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Landschaftsmalerei
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eBook478 Seiten3 Stunden

Landschaftsmalerei

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Über dieses E-Book

Obwohl die Landschaftsmalerei lange Zeit als Untergenre angesehen wurde, ist sie doch über ihre Vorgänger – die religiöse
und historische Malerei – hinausgewachsen und hat sich zu einem eigenen Genre entwickelt. Giorgione in Italien, die
Brueghels der Flämischen Schule, Claude Lorrain und Poussain der Französischen Schule und Turner und Constable in
England sind nur einige wenige großartige Landschaftsmaler, die die Geschichte der Landschaft und die Kunst der Malerei
geprägt haben.
Nachdem sie lange Zeit nur als Hintergrund oder als Zeichenübung gedient hatte, wurde die Natur als eigener
Gegenstand betrachtet und als Veranschaulichung einer aufgeklärten und wissenschaftlichen Studie der Welt in die
Kunstwerke integriert. Durch ständige Veränderungen inspirierte sie die wichtigsten Maler und erlaubte einigen, wie zum
Beispiel Turner, die unerbittliche Suche nach bloßem Realismus in bildlicher Darstellung zu überwinden.
Émile Michel zeigt uns in diesem Buch das außergewöhnliche Panorama der Kunst vom 15. Jahrhundert bis heute und
wie diese Künstler die Welt in all ihrer Pracht darstellen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Sept. 2015
ISBN9781783105991
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    Buchvorschau

    Landschaftsmalerei - Émile Michel

    Abbildungsverzeichnis

    Pieter Bruegel der Ältere, Die Elster auf dem Galgen

    (oder Tanz unter dem Galgen) (Detail), 1568.

    Öl auf Eichenholz, 45,6 x 50,8 cm.

    Hessisches Landesmuseum, Darmstadt.

    Einleitung

    Dieses Buch hat bei weitem nicht die Absicht, die gesamte Geschichte der Landschaftsmalerei zu erzählen, sondern wird lediglich versuchen, eine Vorstellung sowohl von ihrer Entstehung im 16. Jahrhundert bis zum Beginn des Impressionismus als auch der verschiedenen Künstler sowie der Wichtigkeit, die jedem Werk dieses Genres beigemessen wird, zu geben.

    Diese Untersuchung beginnt in moderneren Zeiten, denn in der Antike hat die Nachahmung der Natur eine eher unbedeutende Rolle gespielt, deshalb kann diese Epoche für die Landschaftsmalerei auch nicht als richtungsweisend betrachtet werden. In Griechenland findet man den Anthropomorphismus der Religion sowohl in der Kunst als auch in der Literatur, und in den bildhauerischen Werken dieser großen Epoche entdeckt man nur sehr selten einen Baumstamm oder einen Felsbrocken, um den sich Wein oder Efeu ranken.

    Auch wenn in den Gemälden der römischen und kampanischen Villen die Landschaften teilweise einen sehr wichtigen Platz einnahmen, erfüllten sie dort doch meist einen eher dekorativen Zweck, und die dort vereinigten malerischen Elemente scheinen nur auf zufällige Weise miteinander verbunden worden zu sein. Man sollte im Übrigen nicht vergessen, dass es sich hier um anonyme und sekundäre Arbeiten handelt, deren leichte Ausführung zwar eine gewisse Geschicklichkeit aufweist, die aber nichts mit der vertrauten Interpretation der Natur gemeinsam hat, in der alle Details dem Erscheinungsbild des Werkes zugute kommen und seinen Eindruck verstärken.

