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Leonardo Da Vinci - Künstler, Maler der Renaissance
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eBook466 Seiten4 Stunden

Leonardo Da Vinci - Künstler, Maler der Renaissance

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Über dieses E-Book

„Dadurch, dass er die Natur und alle für ihre
vollkommene Wiedergabe wichtigen Wissenschaften -
Anatomie, Perspektive, Physiognomie - leidenschaftlich
studierte und klassische Modelle konsultierte, sich
gleichzeitig allerdings die für ihn typische
Unabhängigkeit bewahrte, konnte er bei der
Kombination von Präzision mit Freiheit und von
Wahrheit mit Schönheit nicht fehl gehen. Die raison
d’être und der Ruhm des Meisters beruhen auf dieser
endgültigen Emanzipation, dieser perfekten
Meisterschaft der Modellierung, der Lichtgebung und
des Ausdrucks, dieser Weite und Freiheit. Auch andere
mögen neue Wege gebahnt haben, aber niemand reiste
weiter oder stieg höher als er.“
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Dez. 2019
ISBN9781644618639
Leonardo Da Vinci - Künstler, Maler der Renaissance

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  • Bewertung: 3 von 5 Sternen
    3/5
    I knew next to nothing about the subject, and this book served moderately well as a short introduction. Nuland is most excited about our hero as a student of anatomy, which makes sense as Nuland is a medical doctor. There were interesting bits about the process of preserving the anatomy for dissection; we have it so easy now in biology class.
  • Bewertung: 2 von 5 Sternen
    2/5
    Thin, short and not particularly compelling. I understand that there isn't much biographical information available, and I think Nuland gave it the old college try, but this just didn't work for me.
  • Bewertung: 2 von 5 Sternen
    2/5
    Not what it could have been. Nuland seems as much in thrall of Leonardo that he warns about early in this short biography. Apparently Leonardo was so ahead of his time that any "warts" in his life can be excused. Leonardo may have been the first to do a lot of things, including studies of the human body, but since he didn't finish his project to publish his work, virtually everything had to be rediscovered.Some of Nuland's personal views bleed through more than on more than a few pages.
  • Bewertung: 4 von 5 Sternen
    4/5
    Good but brief look at a fascinating man. I knew he was an artist but I never realized the breadth of his curiosity and his genius.

Buchvorschau

Leonardo Da Vinci - Künstler, Maler der Renaissance - Eugène Müntz

Anmerkungen

Vorwort

Es gibt in den Annalen der Kunst und der Wissenschaft keinen berühmteren Namen als den Leonardo da Vincis. Und dennoch existiert über dieses herausragende Genie keine Biographie, die ihn in all seiner Vielseitigkeit bekannt macht.

Die überwiegende Anzahl seiner Zeichnungen ist niemals reproduziert worden, und kein Kritiker hat es jemals versucht, diese Meisterwerke zu katalogisieren und zu klassifizieren. Ich habe mich zunächst dieser Aufgabe zugewandt. So kann ich, neben anderen Resultaten, der Öffentlichkeit den ersten kritischen Katalog der unvergleichlichen Sammlung von Zeichnungen der Königin von England in Windsor Castle präsentieren.

Der Leser wird in den zahlreichen früheren Schriften zu Leonardo vergeblich nach Details zur Entstehung seiner Bilder, dem Prozess von der ersten Skizze bis zum letzten Pinselstrich suchen. Wie meine Forschungen zeigen, erreichte Leonardo Perfektion nur durch unermüdliche Arbeit. Es lag an seiner mit ungeheurer Sorgfalt durchgeführten Grundlagenarbeit, dass die Madonna in der Felsengrotte, die Mona Lisa (vgl. Vol. II, S. 163) und die Anna Selbdritt so voller Leben sind.

Vor allem aber war eine Zusammenfassung und eine Analyse der künstlerischen, literarischen und wissenschaftlichen Manuskripte gefordert, deren erste vollständige Publikation in unserer Generation von Gelehrten wie Richter, Charles Ravaisson-Mollien, Beltrami, Ludwig, Sabachnikoff und Rouveyre und den Mitgliedern der römischen Akademie der Lincei begonnen wurde.

