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Der Himmel ist das Ziel: Der Traum vom Starfighter
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Der Himmel ist das Ziel: Der Traum vom Starfighter
eBook289 Seiten3 Stunden

Der Himmel ist das Ziel: Der Traum vom Starfighter

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Über dieses E-Book

Die jungen Starfighterpiloten Axel Kerner und Jochen Hesse sollen im März 1967 in Fürstenzell zum Elite-Kampfpiloten der NATO geformt werden. Ihr Vorgesetzter, Major Teufel, hat sich vorgenommen, nur die Besten zu akzeptieren. Mit seinem selbst entwickelten Teufelsspiel, einem brutalen Wettbewerb zwischen seinen Piloten, will er die Spreu vom Weizen trennen. Axel Kerner und seine Kameraden können nicht ahnen, dass die sechs Monate in dem Verband für sie die Vorstufe zur Hölle werden sollen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum2. Sept. 2016
ISBN9783475546037
Der Himmel ist das Ziel: Der Traum vom Starfighter

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    Buchvorschau

    Der Himmel ist das Ziel - Hannsdieter Loy

    Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten der Romanfiguren mit lebenden oder toten Personen sind nicht beabsichtigt, ebenso wenig eine Beschreibung der Verhältnisse in tatsächlich existierenden Institutionen, Organisationen oder Vereinigungen.

    Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2016

    © 2016 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

    www.rosenheimer.com

    Besuchen Sie den Autor im Internet unter

    www.starfighter-der-roman.de

    und www.oberbayern-krimi.de

    Lektorat und Satz: Dr. Helmut Neuberger, Ostermünchen

    Titelfoto: ©

    Gottfried »Blacky« Schwarz, Düren

    eISBN 978-3-475-54603-7 (epub)

    Worum geht es im Buch?

    Hannsdieter Loy

    Der Himmel ist das Ziel

    Der Traum vom Starfighter

    Die jungen Starfighterpiloten Axel Kerner und Jochen Hesse sollen in der Flugbasis Fürstenzell zum Elite-Kampfpiloten der NATO geformt werden. Ihr Vorgesetzter, Major Teufel, hat sich vorgenommen, nur die Besten zu akzeptieren. Mit seinem selbst entwickelten Teufelsspiel, einem brutalen Wettbewerb zwischen seinen Piloten, will er die Spreu vom Weizen trennen. Axel Kerner und seine Kameraden können nicht ahnen, dass die Zeit in dem Verband für sie die Vorstufe zur Hölle werden soll.

    Hannsdieter »Didi« Loy hat als Starfighterpilot am eigenen Leib erfahren, was es heißt, die F-104 zu fliegen. Er schafft es daher wie kein anderer, dem Leser die Faszination und den Schrecken dieses Flugzeugs zu vermitteln, das für so viele Piloten zur tödlichen Versuchung wurde.

    © Hannsdieter Loy – der Autor als Starfighterpilot mit einem türkischen Flugzeugwart.

    Prolog

    Es war Oktober. Seit Tagen hatte es heftig geregnet, und es war Nacht. Kalter Wind und Nässe beherrschten den Flugplatz, der unter der triefenden Wolkendecke ähnlich einladend aussah wie ein Gefangenenlager in Sibirien.

    Die Luftwaffenbasis Fürstenzell bestand, oberflächlich betrachtet, aus einer vier mal zwei Kilometer großen Wiese, umzäunt von Stacheldraht. Allerdings wurde diese in Nordwest-Südost-Richtung von einem drei Kilometer langen Betonstreifen, der Startbahn, in zwei symmetrische Hälften geteilt.

    In der Mitte erhob sich der Kontrollturm, der Tower. Er war sozusagen das Herz des Flugplatzes. Bei schönem Wetter spiegelten sich Sonne und Wolken in seinen getönten Scheiben, und ab und zu krallten sich sogar ein paar übermütige Spatzen in die rotierenden Schirme der Radaranlage und fuhren darin schlingernd Karussell.

