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Der Duft der Begierde
Der Duft der Begierde
Der Duft der Begierde
eBook182 Seiten2 Stunden

Der Duft der Begierde

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Über dieses E-Book

Roman aus der Urzeit. Über das Heranwachsen eines Mädchens, dem das Schicksal am Ende die Verantwortung für eine ganze Menschengruppe zuweist. In dieser dramatischen Zeit ereignet sich im Brennnesseltal der vielleicht erste Eifersuchtsmord der Menschheitsgeschichte. Welche Rolle spielt darin Akazia - und da sogar ihr unverwechselbarer Duft?
SpracheDeutsch
HerausgeberIGK-Verlag
Erscheinungsdatum14. Juni 2013
ISBN9783955771942
Der Duft der Begierde

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    Buchvorschau

    Der Duft der Begierde - Diana A. von Ganselwein

    QQQQQQQQQQQQQQQQQQQQQQQQ

    Q

    In dieser Nacht kam ihrem wachsamen Körper der honigsüße Duft der Kindheit abhanden. Erwachen und Erschrecken waren eines. Nichts mehr! Ihrer ließ sie immer an die Akazie denken. An winzige gelbe Köpfchen, die in Ähren standen. An den frischen Wind, der den Geruch vom Fluss bis vor die Höhlen trug. An Morgentau und Sonnenstrahl. Keinesfalls dachte sie dabei an die Dornen. In ihrem jungen Körper war das Bedürfnis, Bedrohliches abzuwehren, noch nicht stark entwickelt.

    Das alles bedeutete ihr sehr viel. Niemals hätte sie mit irgendeiner getauscht. Schon gar nicht mit einer Älteren. In ihren heimlichsten Selbstgesprächen nannte sie sich sogar Akazia. Nur für sich – so wichtig war ihr diese Anmutung. Für die anderen, die Ahnungslosen, war sie ja Dritte Schwester, auch für Maua.

    Alle Mädchen verströmten einen irgendwie blumigen Geruch. Wie Bockshornklee, Heidelbeere, die ebenfalls gelbe und süßliche Lupine, oder wie Pulsatilla, Melisse, Digitalis und Malve. Aber von keiner ging auch nur ein Hauch von Akazie aus. Das wusste sie genau. Untereinander und jede für sich erforschten sie beim Spielen ihre Gestalten. Sie streichelten, sie fingerten, sie schmeckten wirklich alle Stellen. Jede war unverwechselbar. Daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

    Noch etwas hatte sich ihr bereits eingeprägt: Die Frauen rochen nicht mehr so frisch, sondern salzig, bitter, dunkel, fast düster. Beinahe alle wie die schwere Brennnessel überall auf den der Sonne zugeneigten Hängen. Manche wie der kräftige Bärenlauch auf den Waldböden entlang des Flusses und einige wie beide zusammen.

    Seltsam. Das Heranwachsen war immer mit einem frischen Geruch verbunden. Das galt auch für die Knaben. Ihren zarten Körpern haftete die Witterung des Löwenzahns oder der Wolfsmilch, der blauen und bitteren Lupine, von Attich oder Akelei an. Allerdings sehr blass. Auch sie hatten keinesfalls etwas Saures, Dumpfes an sich, so lange sie klein waren. Wie es dann mit ihnen weiter ging, wusste sie eigentlich nicht wirklich genau. Irgendwann durften sie nicht mehr mit den Mädchen essen und jene nicht mehr mit ihnen jagen, und sie durften Dritte Schwester und die anderen nicht mehr berühren. Wenig später verbannte Maua, die Brennnesselfrau, sie sogar aus der Gemeinschaft. Jungen sind entbehrlich. Nur einer oder zwei waren geduldet. Die übrigen hatten das Tal zu verlassen und für sich selbst zu sorgen.

    Mit ihnen verschwand die Prise von Löwenzahn, Wolfsmilch, der bitteren blauen Lupine, von Attich oder Akelei hinter dem Horizont. Und auch später als Mako wagte es besser keiner, unerlaubt zurückzukehren, sich in ihren Wäldern zu verstecken, aus welchen Gründen auch immer. Er riskierte den Tod.