Ich bin überzeugt, dank einer methodischen Untersuchung dieser Handschriften des Meisters tiefer in das innere Leben meines Helden eingedrungen zu sein als meine Vorgänger. Ich möchte die Aufmerksamkeit des Lesers besonders auf die Kapitel über Leonardos Einstellung gegenüber den okkulten Wissenschaften, über seine literarische Bedeutung, seine religiösen Überzeugungen und moralischen Prinzipien sowie seine – bislang bestrittenen – Studien antiker Modelle lenken.

Ich habe mich ferner bemüht, die Gesellschaft, in der Leonardo lebte und arbeitete, zu beschreiben, vor allem den Hof von Ludovico il Moro in Mailand, jenes faszinierende und anregende Zentrum, das eine so große Bedeutung für die italienische Renaissance hatte. Meine ausgedehnte Lektüre hat mich in die Lage versetzt, bei zahlreichen Bildern und Zeichnungen neue Bedeutungen zu entschlüsseln und den wahren Sinn vieler Notizen in den Manuskripten aufzuzeigen. Ich bilde mir nicht ein, alle Probleme gelöst zu haben. Ein Unternehmen wie das vorliegende erfordert die Zusammenarbeit einer ganzen Generation Gelehrter. Die Bemühungen eines Einzelnen konnten nicht ausreichen. Aber ich kann zumindest beanspruchen, Ansichten, die ich nicht teilen kann, ausgewogen und höflich erörtert zu haben, weshalb ich vom Leser eine gewisse Nachsicht erwarten kann.

Mir bleibt noch die angenehme Pflicht, den zahlreichen Freunden und Menschen, mit denen ich korrespondiert habe, für ihre Hilfe im Verlauf meiner langen und arbeitsreichen Untersuchung zu danken. Sie sind zu zahlreich, als dass ich Sie hier jeweils nennen könnte, aber ich habe mich im Buch selbst bemüht, anzuzeigen, wo ich ihnen etwas verdanke.

EUGÈNE MÜNTZ

PARIS, im Oktober 1898

1. Selbstporträt, ca. 1512. Rötel auf Papier, 33,3 x 21,3 cm. Biblioteca Reale, Turin.

Leonardos Kindheit und seine Ersten Werke

Leonardo da Vinci ist der vollkommenste Vertreter des modernen Intellekts, die großartigste Verkörperung der Hochzeit von Kunst und Wissenschaft: der Denker, der Dichter, der Zauberer, dessen Faszination unerreicht ist. Wir finden beim Studium seiner unvergleichlich vielfältigen Kunst sogar in seinen launenhaften Werken, um Edgar Quintets gelungenen Ausdruck ein wenig abzuwandeln, …die Gesetze der italienischen Renaissance und die Geometrie der universalen Schönheit.

Es ist leider wahr, dass, wenn man die wenigen vollendeten Werke – die Madonna in der Felsengrotte, Das Abendmahl, Anna Selbdritt und die Mona Lisa – einmal ausklammert, Leonardos Errungenschaften als Maler und Bildhauer vor allem in Form großartiger Fragmente vorliegen. Wir müssen uns seinen Zeichnungen zuwenden, um die Zartheit seines Herzens und den Reichtum seiner Vorstellungskraft zu verstehen.

Zwei Abschnitte des menschlichen Lebens scheinen Leonardo besonders fasziniert zu haben: die Jugend und das Alter. Die Kindheit und das Erwachsenenleben scheinen ihn weniger interessiert zu haben. Er hat uns eine ganze Serie von Abbildungen von Jugendlichen hinterlassen, einige träumerisch, andere leidenschaftlich.

Ich kenne in der gesamten modernen Kunst keine Werke, die so frei, großartig und spontan, in einem Wort göttlich sind und die man den Wundern des Altertums gegenüber stellen könnte. Dank Leonardos Genie beschwören diese Gestalten, beflügelt, durchscheinend, aber gleichzeitig im höchsten Sinn wahr, eine Perfektion herauf und transportieren uns auf ihre Ebene. Nehmen wir als Beispiel zwei Köpfe aus dem Louvre. Wenn ich mich nicht irre, illustrieren sie die klassische Schönheit und das Schönheitsideal der Renaissance. Der erste zeigt einen Jugendlichen mit einem Profil, das so pur und korrekt ist wie das einer griechischen Kamee. Sein Hals ist nackt, und in sein langes, kunstvoll gelocktes Haar ist ein Lorbeerkranz geflochten. Der zweite Kopf zeigt denselben Typus, ist aber im italienischen Stil, kraftvoller und lebendiger, gehalten. Das Haar ist von einer kleinen Kappe bedeckt und um die Schultern findet sich eine Andeutung eines bis zum Hals zugeknöpften Wamses. Die Locken fallen natürlich und ungekünstelt. Wer kann in diesen beiden Köpfen nicht den Kontrast zwischen der klassischen, im Kern idealistischen und der Form gewidmeten Kunst und der modernen Kunst erkennen, die freier, spontaner und lebhafter ist?

