nach Aachen verlegt worden, wo er eine schwere Kriegsverletzung am Bein davontrug. Man schickte ihn auf Heimaturlaub; meine Mutter war völlig zerrissen, ständig hatte sie um das Leben ihres Mannes gefürchtet, so viele waren von der Front nie mehr nach Hause gekommen. Jetzt stand er endlich, lebendig, vor ihr, war aber so schwer verletzt, dass er wohl nie mehr normal würde gehen können. Das alles kümmerte mich nicht, ich sah nur einen Mann in Uniform, also ließ ich wieder einmal mein halb fragendes, halb flehendes „Papa?! ertönen. Und dieses Mal kam der Mann auf mich zu, hob mich hoch und drückte mich an sich. „Ja, mein Mädchen, sagte er. „Ich bin dein Papa. Ich bin wieder zu Hause. Jetzt wird alles gut.

    Er sollte recht behalten, obwohl der Familie noch einige Wochen in Angst und Jahre der schlimmsten Not bevorstanden. Denn noch war der Krieg nicht zu Ende, und ich hatte meinen Papa nur ein paar Wochen für mich. Er wurde noch einmal zu seiner Kompanie in Lienz geschickt. Dann aber, im Mai 1945, kapitulierten die Nazis endgültig und ergaben sich den Alliierten. Meine Familie hatte noch Glück gehabt – bis auf meinen Onkel Matthias, den Bruder meiner Mutter, waren alle aus dem Krieg zurückgekehrt. Eine Zeitlang täuschte uns die Freude über das Wiedersehen und das Ende von Angst, Gewalt und Tod über das grauenvolle Elend hinweg, in das die Nazis und wir uns selbst gestürzt hatten. Dann holte uns alle der Alltag wieder ein – und der bestand aus einer zertrümmerten Stadt, unzähligen Obdachlosen, Vermissten, Verletzten, Invaliden, Toten, geistig und seelisch Traumatisierten, zerrissenen Familien, zerstörten Hoffnungen, Verzweiflung, Kummer und Schmerz – und Lebensmittelkarten, deren magerer Erlös nicht reichte, um den nagenden Hunger zu vertreiben, der besonders die Städter und die Kinder furchtbar quälte. 1946, habe ich nachgelesen, erhielt der normale Bezieher 350 Gramm Brot zugeteilt – für 14 Tage. Einmal mehr hatten wir es besser, denn obwohl die schlimmste Not der unmittelbaren Nachkriegszeit die Regierung zwang, von den Bauern weiterhin die von den Nazis eingeführten, ausbeuterischen Abgabequoten zu erfüllen, weshalb auch die Angehörigen des „Nährstandes" alles andere als im Überfluss lebten, half es natürlich ungemein, einen direkten Draht zu einer Landwirtschaft zu haben.

    So kehrten wir also vergleichsweise guten Mutes zu fünft nach Neulandskron zurück; auch der Umstand, dass mein Vater kein Mitglied der NSDAP war, ließ uns jetzt hoffen. (Allerdings zählte er damit zur Minderheit: mehr als die Hälfte der Kärntner Bevölkerung war der NSDAP beigetreten, Kärnten war das österreichische Nazi-Land schlechthin. Noch vor dem Eintreffen der britischen Besatzungsarmee war in Kärnten wieder eine provisorische Landesregierung eingesetzt worden – bezeichnenderweise unter Führung von Hans Piesch, einem Sozialdemokraten mit NS-Parteibuch, der damit wohl den Grundstein für das Kärntenklischee mit dem Punschkrapferl¹ legte. Immerhin: Er hielt sich nur wenig mehr als ein Jahr.)

    Von weitem schien alles in Ordnung zu sein, und wir freuten uns sehr, zu den wenigen Glücklichen zu gehören, deren Häuser unbeschädigt geblieben waren. Feierlich reichte meine Mutter meinem Vater die Schlüssel; das Familienoberhaupt sollte uns in unser altes Leben geleiten. Er öffnete die Tür und wir Kinder stürmten begeistert hinein.

    Mein Vater sah meiner Mutter liebevoll in die Augen. „Darf ich bitten, Frau Pöheim? fragte er lächelnd. „Aber gern, Herr Pöheim. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause. Die beiden traten über die Schwelle und blickten sich vorsichtig um, so als könnte doch noch jeden Augenblick ein Inferno über sie hereinbrechen. Dann erreichte Rupert sen. das Schlafzimmer – und erstarrte.

    „Loisi, rief er über die Schulter meiner Mutter zu, „schaff sofort die Kinder wieder hinaus. Hier liegt ein Blindgänger. Der kann jeden Moment hochgehen.