    Jetzt aber, in dieser unwirtlichen Oktobernacht, drehte das grünweiße Leuchtfeuer seine Runden. Das Licht, dazu bestimmt, allen Luftfahrzeugen anzuzeigen, dass es sich hier um einen Militärflugplatz handelte, wurde sofort von vorüberjagenden Wolkenfetzen verschluckt. Aus schweren Wolken vergoss der Himmel Wasser auf Wiesen und Beton.

    Rundherum duckten sich rotgedeckte Steingebäude an mehr als zirkuszeltgroße Werfthallen. An jedem Ende der Piste hatte eine Gruppe von halbrunden, grasbewachsenen Betonbunkern Platz gefunden. Sie wurden »Shelter« genannt, und jeder davon bot einem Kampfflugzeug Schutz vor Witterung, Entdeckung und Bomben.

    Nur spärlich vermochte der starke Scheinwerfer die Rollfläche vor Shelter Nummer zwölf zu erhellen und die tiefen Pfützen zu markieren. Noch waren die stählernen Tore des Bunkers geschlossen, und nichts deutete darauf hin, dass der Starfighter darin schon an ein tuckerndes Anlassaggregat angeschlossen war und dass Major Frank Teufel im Cockpit bei spärlichem rotem Licht seine Checkliste durchging und letzte Sicherheitsvorbereitungen traf. Er trug eine orangerote Fliegerkombi. Die Navigationskarte für seine Nachtroute hatte er an den rechten Oberschenkel geheftet. Er klopfte prüfend auf das Gurtschloss, um zu kontrollieren, ob die Schulter- und Beckengurte korrekt verriegelt waren. Dann zog er an den blauen Beinrückholgurten, die von den Sporen an seinen Stiefelabsätzen zum Schleudersitz verliefen und sich dort einklinkten. Als Letztes entfernte er den Sicherheitsstift mit dem roten Fähnchen, der den Ausschussmechanismus des Schleudersitzes blockierte. Der Schleudersitz war jetzt scharf.

    Die Rollbahn glänzte schwarz vor Nässe.

    »Panther Zero Two ist fertig zum Anlassen!«

    Es war das Erste, das der Tower an diesem Abend hörte. Frank Teufel bediente sich der NATO-Fliegersprache: Er sprach Englisch.

    »Okay, Sie können anlassen, Panther Zero Two.«

    Die bombensicheren stählernen Sheltertore rollten zurück. Major Teufel zeigte dem Wart den erhobenen Daumen der behandschuhten rechten Hand, das Anlassaggregat heulte auf, er drückte den Anlasser, das Triebwerk startete.

    Ein umfangreiches Testprogramm folgte. Alle Systeme okay, meldete der Computer. Der Wart entfernte die Außenanschlüsse. Teufel rückte den weißen Jethelm ein letztes Mal zurecht und überprüfte die Sauerstoffmaske aus grünem Gummi, in der auch das Mikrofon verborgen war. Er atmete reinen Sauerstoff. Er mochte diesen leicht scharfen, prickelnden Geruch in der Nase. Hundertprozentiger Sauerstoff schärft die Sicht ebenso wie manch andere Fähigkeit. Das ist wichtig in der Nacht. Teufel schwor auf hundert Prozent Sauerstoff.

    »Panther Zero Two fertig zum Rollen.«

    »Panther Zero Two, rollen Sie zu Startbahn 30 und melden Sie Startbereitschaft.«

    Das deutsch gefärbte, nasale Englisch des Chef-Controllers im Tower spulte die trostlosen Wetterdaten herunter: Bewölkung zweihundert Fuß, Sicht 900 Meter, mittlerer Wind aus Nordwest, Temperatur 4°, starker Regen, Luftdruck 913 Millibar.

    Fehlt gerade noch, dass er mir sagt, dass es draußen dunkel ist, dachte der Major und schaltete die Positionslampen an.