Leonardos Darstellungen erwachsener Menschen sind kraftvoll und voller Energie und Willen. Sein Ideal ist ein Mann wie eine Eiche. Einen solchen zeigt die Profilansicht in der Royal Library in Windsor, dessen Züge so fest modelliert sind. Diese Zeichnung sollte mit einer anderen desselben Kopfes in jüngerem Alter verglichen werden.

Das Alter wird uns in all seinen unterschiedlichen Aspekten, von der Majestät bis zur Gebrechlichkeit, präsentiert. Einige Gesichter sind bis auf die bloße Knochenstruktur reduziert, in anderen sehen wir den Verfall der Gesichtszüge, die Hakennase, das zum Mund heraufgezogene Kinn, die schlaffen Muskeln, den kahlen Kopf. Das großartigste dieser Bilder ist Leonardos Selbstbildnis: ein kraftvoller Kopf mit durchdringenden Augen unter zusammengezogenen Augenlidern, ein spöttischer Mund mit einem fast bitteren Ausdruck, eine feine, wohlproportionierte Nase, lange Haare und ein langer unordentlicher Bart. Das Ganze erinnert an einen Sternendeuter, wenn nicht gar einen Magier.

Wenn wir uns seiner Darstellung des weiblichen Ideals zuwenden, sehen wir dieselbe Frische und Vielfalt. Seine Frauen sind mal offen, mal rätselhaft, mal stolz, mal zärtlich, ihre Augen blicken träge oder es leuchtet in ihnen ein undefinierbares Lächeln. Und doch war Leonardo, wie Donatello, einer jener außergewöhnlichen großen Künstler, in deren Leben die Liebe zur Frau keine Rolle gespielt zu haben scheint. Während Eros’ Pfeile in der epikureischen Renaissancewelt um den Meister herum niedergingen; während Giorgione und Raffael als Opfer zu leidenschaftlich erwiderter Leidenschaften starben; während Andrea del Sarto seine Ehre der Liebe zu seiner launischen Frau Lucrezia Fedi opferte; während selbst Michelangelo, der nüchterne Misanthrop, für Vittoria Colonna eine gleichermaßen leidenschaftliche wie respektvolle Zuneigung hegte, widmete Leonardo sich vollständig der Kunst und der Wissenschaft und schwebte über den menschlichen Schwächen. Die Freuden des Geistes genügten ihm. Er selbst drückte es deutlich aus: Die schöne Menschheit vergeht, aber die Kunst überdauert. (Cosa bella mortal passa e non arte.)

2. Die Madonna mit der Blume (Madonna Benois), 1475-1478. Öl auf Leinwand, von Holz übertragen, 49,5 x 33 cm. Eremitage, St Petersburg.

3. Cimabue, Thronende Madonna mit acht Engeln und vier Propheten, ca. 1280. Tempera auf Holztafel, 385 x 223 cm. Galleria degli Uffizi, Florenz.

4. Giotto di Bondone, Thronende Gottesmutter mit dem Kind, 1310. Tempera auf Holztafel, 325 x 204 cm. Galleria degli Uffizi, Florenz.

5. Leonardo da Vinci und Andrea del Verrocchio, Madonna mit dem Kind und Engeln, ca. 1470. Tempera auf Holztafel, 96,5 x 70,5 cm. The National Gallery, London.

Kein anderer Künstler war jemals so von seiner Kunst absorbiert wie er, auf der einen Seite von der Suche nach der Wahrheit, auf der anderen Seite von der Verfolgung eines Ideals, das die exquisite Zartheit seines Geschmacks befriedigen sollte. Niemand brachte vergänglichen Gefühlen jemals weniger Opfer dar. In den uns von ihm hinterlassenen 5000 Manuskriptblättern erwähnt er nicht ein einziges Mal einen Frauennamen, außer um mit der Trockenheit eines Naturforschers einen Charakterzug zu benennen, der ihm in einer Person aufgefallen ist: Giovannina hat ein fantastisches Gesicht; sie ist im Hospital in Santa Catarina. Dies ist typisch für seine kurzen Feststellungen.