    Eine der letzten Bomben des Kriegs hatte das Dach des Wohnhauses und die Decke des Pöheimschen Schlafzimmers durchschlagen, um dann sanft in einem vollen Wäschekorb zu landen. Schwarz, gedrungen und drohend lag sie nun darin – eine Fliegerbombe.

    „Die kann ich unmöglich alleine bewegen, erklärte mein Vater. „So eine wiegt wahrscheinlich 100 kg oder mehr, außerdem ist der Zünder scharf und jede Unachtsamkeit … Es gab keinen Grund, den Satz zu Ende zu sprechen.

    Ruckartig drehte er sich um; Loisi erschrak ein bisschen, weil sie noch nie zuvor das Soldatengesicht ihres Mannes gesehen hatte – und glücklicherweise auch nie wieder sehen würde. In diesem Moment aber funktioniert mein Vater ganz automatisch. Während meine Mutter meinen 12-jährigen Bruder Pertl davon abzubringen versuchte, ins Zimmer zu rennen und „Bombe zu schauen", und dabei mich und Willi im Auge behielt, humpelte mein Vater aus der Wohnung, um die Bombenbergung in die Hand zu nehmen. Wahrscheinlich war das der einzige Moment in seinem Leben, in dem er seinem überstandenen Kriegseinsatz etwas Positives abgewinnen konnte; so wusste er zumindest im Prinzip, was zu tun war.

    Nach dem Zusammenbruch der Wehrmacht, dem Einsetzen der provisorischen Landesregierung am 7. Mai 1945 und dem Eintreffen der Briten am 8. Mai waren zwar viele Zuständigkeiten unklar, aber für das absolut unaufschiebbare Problem der vielen Blindgänger hatte die seit dem 27. April amtierende, provisorische österreichische Staatsregierung sofort einen Entminungsdienst eingesetzt, der dem Innenministerium unterstellt war. An den wandte sich mein Vater jetzt. Es dauerte nur ein paar Stunden, bis die Männer vor Ort waren. Sämtliche Nachbarn mussten das Haus verlassen, dann wurde der Zünder von den Sprengstoffexperten fachgerecht entschärft. Der Rest stellte keine Gefahr mehr dar; mit Hilfe von Tragegurten schleppten vier Männer die Bombe aus dem Haus.

    Danach begann die Zeit des Wiederaufbaus. Aus den Geschichtsbüchern ist bekannt, dass vor allem die beiden ersten Nachkriegsjahre eine furchtbare Zeit dauernder Entbehrung gewesen sind. Die Kinder litten am schlimmsten unter dem Mangel an einfach allem: es fehlte an Essen, vor allem an Brot und Mehl, Fett, Zucker und frischem Obst und Gemüse; es gab zu wenig Kleidung, zu wenig Schuhe, zu wenig Heizmaterial. Viele wurden zu Gastfamilien in die Schweiz gebracht, um wieder zu Kräften zu kommen. Erwachsene hatten es auch nicht leichter – sie mussten zu allem physischen Leid auch noch irgendwie mit dem bewusst erlebten Trauma des Krieges fertig werden. Das zerriss vielen die Seele, wenn sie überhaupt noch eine heile Seele hatten.

    Zu den kranken Seelen gesellte sich jetzt auch noch ein ideologisches Dilemma: Obwohl die Alliierten das Ende des Krieges gebracht hatten, fühlten die Menschen sich von den Briten nicht befreit, sondern besetzt; die Fremden wurden als Bedrohung erlebt, sie verhinderten ein selbständiges Österreich. Das entsprach im Grunde auch den historischen Tatsachen: Die Alliierten hatten durch und durch nationalsozialistisches Kernland übernommen, nachdem sie den Feind besiegt hatten. Der Feind, die Nazis, konnte sich schwerlich „befreit fühlen, war er doch unleugbar „besiegt worden. Und die Kärntner Bevölkerung war ja mehrheitlich nationalsozialistisch, sogar mit Parteibuch, gewesen.

    Auch wenn der Villacher Bürgermeister 1945 ein Englisch-Lehrbüchlein herausgab, das mit den Worten We are Austrians and wish to learn begann, hatte offenbar kaum jemand ein wirkliches Interesse daran, etwas zu lernen. Auf die Idee, die Nazis zu beschuldigen, kamen die wenigsten. Denn das hätte bei den bestehenden Verhältnissen ja nichts anderes bedeutet, als die eigene Schuld, die eigene Beteiligung am Naziterror anzuerkennen. Statt zu versuchen, für diese unfassbare Schande tätige Reue zu zeigen, sich in Demut zu üben und damit zu beginnen, das Land zu entnazifizieren, wurde als Erstes eines der vielen Kärntner NS-Parteimitglieder zum neuen Landeshauptmann. Der begann, wie ganz Österreich, eifrig damit, an der Opferthese zu arbeiten: Österreich sei, schuldlos, als erste Nation von den Nazis annektiert worden. Das gelang bis in höchste politische Ebenen nach außen hin ganz ausgezeichnet, und auch sehr viele Menschen wollten gerne daran glauben. Seelen aber lassen sich nicht (selbst) betrügen; sie wussten ganz genau, dass viele von ihnen Täter waren und sich nur deshalb als Opfer darstellten, um sich nicht der eigenen Schuld und Verantwortung stellen zu müssen. Die Angst davor, sich selbst zu betrachten, aus Furcht vor dem, was dabei sichtbar werden könnte, ist geradezu die alpenländische Erbsünde.