    Es wird auch nicht darüber gesprochen werden, wie die Landschaftsmalerei im fernen Orient ausgeübt und verstanden wurde. Wenn man bedenkt, dass in den japanischen Alben, vor allem in denen von Katsushika Hokusai (1760-1849), die Motive mit scharfer und lebendiger Genauigkeit wiedergegeben werden, muss man zugeben, dass diese flüchtigen Entwürfe und Musterzeichnungen, die keinerlei Modell zur Grundlage hatten, ohne die mehr oder weniger großen Unterschiede in der Fertigkeit mit spiritueller Leichtigkeit die gleiche Vorgehensweise besitzen. So bezaubernd sie auch sind, sie zeigen weder den persönlichen Charakter der Originalität noch die reiche Vielfalt der Empfindungen, die man bei den Meistern der westlichen Malerei so bewundert. Wir werden uns deshalb auf letztere beschränken.

    Es wird nicht verwundern, dass es unter ihnen einen Großteil von Malern gibt, die nicht ausschließlich Landschaftsmaler waren. Neben Claude Lorrain (1600-1682), Salomon van Ruysdael (um 1600-1670), John Constable (1776-1837), Jean-Baptiste Camille Corot (1796-1875), Jean-Jaques Rousseau (1712-1778) und Charles François Daubigny (1817-1878) gab es eine ganze Reihe großer Künstler, die sich aller Kunstgattungen bedienten. Dazu gehörten etwa Jan van Eyck (um 1390-1441), Albrecht Dürer (1471-1528), Tiziano Vecellio, genannt Tizian (um 1477 oder um 1490-1576), Peter Paul Rubens (1577-1640), Nicolas Poussin (1594-1665), Diego Velázquez (1599-1660) und Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606-1669). Sie haben in diesem Band durch ihr Talent, mit dem sie die Natur und ihre Schönheiten zum Ausdruck gebracht haben, den ihnen gebührenden Platz gefunden.

    Um sie besser zu verstehen, werden sie in ihren Werken und nach den Ländern untersucht, in denen sie lebten. Es wird versucht, die wiedergegebenen, wirklich bedeutungsvollen Merkmale und die in ihre Übertragungen eingeflossene mehr oder weniger große Offenherzigkeit aufzuspüren. Man kann einen Lorrain oder einen Poussin erst dann richtig verstehen, wenn man Italien gesehen hat, und so unterschiedlich die beiden auch sein mögen, man kann davon überzeugt sein, dass beide von derselben Natur inspiriert wurden.

    Auch in den Niederlanden entdeckte man nach und nach die schlichten Motive, aus denen van Ruysdael, Vincent van Gogh (1853-1890) und Adriaen van de Velde (1636-1672) die getreuesten und poetischsten Bilder geschaffen haben. Bei ihrer Wiederentdeckung stößt man in den Gegenden, in denen sich ihr Talent entwickelte, mehr als einmal auf ihre Wohnorte und manchmal sogar auch auf die Plätze, an denen sie gesessen haben.

    Was die Moderne betrifft, so ist es ein wenig beneidenswertes Privileg dieser Zeit, sich nur mit dem Großteil der Landschaftsmaler beschäftigt zu haben, die die französische Schule des 19. Jahrhunderts berühmt gemacht hat. Etliche Einzelheiten, die hier über sie berichtet werden, über ihre Karriere, die Vorstellungen von ihrer Kunst, stammen von ihnen selbst oder ergaben sich durch Befragungen ihrer Freunde und Bekannten.

    Häufige Vergleiche unähnlicher Werke haben den Wunsch geweckt, die unterschiedlichsten Komplimente miteinander in Einklang zu bringen und das Talent überall wiederzuentdecken.

    Kapitel I

    Meister der Landschaftsmalerei in Italien

    Canaletto (Giovanni Antonio Canal), Padua, Brentakanal und

    Porta Portello (Detail), um 1741-1742. Öl auf Leinwand,

    62 x 109 cm. National Gallery of Art, Washington, D.C.

    Leonardo da Vinci, Mona Lisa

    (auch La Gioconda), 1503-1506.

    Öl auf Pappelholz, 77 x 53 cm.

    Musée du Louvre, Paris.

    Raffael (Raffaello Sanzio), Madonna mit Jesuskind und

    Johannesknabe (Die schöne Gärtnerin), 1507-1508.