Uns fällt sofort Leonardos Sorgfalt bei der Auswahl seiner Modelle auf. Er war kein Verfechter der Anerkennung der Natur an sich, sei sie schön oder hässlich, interessant oder unbedeutend. Er widmete sich über Monate hinweg der Suche nach außergewöhnlichen Verkörperungen des Menschlichen. Das Porträt der Gioconda zeigt uns, mit welcher Hartnäckigkeit er sich der Wiedergabe seines Modells widmete, sobald er einen solchen Phoenix gefunden hatte. Es ist zu bedauern, dass er bei der Suche nach wirklich schönen und sympathischen, leuchtenden oder verführerischen Frauentypen weniger engagiert war als bei der nach alten oder jungen Männern oder nach an Karikaturen grenzenden Typen. Es wäre so interessant gewesen, von seiner Hand eine ganze Ikonographie, sei es auch nur in Form einer Serie von Zeichnungen, zu haben – zusätzlich zu den drei oder vier Meisterwerken, auf die er seine Kräfte konzentrierte: die unbekannte Prinzessin aus der Ambrosiana, Isabella d’Este, La Belle Ferronnière und die Gioconda. Wie kam es, dass all die großen Damen der italienischen Renaissance nicht danach strebten, von jenem magischen Pinsel unsterblich gemacht zu werden? Leonardos Subtilität und Hellsichtigkeit prädestinierten ihn eigentlich zum herausragenden Interpreten der Frau. Kein anderer hätte mit einer vergleichbaren Kombination aus Subtilität und Vornehmheit ihre Gesichtszüge abbilden und ihren Charakter analysieren können.

Gleichzeitig erfreute sich, so seltsam dies ist, der Künstler, der die Frau in einer so exquisiten Darstellung verherrlicht hatte, auf Grund einer kuriosen und starken Abscheu daran, die extremen Deformationen jenes Geschlechts zu unterstreichen, dessen wertvollste Mitgift die Schönheit ist. In einem Wort, der Wissenschaftler kam hier in Konflikt mit dem Künstler: Leonardo kontrastiert Frauen in all ihrer jugendlichen Frische mit den Köpfen von Xanthippen und Schwachsinnigen und jeder Form abstoßender Verzerrung. Es scheint fast so, als wollte Leonardo – um eine Idee von Champfleury auszuleihen – dafür einen Ausgleich schaffen, dass er in seinen Bildern so vieles idealisiert hatte. Champfleury ergänzt: Der italienische Meister hat die Frau härter behandelt als die eigentlichen Karikaturisten, denn die meisten von jenen scheinen ihre Liebe zur Schönheit dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass sie die Frau respektieren, während sie den Mann mit ihrem Sarkasmus verfolgen.

Als Bildhauer zeichnete Leonardo sich – nach Verrocchio und Donatello – durch die Wiedererweckung der monumentalen Darstellung des Pferdes aus.

Leonardo war nicht nur Maler und Bildhauer, sondern auch Dichter, und zwar nicht der geringste unter ihnen. Er ist tatsächlich sogar hauptsächlich ein Dichter: zunächst in seinen Bildern, die eine ganze Welt schöner Eindrücke heraufbeschwören, zweitens in seinen Prosaschriften, vor allem in seinem Traktat über die Malerei, den die Welt erst vor kurzem vollständig zu Gesicht bekommen hat. Wenn er die in ihm so stark ausgeprägte analytische Fähigkeit zum Schweigen brachte, erhob sich seine Vorstellungskraft mit unvergleichlicher Freiheit und Leichtigkeit in große Höhen. Statt der professionellen Fähigkeiten, die zu leicht zu Routine degenerieren, finden wir Emotion, Fantasie, Reichtum und originelle Bilder – ebenfalls sehr wertvolle Qualitäten. Auch wenn Leonardo nicht von aktuellen Formeln, von geflügelten und eindrucksvollen Worten, von der Kunst der Kondensation weiß, macht er doch mit seinem angeborenen Charme und durch einen magischen Ausbruch seines Genies großen Eindruck auf uns.