    *****

    Ich war im Besitz der Gnade der ausreichend spät Geborenen, um von den Kriegsgräueln bewusst nichts wahrgenommen zu haben, und auch meine ersten eigenen Erinnerungen sind die an eine heile Welt: Ich liege im Heu und sehe durch die Dachluke der Tenne den Wolken zu; ich sitze mit anderen Kindern auf dem Heuwagen, der von Schwarzl, unserem Pferd, zum Hof gezogen wird; ich erinnere mich an die friedliche Stimmung, wenn meine Lieben sich an lauen Sommerabenden unter der Linde einfanden, um den arbeitsreichen Tag ausklingen zu lassen, und an die Lieder, die dabei gesungen wurden.

    Wir hatten es nicht schlecht getroffen: Wenn wir nicht ohnehin am Hof mit anpackten, kam uns unsere Großmutter immer wieder mit einem Rucksack beladen in der Stadt besuchen und versorgte uns mit Lebensmitteln. Mein Vater, der wegen seiner Beinverletzung nicht mehr als Heizer arbeiten konnte und daher auch seinen Traum, einmal als Lokführer fahren zu können, aufgeben musste, wurde dennoch von der nun wieder Österreichischen Bundesbahn beschäftigt – als Schuster. Mit Essen waren wir also vergleichsweise gut versorgt, und darauf, dass jeder von uns ein Paar ordentliche Schuhe hatte, schaute mein Vater. Als er wenig später die Führung und Verwaltung eines Kohlenlagers übertragen bekam, verdiente er zwar noch immer sehr wenig, aber dafür war er an der Quelle für Heizmaterial, das war in den beiden ersten Nachkriegswintern allemal wichtiger als bares Geld.

    Die Entbehrungen in meinen frühen Jahren waren also nicht ganz so schrecklich wie bei vielen anderen; das änderte freilich nichts an dem Klima allgegenwärtiger Todesangst, in dem ich mindestens eineinhalb Jahre vor meinem dritten Geburtstag verbracht hatte. Die Angst verkörperte sich in Gestalt vom Schwarzl, der, wenn er nicht gerade gehorsam den Heuwagen zog oder seine mächtigen Flanken in das Pfluggeschirr legte, oft wie ein wildes Tier auf uns Kinder losging und mir einen ungeheuren Schrecken einjagte. Mir als 2-, 3-jährigem Zwergerl erschien das große Pferd wie ein galoppierender, stampfender schwarzer Berg, der unaufhaltsam auf mich zuraste und mich zu zermalmen drohte. Bis heute fürchte ich mich vor Pferden.

    Dann gab es noch den Nachbarshund, der mich mehr als einmal am Hintern erwischte, weil ich es nicht lassen konnte, die verbotene Abkürzung über den Zaun zu nehmen. Klar hat er nie richtig zugebissen, aber mich hat das auch so jahrelang total eingeschüchtert. Vor Hunden habe ich aber keine Angst, ich würde es eher gehörigen Respekt nennen. Vielleicht liegt das daran, dass die Bedrohung durch den Nachbarshund ganz real war – und ich sie letztlich unbeschadet überstanden habe. Die Angst vorm Schwarzl fand hingegen in meinem Kopf statt – ich konnte mich ihr nie stellen und sie daher auch nie überwinden. Der Schwarzl war für mich wie der Tod: dunkel, unberechenbar, gigantisch groß, unbesiegbar und unvermeidlich. Und immer bereit, in jeder Sekunde zuzuschlagen. So klein ich auch gewesen sein mag: Diese Tatsache des Lebens hatte ich viel zu früh und viel zu brutal vor Augen geführt bekommen – mit jedem Bombenangriff, jeder Explosion, jeder zerrissenen Kuh auf der Weide, jedem Schutthaufen, zu dem so viele Häuser in Villach geworden waren. In diesem Sinn war mir ein wichtiger Teil meiner frühesten Kindheit geraubt worden: Kinder bis mindestens 6, 7 Jahren sind unsterblich. Sie wissen nichts vom Tod und brauchen auch nichts davon zu wissen. Sie sind unsterblich, weil sie sich so fühlen. Nicht bewusst oder reflektiert, aber auch keinesfalls durch Verdrängung der Tatsache, dass jedes menschliche Leben endet. Sie leben einfach, und das ist das Einzige, was es gibt. Ein Ende des Seins existiert in ihrer Welt nicht. Deshalb erfahren sie täglich die Ewigkeit, in deren Takt sie sind. Wenn nun aber ein kleines Kind ständig mit Tod und Zerstörung konfrontiert wird, kann nicht verhindert werden, dass dieses paradiesische Weltbild Sprünge bekommt. Und genau so ist es mir ergangen.