    Öl auf Holz, 122 x 80 cm. Musée du Louvre, Paris.

    Erste Landschaftsbilder in der christlichen Kunst

    Mosaike und Miniaturmalereien

    Die Landschaftsmalerei erscheint in der christlichen Kunst erst relativ spät, und ihre Rolle wurde für lange Zeit recht gering eingeschätzt. Deswegen spricht man kaum von ihren bescheidenen Anfängen, und daher einige Worte dazu vorab, um die Unbeholfenheit ihrer ersten Versuche aufzuzeigen. In den Mosaiken wie auch in den urtümlichen Miniaturmalereien haben die pittoresken Naturelemente bereits früh einen ansehnlichen Platz eingenommen, aber diese rein dekorativen Elemente wurden auf eine derart unzureichende Weise wiedergegeben, dass die Maler es für unumgänglich hielten, die Bezeichnung des gemalten Gegenstands neben ihre bildlichen Darstellungen zu schreiben.

    In der langanhaltenden und tiefgreifenden Dunkelheit, die sich danach über die Welt der Malerei legte, sind die Merkmale der Innovation so selten und so verschwommen, dass es fast unmöglich ist, sie von den hinterlassenen Trümmern vergangener Zivilisationen zu unterscheiden. Es könnte sogar sein, dass die Kunst während der verlustreichen Kriege dieser Jahrhunderte völlig unterzugehen drohte, bis der menschliche Glaube schließlich den strengen und unbeugsamen Formalismus der vorangegangenen Epochen überflügelte.

    Die lange Zeit als Feind angesehene Natur offenbarte dem empfindsamen und aufmerksamen Gemüt des heiligen Franziskus (1181/1182-1226) ihre Schönheiten. In der Tiefe seiner Einsamkeiten, zu denen er sich hingezogen fühlte, sprach Gott zu ihm, und er erkannte auch in den niedrigsten Kreaturen das Werk des Schöpfers und pries es mit derart ergreifenden Worten, wie sie die Welt bis dahin noch nicht gehört hatte.

    Der Gelehrte Frédéric Ozanam (1813-1853) war sogar der Ansicht, dass die Basilika von Assisi, das verehrte Heiligengrab, zur Wiege einer neuen Kunstrichtung wurde, denn es war in Assisi, wo Giotto di Bondone (1266-1337) der Malerei bis dahin unerforschte Wege bereitete. Die Landschaft spielt in seinen Werken zwar zweifellos eine eher zweitrangige Rolle, und die Rückkehr zur direkten Beobachtung der Natur offenbart sich vor allem in seinen genauen Studien des menschlichen Körpers. Aber das Bedürfnis nach Wahrheit drängte ihn, in seinen Kompositionen die verschiedenen Umgebungen genauer darzustellen und viele malerische Details einfließen zu lassen, die seine Vorgänger außer Acht gelassen hatten: architektonische Erscheinungen oder Felsen in merkwürdigen Farben und Formen mit in den Zwischenräumen auftretenden Bäumen oder Buschwerk. Die Perspektive ist noch sehr naiv; die Proportionen der Gegenstände wurden fast gar nicht beachtet: die zu zwergenhaften Häuser könnten die danebenstehenden Menschen kaum beherbergen, das Kolorit ist glanzlos und eintönig und die übermäßig vereinfachten Formen bleiben eher rudimentär.

    Während die Bildhauer, insbesondere Lorenzo Ghiberti (um 1378-1455), in ihren Werken einen Großteil der Natur darstellten und dies mit ebenso viel Anmut wie Genauigkeit taten, ahmten die Nachfolger Giottos sich lange Zeit gegenseitig nach. Schritt für Schritt entwickelte sich durch das Studium der Proportionen des menschlichen Körpers jedoch die Praxis der Anatomie, und somit erhielt durch eine genauere Kenntnis der Gesetze der Perspektive auch die Landschaftsdarstellung mehr Präzision. Die feine und sensible Beobachtung der innersten Schönheiten der Natur wurde schrittweise mit der Komposition der beliebtesten Themen der umbrischen Maler verknüpft und verlieh ihnen zunehmenden Charme.