Der Denker und der Moralist sind Verbündete des Dichters. Leonardos Aphorismen und Maximen bilden einen wertvollen Schatz der italienischen Weisheit der Renaissancezeit. Es handelt sich bei ihnen um mit unendlicher Zartheit verbundenen Instinkt, eine grenzenlose Süße und Gelassenheit. So rät er uns einmal, die Studien zu vernachlässigen, da ihre Ergebnisse mit uns sterben, ein anderes Mal erklärt er, dass derjenige, der in einem Tag reich werden will, Gefahr läuft, in einem Jahr gehängt zu werden. Die Eloquenz anderer Gedanken wird nur von ihrer Tiefe erreicht: Wo das meiste Gefühl ist, wird es auch das meiste Leid geben. – Tränen kommen vom Herzen, nicht vom Gehirn. Es ist der Physiologe, der hier spricht; aber welcher Denker wäre nicht auf diese bewundernswerte Definition stolz gewesen! Auch der Wissenschaftler verdient unsere Bewunderung. Es ist kein Geheimnis mehr, dass Leonardo ein Gelehrter von höchstem Rang war, dass er 20 Naturgesetze erkannte, während die Entdeckung nur eines einzigen seinen Nachfolgern zu Ruhm verhalf. Was sage ich? Er erfand die Methode der modernen Wissenschaft und sein späterer Biograph M. Séailles[1] hat ihn zu Recht als den wahren Vorläufer Bacons bezeichnet. Die Namen einer Reihe von Genies - Archimedes, Columbus, Galileo, Kopernikus, Cuvier, Harvey, Newton, Pascal, Lavoisier – sind mit Entdeckungen von größerer Bedeutung verbunden. Aber gibt es einen, der eine solche Vielzahl an angeborenen Begabungen vereinte, der mit einer so leidenschaftlichen Neugier und so großem Erkenntnisdrang so unterschiedliche Wissensbereiche untersuchte; der so erhellende Geistesblitze und eine solch große Intuition für die unbekannten Verbindungen zwischen den Dingen hatte? Wären seine Schriften veröffentlicht worden, hätten sie den Fortschritt der Wissenschaft um ein ganzes Jahrhundert beschleunigt. Wir können seine Bescheidenheit und seine ausgeprägte Abneigung vor der Druckkunst nicht genug beklagen. Während ein Schreiber wie sein Freund Fra Luca Pacioli mehrere Bände in schönen Typen vorweisen kann, veröffentlichte Leonardo, aus Stolz oder aus Furcht, niemals auch nur eine einzige Zeile.

In dieser kurzen Skizze begegnen uns einige der Eigenschaften, die Leonardo Michelangelo und Raffael ebenbürtig und zu einem der führenden Meister des Gefühls, des Denkens und der Schönheit machen.

6. Jacopo Bellini, Die von Leonello d’Este bewunderte Madonna der Demut, ca. 1440. Öl auf Holztafel, 60 x 40 cm. Musée du Louvre, Paris.

7. Madonna mit der Nelke, ca. 1470. Öl auf Holztafel, 62 x 47,5 cm. Alte Pinakothek, München.

8. Andrea Mantegna, Taufe Christi, ca. 1500-1505. Tempera auf Leinwand, 228 x 175 cm. Kirche Sankt Andrea, Mantua.

9. Piero della Francesca, Taufe Christi, ca. 1440-1445. Tempera auf Holztafel, 167 x 116 cm. The National Gallery, London.

Es ist an der Zeit für eine methodische Analyse so vieler Wunder, ich könnte sagen, so vieler tours de force, wäre Leonardos Kunst nicht so gesund und so normal, so zutiefst lebendig. Wir werden damit beginnen, die Herkunft und die frühen Jahre des Zauberers zu beleuchten. Der Maler von Das Abendmahl und La Gioconda, der Bildhauer der Reiterstatue von Francesco Sforza, das wissenschaftliche Genie, das so viele unserer modernen Erfindungen und Entdeckungen vorwegnahm, wurde 1452 in der Umgebung von Empoli am rechten Ufer des Arno zwischen Florenz und Pisa geboren. Die kleine Stadt Vinci, in der er das Licht der Welt erblickte, liegt versteckt in den zahlreichen Wellen des Monte Albano. Auf der einen Seite die Ebene mit dem Fluss – mal fast ausgetrocknet, mal ein lauter gelber Strom; auf der anderen eine der am stärksten gebrochenen Landschaften überhaupt; endlose, mit Häusern bedeckte Hügel und hier und da eine eindrucksvollere Erhöhung, dessen kahle Spitze beim Sonnenuntergang in violettes Licht getaucht ist.