    2. Kapitel: Jahre in Villach

    Nur gut, dass ich ein so sonniges Gemüt hatte. Das und die friedliche Zeit, die nun folgte, heilten viele meiner Wunden, die der Krieg in meine kindliche Seele geschlagen hatte.

    Es gab enorm viel zu tun – für uns Kinder hieß das: Arbeit am Bauernhof. Wir machten alles, wir halfen beim „Heugen", beim Heu machen, beim Brot backen, beim Getreide dreschen und beim Obst verarbeiten. Davon gab es jede Menge: verschiedene Apfelsorten, Birnen, Zwetschken, Weintrauben, Marillen und Kriecherl, wie man in Kärnten zu den Ringlotten sagt. Damals wurde natürlich alles verarbeitet, das Obst wurde getrocknet oder zu Kompott oder Marmelade verkocht. Wir Kinder bekamen den Süßmost zu trinken, die Erwachsenen hielten sich an den Most, außerdem wurde viel Schnaps gebrannt.

    Furchtbar war das Schweineschlachten im Winter. Den Moment, in dem der Bauer dem Tier die Kehle aufschlitzte, sollten wir gar nicht mitbekommen, aber wir schauten durch eine Luke aus dem Haus zu. Die Säue wussten immer, was geschehen würde, denn sie quiekten und schrien in Todesangst bis zum Geht-nicht-mehr. Dann blitzte kurz eine Klinge auf, und an die Stelle der panischen Schweinelaute trat eine plötzliche merkwürdige Stille, nur für einen kurzen Moment, irgendwo zwischen Leben und Tod.

    Gleich war es vorbei, und die totale Geschäftigkeit brach aus. Als erste war meine Großmutter da und fing das Blut, das aus der Schweinekehle schoss, in einem Eimer auf, für die Blutwurst. Nach dem Ausbluten wurden die Borsten entfernt – das machte man mit viel kochend heißem Wasser und Ketten, mit denen die tote Sau abgeschrubbt wurde. In der Mitte aufschlitzen, Gekröse und Innereien entfernen, zwei Schweinehälften zur Weiterverarbeitung aufhängen.

    Auch wir Kinder waren mittlerweile wieder im Einsatz: Unsere Aufgabe war es, die Därme zu säubern. Dazu schabten wir sie mit eigenen Holzschabern ab und drehten sie von innen nach außen.

    Das war eine ziemlich grausliche Arbeit, aber wir wussten natürlich auch, wozu wir sie erledigten: Die Selchwürste, die meine Großmutter damit herstellte, waren die besten Selchwürste der Welt. Der Geruch der Selchkammer direkt bei der Küche liegt mir noch heute in der Nase. Wochenlang duftete es, bis dann irgendwann der Zeitpunkt gekommen war, an dem es ganz frische Selchwürste und natürlich unseren wunderbaren Speck zu essen gab.

    Fließendes Wasser aus der Leitung kannten wir nicht; im Hof gab es einen Ziehbrunnen. Das Heraufpumpen des Wassers für den Haushalt und das Tränken der Kühe und des Pferdes gehörten auch zu den Kinderarbeiten. Die Milch der Kühe wurde natürlich ebenfalls restlos verwertet. Nur ein kleiner Teil wurde frisch verwendet oder verkauft; der Großteil wanderte in die Milchmaschine, die den Rahm abtrennte, aus dem wir dann die Butter trieben. Das geschah in einem Butterkübel, den man mit einer Kurbel bediente. Der Rahm wurde geschlagen, so wie man Schlagobers schlägt, nur wurde beim Buttern nicht alles gleichmäßig steif. Das Kurbeln wurde immer schwerer und schwerer, bis es fast nicht mehr zu schaffen war, und plötzlich wieder ganz leicht. Dann wusste man, die Butter ist fertig. Die Klumpen, die im Butterkübel in der Buttermilch schwammen, kneteten wir in Holzmodeln hinein, die die Form eines Edelweißes in die fertige Butter prägten. Die wurde in Butterpapier gewickelt und in die Speisekammer gebracht. Wir hatten mehr Butter, als wir brauchten, und konnten auch davon einen Teil verschenken oder verkaufen.