    Der Chef der drei Fluglotsen im schwach beleuchteten Innenraum des Kontrollturms, ein Hauptmann, blickte auf die einschläfernd gleichmäßig rotierenden Segmente des grünlichen Radarschirms vor sich. Nachts um 23 Uhr war nichts los in der Luft, kein Leuchtpunkt war zu sehen, der irgendein Flugzeug angezeigt hätte. Leise dudelte ein Radio vor sich hin, Red Roses for a Blue Lady, gesungen von Paul Anka. der Regen rann in sich verästelnden Bahnen an der mannshohen Rundumverglasung des Towers herab, in der sich das Pulsieren des Leuchtfeuers auf dem Dach reflektierte.

    »Gib mal das Fernglas rüber«, bat der Hauptmann den zweiten, einen Oberleutnant.

    »Nur gegen eine Zigarette«, brummte der.

    Über die Schulter warf er dem anderen eine angebrochene Packung zu.

    Er hörte das Klicken des Feuerzeugs und roch den ersten hastigen Zug, als er das Fernglas hob, um die Richtung zu beobachten, aus der Panther Zero Two aus dem Regen auftauchen musste. Noch war nichts zu sehen. Er setzte das Glas wieder ab.

    »Sind Sie schon mal in einem Starfighter gesessen?«, fragte er den dritten, einen Leutnant, der neu war und sich still im Hintergrund hielt.

    »Nein, noch nie«, bedauerte der Neue, »aber vielleicht können Sie mir dazu verhelfen?«

    »Okay, wird gemacht! Düsenjägerfliegen geht so: Mit der linken Hand geben die Piloten Gas, mit der rechten bedienen sie den Steuerknüppel, mit den Füßen die Ruderpedale und am Boden die Bremsen«, dozierte der Hauptmann. »Von Major Teufel sagt man, er müsse beim Start immer aufstehen, um den Gashebel ganz nach vorne zu schieben, weil er so klein ist.«

    Niemand kicherte. Mehr aus Verlegenheit als aus Notwendigkeit hob der Hauptmann das Nachtsichtglas wieder an die Augen und suchte die Richtung ab, aus der die Maschine auftauchen musste. Nichts!

    Der Oberleutnant blies versonnen Kringel an die hohe Decke. »Teufel ist wohl unser bester Pilot in der Kampfstaffel 1«, meinte er. »Der hat keine Nerven. Ist hart zu den Neuen, aber sie lernen was bei ihm. Dem macht keiner was vor. Ich finde überhaupt, Piloten sind eine besondere Rasse. Nichts kann solche Menschen umwerfen, sie haben ein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Ich muss es ja wissen, ich wollte auch mal einer werden.«

    »Ja, aber Teufel ist ein Charakterschwein«, klinkte sich der Hauptmann wieder ein. »Mir hat er einmal ganz übel mitgespielt.«

    Bevor der Hauptmann weitererzählen konnte, riss sein Kamerad das Fernglas an die Augen und wandte sich nach rechts. »He, da kommt er!«

    Schemenhaft tauchte Teufels Starfighter aus den Regenschwaden auf. An einem erstaunlich schlanken Rumpf klebten kurze Stummelflügel, das Höhenleitwerk am oberen Ende des Vogels wurde von rotweißen Warnleuchten angeblinkt. Vorne ragte wie ein überdimensionaler Dolch das Staurohr aus der Nase, das im Flug die Geschwindigkeit maß.

    »Ich glaube, Major Teufel winkt uns«, bemerkte der Leutnant, der sich fast die Nase an der Scheibe platt drückte.

    Teufel grüßte lässig mit einem leichten Aufheulen des Triebwerks und verschwand lautlos blinkend, wie er gekommen war, Richtung Rollbahn.

    »Panther Zero Two klar zum Start!«, plärrte es im Tower blechern aus dem Lautsprecher, als der Starfighter die Piste erreicht hatte.

