Claude Monet: Band 2
Von Nathalia Brodskaïa und Nina Kalitina
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Claude Monet - Nathalia Brodskaïa
Abbildungsverzeichnis
Die Barke, 1887. Öl auf Leinwand,
146 x 133 cm. Musée Marmottan Monet, Paris.
Sein Leben – Höhepunkte und Krisen
Claude Monet reiste wiederholt, wie auch viele seiner Zeitgenossen und Vorgänger in der Kunst, an die Küste der Normandie. Delacroix und Courbet hatten beide bereits in Étretat gemalt und Monet besaß sogar eines der Aquarelle von Delacroix. Im Zeitraum von 1883 bis 1886 weilte Monet oft in Étretat und malte dort mehrere seiner Seelandschaften. In ihnen wiederholt er einige Male das Motiv der weit in das Meer reichenden felsigen Klippe. Sie ist auch im Moskauer Gemälde zu sehen, das vom Felsen d’Amont in der Nähe vom Haus Payen gemalt wurde.
Am 19. November 1885 schrieb Monet an Alice Hoschedé: „endlich habe ich die Abfahrt der Segelboote in der Gegend des Hauses Payen fertiggemalt." Die farbliche Harmonie dieses Gemäldes ist in seiner Farbenlösung dem von Monet in Belle-Île gemalten Seestück absolut nicht ähnlich. Im Landschaftsbild Felsen von Étretat (1886) herrscht ein goldgelber Ton vor.
Die hellbläulichen und grünlichen Segelboote verleihen dem Gemälde einen neuen Farbakzent, ermöglichen es, die Raumbeziehungen deutlicher zu empfinden.
Monet malte auch früher Ansichten von Étretat. So wird im Musée d’Orsay sein Landschaftsbild Stürmisches Meer in Étretat aufbewahrt, das man den Jahren 1868-1869 zuordnet. In derselben Sammlung befindet sich auch die Ansicht Der Strand von Étretat und das Felsentor d’Amont, die von Monet im Jahre 1883 gemalt wurde.
Es ist ein Brief an Durand-Ruel erhalten geblieben, der am 16. September 1885 in Giverny geschrieben wurde; darin teilt Monet mit, dass der Opernsänger Jean-Baptiste Faure ihn einlädt, bei ihm in Étretat Gast zu sein.
Es ist vollauf möglich, dass Claude Monet solche Einladungen wiederholt nutzte und dass er während einem seiner letzten Besuche in Étretat das Bild gemalt hat. Das Seegemälde im Puschkin-Museum in Moskau steht dem Bild Fischerboote, den Hafen verlassend, besonders nahe, das aus demselben Blickpunkt, jedoch bei anderer Tageszeit und bei anderem Wetter gemalt wurde.
Daniel Wildenstein bezeichnet das Moskauer Bild mit Abfahrt von Fischerbooten in Étretat. Es existiert eine Zeichnung zu diesem Bild. Das Seebad Étretat inspirierte Monet zu zahlreichen Seestücken und Landschaftsmalereien.
Monet war nicht der einzige Maler, der zu dieser Zeit den Norden Frankreichs in der weiteren Umgebung der Stadt aufsuchte, um Motive für seine Gemälde zu finden. Daneben kamen auch Courbet, Pissarro, Manet und Renoir an die Normandieküste. Monet traf sich außerdem regelmäßig mit dem Schriftsteller Maupassant, der in Étretat lebte und den Ort zum Schauplatz mehrerer seiner Kurzgeschichten machte. Die enge Verbindung zwischen Kunst und Literatur und die gegenseitige Beeinflussung der beiden Disziplinen im 19. Jahrhundert wird hieran deutlich.
Olivenhain im Garten Moreno, 1884.
Öl auf Leinwand, 65,4 x 81,2 cm. Privatsammlung.
Antibes von la Salis aus gesehen, 1888.
Öl auf Leinwand, 73,3 x 92 cm.
Toledo Museum of Art, Toledo (Ohio).
Monet hielt in seinen weiteren Werken, die er hier an der französischen Nordwestküste schuf, spektakuläre Aussichten auf das Meer und das Strandleben in all seiner Rauheit fest.
Unter den Steilklippen der verschiedenen Küstenabschnitte richtete sich sein Augenmerk vor allem auf die drei Felsentore Porte d’Aval, Manneporte und Porte d’Amont, dazu die siebzig Meter hohe Felsnadel Aiguille. Aufgrund des großen Interesses zahlreicher, nicht nur zeitgenössischer Künstler an der Normandieküste zählt die Manneporte zu einem der meist festgehaltenen Gesteinsformationen überhaupt.