    Wie sollte Akazia da genau wissen, welchen Geruch sie abgeben, sobald sie ein Alter erreichen, das bei den Mädchen die ersten Ansätze der Brüste hervorbringt?

    Für die Mädchen, die blieben, war dieses Säuerliche, Bittere des Alters später allerdings unausweichlich.

    Maua und die anderen Frauen waren schon gezeichnet von diesem Tal. Ihr Schicksal konnte man förmlich mit der Nase spüren. Dieser Geruch war stärker als alles, was sich den Augen bot. Denn für das Sehen brauchen wir den hellen Tag und in der Dunkelheit den Schein des Feuers, für das Riechen nicht. Akazia verabscheute vor allem die Brennnessel, diese verhassteste aller Pflanzen. Wie viel feiner, milder, lieblicher war das, was den Mädchen anhaftete! Und vor allem ihr - wie Sirup aus den Samenschoten der Akazie, die lange genug gekaut werden.

    Aber jetzt schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. Sie glaubte und hatte sich darauf verlassen, dass ihr von Maua alles Wichtige vermittelt werde. Wirklich alles. Darauf hat sie vertraut: Alles, was die Brennnesselfrau selbst erfahren hat. Sie hat Dritte Schwester dafür auserwählt. Möglicherweise haben die Götterwesen ihr genau das auferlegt. Ob da ein Zusammenhang bestand mit dem Duft der Akazie, der doch alle anderen Gerüche an Süße und Würze übertraf? Jedenfalls waren es nun schon zwei Besonderheiten, die Akazia von den übrigen Mädchen unterschied. Ich darf alles wissen, was die Brennnesselfrau weiß. Denn eine muss die Gemeinschaft führen, wenn wir Maua einmal nicht mehr bei uns haben. Natürlich wird das eine schwierige Zeit. Aber wenn es beschlossen ist, wird sie es annehmen.

    Wie konnte sie nur denken, dass die Honigsüße später erst verschwinden wird, wenn sie schon reif war für die Brennnesselfrau? Nichts hatte sie auf eine Leere vorbereitet. Absolut nichts. Keine Süße mehr und noch keine Bitternis. Was konnte das bedeuten? Sie dachte immer: Der Duft wandelt sich. Er geht langsam über in einen Hauch von Schärfe und Säuerlichkeit, aber etwas von ihm wird bleiben. Sie dachte keinesfalls, dass die Akazie so plötzlich und zur Gänze von ihr verschwinden könnte.

    Sie hatte es sich auch einfach gemacht und ein eigenes Nachdenken verdrängt. Was kommt, ist das, was Maua weiß. Und dieses Wissen von ihr hatte sie, wann immer sie mit der Brennnesselfrau beisammen war, aufgesogen. Dann war sie Dritte Schwester und vernahm mit Staunen, was sein wird. Dass Mädchen so urplötzlich die Frische verlieren und selbst ein von den Übermächtigen so geliebtes Wesen wie sie völlig die Honigsüße, das wurde ihr jedoch mit nichts angekündigt. Warum nur? War das für Maua nichts Wichtiges? Oder sollte sie nicht beunruhigt werden? Wird es schlimmer als sie ahnt?

    Maua ist unsere Wissende. Sie führt die Zwiesprache mit den Ahnen und mit den Mächtigen im Himmel. Alles kommt von ihr. Maua vertrauen und gehorchen wir alle. Sie hat ihre Gefolgschaft in diesem Tal der Brennnesseln beherzt und mit Umsicht geleitet. Ich lerne von ihr. Jede von uns muss das. Aber ich besonders.

    Die Brennnesselfrau ist unser Schicksal. Sie treibt mit dem Feuer Tiere in die Fallen, und nach erfolgreicher Jagd gebiete sie über das gleiche Feuer, mit dem ihr Fleisch gegart wird. Und stets ist auch sie allein es, die unter den herangewachsenen Jungen den Mako wählt – oder noch besser einen aus einem anderen Tal. Dieser eine lebt unter ihren Augen. Er teilt mit Maua das Lager, wann immer sie es befiehlt. Und jede Frau paart sich mit ihm, wie die Brennnesselfrau es bestimmt. So dass seine Kraft der ganzen Gemeinschaft zu Gute kommt. Seine und nur seine. Warum nur einer? Vielleicht damit nicht zwei oder drei Makos sich verbünden gegen die Brennnesselfrau oder gegen alle Frauen, dachte Akazia.