    Correggio (Antonio Allegri da Correggio),

    Jupiter und Io, um 1531. Öl auf Leinwand,

    162 x 73,5 cm. Gemäldegalerie,

    Kunsthistorisches Museum Wien, Wien.

    I - Michelangelo Buonarroti

    Landschaftsdarstellungen wurden für gewöhnlich nur als Accessoires betrachtet. Sie konnten als Zusatz dienen, am Ausdruck mitwirken oder ihn vervollständigen, die Hauptrolle übernahm jedoch immer die Figur, die zumindest für die Meister der Renaissance der zulässige, von ihnen so unterschiedlich ausgeführte Lehrsatz war, der somit zur Vielfalt ihrer Genies beitrug. Im Werk von Michelangelo Buonarroti (1475-1564) ist die Landschaft sogar überhaupt nicht vorhanden. In seinen grandiosen, die Mauern und Gewölbe der Sixtinischen Kapelle schmückenden Kompositionen tauchen nur selten mal ein Fetzen Himmel, ein Gebüsch oder die Ecke eines Felsens auf - der Mensch bleibt darin das einzige Objekt.

    II - Leonardo da Vinci

    Leonardo da Vinci (1452-1519) dagegen, neugierig wie er nun einmal war, stand den Studien der Natur überhaupt nicht gleichgültig gegenüber. Mit dem Geist eines Gelehrten beobachtete er und mit der Seele eines Künstlers liebte er sie. Die Gesetze des Lichts, der Perspektive, die Strömung des Wassers, die Formation der Wolken, das unterschiedliche Wachstum der Bäume oder der Pflanzen beschäftigten ihn abwechselnd. Jedes Jahr im Frühling fand er eine kindliche Freude daran, die von seinen Spaziergängen mitgebrachten Blumen zu zeichnen und darin die ersten Entwürfe des Bacchus (1511/1515; Paris, Louvre), des Heiligen Johannes der Täufer (1513/1516; Paris, Louvre) oder der Heiligen Familie (1640; Paris, Louvre) unterzubringen. Ohne jedoch nur von der schönen Gestaltung der anmutigen Landschaften zu träumen, malte er hinter der Mona Lisa (1503/1505) die Engpässe regellos aufgetürmter Felsen, gewundene Straßen und bedrohliche, überall herausragende, den Horizont scheinbar verschließende Bergspitzen. Diese ganze verlassene Gegend ist ein eloquenter Kommentar der Schönheit dieser seltsamen Gestalt und der katzenhafte Ausdruck ihres Blickes und Mundes.

    III - Raffael

    Raffaello Sanzio, meist nur Raffael genannt (1483-1520) verstand es, den von ihm behandelten unterschiedlichen Themen den bestmöglichen malerischen Rahmen zu verleihen und ging damit weiter als Leonardo da Vinci. Für Raffael ist die seine Themen umgebende Landschaft im Gegensatz zu seinem Meister Perugino (1445/1448-1523) keine beliebige, zufällig aus der Natur ausgeschnitten Scheibe ohne Bezug zu den dargestellten Themen.

    Die von Perugino hinter seinen Madonnen ins Bild eingebrachten Perspektiven wurden von Raffael klar umrissen. Er begrenzte sie auf die richtigen Proportionen und machte sie durch ausgewählte, die Bedeutung noch betonende Details interessant. Ton und Linienführung sind gut getroffen, alles um die auch La Belle Jardinière (Die schöne Gärtnerin, 1507) genannte Jungfrau ist zart und unschuldig: der Morgenhimmel, vor dem sich ihre blonden Haare und ihr junges Gesicht abzeichnen, der bläuliche Horizont, der die durch das kristallklare Wasser aufgelockerte ruhige Ebene eingrenzt sowie der sich unter ihren nackten Füßen erstreckende, von den frühlingshaften Blumen duftende Boden: Freesien, wilde Geranien und blühende Akeleien. Man ist entzückt über die gelungene Stimmigkeit der Landschaft mit einem Kompositionscharakter, der so vielfältig ist wie in Raffaels Fresken La Dispute du Saint (1509), Sacrement (1509), Der Parnass (1510/1511) im Apostolischen Palast der Vatikanstadt oder in Der wunderbare Fischfang (1515).