    Die Buttermilch schmeckte uns ganz wunderbar, besonders wenn es alles frisch gab: Brot, Butter und Buttermilch. Manchmal blieb etwas übrig, das erhielten dann wie alle anderen Reste die Schweine.

    Ein großer Teil der Milch wurde in einer riesigen Schüssel stehen gelassen, bis sie nach ein paar Tagen sauer wurde, dann konnte man Topfen daraus herstellen. Der füllte z. B. unsere geliebten Kasnudeln oder diente, wenn er schon ziemlich reif war, als Grundlage für den Gelundenen Käse. Für diesen gekochten Käse wird Topfen in der Pfanne geröstet (was auf bayrisch „linden" heißt), gesalzen und mit Kümmel gewürzt.

    Meine liebste Arbeit am Bauernhof hatte mit den Hühnern zu tun. Eier holen war schon nett, aber wenn es darum ging, die frisch geschlüpften Küken vor den Katzen zu schützen, kam ich mir besonders wichtig und erwachsen vor.

    Nach und nach spielte sich alles wieder ein, und ich verlebte eine unbeschwerte Kindheit im Kreis meiner harmonischen Familie. Nur im Winter 1946 passierte etwas Schlechtes: Ich hatte Masern und hütete mit hohem Fieber das Bett. Meine Mutter musste mich kurz alleine lassen, um einkaufen zu gehen, ließ aber den Wohnungsschlüssel außen stecken, falls mich jemand besuchen würde. Tatsächlich kam eine Freundin vorbei, die Ulli, und verkündete: „Trudy, machen wir das Fenster auf, es schneit so schön." Und das taten wir dann. Begeistert stand ich in meinem Nachthemd, bloßfüßig, heftig fiebernd und nass geschwitzt, in der eiskalten Luft und schaute den Flocken zu, die es auf mich wehte. Meine Mutter ließ einen Schrei fahren, als sie mich so sah, und brachte alles in Windeseile wieder in Ordnung, aber es war schon zu spät – ich bekam eine Mittelohrentzündung, die nie mehr richtig ausheilen sollte. Obwohl meine Mutter mich jahrelang einmal in der Woche zu einem Arzt in Klagenfurt brachte, leide ich bis heute unter den Folgen.

    Sonst war alles wunderbar. Neulandskron liegt am Südrand des Waldes am Kumitzbergl, das ist heute nicht anders als damals. Heute liegt der Vorort allerdings am Stadtrand von Villach, damals standen hier nur ein paar einfache Häuser ohne direkte Anbindung an irgendwas – ein kleines Nest für sich. Alle interessanten Wege führten durch den Wald: der zum Vassacher See im Nordwesten, in dem ich schwimmen lernte und unzählige herrliche Badetage verbrachte; der zum Gasthof Marinscheck im Osten, wohin uns mein Vater viele Sonntagvormittage hinführte, während die Mama zu Hause das Mittagessen vorbereitete; und der zu den herrlichen kleinen Seen im Südosten, dem Grünsee, dem Fleetsee, dem Ziegelteich und dem St. Magdalener See. Dorthin ging es allerdings zuerst ein Stück weit über freies Feld, bevor der Wald anfing. An diesem Weg ist die auffälligste Veränderung in den vergangenen 60 Jahren festzumachen: der Autoverkehr. Der war damals einfach nicht vorhanden. Heute bildet die B94 den „Rahmen von Neulandskron, die Umfahrungsstraße führt in einer großen Kurve um den ganzen „Spielplatz meiner Kindheit, den Wald im Norden und den Vassacher See im Nordwesten. Will man zum Grünsee im Südosten, muss man die hier vierspurige Bundesstraße überwinden. Hinter den St. Magdalener See in dieser Richtung wurde der Autobahnknoten Villach gebaut, die Kreuzung von Tauern- und Südautobahn. Dort hat gewissermaßen die vollständige Umkehrung stattgefunden: Während alles Land hier noch vor 60 Jahren den Menschen gehörte, ist es heute im Alleinbesitz des Autos. Und es geht um alles andere als wenig Fläche: Der Autobahnknoten verbraucht schätzungsweise viermal so viel Platz wie ganz Neulandskron. Der gesamte Lebensraum, den ich in meiner frühen Kindheit beanspruchte, war kleiner als die Fläche, die hier für die Kreuzung von zwei Straßen verbaut wurde.

