Mehr Bürgergesellschaft wagen: Über repräsentative Demokratie, Bürgersinn und die Notwendigkeit des Erinnerns
Von Joachim Gauck
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Buchvorschau
Mehr Bürgergesellschaft wagen - Joachim Gauck
30
KLEINE REIHE Theodor-Heuss-Gedächtnis-Vorlesung 2013
Bundespräsident Joachim Gauck
Mehr Bürgergesellschaft wagen
Über repräsentative Demokratie, Bürgersinn und die Notwendigkeit des Erinnerns
STIFTUNG
BUNDESPRÄSIDENT -
THEODOR - HEUSS -
HAUS
Mehr Bürgergesellschaft wagen
BUNDESPRÄSIDENT JOACHIM GAUCK
Mehr Bürgergesellschaft wagen
Über repräsentative Demokratie, Bürgersinn und die Notwendigkeit des Erinnerns
Eine Gedächtnisvorlesung darf vieles sein: Erinnerung und Dank, Bühne für Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Als Bürger Gauck hätte ich vielleicht eine Freiheitsrede gehalten auf Theodor Heuss, den großen Liberalen. Nun aber komme ich zu Ihnen als Bundespräsident. Ich komme mit großer Freude und rede nicht einfach nur als Bürger Gauck, sondern als Amtsnachfolger jenes Mannes, der einmal sagte: »Ich gebe keine Richtlinien, ich gebe Atmosphäre.«[1]
Damit bin ich nicht ganz zufrieden, mit dieser Selbsteinschätzung. Ich verbuche sie unter schwäbischen Humor. Theodor Heuss war einer jener großen Politiker – das wissen wir doch alle –, der der bundesdeutschen Demokratie den Weg gebahnt hat. Und nicht nur über die Demokratie hat er wichtige Dinge neu vermittelt. Er hat auch für eine Erinnerungskultur geworben, die sich später als etwas herausstellen sollte, das geistiger Besitz eines erneuerten Deutschlands wurde. Weil er für diese Erinnerungskultur ein Fundament gelegt hat, kann ich den Satz mit der Atmosphäre überhaupt nicht akzeptieren. Und wenn ich nachlese, wie er über die repräsentative Demokratie gesprochen hat, dann will ich ebenfalls nicht nur über Atmosphäre sprechen. Schließlich will ich über unsere Bürgergesellschaft nachdenken und darüber, was daraus geworden ist.
I.
Bis zur Gründung der Bundesrepublik hatte Theodor Heuss seine Grundüberzeugungen entwickelt: Er stand zum deutschen Weststaat – anders als viele andere Deutsche damals. Den provisorischen Charakter zu unterstreichen, das hätte für ihn bedeutet, die Handlungsfähigkeit und Autorität dieses neuen Staates zu untergraben. Er befürwortete zudem eine starke Kompetenz des Bundes, denn er fürchtete die Übermacht der Länder. Er warb für eine und vertrat eine repräsentative Demokratie – und er hielt die plebiszitären Elemente angesichts der historischen Situation und