    »Okay, Mission Panther Zero Two, go!« Der junge Leutnant durfte seinen ersten Nachtflug freigeben.

    Der Start einer F104 Starfighter beginnt mit einem zögernden Grollen, so, als räkele sich ein Bär hungrig in seiner Höhle. Das Grollen geht in ein verzweifeltes, schrilles Brüllen über, das einen Berg zum Platzen bringen könnte und den Boden erzittern lässt.

    Am Tag wirkt das Flugzeug überraschend klein, wenn es abrupt aus einer Art Hocke schnellt, sich im doppelten Rennwagentempo Feuer speiend von der Erde löst und von tief hängenden Wolken verschluckt wird.

    Jetzt im Oktober, bei strömendem Regen, tastete sich der Lichtbalken des Bugscheinwerfers die Startbahn entlang und warf irritierende Schatten. Violettrotblau schob der Nachbrenner die Maschine unaufhaltsam nach vorne und hob sie mit einem Ruck sanft in die Luft. Die schlanke Silhouette des Starfighters verschwamm in einem blinkenden, gleißenden Spiel der Farben, bevor der Jäger in den dichten, düsteren Wolken verschwand.

    »Wahnsinn!«, rief der junge Leutnant im Kontrollturm. »Wahnsinn! So einen Nachtstart hab ich noch nie gesehen!«

    In Teufels Cockpit wurde der Lärm des Triebwerks von den Ohrmuscheln seines Helmes gedämpft, und da der Start seine ganze Aufmerksamkeit erforderte, nahm er ihn kaum wahr. Seine linke Faust hielt den Triebwerkshebel am Anschlag, die rechte klebte am Knüppel und dirigierte mit leichten, fast unmerklichen Bewegungen die Steuerungsstränge des hypernervösen Jägers. Teufels Augen wanderten rastlos zwischen den verwirrend vielen rot beleuchteten Instrumenten hin und her. Er konzentrierte sich auf Geschwindigkeit, Höhe und den künstlichen Horizont, dessen Funktion im Blindflug so lebenswichtig war wie der Schleudersitz bei einem Ausfall des Triebwerks. Rasch kontrollierte er Anstellwinkel, Drehzahl, Abgastemperatur, Schubdüse, Öl- und Hydraulikdruck: Alles im grünen Bereich. Geschwindigkeit 210 Knoten, Höhe 150 Fuß. Er fuhr das Fahrwerk ein, hob die Startklappen, schaltete den Nachbrenner ab und widmete sich der Radarnavigation.

    Seine Route führte ihn, versteckt in Wolken, über hügeliges, später flaches Gelände in einer Höhe von exakt 2500 Fuß. Seit seinem ersten Starfighterflug liebte Frank Teufel dieses monotone, unbeirrte Geräusch des General-Electric-J79-Triebwerks hinter seinem Rücken, das schnurrte wie ein Zwölfzylindermotor. Mit einer Geschwindigkeit von präzise zwölf Kilometern in der Minute huschte er über die Landschaft hinweg.

    Kurz vor Mitternacht löste sich die Bewölkung in Hochnebel auf, es regnete nicht mehr. Das diffuse Licht des Mondes legte die Erde unter ihm in Falten. Die Stadt, die Teufel auf seinem Radarschirm sah, musste Nürnberg sein, etwa zwanzig Meilen voraus.

    Er blickte in Flugrichtung aus dem Cockpit: Genau! Lichtpunkte, fast über den gesamten Horizont ausgebreitet, zeichneten die Umrisse der Stadt, aus der sein Vater stammte, in das Dunkel ihrer Umgebung. Halbrund und milchig war die Dunstglocke darüber. Sie erschien Teufel wie ein riesiges Raumschiff, das in niedriger Höhe über der Großstadt parkte. Noch lächelte er entspannt unter seiner Sauerstoffmaske – bis in seinem Kopf die Alarmglocke schrillte.