    Meine Welt war zu dieser Zeit auf vielfache Weise unschuldig – nicht nur, weil ich ein kleines Mädchen war. Der Druck des Menschen auf die Natur war nicht halb so groß wie heute. Die Vernichtungen des Zweiten Weltkriegs waren an „meinem" Wald vor der Haustür mehr oder minder spurlos vorübergegangen – und an den wenigen Stellen, wo es anders war, wuchs buchstäblich Gras über die Sache. Ich hatte durch meine Zeit und die Mitarbeit am Bauernhof, die vielen Waldspaziergänge, bei denen uns unser Vater über jedes Kraut etwas zu sagen wusste, und einfach durch das ständige Draußen-Sein einen besonderen Bezug zur Natur erhalten. Ein schönes Geschenk, das ich damals natürlich nicht zu schätzen wusste – es war eben, wie es war. Ein einziges Abenteuer, die selbstverständlichste Sache der Welt. Aber ich glaube ganz bestimmt, dass diese Art der Freiheit erlebt zu haben viel dazu beigetragen hat, dass aus mir eine Weltenbummlerin geworden ist.

    Was ich unter „Welt" verstand, veränderte sich freilich im Lauf der Jahre. Von fernen Welten hatte ich schon gehört: In der Geschichte von Moby Dick etwa, die uns mein Vater oder mein Lieblingsonkel Hansl, der die alte Schuhmacherwerkstätte meines Vaters übernommen hatte und praktisch bei uns lebte, an Sonntagnachmittagen vorlasen. Im wirklichen Leben gab es das erste Abenteuer dieser Art im Sommer 1947: Da machte sich die ganze Familie auf die Weltreise nach Bregenz. Ich erinnere mich noch an den ewig langen Aufenthalt in Schwarzach St. Veit, wo wir bis nach Mitternacht auf den Anschlusszug warten mussten; so richtig scheint das Werkl „Bundesbahn" noch nicht wieder gelaufen zu sein. Ich war jedenfalls inmitten von unzähligen anderen gestrandeten Reisenden im Wartesaal eingepfercht, hundemüde und grantig und weinerlich, und bekam deshalb von allen Seiten Süßigkeiten zugesteckt. Ein Herr aus der Schweiz verehrte mir nicht weniger als einen ganzen Riegel Ovomaltine! Damit erkaufte er sich ein seliges Kinderlachen und etliche Minuten beseligender Stille.

    Irgendwann sind wir schließlich doch in den Bahnhof von Bregenz eingefahren. Mein Vater hat ein Zimmer organisiert, in dem wir alle fünf schliefen, und ich weiß noch, was ich dort fürs Leben gelernt habe: Reich ist, wer sich in der Früh zum gedeckten Tisch setzen kann und das Chaos hinterher mit keinem Blick zu würdigen braucht. Denn das waren wir jetzt, wie für meinen Bruder Willi und mich eindeutig feststand: REICH. Wir waren sogar so ungeheuer reich, dass es im Jahr darauf wieder für eine einwöchige Weltreise langte. Dieses Mal hieß das Ziel: Graz.

    Im Herbst 1948 endete meine erste Kindheit – es wurde Zeit, die Schulbank zu drücken. Ich fiel gleich auf, weil ich wie ein Bub in der Krachledernen mit karierter Bluse daherkam. Ich wollte eben so aussehen wie meine Brüder. Der Schuldirektor fand das nett und mochte mich, daher ging ich gerne in die Vassacher Volksschule. Gesund war es auch: Jeden Tag 3 km hin und 3 km zurück, bei jedem Wetter. Den Schulweg legte ich immer mit zwei Freundinnen zurück, ununterbrochen „ratschend", wie man in Kärnten zum Plaudern sagt. So verging der Weg wie im Flug, und wir mussten uns auch nicht vor älteren Kindern fürchten, schließlich waren wir ja zu dritt. Die Noten, die ich nach Hause brachte, waren gut und machten meine Eltern und meine Brüder recht stolz, das änderte sich auch in den beiden folgenden Jahren nicht.

    Dafür änderte sich unsere Wohnsituation: 1948 hatte ein Mann unser Haus gekauft und war als neuer Hausbesitzer auch gleich eingezogen. Die Parteien waren ihm nicht recht, er wollte das ganze Gebäude für sich allein; so machte er es allen so ungemütlich wie nur möglich. Unser Balkon wurde abgerissen, und immer wieder legte der neue Hausbesitzer meinen Eltern nahe, sich doch eine neue Bleibe zu suchen. 1951 war es dann so weit: Obwohl Wohnungen Mangelware waren und meine Mutter sehr um ihren Garten fürchtete, der uns das halbe Jahr mit frischem Gemüse versorgte, machten sich meine Eltern auf die Suche nach einem neuen Zuhause. Jetzt erwies es sich als Segen, dass mein Vater bei der Bundesbahn arbeitete: Die sieben kleinen Häuser, die unter dem Namen Heinz-Erian-Siedlung bekannt waren,² stammten noch aus Hitlers Zeiten. Der Diktator hatte sie als Arbeitersiedlung für den geplanten Autobahnbau vorgesehen. Aus dem 1.000-jährigen Reich war ebenso wenig etwas geworden wie aus der Autobahn, und die Bundesbahn hatte die ganze Siedlung übernommen und an ihre Belegschaft vermietet. Eins der Häuschen mit etwas Grund stand leer und wurde im Mai unser neues Domizil. Meine Mutter machte sich sofort daran, wieder einen Garten anzulegen. Wir Kinder waren begeistert: Die Siedlung lag praktisch im Wald und war eine kleine Welt für sich, in der alle im besten Einvernehmen waren. Lauter Bundesbahnbeamte lebten dort, und Nachbarschaftskontakte ergaben sich sofort, weil keine Zäune die Grundstücke voneinander trennten. Heute wäre so eine Siedlung vermutlich ein wenig wie ein Pensionistenwohnheim, aber damals sprudelte es nur so vor jungem Leben: Zu den sieben Familien gehörten nicht weniger als 33 Kinder!