    Für diesen Mako holte stets auch nur Maua aus dem Kräuterwald das Mannesholz, weil es seine Liebeskraft stärkt. Bis zu dem Tag, an dem sie einen anderen für geeigneter hält. Dann muss auch ihr Mako schnell das Weite suchen.

    Ein Gedanke ergriff jetzt Besitz von ihr. Maua musste doch bald erkennen, dass ihr die Honigsüße entschwunden war. Sie ist doch die Fähigste von allen.

    Sie verstand sich auf die Deutung. Sie zog ihr Wissen aus den Wolken, aus dem Wind, aus den Pflanzen, aus den Gedärmen von Tieren. Und sie konnte als einzige sehen, was Sterbende schauen, und sie sind doch besonders nützlich für Weissagungen. Durch sie teilt sich die Erdgöttin mit. Deshalb sammelten sich alle immer um ihre Todgeweihten. Aus bestimmten Zeichen lässt sich ableiten, ob Unheil droht oder ob die Gottheiten sie mit Freude betrachten. Eine Maua kann sogar erkennen, wer ihr nach dem Willen der Gottgestalten als nächste folgen muss. Im Brennnesseltal eben Dritte Schwester.

    Maua beherrschte alle diese Künste der Ahnung. Einmal trieb sich ein fremder Mako im Tal herum. Die Jägerinnen verfolgten und fingen ihn. Die Brennnesselfrau sah das als Vorsehung an. Sie befahl seine langsame Tötung und überwachte sie. Überall am Körper fügten die Frauen ihm Wunden zu. Sie entzogen ihm Wasser und Nahrung. Dann war es so weit. Aus dem Sterbenden sprach die Erdgöttin. Maua stellte Fragen. Sie wollte alles wissen. Über die Ahnengeister. Über die Himmelswesen. Blickten sie mit Wohlwollen auf uns? Die Antworten verstand nur sie.

    Und erst recht wird Mauas Mako begreifen, sollte sich die Gelegenheit bieten, dass sie keine Honigsüße mehr besitzt. Er versteht sich auf Gerüche. Er kennt jeden. Auch ihren kommenden Duft, ihren Brennnesselgeruch, wird er wahrnehmen. Die Luft in seinen Nasenlöchern wird es ihm sagen. Vielleicht schon bald? Aber welcher genau wird es sein?

    Von Maua wurde Dritte Schwester vorbereitet auf das, was sein wird. Nichts dergleichen kam von der Frau, aus deren Bauch sie schlüpfte und deren Brust sie nährte. Entweder jene war selbst ohne Ahnung oder sie durfte nicht oder es bedeutete ihr nichts. Nach dem Nähren kam sie wie jede der Heranwachsenden in die Obhut der größeren Mädchen und hatte mit dieser Frau nichts mehr zu tun

    Wahrscheinlich war für Maua alles andere wichtiger als der honigsüße Geruch von Dritter Schwester, falls sie ihm überhaupt je Bedeutung beigemessen hat. Die magischen Kräfte in den Leibern der Frauen. Das Geheimnis der Geburt. Immer wieder betonte sie: Du musst alles wissen. Dir vertraue ich alles an. Alles wovon kein Mako etwas ahnt und was keiner je wissen darf. Jeder Mako fürchtet den Monatsfluss. Die Macht des Blutes. Dieses Zeichen, das aus uns heraus fließt. Das macht uns in ihren Augen stark und sie schwach. Sei dir immer bewusst: Sie kennen nicht das Heilige und nicht das Schmutzige in der Frau. Sie sind blind. Wir sind sehend.

    So hatte ihr, der Unfertigen, in unzähligen Begegnungen Maua alles anvertraut. Vieles traf sie unvorbereitet. Es war das Verlockendste und zugleich Drohendste, was ihre Sinne je erreicht hat. Und immer wieder: Du bist die Nächste. Du bist unsere Auserwählte. Du bist die Beste.