Monet selbst malte sechs Gemälde der Manneporte, die als ein wichtiger Schritt hin zu seiner Serienarbeit angesehen werden können, darunter die Bilder Das Felsentor La Manneport bei Étretat (Bd. 1, S. 237) und Die Manneporte (Bd. 1, S. 238). Die spektakulären Felsformationen, die sich auf den Bildern entlang der weißen Kreideklippen abzeichnen, machen die Besonderheit dieses Ortes aus.
Hier, nordöstlich von Le Havre, dem Ort seiner Kindheit, dem er immer eng verbunden blieb – 1868 lebte Monet mit seiner zukünftigen Frau Camille Doncieux und dem gemeinsamen Sohn Jean in Étretat und kehrte in den Jahren 1883, 1885 und 1886 hierhin zurück – hielt Monet die Wucht des blaugrünen, teils violetten Wassers und der sich an der Felsküste brechenden Wellen fest, er bannte das teils raue Wetter mit seinen schnellen Wechseln aus Sonnenschein und Bewölkung auf die Leinwand und stellte das Leben der ortsansässigen Fischer und ihre einfachen, am flachen Kieselstrand vertäuten Boote dar wie in Barken von Étretat (Drei Fischerboote) (Bd. 1, S. 199).
Monet nahm meistens mehrere Leinwände gleichzeitig mit an den Strand, wo er dem Lauf der Tageszeiten folgend im Wechsel an den verschiedenen, zuvor begonnen Bildern weiterarbeitete, solange er die gleichen Lichtverhältnisse vorfand.
Anschließend überarbeitete Monet seine Bilder in seinem Atelier. Zusammen genommen schuf Monet in Étretat über fünfzig Bilder.
Im Jahre 1884 reist Monet, nachdem er in Bordighera und Menton war, wieder nach Étretat. Im nächsten Sommer verbringt er dort von neuem einige Monate.
Das Jahr 1886 ist mit einer Reise nach Holland und in die Bretagne verbunden. Von Januar bis April des Jahres 1888 hält er sich an der Mittelmeerküste in Antibes auf, begibt sich darauf nach London und lässt sich dann wieder in Étretat nieder.
In diesen Reisen kann man das Bemühen erkennen, neue Schaffensquellen und neue anregende Motive zu finden. Bei all diesem Hin und Her bleibt Monet aber dem wichtigsten Prinzip seines Schaffens treu – die Natur genau betrachten, sie fühlen und durch eine lebendige und unmittelbare Wahrnehmung wiedergeben.
Die Bucht von Antibes während des Mistral, 1888.
Öl auf Leinwand, 65 x 81 cm. Museum of Fine Arts, Boston.
Antibes vom Notre-Dame-Plateau aus gesehen, 1888. Öl auf Leinwand,
65,7 x 81,3 cm. Sammlung Julia Cheney Edwards, Museum of Fine Arts, Boston.
Die Alpen von der Bucht von Antibes aus gesehen, 1888.
Öl auf Leinwand, 65 x 81 cm. Privatsammlung.
Antibes am Nachmittag, 1888. Öl auf Leinwand, 66 x 82,5 cm.
Schenkung von Samuel Dacre Bush, Museum of Fine Arts Boston, Boston.
Als er nach Bordighera kam und die exotische Natur des Südens sah, schrieb er an Alice Hoschedé: „Bei mir geht alles voran, ich verspüre aber doch einige Schwierigkeiten, diese Palmenbäume quälen mich, außerdem ist es nicht so einfach, das Motiv zu erfassen und es in einem Gemälde festzuhalten, ringsherum ist solch ein dichtes Gestrüpp."
Monets Faszination für die Landschaften des Mittelmeerraumes befand sich während der 1880er Jahre auf ihrem Höhepunkt. Zu dieser Zeit verließ er immer wieder seine angestammten Aufenthaltsorte, an denen er den Großteil seiner bisherigen Werke gemalt hatte, und suchte nach neuen Inspirationsquellen in der Ferne.
Nachdem er bereits an der Côte d’Azur gearbeitet hatte, verließ Monet auf seiner zweiten Reise in den Süden im Jahre 1884 Frankreich, um sich der Schönheit der italienischen Riviera zu widmen, wo auch das Gemälde Die Burg von Dolceacqua entstand.