    Einer davon, der Werner Edlinger, verliebte sich auf Anhieb in mich und wurde zu meinem besten Spezi. Wir machten alles zusammen, und er war immer für mich da und half, wo er konnte. Arbeit gab es ja genug, auch für uns Kinder: Das Wasser mussten wir von einem Gemeinschaftsbrunnen holen, denn Wasserleitungen hatte man noch keine verlegt. Wir hatten Strom, aber weder Kühlschrank noch Waschmaschine und auch keinen Staubsauger; das Einzige, wofür der Strom gut war, war die Beleuchtung. Das Zentrum des Hauses bildete der Herd, der mit Holz oder Kohle beheizt wurde. Er wärmte im Winter die Küche, auf ihm wurde das Essen gekocht und so nebenbei im Wasserschiff das Warmwasser bereitet.

    An Waschtagen lief alles genau nach Plan ab: Zuerst wurde die Wäsche in Zubern direkt am Herd so heiß wie es ging vorgewaschen. Dann kam die Waschrumpel (das Waschbrett) zum Einsatz, anschließend gab es einen Schwemmgang mit kaltem Wasser. Einen Wäschetrockner hatten wir bereits: eine Leine im Garten, Wind und Sonne erledigten den Rest. Wir selbst wuschen uns in der Waschschüssel und einmal die Woche in unserer metallenen Badewanne. Das Örtchen war natürlich ein Plumpsklo, der ganzen Siedlung fehlte ja noch der Anschluss an die Kanalisation.

    Die ganze Familie machte sich mit Feuereifer an die Renovierungsarbeiten, Böden wurden geschliffen und gewachst, Wände, Türen und Stellagen gestrichen, Vorhänge genäht. Jeder machte, was er am besten konnte; ich bewies mich als begnadete Anstreicherin und durfte das Örtchen in ganz neuen Farben erstrahlen lassen.

    Als Nächstes machte ich mich mit Farbe und Pinsel über eine kleine Holzhütte her, die im Garten stand, und daher fand das Einstandsgeschenk meiner Oma einen würdigen Platz vor: Sie brachte uns im Sommer 1951 ein Huhn mit neun Küken, ein besseres Geschenk hätte es nicht geben können. Das Huhn zog samt Anhang in die frisch gestrichene Hütte ein, und ich bin mir sicher, dass es dabei sehr zufrieden gackerte. Ich war jedenfalls mächtig stolz auf mein Werk und ganz entzückt von den Küken und der Aussicht, bald wieder Eier sammeln zu können. Unserer Hühnerschar erging es prächtig; bald hatten wir reichlich eigene Eier, und auch ein Sonntags-Backhuhn oder ein kräftiges Suppenhuhn konnten wir uns immer mal wieder erlauben.

    Die ersten Monate besuchte ich weiter die Vassacher Volksschule, bis zum Abschluss der dritten Klasse. Im Herbst hatte ich dann eine große Umstellung zu bewältigen: Die Volksschule Sankt Andrä bedeutete einen ganz neuen Schulweg mit neuen Weggefährten, neuen Klassenkameraden und einem neuen Lehrer. Der Werner Edlinger ging auch dorthin, und das half mir sehr. Ich fand rasch Anschluss und neue Freunde und lebte mich schnell ein. Der neue Schulweg, der großteils durch den Wald führte, war viel schöner und kürzer als der alte. Jetzt verbrachten wir Kinder, wenn das überhaupt möglich war, noch mehr Zeit im Wald. Wir gingen durch ihn zur Schule, wir spielten an den Nachmittagen darin, und je älter wir wurden, desto mehr nützten wir ihn auch, um unseren Beitrag zu leisten: Wir sammelten Walderdbeeren und Pilze. Das war nicht schwer, außerdem hat der Werner mir immer am meisten geholfen. Wirklich schwierig war, die sonnenwarmen, süßen Erdbeeren nach Hause zu bringen und nicht gleich an Ort und Stelle zu verdrücken. Aber den Hunger hatten wir kennen gelernt, und daher wussten wir auch, wie wichtig es war, fleißig zu sammeln, um die Speisekammer zu füllen.