    Seitdem zitterte sie diesem einen Tag entgegen. Es war ein Zittern und ein Fiebern. Es kommt ein Augenblick, und du hörst auf, Mädchen zu sein. Du bist Frau.

    In dieser Nacht hörte sie auf, honigsüß zu duften. War es das?

    Jetzt schon? Nein. Noch nicht. Das konnte nicht sein. Das hätte sie mitbekommen. Mit der Kuppe des Zeigefingers der rechten Hand tastete sie jetzt die von den Haaren bedeckte Erhebung ab. Diesmal war es kein Spiel. Es ging um eine wichtige Erkundung. Kein Blutstropfen. Dann der äußere Rand. Keine Veränderung. Dann die Kolo - so nannten sie alle jede einzelne Öffnung ihrer Körper. Auch sie war wie immer. Kein Blut, das spürte sie ganz deutlich. Mehrmals hob sie das Muskelband des Beckenbodens an. Alles trocken. Das hatte ein Gutes. Sie durfte auch heute im See ein Bad nehmen.

    Der Körper war noch nicht bereit für das blutige Signal. Der Geruch schon. Weshalb? Und was war das für ein Zeichen?

    Natürlich war ihr immer bewusst: Was sie von Maua und den übrigen Frauen unterschied, war ja mehr als eine Witterung. Auch die anderen Mädchen sind nicht mit den Alten zu vergleichen. Wir alle werden vieles genauso machen wie sie, vieles aber auch anders. Das wird auch den Geruch verändern, ohne Zweifel. Das ist ganz natürlich. In Bezug auf sich selbst erlaubte sie sich sogar Überheblichkeit. So wie es die alten Frauen gibt mit ihrem dunklen Geruch, so gibt es doch auch die Pappeln mit grauer oder schwarzer Rinde. Sie duften säuerlich. Aber in derselben Niederung nehmen es silbrige Zitterpappeln sogar mit den Honigblumen auf.

    Diese Nacht machte ihr jedoch bewusst, dass sie in Bezug auf ihre Honigsüße unbekümmert und naiv gewesen war. Ohne sie war alles in Frage gestellt, was sie für sich erwartet hatte.

    Fast zu viel ging ihr jetzt durch den Kopf.

    Hat der Honigduft gar nicht aufgehört, sondern sich nur von ihr entfernt? Ist er womöglich jetzt bei einer anderen? Wie entstand er überhaupt? Woher kam er? Wo war er angesiedelt? Nicht außen auf der Haut, das war ihr klar. Sie reinigte sich jeden Tag im See, es sei denn, er war zugefroren. Nie war der Geruch, den sie an sich hatte, danach vom Wasser fort gewaschen, schwächer, eher stärker. Also saß er irgendwo in ihr. Jedenfalls im Körper. Aber wie konnte etwas Tiefes, Starkes in ihr so plötzlich entweichen und abhandenkommen?

    Akazia hätte längst auf diese Fragen kommen können. Sie hat sie ebenso unterdrückt wie Maua. Vielleicht hat sie empfunden: Jeden Tag weiß ich und verstehe ich dank Mauas Wissen ohne weiteres Zutun mehr. Nun aber, wo eine Antwort so hilfreich wäre, wird ihr ein Versäumnis bewusst. Für ihren Geruch hatte sie sich nie interessiert. Das bereute sie. Was kann noch abhandenkommen auf so unerklärliche Weise, fragte sie sich? Wenn Maua etwas so Wichtiges verschweigen kann, was verschweigt sie mir sonst noch?

    Was war nun zu tun?

    QQ

    Sie lag noch immer auf dem Rücken. Der Duft hatte sich vielleicht noch nicht sehr weit entfernt. Und tatsächlich: Ein wenig haftete an der Felsschräge direkt neben ihrer rechten Schulter. Jedoch in der Achselhöhle, wo er stets am kräftigsten war, war rein nichts mehr. Ebenso am übrigen Körper. So sehr sie die Luft einsog – nichts. Eine Leere wie nie zuvor. Auch ihr aus Rehleder gefertigter Umhang speicherte

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