    Ein Schatten raste auf ihn zu, blähte sich auf und warf tiefschwarze Konturen gegen das Cockpitfenster. Die Wahrnehmung weiter zu analysieren, dazu kam er nicht mehr. Instinktiv riss sein rechter Arm scharf am Steuerknüppel, die linke Faust gab Vollgas. Aber er hatte nur die Zeit eines Wimpernschlags, um auszuweichen, und seine Erfolgschance war gleich null. Ein entsetzlicher Knall, berstendes Glas, irrsinniger Schmerz. Eisiger, röhrender Wind zerrte ihm die Gummimaske vom Gesicht und blies glühende Nadeln in seinen Kopf. Er fühlte sich wie skalpiert. Klebrige, heiße Lava kroch über seine Stirn und begann, die Augen zu bedecken. Etwas Nasses, Ekliges hatte sich um seinen Hals geklammert.

    Höhe wollte er gewinnen, mit der rechten Faust am Knüppel ziehen. Aber der rechte Arm hing schlaff herunter. Teufel packte den Knüppel mit der Linken und zog daran. Ruckartig stieg die Maschine in den Nachthimmel.

    Fast gleichzeitig betastete er den vorderen Rahmen des Cockpits. Die Panzerglasscheibe fehlte, er saß da wie in einem Kabrio in luftiger Höhe. Er ertastete das Eklige um seinen Hals und erkannte es als die Reste eines Vogels, der das schusssichere Panzerglas durchschlagen hatte und auf ihn geprallt war.

    Und das Nasse, Zähflüssige, Warme, das war sein eigenes Blut. Mühsam wischte er über seine Augen. Obwohl Teufel gegen Übelkeit und eine Ohnmacht zu kämpfen hatte, war er dennoch überrascht, dass sich Vögel zu dieser Stunde in eine solche Höhe wagten.

    Beinahe blind fühlte er sich, gelähmt und verletzt in einem Kampfflugzeug, von dem er nicht wusste, wie manövrierfähig es noch war. Nie in seinem Fliegerleben hatte er sich so hilflos gefühlt. Dennoch war es gerade diese Machtlosigkeit, die automatisch den Überlebensinstinkt des gut trainierten Kampfpiloten aktivierte.

    Mission Panther Zero Two befand sich mitten in der Nacht in drei Kilometern Höhe und raste auf die schlafende Bevölkerung der Großstadt Nürnberg zu. Teufel nahm den Gashebel zurück und verringerte die Geschwindigkeit. Der Fanfarenklang des Fahrtwindes wechselte über in einen gleichmäßig anhaltenden Posaunenstoß.

    »Mayday, mayday, mayday!« Irgendwie schaffte er es, den internationalen Notruf abzusetzen. Sofort kümmerte sich ein Gemurmel anonymer Stimmen im Äther um ihn, fragte ihn aus, gab ihm Rat. Sogar ein Psychologe sprach auf ihn ein.

    Frank Teufel überlegte, ob er dem Vorschlag, auf dem Nürnberger Flughafen eine Notlandung zu versuchen, folgen sollte oder nicht. Er verwarf die Absicht. Die Landebahn war viel zu kurz. Mental hatte er die Situation bereits im Griff.

    Aber etwas stimmte nicht, etwas schien sich verändert zu haben. Seine Nerven waren nach wie vor gespannt, doch ruhig; das Posaunen des Fahrtwindes hatte die ganze Zeit über – es kam ihm lange vor, obwohl es nur Sekunden waren – ihren Ton gehalten; er hatte schnell gelernt, abwechselnd Knüppel und Triebwerkshebel nur mit der linken Hand zu bewegen. Der rechte Arm blieb leblos. Triebwerk?

    Das Triebwerk! Das war es!