    Raffael (Raffaello Sanzio), Der wunderbare Fischfang, um 1515-1516.

    Darstellung einer Erzählung nach Lukas 5, 1-11. Gouache auf

    Papier auf Leinwand, 32 x 39 cm.Victoria & Albert Museum, London.

    IV - Andrea Mantegna

    Nach Raffael geriet die Umbrische Schule, die sich zu voller Blüte entwickelt hatte, schnell wieder in Vergessenheit. Aber in diesem privilegierten Land war die Kunst weit davon entfernt, erschöpft zu sein. Ihre sich zunächst auf Mittelitalien beschränkende und konzentrierende kreative Aktivität breitete sich Schritt für Schritt auch nach Norden aus, wo sie das Zeitalter der großen Meister verlängerte und neue Meisterwerke hervorbringen sollte.

    Einer der Originellsten unter den Vorläufern und der mit dem vielleicht größten Einfluss auf seine Zeitgenossen war der in Vicenza geborene Andrea Mantegna (1431-1506). Ebenso naturverliebt wie von der Antike begeistert, brachte er in einem sehr persönlichen Stil alles mit seinem Talent in Einklang, was über das Altertum bekannt war und das hartnäckige Studium der Realität ihn gelehrt hatte. Er ist die lebendige Reinkarnation des Strebens nach der Renaissance.

    In der von ihm angestrebten Synthese der Universalität der Dinge zeigte sich die Kraft stärker als die Anmut, und neben seinen großartigen Voraussagen und seinen grandiosen Inspirationen enthält seine einflussreiche und sittenstrenge Kunst doch so viel Raues und Schreckliches. Mantegna hatte jedoch auch eine milde Seite, und bei einer Miteinbeziehung der Natur forderte er diese ein. Hinter seinen noch strengen und ernsten Madonnen brachte er gern geflochtene Blatt- oder Obstgirlanden ein; oder, wie in Der Parnass (1497), lässt er uns durch die bizarren Ausschnitte der ins Bild hineinragenden Felsen flüchtig eine reiche Landschaft mit darin eingestreuten Häusern und Schlössern sehen.

    V - Correggio (Antonio Allegri da Correggio)

    Dieser etwas zusammenhanglose Detailreichtum und die in den gereiften Werken Mantegnas festzustellende minutiöse Vollendung verbinden sich bei ihm zu einem malerischen Ganzen. Und doch, obwohl er zeitlich sehr nah an Antonio da Correggio (um 1489-1534) liegt, kann man jene freiere, weitere und wahrhaftere Interpretation der Natur bei ihm bis zum letzten Bild feststellen. So hart, herb, gewaltig und kompliziert der Maler Mantegna ist, so einfach, voller Maß und Anmut ist der Meister von Parma. Bei Correggio taucht die schöne Natur unter einem heiteren Himmel auf. Die aufgelockerten wellenartigen Konturen, die ein sattes, aber zartes Licht aufweisen, haben das grelle Tageslicht ersetzt und die kantigen Silhouetten sowie die strengen Linien des Primitiven aufgehoben. Das schon bei Leonardo da Vinci zu ahnende Chiaroscuro wird bei Correggio zu einem die Mittel der Malerei erneuernden Ausdruckselement.