Leonardos Heimat war damals so, wie wir sie noch heute sehen; eher streng als lächelnd oder überschwänglich, eine felsige Gegend, die von Mauern unterbrochen wird, über die, in der Nähe der Häuser, zuweilen der Ast eines Rosenbusches kriecht. Reben und Olivenbäume bilden den Kern der Vegetation. Hier und da erhascht man einen Blick auf ein Haus, eine Hütte oder einen Bauernhof. Aus der Ferne wirkt die Behausung mit ihren gelben Wänden und grünen Fensterläden freundlich, aber im Inneren findet man Nacktheit und Armut – die Wände tragen nur eine einfache Schicht aus rauem Putz und der Boden besteht aus Zement oder Ziegelsteinen. Es gibt nur wenig Mobiliar, und das vorhandene ist ärmlich, während Teppiche oder Tapeten völlig fehlen. Nichts sorgt hier für Bequemlichkeit, geschweige denn für Luxus. Und schließlich existiert keinerlei Vorrichtung gegen die in diesem Landesteil während der langen Wintermonate sehr bittere Kälte.

Auf diesen strengen Höhen ist ein genügsamer, fleißiger und aufmerksamer Menschenschlag aufgewachsen, der von der Nonchalance des Römers, dem Mystizismus des Umbriers oder der nervösen Aufgeregtheit des Neapolitaners unberührt geblieben ist. Die Mehrheit der Menschen arbeitet in der Landwirtschaft, und die wenigen Kunsthandwerker sind allein für den lokalen Markt tätig. Die sich vom Horizont ihrer Dörfer eingeengt fühlenden ehrgeizigeren Geister gehen nach Florenz, Pisa oder Siena, um ihr Glück zu suchen.

Einige moderne Biographen schreiben von der Burg, in der Leonardo zuerst das Licht der Welt erblickte, und sie fügen sogar noch einen der Familie verbundenen Lehrer, eine Bibliothek, in der das Kind zunächst seine Neugier stillte und noch vieles mehr hinzu. Aber all dies gehört – es muss gesagt werden – in den Bereich der Legende und nicht den der Geschichte.

Es gab zwar eine Burg in Vinci, es handelte sich jedoch um eine Festung in florentinischem Besitz. Leonardos Eltern können nur in einem Haus gelebt haben, und zwar einem recht bescheidenen. Wir wissen nicht einmal, ob sich dieses Haus überhaupt innerhalb der Stadtmauern von Vinci oder etwas außerhalb, im Dorf Anchiano befand. Die Dienerschaft bestand aus einer fante, d.h. einer Dienerin, die pro Jahr acht Gulden erhielt.

Wenn es überhaupt eine Familie gab, der die Welt der Kunst fremd war, dann war es die Leonardos. Von seinen fünf Vorfahren väterlicherseits hatten vier die Position eines Notars eingenommen, die diesen würdigen Amtsträgern den dem französischen maitre entsprechenden Titel Ser eingebracht hatte. Es handelte sich um Leonardos Vater, seinen Großvater, den Urgroßvater und den Ururgroßvater. Es muss uns nicht überraschen, dass sich dieser unabhängige Geist par excellence inmitten von staubigen Rechtsbüchern entwickelte. Der italienische Notar entsprach in keiner Weise dem pompösen Schreiber moderner Dramatiker. Im 13. Jahrhundert mangelte es Brunetto Latini, Dantes Meister, sehr an der pedantischen Ernsthaftigkeit, die wir heute mit diesem Berufsstand verbinden. Im folgenden Jahrhundert wurde ein anderer Notar – Ser Lappo Mazzei de Prato – durch seine Briefe berühmt, die im reinsten toskanischen Idiom feurig von den zeitgenössischen Sitten berichteten. Im 15. Jahrhundert schließlich gab der Notar von Nantiporta eine nicht immer erhabene Chronik des römischen Hofs heraus. Wir sollten uns ferner vor Augen führen, dass auch Brunellesco und Masaccio die Söhne von Notaren waren.