Es zeigt den kleinen Ort Dolceacqua in Ligurien an der italienischen Riviera mit den Ruinen der Doria-Burg und einer aus dem 14. Jahrhundert stammenden Brücke über dem Flussbett der Nervia, die hier mehr einem kleinen Bach ähnelt. Dolceacqua war der Sitz der mächtigen Doria-Familie, aus der auch der Renaissance-Admiral Andrea Doria hervorging. Der Doria-Klan hatte es als Lehnsgut von der Republik Genua zu deren Hochzeit im 16. und 17. Jahrhundet erhalten.
Die Werke Dolceacqua, die alte Brücke über der Nervia (Bd. 1, S. 222) und Die Burg von Dolceacqua, die Monet innerhalb nur weniger Stunden schuf, gehören zu einer bemerkenswerten Reihe von Gemälden, auf denen Monet dieses Kleinod der italienischen Provinz festhielt. Auf den beiden genannten Bildern hat Monet Dolceacqua mit der Bogenbrücke in der Bildmitte von beiden Ufern der Nervia aus gemalt.
Das Gemälde Dolceacqua, die alte Brücke über der Nervia, auf dessen rechter Seite sich die Burg zusammen mit der kleinen Stadt erhebt, scheint von einem höher gelegenen Standpunkt aus gemalt worden zu sein, während Monet für das Bild Die Burg von Dolceacqua direkt im Flussbett der Nervia gestanden haben könnte. Am äußersten rechten Bildrand lässt sich eine Hauswand erkennen, am gegenüberliegenden Ende der Brücke ragt ein Turm über die übrigen Gebäude. Die Werke unterscheiden sich neben der Motivik und der Perspektive auch leicht in der Farbgebung: hellere Braun- und Grüntöne im letzteren gegenüber dunkleren Nuancen im ersteren.
Das Bild Dolceacqua (Bd. 1, S. 221) zeigt erneut die alte Burg, die von Franzosen und Spaniern im 18. Jahrhundert zerstört wurde und heute maßgeblich zum Charme des kleinen Ortes beiträgt, und die mittelalterliche Brücke.
Der Maler bezeichnete das nahe Ventimiglia gelegene Städtchen einmal als „Juwel der Leichtigkeit". Monet begeisterte sich an der rauen Schönheit des italienischen Hinterlandes, der leuchtenden Kraft der Sonne und der wilden Natur.
Das Haus des Gärtners in Antibes, 1888.
Öl auf Leinwand, 66,3 x 93 cm. Cleveland Museum of Art, Cleveland.
Das Esterel-Gebirge, 1888. Öl auf Leinwand,
65 x 92 cm. The Samuel Courtauld Trust, London.
Seine faszinierende Ursprünglichkeit, die Monet zu dieser großartigen Gemäldeserie inspirierte, hat das Dorf bis heute nicht eingebüßt. Das Auge des Betrachters erkennt die ganz eigene Stimmung dieses Ortes und ist eingenommen von dem Können und der Kreativität Monets, dem es gelingt, diese ganz besondere, dem Motiv innewohnende Form der Helligkeit und der Wärme zu vermitteln.
Doch Monet arbeitete auf seiner Italienreise nicht nur in diesem kleinen Ort, sondern auch in der weiteren Umgebung, die er in beeindruckenden Seelandschaften mit weitem Himmel und Blick auf die Alpen festhielt. Außerdem malte er Ansichten der Stadt Ventimiglia und das Nervia-Tal, dessen atmosphärische Schönheit sich auf den Werken Monets offenbart.
Die unvergleichliche Vegetation, das einzigartige Licht, das die intensivsten Farben bereithält, und das nicht allzu weit entfernte Mittelmeer lieferten eine Umgebung, in der der Maler unzählige Quellen der Inspiration fand.
Das Gemälde Nervia-Tal (Bd. 1, S. 223) zeigt eine karge Landschaft, über der sich die imposanten Gipfel der Alpen erheben. Im Bildmittelgrund erstreckt sich ein dünn bewachsener Streifen, der in eine steil ansteigende Hügellandschaft übergeht. Die Nervia ist im linken unteren Bildteil nur leicht angedeutet und fügt sich farblich in das von Blautönen bestimmte Bild ein.
Monet malte seine Werke hierbei im typisch impressionistischen Stil, aber unter dem Einfluss seiner eigenen Feinfühligkeit und mithilfe einer brillanten Farbpalette, die die Gegend an der italienischen Riviera auf eine besondere Weise wiedergibt.
Im Anschluss an seine Zeit in Italien kehrte Monet wieder an die Orte seiner früheren Schaffensjahre zurück, fand allerdings auch stets neue Plätze, wie London oder Rouen, wo er zwei seiner berühmtesten Serien fertigstellte, und ging daraufhin im ersten Jahrzehnt