    Die aus der Mythologie entlehnten Episoden entsprachen dem Charakter seines Talents mehr als religiöse Themen: etwa die in eine Wolke eingehüllte Io (um 1531) oder Leda mit dem Schwan (1531; Berlin, Staatliche Museen zu Berlin) mit der im Wasser herumtollenden und von Schwänen gejagten vergnügte Truppe. In Jupiter und Antiope (um 1523; Paris, Louvre), einem seiner Meisterwerke, ist es die schlafende Nymphe, deren schöner Körper von Jupiter entdeckt wird, über den die weiße Wolke hinwegzieht; die Eiche, in der der Wind die Blätter bewegt, wirft ihre Schatten und Spiegelungen auf ihn, so als wollten sie die Schönheiten noch steigern.

    Dank dieser Harmonie zwischen Mensch und Natur bietet uns der Meister ein Zusammenspiel aus Farben und wunderbaren Formen, die das Auge entdeckt und von denen es sich nur schmerzvoll abwenden kann. So weitreichend die Naturmalerei von Correggio auch war, so waren es doch erst die Meister der Schule von Bologna, mit denen die Landschaftsmalerei ihren Höhepunkt fand. Außer dem Porträt, das durch die direkte Imitation der Natur aufrecht erhalten wurde und eine Zeit lang noch eine gewisse Vorreiterstellung hatte, gingen die übrigen Kunstrichtungen nach ihrer Hochphase schnell im Rest von Italien unter.

    VI - Die Carraccis

    Gegen eine solche Abnahme der Kunst versuchten die Brüder Agostino Carracci (1557-1602) und Annibale Carracci (1560-1609) mit einer Erneuerung auf die Bologneser Schule zu reagieren. Die Neuerer waren weit davon entfernt, den Wert der ihnen vorangegangenen Meister zu verkennen und sprachen ihnen gegenüber ihre Bewunderung aus, und ohne zu behaupten, sie in einigen von ihnen exzellent beherrschten Dingen zu übertreffen, hatten sie doch den Ehrgeiz begriffen, die speziellen Eigenheiten auf harmonische Weise in Einklang zu bringen, die die Überlegenheit eines jeden von ihnen ausmachte.

    Auch wenn der Mensch das Hauptobjekt ihrer Studien blieb, hatten die Carraccis verstanden, welch positive Auswirkungen die Landschaft auf ihre Kompositionen haben konnte und boten ihr demnach viel Platz. Annibale, der jüngere der beiden Brüder, der allein damit beauftragt war, die Ausführung der Malereien in Bologna und im Palazzo Farnese durchzuführen, war noch nicht erfahren genug, um der Landschaftsmalerei eine persönliche Note zu verleihen. Im Hinblick auf das ideale Abstraktum verband er im selben Werk die unterschiedlichsten Einzelheiten mit bedauerlicher Einfachheit, und in Ermangelung an Neuerungen verfiel er immer wieder in dieselben Formen und Töne.

    Seine Werke hinterlassen beim Betrachter nur Verwirrung, und wenn man sich vor einem seiner Werke befindet, glaubt man gern, es schon einmal gesehen zu haben. Zwei große Bilder, Die Jagd (1585/1588; Paris, Louvre) und Der Fischfang (1585/1588), verdienen es jedoch, besonders hervorgehoben zu werden, vor allem das letztere, in dem der vom Anblick einer ähnlichen Szene zweifellos beeindruckte Maler es geschafft hatte, die verschiedenen Episoden geschickt zu verbinden. Wenn es diesen Bildern auch an einem tieferen Sinn für die Natur fehlt, so sind sie zumindest hinsichtlich ihrer Anordnung, ihres Ausmaßes und der Gewandtheit und Sicherheit ihrer Ausführung sehr dekorativ.

    Andrea Mantegna, Der Parnass (Mars und Venus), 1497.

    Tempera auf Leinwand, 159 x 192 cm. Musée du Louvre, Paris.

    Annibale Carracci, Der Fischfang, um 1585-1588.

    Öl auf Leinwand, 136 x 255 cm. Musée du Louvre, Paris.