    Das Triebwerk reagierte nicht, wenn er den Hebel nach vorne schob! Auch das typische Jaulen des Strahltriebwerks hörte sich sehr gedämpft an. Unter und hinter ihm rumpelte und vibrierte es, als befördere sein Starfighter einen Bowlingkeller und als würde dort gespielt. Immerhin gelang es ihm, durch den Schleier vor seinen Augen einen Blick auf das Instrumentenbrett zu werfen. Tatsächlich! Das Triebwerk brachte nur mehr halbe Kraft, sein Instrumentenzeiger flackerte im Rhythmus der Vibrationsgeräusche hin und her. Er schob den Triebwerkshebel in die Leerlaufposition.

    Fehlt nur noch, dass das Feuerwarnlicht aufleuchtet, dachte er grimmig.

    Das Feuerwarnlicht leuchtete auf.

    Frank Teufel überfielen nicht Angst, nicht Zorn, nicht Panik. Obgleich er sich in der übelsten Situation befand, in die ein Mensch in einem Flugzeug geraten kann, schalteten sein Körper und sein Geist auf Notleistung, und es war eine kalte, aggressive Konzentration, unter der er zu handeln begann.

    Er ertastete die Reißleine, die den Notstromgenerator in den Fahrtwind warf, und löste sie aus. So würde er wenigstens über ausreichend Strom verfügen, um die hydraulischen Steuersysteme aktivieren zu können. Dann schaltete er das Triebwerk ab. Sofort hörte es auf zu rumpeln. Aber das Feuerwarnlicht leuchtete weiter.

    »Mayday, mayday, mayday!«, meldete er nach unten. »Mission Panther Zero Two mit Triebwerksausfall und wahrscheinlich Feuer an Bord.«

    Viele Ohren hörten seinen Ruf, und viele Stimmen antworteten. Kein Mensch aber konnte ihm helfen.

    All die Formulare, die ich werde ausfüllen müssen! Teufel dachte mit Grausen daran.

    Das schlafende Nürnberg lag unter ihm, und Panther Zero Two sank wie ein Stein im Ozean.

    »Mensch, ist der cool!«

    Mehrere Fluglotsen saßen in »Nürnberg Control«. Blitzschnell hatten sie ein Notteam gebildet und vom ersten Funkkontakt an die Mission Panther Zero Two auf den Radarschirmen verfolgt.

    Ein paar waren ins Freie gestürzt. Sie konnten das Flugzeug mit bloßen Augen beobachten. Wie ein Spuk kam es lautlos blinkend genau auf sie zu. Es war so niedrig und so nah, dass sie die Rauchfahne erkennen konnten, die es hinter sich herzog. Allen war klar: Das Gerät war ein glimmendes Pulverfass kurz vor der Detonation! Aber sie verharrten reglos und gebannt mit ungläubigem Staunen, als stürze der Stern von Bethlehem auf sie hernieder.

    »Eigentlich hätte er schon längst den Schleudersitz ziehen müssen, das Ding kann doch jeden Moment explodieren«, rief einer.

    »Der will die Stadt retten, dabei geht er selbst noch mit drauf«, brüllte ein anderer.

    Die Maschine war höchstens noch ein paar Hundert Meter entfernt und streifte fast die letzten Dächer.

    »Leute, springt zur Seite! Der rast mitten in uns hinein!«, kreischte die einzige Frau im Team.

    Das Letzte, was sie vernahmen, war ein gespenstisches Zischen, als das blinkende Phantom über die Stellung hinwegfegte. Das Geräusch war das eines Segelflugzeuges, dessen Pilot den Verstand verloren hatte. Danach erfolgten im Abstand von drei oder vier Sekunden zwei Explosionen. Es war null Uhr dreizehn.

    Die zweite Explosion war unvergleichlich stärker als die erste. Sie löste eine Feuerwalze aus, die sich in nördlicher Richtung fortpflanzte. Wie giftige Blasen aus einem Geysir platzten weitere kleinere Detonationen aus ihr heraus und verstärkten den Eindruck, das Dunkel der Nacht würde von Napalm durchbrochen. Dann herrschte Ruhe. Friedhofsruhe.