    Für meine Mutter war das ein ganz normaler Teil der Haushaltsführung; was der Wald hergab, war bestmöglich auszunützen – und ihr Schwammerlgulasch gehört zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen. Zweimal im Jahr fuhren wir sogar eigens mit dem Zug zu ergiebigen Himbeer- bzw. Brombeerfratten (Fratten ist urkärntnerisch und bezeichnet eine Stelle, an der viel von einer Sorte wächst, jedenfalls wenn das irgendwie essbar ist). Das waren richtige organisierte Sammelaktionen, bei denen wir gerne halfen – die eine oder andere reife Beere landete immer in unseren Mündern und hielt uns bei Laune. Und im Geist konnten wir schon die Marmeladen, Kompotte, Strudel und Mehlspeisen vor uns sehen, die meine Mutter aus all den beerigen Köstlichkeiten zaubern würde.

    Noch im selben Jahr ereignete sich der für mich erste Todesfall in meiner Familie: Mein Onkel Matthias, der Bruder meiner Mutter, war 1948 aus der russischen Kriegsgefangenschaft nach Hause gekommen. Doch hatten ihn der Krieg und die Gefangenschaft an Leib und Seele zu sehr verletzt – nur drei Jahre später erlag er seinen Krankheiten. Meine Mutter war sehr traurig; ich kannte diesen Onkel zu wenig, um echte Trauer zu empfinden. Er hinterließ seine Frau, meine Tante Loisi, und seinen kleinen Sohn, meinen Cousin Ferdinand.

    Ab 1952 hatten wir regelmäßig Sommergäste: die Familie Wagner aus Wien. Herr Wagner liebte die Berge und genoss die Möglichkeit, für ein paar kostbare Tage im Jahr der Stadt zu entkommen. Roswitha, die Tochter der Wagners, schlief bei mir auf meiner Matratze und war mir eine liebe, kleine Freundin – sie war ein wenig jünger als ich. Im Jahr darauf bekam ich Gelegenheit, das Leben der Wiener Familie kennenzulernen – es ging für eine Woche zum Gegenbesuch in die Großstadt. Da wurde mir dann rasch klar, warum man hier nicht ständig sein konnte – Wien war zu der Zeit noch eine halbe Kriegsruine, überall Schutt und zerbombte Gebäude. Die Wagners wohnten in einem der unzähligen unansehnlichen Mietshäuser im vierten Stock in einer winzigen Wohnung in der Klosterneuburger Straße im 20. Bezirk – Zimmer, Küche, Kabinett. Das Wasser musste man sich vom Gang holen, wo auch die Toilette zu finden war; Bad gab es einfach gar keines.

    Es war natürlich dennoch eine sehr aufregende Reise, die vielen Leute, Autos, Straßenbahnen … Wir machten aber kein Großstadtprogramm; Roswitha klapperte mit mir diverse Parks ab, wir ruderten einmal rund ums Gänsehäufl, besuchten im Prater einige Geschäfte und gingen im Donaukanal baden. Das wäre allerdings beinahe schief gegangen, weil ich gar keine Erfahrung mit dem Schwimmen in Strömungen hatte. Ich geriet in die Mitte des Kanals und wurde abgetrieben; ich kam einfach nicht auf die Idee, Richtung Ufer zu schwimmen, egal wie schnell oder wohin das Wasser floss, sondern versuchte immer nur den Kopf in der Luft zu behalten, bis mir fast die Kräfte versagten. Etliche Passanten am Ufer fuchtelten aufgeregt herum und schrien mir Anweisungen zu, aber in meiner kopflosen Panik konnte ich mit all dem nichts anfangen. Irgendwie habe ich es dann doch geschafft und mich keuchend an Land gezogen; vom Baden im Donaukanal hatte ich jedenfalls für mein Leben lang genug. Heutzutage ist das aber sowieso kein Thema mehr, kein Mensch badet mehr im Donaukanal.

    Alles in allem hatte ich viel zu erzählen, und darauf freute ich mich auch schon sehr, als meine Wienwoche dem Ende zuging. Auf der Heimfahrt schaute ich kurz vor dem Semmering genau aus dem Fenster, denn bei der Hinfahrt war hier ein Mann über den Bahndamm gerannt – splitternackt! Mein erster nackter Mann, das war schon ziemlich interessant gewesen.

    Einen Teil meiner Sommerferien verbrachte ich immer bei meinen Taufpaten, Onkel Willi und Tante Lisi, in Lansach im Drautal. Meine Tante half viel beim Nachbarsbauern aus, und das hieß auch für die Kinder tüchtig mit anpacken. Obwohl ich buchstäblich mein halbes Leben im

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