    Die Venezianische Schule

    Nichtsdestotrotz sollte aber Venedig als die wahrhafte Wiege der Landschaftsmalerei angesehen werden. Allein die Lage der Stadt scheint ihr schon dieses Privileg zu gewähren. Während im Mittelalter die meisten italienischen Städte einen sehr begrenzten Horizont vor sich hatten, fiel der Blick in Venedig auf jeder Seite auf das Meer und in der Ferne auf die weite Ebene des von den Gipfeln der Alpen beherrschten Festlands. Die Stadt selbst ist eine Augenweide, die Kunst hatte jedoch erst spät auf diesen Ruf der Natur reagiert. Venedig war, um seine außergewöhnliche Existenz zu sichern, lange Zeit damit beschäftigt, alle möglichen Mühsale zu bewältigen und deshalb an der großen künstlerischen Erneuerungswelle in Zentralitalien unbeteiligt gewesen. Aber mit dem Wohlstand, den seine mutigen Unternehmungen eingebracht hatten, spürte die Stadt, dass ihre Kunst der Höhepunkt ihres Reichtums war und nahm schnell die Lehren der anderen Schulen an, die diese sich nur durch Herantasten und wiederholte Bemühungen angeeignet hatte.

    Freier von den auf ihren Künstlerkollegen lastenden hieratischen Formeln, brachten die venezianischen Meister originellere Richtungen in die Praxis der Malerei ein. Zur selben Zeit ließ ein ständiger Austausch mit den Künstlern des Nordens sie aufmerksamer für die Schönheiten der Natur werden, wobei das Verfahren der Ölmalerei ihnen Techniken bot, die ihren Arbeiten eine besondere Leuchtkraft verlieh.

    I - Giovanni Bellini

    Das überragende Talent und die Offenheit Giovanni Bellinis (um 1430-1516), des jüngsten Sohnes von Jacopo Bellini (um 1400-um 1470/1471), müssen für die Leitung der Schule ausschlaggebend gewesen sein. Seine frühen Werke wurden mehr als einmal mit denen seines Schwagers Andrea Mantegna verwechselt. Es sieht so aus, als wollte er, wie auch sein Schwager, eine nicht ganz so strenge Beziehung zwischen den Charakteristiken der dargestellten Szenen und der ihm als Schauplatz dienenden Landschaft herstellen.

    In Giovanni Bellinis Gebet Christi im Garten Gethsemane (um 1465) verleiht die malerische Landschaft dem Mitleid erregenden Thema große Ausdruckskraft. Der Künstler versuchte, die dargestellte Episode nicht zu lokalisieren, wobei der hier durch die zerklüftete Landschaft vermittelte Eindruck der Trauer durch den von italienischen Malern bis dahin noch nicht gewagten Effekt des Zwielichts noch verstärkt wird. Einige Wolken an dem von der untergehenden Sonne geröteten Himmel werden von den letzten Strahlen und den dunklen Schatten gefärbt, die sich über die Landschaft legen. Der in ein Gebet vertiefte Jesus steht unweit der schlafenden Apostel. In seiner Einsamkeit und durch die ihn umgebende Stille wirkt er noch viel Mitleid erregender. Im Spätwerk Bellinis sollte die Landschaft eine deutlich wichtigere Rolle spielen. Der Künstler imitierte die Natur mit minutiöser Genauigkeit, suchte in ihr aber nicht mehr die Harmonie als Merkmal seiner Komposition.

    Man möchte bei diesen Vorläufern verweilen und die von ihren Bildern ausgehenden Düfte der Natur einatmen, aber es ist nun an der Zeit, sich die vollständige Entwicklung eines Kunstgenres anzuschauen, für das Bellini den Weg bereitete. Gegen Ende seiner langen Karriere sollte der große Künstler selbst von zweien seiner illustren Schüler beeinflusst werden, er folgte ihnen auf dem Weg, den er ihrem Genie ermöglicht hatte.

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