    »Ich glaube, er konnte sich vor dem Crash noch herausschießen«, sagte kopfschüttelnd die Frau.

    Sie allein hatte die erste, leisere Explosion bemerkt.

    1. Kapitel

    Das Einsatzzentrum der Kampfstaffel 1 befand sich am nordwestlichen Ende der Rollbahn von Fürstenzell. Der militärische Ausdruck »Einsatzzentrum« verwirrte manchen Zivilisten. Was Großartiges in seine Vorstellung projizierte, war in Wirklichkeit nichts anderes als ein unscheinbares Steingebäude mit den Ausmaßen eines leicht überdimensionierten Sportlerheims.

    Als Oberleutnant der Luftwaffe Axel Kerner an diesem strahlend schönen Montagmorgen kurz nach sieben Uhr das Staffelgebäude betrat, war er noch gebräunt von der Sonne Arizonas, wo er und sein Freund Jochen Hesse eine knappe Woche zuvor die Pilotenausbildung bei der US Air Force beendet hatten. Er war ein begeisterter Pilot, kühn und besonnen zugleich, also die richtige Mischung, und zudem war er ein Typ mit Ausstrahlung – groß, schlank, blond –, den auch die Frauen mochten. Aber sie kannten seinen Ehrgeiz nicht. Ob beim Fliegen, beim Sport oder beim Kartenspiel: Zweiter zu sein, hieß für ihn, das Spiel verloren zu haben. Jedes Karriereziel, jede Beförderung hatte er in Rekordzeit erreicht. Er wollte an der Spitze stehen, und dafür tat er alles.

    Axel war lang wie ein Baum und wirkte stark wie ein Bär. Seine leicht aufgeworfenen Lippen verliehen ihm einen fast trotzigen Gesichtsausdruck, der in merkwürdigem Gegensatz zum Strahlen der dunkelblauen Augen stand.

    Axel Kerner trug trotz des frischen Herbstwetters die Sommeruniform seiner Waffengattung: ein hellblaues, kurzärmeliges Hemd über einer dunkelblauen Hose mit schwarzem Ledergürtel. Eine unscheinbare Metallschwinge an seiner linken Brust wies ihn als Flugzeugführer aus, und zwei silberne Sterne auf den Schulterklappen zeigten, dass er im Rang eines Oberleutnants stand.

    Heute war der erste Tag in seinem Leben als Jetpilot auf einem Stützpunkt der deutschen Luftwaffe. Begonnen hatte es damit, dass er an der Bundeswehrhochschule in Neubiberg Luft- und Raumfahrttechnik studiert hatte und als Diplomingenieur in die Ausbildung zum Jetpiloten eingetreten war. Die komplizierte Theorie des Pilotentrainings, der Aerodynamik, der Triebwerkskunde, der Flugzeugelektrik und -hydraulik, der Waffensysteme oder der Meteorologie hatten ihm daher nie Schwierigkeiten bereitet. Bei der Vorauswahl hatte er als Bester seines Kurses abgeschnitten und war für das Top-Training in Arizona ausgewählt worden. Weit vor seinen amerikanischen Lehrgangskameraden ging er dort aus allen fliegerischen Kursen als Erster hervor. Lieutenant Axel Kerner flog wie ein junger Gott. Er hätte zum beneideten Star avancieren können, zum Leitbild seiner Generation – wenn er sich den Tücken der amerikanischen Drillmethoden besser hätte anpassen können. Die Amerikaner wollten damit auf ihre Art die militärische Disziplin zementieren. Aber Axel Kerner empfand die kleinliche Art und Weise, in der sie es taten, schlichtweg als Schikane.

    Als sein Fluglehrer ihn kritisierte, weil seine Fliegerstiefel nicht auf Hochglanz poliert waren, und Axel mit der hämischen Bemerkung »Ja, wenn es denn den Kampfwert steigert« den Mangel behob, wäre

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