Ein besonders interessanter Aspekt der Nachzeichnung von Leonardos Herkunft und seiner familiären Verbindungen ist die bemerkenswerte Schicksalsfügung, dass dieses künstlerische Phänomen aus der Verbindung eines Notars mit einem Bauernmädchen hervorging, und zwar inmitten der normalsten und sachlichsten Umgebung. Bei Raffael kann man gut von der Auswahl der Natur und einer erblichen Veranlagung, von Anregungen durch die Bildung sprechen. Die Wahrheit ist jedoch, dass bei der großen Mehrheit unserer berühmten Künstler die Begabungen und besonderen Fähigkeiten der Eltern keine Rolle spielen und die persönliche Berufung, das geheimnisvolle Geschenk, alles ist. Oh, ihr eitlen Theorien von Darwin und Lombrosco, widerlegt nicht die unerklärliche Erscheinung großer Talente und großer Genies eure Theorien? So wie nichts in der Tätigkeit von Leonardos Vorfahren auf die Entwicklung einer künstlerischen Berufung hinwies, so waren auch der Neffe und der Großneffe des großen Mannes wiederum lediglich einfache Bauern. Auf diese Weise verhöhnt die Natur unsere Spekulationen! Wenn die Anhänger Darwins ihren Plan der Kreuzung auf die menschliche Gattung anwenden könnten, bestünde die große Möglichkeit, dass das Resultat eine Rasse von Ungeheuern und nicht von überlegenen Königen sein würde. Aber auch wenn Leonardos Eltern ihm kein Genie vererben konnten, konnten sie ihm doch zumindest eine gute Gesundheit und ein großzügiges Herz mit auf den Weg geben.

Leonardo muss als Kind seinen Großvater väterlicherseits, Antonio di Ser Piero, der 84 Jahre alt war, als der Junge fünf war, gekannt haben. Auch seine Großmutter, die 21 Jahre jünger als ihr Ehemann war, muss Leonardo gekannt haben. Es gibt über diese beiden Personen keine weiteren Informationen, und ich will offen gestehen, dass ich nicht versuchen werde, die sie umgebenden Rätsel aufzulösen. Es wäre aber nicht zu entschuldigen, wenn ich nicht mit allen Mitteln versuchen würde, zumindest einige charakteristische Eigenschaften ihres Sohnes, des Vaters Leonardos, aufzudecken.

10. Werkstatt von Andrea del Verrocchio, Studie des Engels für die Taufe Christi, ca. 1470. Metallstift und Ocker, 23 x 17 cm. Biblioteca Reale, Turin.

11. Leonardo da Vinci und Andrea del Verrocchio, Taufe Christi (Detail), 1470-1476. Öl und Tempera auf Holztafel, 177 x 151 cm. Galleria degli Uffizi, Florenz.

12. Leonardo da Vinci und Andrea del Verrocchio, Taufe Christi, 1470-1476. Öl und Tempera auf Holztafel, 177 x 151 cm. Galleria degli Uffizi, Florenz.

Ser Piero war bei Leonardos Geburt 22 oder 23 Jahre alt. Er war – wie die existierenden Dokumente trotz ihrer Trockenheit klar belegen – ein aktiver, intelligenter und unternehmungslustiger Mann und der wahre Begründer des Familienvermögens. Er begann klein, baute seine Praxis aber rasch aus und erwarb mehr und mehr Grund und Boden, kurz, er entwickelte sich von einem armen Dorfnotar zu einem wohlhabenden und allseits respektierten Mann. Im Jahr 1498 z.B. sehen wir ihn als Besitzer mehrerer Häuser und verschiedener Grundstücke unterschiedlicher Größe. Nach seiner Vermehrung des Vermögens, seinen vier Ehen, denen eine uneheliche Beziehung vorausging und auch nach seinen zahlreichen Nachkommen zu urteilen, besaß er zweifellos eine lebhafte und überschwängliche Natur. Er war eine jener patriarchalischen Figuren, die Benozzo Gozzoli so treffend auf die Wand des Campo Santo in Pisa malte.

Noch in jungem Alter ging Ser Piero eine Verbindung mit jener Frau ein, die zwar

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